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Islamistische Stimmungsmache in den Sozialen Medien | Infodienst Radikalisierungsprävention | bpb.de

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Islamistische Stimmungsmache in den Sozialen Medien Wie Islamist:innen internationale Konflikte instrumentalisieren

Yasmina Shamdin Hanin El-Auwad

/ 17 Minuten zu lesen

Mit welchen Mitteln betreiben islamistische Initiativen Stimmungsmache in den Sozialen Medien? Welche Konflikte thematisieren sie und wie versuchen sie, diese emotional aufzuladen? Der Beitrag untersucht beispielhaft YouTube- und Instagram-Beiträge der Initiativen "Realität Islam", "Muslim Interaktiv" sowie "Generation Islam" und erörtert dabei insbesondere die verwendeten islamistischen Narrative. Wie die Analyse zeigt, bedienen sich die Kanäle emotional aufgeladener, politischer Konflikte. Durch bestimmte Inszenierungen erschaffen sie das Schwarz-Weiß-Bild "der 'Westen' gegen den Islam", welches sie mit islamistischer Ideologie unterfüttern. Damit erreichen sie auch Menschen, die nicht explizit nach islamistischen Inhalten suchen.

Islamistische Initiativen nutzen Krisen und Konflikte, um islamistische Propaganda in den Sozialen Medien zu verbreiten (Symbolbild). So dienen beispielsweise der Nahostkonflikt oder der Ukrainekrieg als Projektionsfläche für islamistische Agitation. (© Externer Link: Adobe-Stock/Cavan )

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Islamistische Initiativen wie Realität Islam, Muslim Interaktiv oder Generation Islam greifen in ihren Online-Ansprachen gezielt aktuelle gesellschaftliche und politische Themen auf, die besonders in muslimischen Communitys kontrovers diskutiert werden oder von denen sich Menschen muslimischen Glaubens unmittelbar betroffen fühlen können. Neben Beiträgen über Diskriminierungserfahrungen und Islamfeindlichkeit thematisieren diese Gruppen zunehmend militärisch-politische Konflikte wie den Nahostkonflikt oder den Krieg in der Ukraine. Eine ernsthafte inhaltliche Auseinandersetzung zu den Hintergründen dieser Konflikte findet in der Regel nicht statt. Sie dienen islamistischen Gruppen vielmehr als Agitationsfelder, um Einfluss auf die politische Meinungsbildung zu nehmen, neue Anhänger:innen zu gewinnen und islamistische Narrative zu etablieren.

Mit welchen Mitteln gelingt es ihnen, Konflikte emotional aufzuladen und bei ihrem Zielpublikum persönliche Bezugspunkte zu schaffen? Welche Rolle spielt hierbei die Darstellung einer "islamischen Identität"? Für diesen Artikel wurden auf Instagram und YouTube veröffentlichte Beiträge der islamistischen Initiativen Realität Islam, Muslim Interaktiv und Generation Islam ausgewählt, die beispielhaft aufzeigen, wie diese internationalen Konflikte für die eigenen ideologischen Narrative gezielt instrumentalisieren. Des Weiteren geben Zitate aus einzelnen Kommentaren einen ersten Hinweis darauf, dass die Beiträge scheinbar bei vielen Leser:innen auf Zustimmung treffen.

Die Beiträge der drei Initiativen fokussieren sich besonders auf politische und gesellschaftliche Themen und können auch Menschen erreichen, die nicht explizit nach islamistischen Inhalten suchen. So schaffen sie einen niederschwelligen Zugang zu islamistischen Narrativen und Weltanschauungen. Die drei Initiativen erreichen auf den Plattformen YouTube, Instagram und TikTok jeweils mehrere tausend – zum Teil mehrere zehntausend – User:innen. Ihre Relevanz ergibt sich also nicht zuletzt aus ihrer jeweiligen Reichweite.

Online-Ansprache in den Sozialen Medien

Islamistische Gruppierungen verbreiten ihre Botschaften derzeit effektiv auf verschiedenen Plattformen in den Sozialen Medien. Über unterschiedliche Formate, wie Foto- und Video-Beiträge auf Instagram sowie TikTok- und YouTube-Videos, erreichen extremistische Inhalte besonders häufig junge Menschen (Reinemann 2019). Soziale Medien bieten eine effiziente Möglichkeit, durch gezielte Interaktion und Repräsentation Diskursräume für islamistische Positionen und Narrative zu schaffen (Reinke de Buitrago 2022, S. 52-54).

Im Spannungsfeld polarisierender Konflikte wie dem Krieg in der Ukraine oder dem Nahostkonflikt greifen die genannten islamistischen Initiativen dabei gezielt Gefühle von Frustration, Ungerechtigkeit und Angst in ihren Beiträgen auf. Diese Gefühle, die bei vielen jungen Menschen vorhanden sind, werden dann an soziokulturelle und biographische Bezüge muslimischer Heranwachsender geknüpft und mit Narrativen verbunden, die Muslim:innen viktimisieren (Reinke de Buitrago 2022, S. 56-59).

Den eigenen Darstellungen und Deutungen fügen sie – teils subtil, teils offenkundig – ideologische Botschaften bei. Mit ihrem selbstbewussten Auftreten und hohen Sendungsbewusstsein können die Akteure bei jungen Menschen den Anschein erwecken, sie (allein) repräsentierten muslimische Interessen und Positionen im öffentlichen Raum.

Dieses Auftreten kann besonders jungen Menschen mit Migrationsgeschichte, die sich in gesellschaftlichen Debatten häufig nicht repräsentiert oder wahrgenommen fühlen, imponieren. Im Folgenden wird anhand von Beispielen analysiert, welche (stilistischen) Mittel die islamistischen Initiativen dazu einsetzen.

Der israelisch-palästinensische Konflikt: Projektionsfläche für islamistische Agitation

Der israelisch-palästinensische Konflikt ist aufgrund seiner weitreichenden historischen und religiösen Bedeutung besonders in islamisch geprägten Ländern ein beliebtes Motiv politischer Propaganda (Hintergrund-Informationen zum Nahostkonflikt finden Sie im bpb-Beitrag "Interner Link: Nahost"). Auch wird er von islamistischen Akteur:innen wiederkehrend als Projektionsfläche und Nachweis für verschiedene Verschwörungserzählungen eines "globalen Krieges gegen den Islam" genutzt (Riekenbacher 2018).

Zwischen historisch verhärteten Fronten, politisch-religiösen und ethnisch-identitären Spannungen sowie wiederkehrenden militärischen Eskalationen bieten sich vielfältige Konfliktlinien, die von islamistischen Gruppen für die eigenen Interessen nutzbar gemacht werden. Besonders bei muslimischen Heranwachsenden, die sich auf Grund biografischer Einflüsse oder durch das soziale Umfeld persönlich vom Nahostkonflikt betroffen fühlen, können solche Beiträge eine Hinwendung zu islamistischen Inhalten begünstigen.

Emotionalisierung und Betroffenheit

Die genannten islamistischen Initiativen nutzen in ihren Beiträgen emotionale Rahmungen, um ihren Inhalten und Forderungen eine stärkere Gewichtung und Dringlichkeit zu geben (Reinke de Buitrago 2020, S. 213). In Bezug auf den israelisch-palästinensischen Konflikt werden hierzu vielfach Bilder von Frauen und Kindern in den Beiträgen verwendet. Sie symbolisieren im Kontext bewaffneter Konflikte besondere Schutzwürdigkeit und Unschuld. Die Bilder werden mit eindeutigen Aussagen und Forderungen unterlegt.

Screenshot eines Instagram-Postings von Realität Islam vom 17. Mai 2021

Der Initiative Realität Islam folgen auf Instagram 26.600 Personen, auf YouTube 20.200 und auf TikTok 2.978 (Stand: 8. März 2023). In einem Beitrag vom 17. Mai 2021 auf ihrer Instagram-Seite ist das Foto eines Kindes zu sehen, das umringt von Gewehrläufen und bewaffneten Menschen auf dem Boden sitzt (Realität Islam 2021a). Dieser Beitrag erschien im Zeitraum der militärischen Auseinandersetzungen des Israel-Gaza Konflikts im Mai 2021. Der Beitrag hat 958 Likes und 8 Kommentare erhalten (Stand: 8. März 2023). Zur Urheberschaft und den Hintergründen des Bildes lassen sich keine verlässlichen Angaben machen. Eine Rückwärtssuche im Internet zeigt jedoch, dass es sich nicht um ein aktuelles Bild handelt, sondern dass dieses bereits 2010 im Internet an anderer Stelle kursierte.

Über dem Bild steht in großen Buchstaben "DEIN SOHN" und im rechten unteren Bildrand "Palästina". Die Bildunterschrift beginnt mit der Frage: "Zwischen Besatzersoldaten und Maschinengewehren. Wie würdest du reagieren, wenn es dein leibliches Kind wäre?" Mit Verweis auf ein Koranzitat wird im Folgenden die Einzigartigkeit der islamischen "universelle Geschwisterlichkeit" hervorgehoben, gefolgt von einem direkten Appell: "Jede Muslima dieser Welt ist deine Großmutter, Mutter, Schwester, oder Tochter und jeder Muslim dieser Welt ist dein Großvater, Vater, Bruder oder Sohn. Das Leid einer Schwester am entlegensten Ort dieser Welt muss bei dir die gleichen Emotionen hervorrufen, wie das Leid deiner eigenen leiblichen Schwester."

Das Bild eines Kindes, das von bewaffneten Soldaten umringt auf dem Boden sitzt und verängstigt zu ihnen hinaufschaut, schafft einen starken Kontrast. Die Schutzlosigkeit und Vulnerabilität des Kindes stehen der Überlegenheit und Gewalt der Soldaten gegenüber. Dieser starke Gegensatz kann bei den Betrachtenden Gefühle wie Empathie, Wut und Entsetzen auslösen und sie emotional aufwühlen. Es ist anzunehmen, dass bei vielen Menschen durch die Wirkungskraft dieser Bilder eine starke emotionale Bindung zu den Palästinenser:innen entstehen kann. Der zugehörige Text nutzt diese, um von den Betrachtenden die persönliche Identifizierung mit dem Nahostkonflikt einzufordern. Durch die emotionale Aufladung von Bildern und Bildunterschriften wird beim Zielpublikum ein Handlungsdruck erzeugt.

Ein weiteres Beispiel hierfür ist ein Instagram-Beitrag der Initiative Realität Islam vom 9. Mai 2021 (Realität Islam 2021b). Der Beitrag hat 2.390 Likes und 44 Kommentare erhalten (Stand: 08. März 2023). Zu sehen ist das Bild einer blutüberströmten Frau mit Hijab. In der Bildunterschrift des Beitrags heißt es "Blut wird vergossen auf unserem heiligen Boden! […] Unsere Geschwister werden niedergeschlagen, beraubt und getötet!".

Das Bild des Instagram-Beitrags ist mit der Aussage unterlegt: "Die Tyrannei gegen unsere Geschwister in Palästina geht weiter! Erst wenn die Ummah sich auf Grundlage des Islam vereint, kann dieser Zustand gestoppt werden!". Auch hier soll mithilfe des Bildes eine starke Emotionalisierung der Betrachtenden erzeugt werden, indem eine verletzte Frau und die an ihr ausgeübte Gewalt kontrastiert werden.

Die Einheit der Umma als Motiv islamistischer Narrative

Der oben beschriebene Beitrag thematisiert das islamische Konzept der Umma und greift somit ein weiteres beliebtes Motiv islamistischer Narrative auf. Der Begriff Umma bezeichnet ein universelles islamisches Gemeinschaftskonzept, dem alle Muslim:innen ungeachtet ihrer nationalen, kulturellen und ethnischen Unterschiede angehören. Die Vorstellung einer vereinten islamischen Gemeinschaft kann bei Gläubigen ein Verbundenheitsgefühl schaffen und ist für viele Muslim:innen identitätsstiftend (weitere Informationen finden Sie im Eintrag "Interner Link: Umma" im kleinen Islam-Lexikon der bpb).

Neben der Bedeutung der Umma im Islam ist die Vorstellung einer homogen-vereinten islamischen Gemeinschaft, in der abweichende Einstellungen oder Verhaltensweisen keinen Platz finden, ein konstituierendes Merkmal für islamistische Ideologien (Pfahl-Traughber 2007, S. 87 f.). Dort wird diese Vorstellung als natürliche Konsequenz der gesellschaftlichen und staatlichen Implementierung des "wahren Islams" betrachtet.

Screenshot eines Instagram-Postings von Muslim Interaktiv vom 16 April 2022.

Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass islamistische Gruppierungen zur Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts die Einheit der Muslim:innen fordern und daran appellieren. Muslim Interaktiv greift dies in dem Instagram-Beitrag vom 16. April 2022 anlässlich von Ausschreitungen auf dem Tempelberg in Jerusalem auf (Muslim Interaktiv 2022). Aktuell folgen Muslim Interaktiv auf der Plattform 12.900 Personen (Stand: 8. März 2023). Die Initiative ist vor allem auf TikTok stark. Dort folgen ihr 75.000 User:innen, auf YouTube 5.330 (Stand: 8. März 2023).

Der Instagram-Beitrag hat 1.045 Likes und 13 Kommentare erhalten (Stand: 8. März 2023). Der Beitrag zeigt die Zeichnung einer Figur, die in ein Kufiya gehüllt ist (traditionelle arabische Kopfbedeckung). Anstelle eines Kopfes ist die Kuppel des Felsendoms zu sehen. Die Figur streckt den Betrachtenden die Hand entgegen, in der sie einen Stein hält. Dieses Motiv lässt sich besonders in Bezug auf den Nahostkonflikt als Aufruf zum aktiven und gewaltsamen Widerstand deuten. Neben der Zeichnung steht in großen Buchstaben "Vereint euch, um mich und meine Betenden zu befreien! – AL AQSA".

Der Beitrag von Muslim Interaktiv fordert zu einem aktiven – und durch den Stein in der Hand symbolisierten gewalttätigen – Handeln auf, während die oben vorgestellten Beiträge von Realität Islam sich eher passiv durch Suggestivfragen und einen indirekten Appell an die Betrachtenden wenden. In der Bildunterschrift wird die Frage aufgeworfen, "was die Lösung für diese Unterdrückung und das resultierende Leid" sein könne. Die Antwort hierauf ist aus Sicht der Gruppe Muslim Interaktiv denkbar einfach, nämlich die "Einheit" aller Muslim:innen.

Islamistische Akteur:innen zeichnen das Bild einer vermeintlich eindeutigen und homogenen "islamischen Identität", die sich immer auch in ihrer Abgrenzung zu "westlich-pluralistischen Werten" begründet. Nicht-islamische Gesellschaften und abweichende Auffassungen werden als Gefahr für den Erhalt der "islamischen Identität" markiert. Innerislamische Diversität und Pluralität finden im Weltbild islamistischer Ideologien keinen Platz.

Die Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts über die Einheit der Umma erfüllt hierbei noch einen weiteren Zweck: Der vielschichtige Konflikt zwischen Israel und Palästina wird ausschließlich auf seine religiöse Komponente reduziert. Die vermeintlich einfache und eindeutige Darstellung komplexer Sachverhalte ist eine häufig genutzte Strategie islamistischer Gruppierungen. Sie ermöglicht monokausale Deutungen und Lösungen und passt in das dualistische Weltbild islamistischer Ideologien.

Auch andere islamistische Initiativen nutzen diese Narrative in ihren Online-Ansprachen zum israelisch-palästinensischen Konflikt, wie ein YouTube-Beitrag der Gruppe Generation Islam vom 9. Mai 2021 zeigt (Generation Islam 2021a). Auf der Video-Plattform folgen Generation Islam 55.500 Personen, auf Instagram, 68.200 und auf TikTok 2.670 (Stand: 8. März 2023).

Der YouTube-Beitrag hat 18.117 Aufrufe, 1.690 Likes und 265 Kommentare erhalten (Stand: 8. März 2023). Auf die Frage, wie Muslime selbst zur Lösung des Konflikts beitragen können, führt der Prediger Ahmad Tamim aus, dass Muslime sich bewusst machen sollten, "dass es sich beim Problem von Falastin (Anmerkung der Autor:innen: arabisch für Palästina) um ein islamisches Problem handelt. Ein Problem der islamischen Umma". Indem islamistische Initiativen den israelisch-palästinensischen Konflikt als ein "islamisches Problem" rahmen, beanspruchen sie als vermeintliche Vertreter des Islams folglich die Deutungshoheit über den Konflikt und können ihn so für die eigenen Narrative instrumentalisieren.

Loyalität gegenüber der Umma

Islamistische Akteur:innen schüren besonders bei jungen Muslim:innen Loyalitätskonflikte. Sie knüpfen hier bewusst an die Lebenserfahrungen vieler Menschen muslimischen Glaubens an. Das Aufwachsen muslimisch geprägter Menschen in einem nicht-islamischen Umfeld kann gerade für junge Menschen herausfordernd und spannungsvoll sein und zu Fragen und Konflikten hinsichtlich der eigenen Kultur- und Identitätszugehörigkeit führen.

Ahmad Tamim von Generation Islam greift diese Loyalität in einem Video vom 13. Mai 2021 auf (Generation Islam 2021b). Der Beitrag hat 6.937 Aufrufe, 868 Likes und 126 Kommentare erhalten (Stand: 8. März 2023). Das Video entstand zum Zuckerfest 2021 und greift die Ereignisse in Israel und Gaza und die Ausschreitungen in und um die Al-Aqsa-Moschee in Jerusalem auf. Er nimmt die Videobotschaft zum Anlass, um über Fragen der Integration von Muslim:innen in Deutschland zu sprechen. Die Reaktion der deutschen Politik in Form von "Loyalitätsbekundungen gegenüber Israel" sei ein Beleg dafür, dass die "Integrations- und Assimilationspolitik" gescheitert sei. Denn "ein wesentlicher Punkt der Integrationspolitik und Assimilationspolitik" sei, "dass wir (Anmerkung der Autor:innen: gemeint sind die Muslim:innen) unsere Loyalität gegenüber der Umma aufgeben".

Die Eindeutigkeit dualistischer Deutungsmuster islamistischer Ideologien kann von jungen Menschen besonders in Krisensituationen als vermeintliche Orientierungshilfe und Ausweg wahrgenommen werden. Generation Islam nutzt hier den israelisch-palästinensischen Konflikt, um diese Spannungen weiter zu schüren und junge Menschen vor die Wahl zu stellen, sich zwischen ihrer Loyalität gegenüber der "deutschen Gesellschaft" oder der "islamischen Gemeinschaft" zu entscheiden. So schließt Ahmad Tamim seine Ausführungen mit dem Fazit, in dem die "Wir-Ihr"-Dichotomie zwischen Muslim:innen einerseits und der deutschen Politik und Gesellschaft andererseits verschärft wird: "Ok, wir sehen also, was ihr mit Loyalität meint. Ihr meint eine Loyalität auch auf den Batil (Anmerkung: arabisch für das Falsche). Auch auf das Ungerechte, auch auf die Falschheit und hier habt ihr uns verloren". Jegliche Teilhabe- und Integrationsbemühungen werden damit unterschwellig als Verrat an Palästina und der "islamischen Gemeinschaft" markiert. Ein Mittelweg ist ausgeschlossen.

Ein islamistischer Blick auf den Krieg in der Ukraine

Der Nahostkonflikt ist ein immer wiederkehrendes Motiv islamistischer Propaganda. Darüber hinaus nutzen Islamist:innen auch andere Anlässe und aktuelle Krisen, um ihre Narrative zu platzieren. Im Folgenden soll exemplarisch beleuchtet werden, wie islamistische Kanäle die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs in ihren Beiträgen thematisieren, um das Thema für sich zu vereinnahmen.

Ungleichbehandlung von Geflüchteten

Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine suchen viele ukrainische Menschen Zuflucht in europäischen Ländern – darunter auch in Deutschland. Die Deutsche Bahn erleichterte ukrainischen Geflüchteten die Weiterreise nach Deutschland, indem ihnen ein kostenfreies Sonderticket zur Verfügung gestellt wurde. Sie erhalten zudem Zugang zu Sozialleistungen, eine Arbeitserlaubnis und einen vereinfachten Einstieg ins deutsche Bildungssystem – Dinge, die Geflüchteten aus anderen Ländern bisher nicht gewährt wurden (Deutsche Welle 2022).

Diese Ungleichbehandlung von Geflüchteten wird in öffentlichen Debatten häufig diskutiert. So auch zum Beispiel in der WDR-Sendung hart aber fair, wo die Journalistin Isabel Schayani Folgendes berichtete: "Heute hat mich einer gefragt: ‚Haben wir unterschiedliches Blut?‘ Ich glaube die Antwort ist: Das eine sind Europäer und das andere sind keine Europäer. Das ist im Moment jedenfalls meine einzige Erklärung dafür, dass wir diese Menschen unterschiedlich behandeln." (hart aber fair 2022).

Screenshot eines Instagram-Postings von Realität Islam vom 30. März 2022

Diese Wahrnehmung von Ungerechtigkeit dominiert auch das Narrativ von Islamist:innen im deutsch-europäischen Raum, welche dem Westen "Heuchelei" und "Doppelmoral" vorwerfen (Abay Gaspar/Sold 2022, S. 6) – ein Vorwurf, der besonders gut in das Repertoire islamistischer Deutungsmuster passt.

Realität Islam griff die oben zitierte Aussage Schayanis unmittelbar auf und verfasste einen Instagram-Beitrag mit ihren Worten als Aufhänger (Realität Islam 2022c). In der Beschreibung wurde das Fazit gezogen, dass diese Ungleichbehandlung auf "einer jahrzehntelangen islamfeindlichen Assimilationspolitik [fußt], bei der wir Muslime und unsere islamischen Riten kriminalisiert, dämonisiert und ja, teilweise sogar entmenschlicht werden!". Realität Islam macht sich damit Schayanis Aussage zu eigen und erweckt den Eindruck, Schayani unterstütze die Deutung von Generation Islam. So wird dem Beitrag eine höhere Glaubwürdigkeit verliehen.

Screenshot eines Instagram-Postings von Realität Islam vom 6. März 2022.

Besonders viel Zuspruch erhielt im Kontext der Ungleichbehandlung von Geflüchteten eine Karikatur mit dem Titel "Heuchelei des Westens", die Realität Islam über Instagram teilte (Realität Islam 2022a). Zu sehen ist hier auf der einen Seite eine blonde Frau in Begleitung eines blonden Kindes, vor denen ein roter Teppich zu den Toren Europas führt. Auf der anderen Seite steht eine kopftuchtragende Frau mit einem dunkelhaarigen Kind, denen eine Schranke den mit Stacheldraht ausgelegten Weg nach Europa versperrt.

In der Beschreibung heißt es dazu: "Durch den Krieg in der Ukraine wurde erneut die Doppelmoral des Westens bloßgestellt. […] Muslimisches Leben hat offensichtlich für die EU nicht denselben Wert, wie das Leben von weißen, nichtmuslimischen Europäern!" Dieser Beitrag generierte viel Zuspruch in den Kommentaren. Auch wenn die hier formulierte Kritik berechtigt und eine Auseinandersetzung damit notwendig ist, dient sie den islamistischen Akteur:innen dazu, die angeblich grundsätzliche feindliche Haltung des Westens gegenüber muslimischem Leben zu untermauern und damit eine Abschottung vom Westen als notwendige Konsequenz zu legitimieren.

Um die angebliche Feindseligkeit des gesamten "Westens" gegenüber Muslim:innen zu begründen, werden häufig auch Aussagen rechtsextremer Politiker:innen aufgegriffen und diese als Repräsentant:innen des "Westens" dargestellt. So auch Äußerungen von Éric Zemmour, der 2022 für die französische Präsidentschaft kandidierte und mit polemischen Aussagen für Aufregung sorgte.

Realität Islam zitiert Zemmour wie folgt: "Ukrainer sind Europäer und Christen (..) deshalb wird es einfacher, sie zu assimilieren […]. Jeder weiß, dass arabisch-muslimische Migranten (kulturell) zu weit von uns entfernt sind. Es ist viel zu schwer, sie zu assimilieren und kulturell umzuerziehen." (Realität Islam 2022b). Realität Islam zeigt damit bewusst nur einen Ausschnitt "westlicher" Sichtweisen. Unerwähnt bleibt die in Teilen der europäischen Gesellschaft und Politik vorhandene Aufnahmebereitschaft muslimischer Geflüchteter.

Die Reaktionen der Follower:innen in den Kommentarspalten besteht vor allem aus traurigen und wütenden Emoticons sowie Beleidigungen gegen Zemmour. Einige Nutzer:innen geben ihm aber auch Recht, denn "in einer kafir society lässt sich ein kafir (Anmerkung der Autor:innen: als "kafir" wird ein:e "Ungläubige:r" bezeichnet) einfacher assimilieren als ein muwahid" (Anmerkung der Autor:innen: muwahid ist eine Selbstbezeichung, die vor allem von islamistischen/salafistischen Gruppierungen verwendet wird, die den Tauhid d. h. den Monotheismus bezeugen. ), so ein Kommentar. Ein anderer schreibt, dass Zemmour "die Pläne der kuffar" zugebe und er dies gutheiße, doch was ihn "ankotzt[e] [seien] die Muslime die glauben sie werden gut gesehen von diesen Leuten".

Die beiden letzten Kommentare erfüllen genau das Ziel, das Islamist:innen mit solchen Beiträgen verfolgen: Die Einteilung der Welt in Freunde und Feinde, die sich durch ihre Religionszugehörigkeiten definieren.

Anschlussfähige Narrative

Diese Kritik an realen Problemen dient Islamist:innen dazu, das von ihnen propagierte Bild eines dem Islam und den Muslim:innen feindlich gesinnten Westens zu festigen. Die einzige Lösung, die sich ihren Follower:innen danach bieten soll, ist die endgültige Abschottung der Muslim:innen von der Mehrheitsgesellschaft – eine Teilhabe an der Gesellschaft und Mitwirkung an ihrer Gestaltung wird ausgeschlossen.

Neben islamistischen Initiativen wie Generation Islam oder Muslim Interaktiv bedienen sich auch salafistische Prediger diesem Narrativ der gesellschaftlichen Spaltung in zwei sich feindlich gesinnten Lager. Es sei normal, dass "der Westen" zusammenhalte und Muslim:innen nicht helfen möchte, denn "das sind die Leute, die uns unterdrückt haben" sagt etwa Furkan bin Abdullah von der Initiative "Im Auftrag des Islam" in einem Video auf TikTok (Im Auftrag des Islam 2022). "Der Westen" sei nur seinen "eigenen Leuten" gegenüber gerecht. Dies ist seiner Ansicht nach ein Beweis dafür, dass "der Westen" Loyalität und Lossagung besser vollziehe als Muslim:innen.

Ähnlich sieht das Abdelilah Belatouani alias Abu Rumaisa vom Netzwerk "Deutschsprachige Muslimische Gemeinschaft" . In einem Instagram-Beitrag schreibt er: "Allah [...] sagt, dass die Juden und Christen einander verbündete sind […]. Das heißt natürlich ist es ganz normal, dass der Nicht-Muslim […] sich darüber freut, wenn ein Nicht-Muslim als Flüchtling kommt und er sich nicht freut, wenn ein Muslim als Flüchtling kommt." (Abu Rumaisa 2022). Um sich von dieser Opferrolle zu lösen, sei es wichtig, dass sich Muslim:innen genauso vereinen "wie die Kuffar sich vereinen" (Im Auftrag des Islam 2022). Einzig die Ausrufung eines Kalifats schaffe die Lösung.

Kommentator:innen üben nur selten Kritik an den Verallgemeinerungen in den erwähnten islamistischen Beiträgen und an der Komplexitätsreduktion, die diesen zugrunde liegt. Stattdessen stimmen viele den Inhalten zu und nehmen die Opferrolle, die ihnen zugeschrieben wird, an. So auch in diesem Beispiel: "Ihr [gemeint sind die "westlichen" Politiker:innen, Anm. der Autor:innen] habt einfach ein Hass auf Muslime und wollt am liebsten das alle tot wären [...] (Kommentar zu Realität Islam 2022b).

Gleichzeitig ernten diese islamistischen Accounts Anerkennung für ihre Arbeit und dafür, dass sie vermeintlich eine Vorreiter-Position übernehmen, indem sie "die Wahrheit" aussprechen: "Ich gebe dir höchstens 10 Tage und das Video wird Gelöscht von Instagram ... warum weil das die Wahrheit ist aber eine Wahrheit die vielen nicht schmeckt !!" (Kommentar zu Abu Rumaisa 2022).

Fazit

Islamistische Gruppierungen besprechen aktuelle Konflikte, die junge Muslim:innen beschäftigen. Ihre Interpretationen vom Weltgeschehen sind dabei geprägt durch ihre islamistische Ideologie, die sie somit an ihr Publikum weitergeben. Im Fokus der Beiträge steht die permanente Gefährdung der muslimischen Identität, die stets als Grundtenor in den Online-Beiträgen von Islamist:innen mitschwingt. Dabei wird "der Westen" als Feind konstruiert, der auch heute noch den Islam und die Muslim:innen weltweit zu unterdrücken versuche.

Dieses Narrativ wird untermauert, indem Aussagen rechter Akteur:innen instrumentalisiert und auf den gesamten "Westen" übertragen werden. Das zielt darauf ab, das islamistische Argument zu stärken, das besagt, Muslim:innen seien nur in einem Kalifat frei und nur vereint sicher vor der Unterdrückung "des Westens". Durch das Liken und Teilen der Beiträge werden die islamistischen Narrative reproduziert und von vielen Menschen rezipiert, die sonst keine Berührungspunkte mit islamistischen Ideologien haben.

Eine weitere Problematik ergibt sich dadurch, dass Islamist:innen bestimmte Themen "vergiften", sobald sie sie aufgreifen (Abay Gaspar/Sold 2022, S. 8). Muslim:innen laufen anschließend Gefahr, als Islamist:innen gelabelt zu werden, wenn sie etwa Kritik am Nahostkonflikt oder an der Ungleichbehandlung von Geflüchteten äußern. Umso wichtiger ist es, Kritik von muslimischen Personen als Beteiligung am öffentlichen Diskurs wertzuschätzen, sachlich mit ihnen zu diskutieren und gleichzeitig bei menschenverachtenden Äußerungen eine klare Haltung zu zeigen.

Um junge Menschen nachhaltiger vor islamistischer Ideologisierung zu schützen, sollten Präventionsmaßnahmen möglichst früh ansetzen. Medienkompetenz ist dabei ein wichtiger Bestandteil, denn nur so können junge Menschen für Strategien islamistischer Online-Ansprachen sensibilisiert werden. Dabei können pädagogische Fachkräfte wiederkehrende Narrative islamistischer Gruppierungen gemeinsam mit Jugendlichen identifizieren und kritisch hinterfragen (zum Interview "Externer Link: Prävention durch Kompetenzförderung" auf gegen-gewaltbereiten-salafismus.de).

Rassismuskritische und demokratiefördernde Angebote sollten Jugendlichen gleichzeitig die Möglichkeit geben, ihre Sorgen, Ängste und Diskriminierungserfahrungen zu teilen und dabei ernst genommen zu werden. Nur so lernen sie, dass sie als Teil der Gesellschaft gehört und akzeptiert werden (zu den Infodienst-Beiträgen "‘Interner Link: Konfrontative Religionsbekundung?!" und "Interner Link: Globale Konflikte im Klassenzimmer").

Neben Angeboten für Betroffene sollte dem Thema Islam- und Muslimfeindlichkeit auch gesamtgesellschaftliche Relevanz zugesprochen werden. Besonders pädagogische Fachkräfte sollten sich mit rassismuskritischer Bildungsarbeit und besonders mit anti-muslimischem Rassismus auseinandersetzen. Zudem sollten auch Medienschaffende für eine rassismuskritische und differenzierte Berichterstattung sensibilisiert werden. Solche Bildungsangebote lassen sich etwa auf der Seite des Kompetenznetzwerk Islam- und Muslimfeindlichkeit finden.

Zusätzlich sollten junge Menschen in ihrer Ambiguitätstoleranz gestärkt werden, damit sie lernen, Widersprüche in ihren eigenen Biografien auszuhalten und eine selbstbewusste Haltung einzunehmen. Dies stärkt sie vor islamistischen Narrativen, die ihnen klare Zugehörigkeiten aufzuzwingen versuchen.

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Quellen / Literatur

Abay Gaspar, Hande/Sold, Manjana (2022): Der Ukraine-Krieg in der islamistischen Propaganda. KNIX: Impuls #6.

Abu Rumaisa (2022): Externer Link: Instagram-Beitrag vom 01.03.2022. Auf: instagram.com, Abruf am 25.8.2022.

El-Wereny (2020): Radikalisierung im Cyberspace. Die virtuelle Welt des Salafismus im deutschsprachigen Raum – ein Weg zur islamistischen Radikalisierung? Bielefeld: Transcript.

Generation Islam (2021a): Externer Link: AUSSCHREITUNGEN in Jerusalem, ethnische Säuberung und Gewalt gegen Demonstranten: Stellungnahme. YouTube. Auf: youtube.com, Abruf am 25.8.2022.

Generation Islam (2021b): Externer Link: Angriff auf Gaza. Eid Mubarak und die Lage der Muslime in Deutschland. YouTube. Auf: youtube.com, Abruf am 25.8.2022.

Hart aber fair (2022): Externer Link: Twitter-Beitrag vom 28.3.2022. Auf: twitter.com, Abruf am 25.08.2022.

Hein, Shabnam von (2022): Externer Link: Kritik an Ungleichbehandlung von Flüchtlingen. Deutsche Welle. Auf: dw.com, Abruf am 25.8.2022.

Im Auftrag des Islam (2022): Externer Link: TikTok-Beitrag vom 15.3.2022. Auf: tiktok.com, Abruf am 25.8.2022.

Muslim Interaktiv (2022): Externer Link: Instagram-Beitrag vom 16.4.2022. Auf: instagram.com, Abruf am 25.8.2022.

Muslim Interaktiv (2021): Externer Link: Instagram Beitrag vom 15.5.2021. Auf: instagram.com, Abruf am 25.8.2022.

Pfahl-Traughber, Armin (2007): Islamismus als extremistisches und totalitäres Denken. Strukturmerkmale einer Ideologie der geschlossenen Gesellschaft. In: Aufklärung und Kritik, Sonderheft 13, S.79-95.

Realität Islam (2022a): Externer Link: Instagram-Beitrag vom 6.3.2022. Auf: instagram.com, Abruf am 25.8.2022.

Realität Islam (2022b): Externer Link: Instagram-Beitrag vom 10.3.2022. Auf: instagram.com, Abruf am 25.8.2022.

Realität Islam (2022c): Externer Link: Instagram-Beitrag vom 30.3.2022. Auf: instagram.com, Abruf am 25.8.2022.

Realität Islam (2021a): Externer Link: Instagram Beitrag vom 17.5.2021. Auf: instagram.com, Abruf am 25.8.2022.

Realität Islam (2021b): Externer Link: Instagram Beitrag vom 9.5.2021. Auf: instagram.com, Abruf am 25.8.2022.

Reinemann, Carsten (2019): Von "unbedarft" bis "gefährdet" – Muster des medialen Kontakts Jugendlicher mit (Online-)Extremismus. In: Totalitarismus und Demokratie 16 (2), Göttingen, S.109-125.

Reinke de Buitrago, Sybille (2020): Radikalisierung, Online-Diskurse und Emotion. In: Koschut, Simon (Hrsg.): Emotionen in den Internationalen Beziehungen (Bd.1). Baden-Baden: Nomos, S.213-230.

Reinke de Buitrago, Sybille (2022): Radikalisierungsnarrative online in der politischen Bedeutungsschaffung: Islamistische und rechtsextremistische/-populistische Narrative in YouTube In: Reinke de Buitrago, Sybille (Hrsg.): Radikalisierungsnarrative online. Perspektiven und Lehren aus Wissenschaft und Prävention. Wiesbaden: Springer VS, S.49-74.

Riekenbacher, Daniel (2018): Der "Jüdisch-Westliche Krieg Gegen Den Islam" – Genealogie Und Aktualität Einer Verschwörungstheorie. In: Grimm, Marc/Kahmann, Bodo (Hrsg.): Antisemitismus im 21. Jahrhundert: Virulenz einer alten Feindschaft in Zeiten von Islamismus und Terror. Berlin: De Gruyter Oldenbourg, S. 157-178.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Die drei Initiativen werden der islamistischen Gruppierung Hizb ut-Tahrir zugerechnet (Hintergrund-Informationen zur Hizb ut-Tahrir finden Sie im Infodienst-Beitrag "Interner Link: Die Hizb ut-Tahrir in Deutschland").

  2. In dem Instagram-Beitrag von Realität Islam wird die falsche Versnummer für den zitierten Koranvers genannt. So wird nicht Sure 49:11, sondern der Beginn von Sure 49:10 zitiert: "Die Gläubigen sind ja Brüder. Also stiftet Frieden zwischen euren Brüdern und fürchtet Allah, auf das euch Barmherzigkeit erwiesen werde." (Sure 49:10, Übersetzung nach Paret, Rudi).

  3. Das Verständnis des Begriffs "Al-Aqsa" kann sich je nach Kontext unterscheiden und ist nicht immer eindeutig. Während man hierzulande oft an die Moschee an der Südmauer auf dem Tempelberg denkt, ist im arabischen Kontext mit dem Begriff "Al-Aqsa" häufig das gesamte Areal des Tempelbergs gemeint.

  4. Der Tauhid ist ein zentrales Konzept im Islam. Salafist:innen legen ihn jedoch viel strenger aus, sodass es ihrer Ansicht nach nicht ausreichend sei das Glaubensbekenntnis auszusprechen, um die Einheit Gottes zu bezeugen. Vielmehr müssen laut ihrer Interpretation alle religiösen Gebote detailgetreu eingehalten werden, um als wahrer Muslim gelten zu können. Für eine genauere Ausführung dieses Konzepts vgl. El-Wereny 2020, S. 70 ff.

  5. Furkan bin Abdullah ist einer der Hauptbetreiber der Initiative "Im Auftrag des Islam". Diese propagiert die Errichtung eines Kalifats, das sich am 2001 verbotenen "Kalifatsstaat" von Metin Kaplan orientiert. Gleichwohl weisen die Inhalte dieser Initiative auch eine ideologische Nähe zum Salafismus auf (vgl. El-Wereny 2020, S. 109 f.).

  6. Loyalität und Lossagung beziehungsweise al-walaa wa-l-baraa ist ein islamistisches Konzept, das besagt, dass Muslim:innen sich gegenüber anderen Muslim:innen loyal verhalten und sich von Andersgläubigen lossagen beziehungsweise sie meiden sollen.

  7. Abu Rumaisa, der mit bürgerlichem Namen Abdelilah Belatouani heißt, ist Teil der "Deutschsprachigen Muslimischen Gemeinschaft e. V." (DMG), ein Netzwerk, das bundesweit salafistische Prediger eint, die sich außerhalb des militanten Spektrums des Salafismus bewegen.

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Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz "CC BY-NC-ND 4.0 - Namensnennung - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitungen 4.0 International" veröffentlicht. Autoren/-innen: Yasmina Shamdin, Hanin El-Auwad für bpb.de

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Yasmina Shamdin absolvierte ihren Master in Islamwissenschaften an der Universität zu Köln, wo sie an einem Forschungsprojekt zum Thema salafistische Diskurse in NRW beteiligt war. Anschließend wechselte sie in die Praxis, war Beraterin in einem Islamismus-Präventionsprogramm und arbeitet aktuell im interdisziplinären Kontext in einer Sicherheitsbehörde im Bereich Extremismusprävention und Deradikalisierung.

Hanin El-Auwad hat in Köln und Amman Islam- und Geschichtswissenschaften studiert. Er ist Absolvent der „bpb MasterClass: Präventionsfeld Islamismus 2020/2021“ und arbeitete als Fachreferent im Projekt „Plan P - Jugend stark machen gegen islamistische Radikalisierung" bei der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendschutz (AJS NRW). Derzeit ist er Mitarbeiter in einer Beratungsstelle für Radikalisierungsprävention in NRW und ist zudem als Referent im Bereich Extremismusprävention mit Schwerpunkt auf islamistischen Ideologien und Online-Propaganda tätig.