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Studiengebühren oder Studium aus öffentlichen Mitteln? | Bildung | bpb.de

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Studiengebühren oder Studium aus öffentlichen Mitteln? Was sich aus dem internationalen Vergleich über gerechte und effiziente Hochschulfinanzierung lernen lässt

Andreas Schleicher

/ 12 Minuten zu lesen

Studiengebühren werden häufig mit der Begründung abgelehnt, sie würden junge Menschen aus einkommensschwächeren Familien vom Studieren abhalten. Doch hängt der Hochschulbesuch in Deutschland stärker von der sozialen Herkunft ab als in so manchem Land mit Studiengebühren. Welche Modelle der Studienfinanzierung gibt es international und welche Vor- und Nachteile haben sie gegenüber dem deutschen?

Niedersachsen hat als letztes Bundesland die Studiengebühren abgeschafft. Kostenlos ist das Studium in Deutschland jedoch nicht. (© picture-alliance/dpa)

In Deutschland ist das Studium an staatlichen Universitäten traditionell gebührenfrei. Studierende zahlen zwar Semesterbeiträge für Studentenwerk, Studierendenschaft (AStA) und Semesterticket, der Besuch der Lehrveranstaltungen an sich ist jedoch kostenlos. Zwar hatten einige Bundesländer zwischenzeitlich Studiengebühren eingeführt, nachdem das Bundesverfassungsgericht 2005 das Verbot von Studiengebühren aufhob. Nach teils massiven Studentenprotesten wurden diese jedoch in den Folgejahren wieder abgeschafft, zuletzt in Niedersachsen zum Wintersemester 2014/15.

Die Diskussion um Studiengebühren ist damit aber noch lange nicht abgeschlossen. Angesichts der knappen Haushaltslage halten beispielsweise viele Hochschulrektoren die Einführung von Studiengebühren nach wie vor für geboten, damit die Hochschulen ihre Kapazitäten ausbauen sowie die Qualität von Studium und Lehre verbessern können. Angesichts der hohen individuellen Erträge eines Hochschulstudiums (etwa in Form späteren Einkommens) spricht sich auch so mancher Ökonom für eine Beteiligung der Studierenden an den Kosten des Studiums aus. Doch es gibt auch Befürchtungen, Studiengebühren könnten gerade Personen aus einkommensschwachen Schichten vom Studieren abhalten und damit die ohnehin schon starke soziale Selektivität des deutschen Bildungssystems weiter verschärfen. Das gebührenfreie Studium, so die gerade auf der linken Seite des politischen Spektrums häufig geäußerte Überzeugung, sei ein zentraler Grundpfeiler der Bildungsgerechtigkeit und müsse daher auch in Zukunft erhalten bleiben.

Wie sind diese Positionen zu bewerten? Führen Studiengebühren notwendigerweise zu sozialen Zugangshürden beim Hochschulzugang oder gibt es auch sozialverträgliche Modelle? Der Blick in andere Länder hilft diese Fragen zu beantworten.

Steigende Erträge des Hochschulstudiums und steigende Hochschulbeteiligung

Abbildung 1: Welchen Einkommensvorteil haben Personen mit Abschluss im Tertiärbereich? (2012)
Grafik als Interner Link: PDF-Datei (© bpb)

Nie zuvor haben Hochschulabsolventen in Deutschland derart gute Einkommens- und Lebenschancen gehabt wie heute. Seit die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) mit der Messung von entsprechenden Trends im Jahr 2000 begann, vergrößern sich die Einkommensunterschiede zwischen Arbeitskräften mit Hochschulabschluss und Arbeitskräften mit Abitur oder abgeschlossener beruflicher Ausbildung: Im Jahr 2000 verdienten Arbeitskräfte mit Abschluss im Tertiärbereich – dieser umfasst neben Hochschulen auch Fachhochschulen und berufliche Ausbildungsgänge auf Hochschulniveau – etwa 45 Prozent mehr als Personen ohne diesen Abschluss (OECD-Durchschnitt: 51 Prozent); 2012 betrug der Verdienstvorsprung nahezu drei Viertel (74 Prozent; OECD-Durchschnitt: 59 Prozent) (OECD 2014, S. 184). Abbildung 1 zeigt diese Einkommensunterschiede zwischen den Qualifikationsstufen im internationalen Vergleich.

Der monetäre Vorteil einer Hochschulausbildung ist dabei lediglich ein Aspekt. Eine OECD-Studie zu Erwachsenenkompetenzen zeigt zum Beispiel, dass Hochschulabsolventen seltener von Arbeitslosigkeit betroffen sind, sich häufiger sozial engagieren und politisch beteiligen sowie generell ein höheres Vertrauen in die Gesellschaft aufweisen als Personen mit niedrigerem Bildungsstand (OECD 2013).

Die Vorteile einer akademischen Ausbildung treten heute klarer denn je zutage und machen sich im Bildungsverhalten der Bevölkerung deutlich bemerkbar: Die Zahl der Studierenden ist in Deutschland in den vergangenen Jahren stark gestiegen, allein zwischen 2000 und 2013 um etwa 45 Prozent, von knapp 1,8 auf 2,6 Millionen (siehe Abbildung 2). 2013 nahmen erstmals mehr junge Menschen ein Studium auf als eine berufliche Ausbildung. Schätzungen der OECD zufolge werden 31 Prozent der jungen Menschen in Deutschland im Verlauf ihres Lebens ein Hochschulstudium abschließen, gegenüber nur 18 Prozent im Jahr 2000. Im OECD-Durchschnitt stiegen die entsprechenden Abschlussquoten im Vergleichszeitraum von 28 auf 38 Prozent (OECD 2014, S. 106).

Abbildung 2: Entwicklung der Studierendenzahlen in Deutschland (Interner Link: Mehr dazu...) (© bpb)

Finanzierung in Zeiten der Hochschulexpansion: Steuergelder versus Studiengebühren

Um so dringlicher stellt sich für bildungspolitische Entscheidungsträger die Frage, wie das deutsche Hochschulwesen angesichts stetig steigender Studierendenzahlen nachhaltig finanziert werden kann. Denn ein Mehr an Studierenden erfordert von den Hochschulen auch zusätzliche Ausgaben. Viele der Hochschulen verfügen aber schon seit Jahren nicht über ausreichende finanzielle Mittel, um im Zeitalter der Massenuniversität wirklich qualitativ hochwertige Studienbedingungen zu gewährleisten, geschweige denn eine die Nachfrage deckende Zahl von Studienplätzen zu schaffen. Vielerorts sind Lehrveranstaltungen chronisch überfüllt und Betreuungsrelationen zunehmend ungünstig, hat doch die Zahl des wissenschaftlichen Personals mit dem starken Anstieg der Studierendenzahlen nicht Schritt gehalten. Im Jahr 2013 kamen auf einen Hochschullehrer durchschnittlich 65 Studierende, 2000 waren es noch 56. Daran haben auch Milliardenprogramme wie Exzellenzinitiative und Hochschulpakt kaum etwas geändert.

Angesichts dieser Entwicklungen liegt die Notwendigkeit einer besseren Finanzierung der Hochschulen auf der Hand. Die Hochschulfinanzierung kann dabei grundsätzlich auf zwei Wegen erfolgen: Der Staat kann die Hochschulen entweder vollständig aus öffentlichen Mitteln (d.h. aus Steuergeldern) finanzieren, wie es in Deutschland traditionell der Fall ist. Oder aber er beteiligt die Studierenden über Gebühren an den Kosten ihrer universitären Ausbildung.

In vielen Staaten der Welt sind Studiengebühren ein wichtiges Instrument zur Hochschulfinanzierung geworden. Die in Deutschland regelmäßig geäußerte Befürchtung, dass Gebühren zu größeren sozialen Disparitäten beim Hochschulzugang führen, indem sie Personen aus einkommensschwachen Schichten vom Studieren abhalten, wird durch internationale Vergleiche nicht belegt. Im Gegenteil zeigt sich, dass eine Reihe von Staaten, die keine Studiengebühren erheben, sogar größere soziale Disparitäten in der Bildungsbeteiligung aufweisen als Länder mit Studiengebühren. Das ist insbesondere dort der Fall, wo die öffentlichen Mittel zur Finanzierung der Hochschulen nicht ausreichen, um die Nachfrage an Studienplätzen zu decken. Denn übersteigt die Nachfrage nach Studienplätzen das Angebot, so kommt es zu Engpässen beim Studienzugang, die in der Regel eher für Jugendliche aus ungünstigem sozialem Umfeld zur Barriere werden als für Jugendliche aus Akademikerfamilien. Bildungsnahe Eltern verfügen meist über bessere Kenntnisse und mehr Mittel, um ihre Kinder beim Übergang auf das Gymnasium zu unterstützen oder auf die entsprechenden Eingangsprüfungen vorzubereiten.

Das deutsche Modell der Hochschulfinanzierung und seine Probleme

International betrachtet gehört Deutschland – ebenso wie Norwegen, Finnland, Dänemark, Island, Belgien, Schweden, Österreich, Slowenien, Frankreich, Irland und Spanien – zu einer Gruppe von Ländern, die ihre Hochschulen weitgehend über öffentliche Mittel finanzieren. Dabei ist die Hochschulbeteiligung in Deutschland vergleichsweise gering und stark abhängig vom sozialen Hintergrund der Studierenden. Die 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks hat für das Jahr 2009 berechnet, dass Kinder aus Akademikerfamilien mehr als drei Mal häufiger ein Studium aufnahmen als Kinder aus einem nicht akademischen Elternhaus (77 Prozent versus 23 Prozent; Middendorff u.a. 2013, S. 111) (siehe Abbildung 3). Die soziale Selektion spiegelt sich dabei bereits in den Übergangsquoten von der Grundschule auf das Gymnasium wieder.

Abbildung 3: Wie das Elternhaus den Bildungsweg prägt (Interner Link: Mehr dazu...) (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Sind aber junge Menschen aus ökonomisch privilegierten Schichten unter den Studierenden deutlich überrepräsentiert, so birgt das gebührenfreie Studium zwangsläufig ein Gerechtigkeitsproblem: Eine Finanzierung der Hochschulen aus Steuergeldern führt dann nämlich dazu, dass das Studium der sozial begünstigten Studierenden wesentlich von Erwerbstätigen aus sozial weniger günstigem Umfeld mitfinanziert wird, die selber keinen Hochschulabschluss haben und deshalb im Mittel über deutlich geringere Einkommen verfügen. Kurzum: Am Ende zahlen so die Facharbeiter für das Studium der Kinder wohlhabenderer Eltern. Dies scheint umso ungerechter, als für den Besuch von Kindergärten und einigen vollzeitschulischen Berufsbildungsgängen – Bildungsangeboten also, die eher als Hochschulen von Personen aller sozialer Schichten wahrgenommen werden – Gebühren gezahlt werden müssen.

Außerdem führen begrenzte öffentliche Mittel in der Regel zu Zugangsbeschränkungen, denn wenn weniger Mittel verfügbar sind, muss man entweder die Ausgaben pro Studierenden kürzen oder die Zahl der Studienplätze reduzieren. Aus den oben genannten Gründen wirkt sich dies insbesondere negativ auf die Bildungsbeteiligung benachteiligter Schichten aus. Im Ergebnis ist das in Deutschland vorherrschende Finanzierungsmodell also sozial unausgewogen, was sich letztlich auch in einer vergleichsweise geringen sozialen Bildungsmobilität niederschlägt: Nur knapp ein Viertel der jungen Deutschen erreicht einen höheren Bildungsstand als seine Eltern, in Australien gilt dies für mehr als 40 Prozent, in Finnland sogar für mehr als die Hälfte (siehe Abbildung 5).

Natürlich könnten auch die öffentlichen Ausgaben für die Universitäten erhöht werden, wie dies in den nordischen Staaten der Fall ist. Die dazu notwendigen Mittel müsste der Staat dann aber durch eine stärkere Besteuerung höherer Einkommen wieder reinholen. Für Hochschulabsolventen (die ja, wie oben beschrieben, meist höhere Einkommen erzielen) käme dies nachgelagerten Studiengebühren gleich: Nach dem Studium würden sie über höhere Steuerzahlungen stärker zur Finanzierung der Hochschulen beitragen. Allerdings würden durch die sogenannte Steuerprogression auch diejenigen steuerlich stärker belastet, die ein höheres Einkommen erzielen ohne ein Studium abgeschlossen zu haben.

Finanzierungsmodelle im internationalen Vergleich

Wie sieht es nun in anderen OECD-Ländern aus? Welche Modelle der Studienfinanzierung finden sich international und wie unterscheiden sie sich vom deutschen Modell? Abbildung 4 zeigt auf der vertikalen Achse die Höhe der durchschnittlichen Studiengebühren (umgerechnet in Kaufkraftparitäten) und auf der horizontalen Achse den Anteil der Studierenden, die ein öffentliches Darlehen oder Stipendien beziehen. Studierende der Länder im unteren linken Bereich der Grafik zahlen keine oder geringe Studiengebühren und bekommen keine staatliche Unterstützung. Studierende in den Ländern am unteren rechten Bereich zahlen keine oder geringe Studiengebühren, erhalten jedoch Unterstützung für den Lebensunterhalt. Studierende der Länder im oberen rechten Bereich zahlen hohe Studiengebühren und bekommen meist auch Unterstützung für deren Finanzierung.

Abbildung 4: Verhältnis zwischen durchschnittlichen Studiengebühren öffentlicher Bildungseinrichtungen und dem Anteil Studierender, die öffentliche Darlehen, Stipendien oder Zuschüsse erhalten
Grafik als Interner Link: PDF-Datei (© bpb)

Auch die nordischen Staaten Europas wie Finnland, Dänemark, Island, Norwegen oder Schweden finanzieren ihre Hochschulen nahezu ausschließlich aus öffentlichen Mitteln, weisen aber im Gegensatz zu Deutschland eine im internationalen Vergleich hohe Hochschulbeteiligung auf. Die Abschlussquoten liegen in diesen Ländern zwischen 40 und 60 Prozent. Die Ressourcen, die zur Finanzierung ihrer stark ausgebauten Hochschulsysteme notwendig sind, erzielen diese Staaten über eine hohe Steuerprogression. Höhere Einkommen werden in diesen Ländern also stärker besteuert als dies etwa in Deutschland der Fall ist. Zugespitzt formuliert: Die Leistungsträger mit gutem Bildungsabschluss bezahlen dort das Studium der nächsten Generation. Durch die überdurchschnittlich hohe Bildungsbeteiligung bleibt das steuerfinanzierte System auch vergleichsweise "gerecht": Die sozialen Disparitäten beim Hochschulzugang sind gering, sodass in diesen Ländern eine beträchtliche Zahl von Personen aus nicht akademischem Elternhaus vom gebührenfreien Studium profitiert. Da außerdem auch die Lebenshaltungskosten der Studierenden mitfinanziert werden, entweder durch Stipendien oder einkommensabhängig rückzahlbare Darlehen, gibt es in den nordeuropäischen Staaten so gut wie keine finanziellen Barrieren, um ein Studium aufzunehmen.

Abbildung 5: Absolute Bildungsmobilität
Grafik als Interner Link: PDF-Datei (© bpb)

Länder wie Japan oder Korea, die im internationalen Vergleich ebenfalls sehr hohe Absolventenquoten aufweisen, finanzieren ihre Hochschulen dagegen weitgehend über Studiengebühren. Obwohl Darlehenssysteme in diesen Ländern nur sehr beschränkt zur Verfügung stehen, ist die Hochschulbeteiligung sozial relativ ausgewogen, da die Höhe der Studiengebühren begrenzt ist und Familien für gewöhnlich sehr früh damit beginnen, Geld zurückzulegen, um später das Studium ihrer Kinder finanzieren zu können.

Auch die USA finanzieren ihre Hochschulen weitgehend über Studiengebühren. Im Gegensatz zu den asiatischen Staaten gibt es hier auch ein ausgereiftes Darlehen- und Stipendiensystem. Anders als in den skandinavischen Ländern werden die Darlehen jedoch weitgehend von kommerziellen Banken und privaten Kreditinstitution angeboten und müssen unabhängig vom späteren Einkommen zurückgezahlt werden. Zudem sind die Studiengebühren in den USA ungewöhnlich hoch (siehe Abbildung 4). Dadurch kommt es in den USA zu relativ großen sozialen Disparitäten in der Bildungsbeteiligung. Zwar ist der relative Einkommensvorteil von Hochschulabsolventen in den USA aufgrund des flexiblen Arbeitsmarktes, auf dem hoch qualifizierte Arbeitskräfte ausgesprochen gut verdienen und vergleichsweise wenig Steuern zahlen, besonders hoch. Dieser Einkommensvorteil ist jedoch ein statistischer Durchschnittswert mit großer Variationsbreite. Der Einkommensvorteil eines Hochschulabsolventen kann abhängig vom späteren Job auch sehr viel geringer oder höher ausfallen. Die Aufnahme eines Studiums ist damit für den Einzelnen mit einem großen Risiko behaftet. Verfügt die eigene Familie nicht über beträchtliche Ersparnisse, so muss in der Regel ein substanzieller Kredit aufgenommen werden, der – nicht zuletzt wegen der anfallenden Zinsen – zur finanziellen Bürde werden kann, wenn der Absolvent nach dem Studium nicht zügig einen gutbezahlten Job findet, der eine fristgerechte Rückzahlung des Kredits ermöglicht. Im Jahr 2012 lagen die durchschnittlichen Studienkreditschulden in den USA bei etwa 27.000 Dollar, über 11 Prozent aller ausstehenden Studienkredite sind in Verzug. Gerade auf Jugendliche aus sozial ungünstigem Umfeld wirken die Risiken eines Kredits oft abschreckend. Es sei aber hinzugefügt, dass der Zusammenhang zwischen sozialem Hintergrund und Studium in Deutschland ebenso groß ist wie in den USA, obwohl in Deutschland keine Studiengebühren erhoben werden.

Eine weitere Gruppe von Staaten – Beispiele sind Australien oder England – finanzieren ihre Hochschulen ebenfalls weitgehend über Studiengebühren, die aber einkommensabhängig nachgelagert sind. Nach diesem Modell erhalten Studierende ein staatlich garantiertes, unverzinstes Darlehen, aus dem sie die Studiengebühren bezahlen und das sie erst (und nur dann) zurückzahlen müssen, wenn sie ein bestimmtes Einkommensniveau erreicht haben. Damit entfällt das Risiko für die Studierenden weitgehend, sodass sich nicht nur ein nachhaltig finanzierbares Modell ergibt, mit dem sich die Bildungsbeteiligung ohne zusätzliche öffentliche Ausgaben erweitern lässt. Dieses Finanzierungsmodell ist im Wesentlichen auch sozial gerechter als einige Systeme ohne Studiengebühren oder solche, in denen Studiengebühren mit kommerziellen Darlehen finanziert werden. Zusätzlich wird das Darlehensmodell in England noch mit einem sozial gestaffelten Stipendiensystem kombiniert. Dies ist ein weiteres wichtiges Element der Studienfinanzierung, damit für junge Menschen aus ungünstigem sozialem Umfeld sich häufiger gegen ein Studium entscheiden, da sie oft unzureichende Informationen zu den ökonomischen Vorteilen eines Studiums haben und den späteren Einkommensvorteil eines Studiums daher unterschätzen. Folglich sollten gerade für diese Gruppe die finanziellen Hürden eines Studiums über zusätzliche Unterstützungsleistungen möglichst gering gehalten werden.

Nachgelagerte Studiengebühren – eine Alternative für Deutschland?

Ein Finanzierungsmodell wie das soeben beschriebene scheint auch für Deutschland durchaus bedenkenswert. Studiendarlehen bieten den Studierenden die notwendigen Mittel zur Finanzierung des Studiums und ermöglichen eine solide Ausfinanzierung der Hochschulen über Studiengebühren. Der Einzelne muss nicht fürchten, sich durch ein Studium hoffnungslos zu verschulden, denn die Rückzahlungen entsprechen einem Anteil des späteren Einkommens und werden überhaupt erst ab einem bestimmten Einkommensniveau fällig. Geringverdiener brauchen nichts zurückzuzahlen und Absolventen mit vergleichsweise geringem Lebenseinkommen zahlen ihre Darlehen in der Regel nur teilweise zurück. Über nachgelagerte und einkommensabhängige Stipendiensysteme werden darüber hinaus das Risiko und die Unsicherheit für Personen aus einkommensschwachen Schichten reduziert, da die Stipendien lediglich bei festem Einkommen rückzahlbar sind. Das Finanzierungssystem ist so sozial ausgewogener, da Absolventen mit größeren privaten Erträgen weniger öffentliche Subventionen erhalten als Absolventen mit geringeren privaten Erträgen (und umgekehrt).

Natürlich reduziert ein einkommensabhängiges Darlehenssystem das Risiko, dass die Kosten eines Studiums später nicht refinanziert werden können, nicht absolut. Das Risiko wird vielmehr vom Studierenden auf den Staat verlagert, der in diesem Finanzierungsmodell das Studium seiner Bürger ja gewissermaßen vorfinanziert. Hier setzt deshalb auch ein gängiger Kritikpunkt an. Jedoch ist dies sehr kurzfristig gedacht. Die zusätzlichen Steuereinnahmen, die sich aus den höheren Gehältern der Universitätsabsolventen ergeben, liegen bei realistischen Annahmen zu den Anteilen der Studierenden, die erfolgreich in das Arbeitsleben eintreten, um ein Vielfaches über allen denkbaren Kreditausfällen: Abbildung 6 zeigt den privaten Nettoertrag, also das zusätzliche Einkommen, das mit einem Hochschulabschluss verbunden ist, nach Abzug aller Ausgaben sowie des entgangenen Einkommens während der Studienzeit. Zudem ist der öffentliche Nettoertrag abgebildet, also die zusätzlichen Steuereinnahmen pro Studierenden, die sich aus den höheren Einkommen von Hochschulabsolventen ergeben, nach Abzug aller öffentlichen Ausgaben für die Hochschulfinanzierung (beides über ein Arbeitsleben gerechnet). Deutlich wird: Am Ende gewinnen sowohl die Studierenden, die durch das darlehenfinanzierte Studium ein höheres Lebenseinkommen erwirtschaften, als auch der Staat, der von den Hochschulabsolventen durch höhere Steuereinnahmen profitiert.

Abbildung 6: Privater und staatlicher Nettoertrag bei einem Mann, der einen Abschluss im Tertiärbereich erwirbt (2010)
Grafik als Interner Link: PDF-Datei (© bpb)

Ein weiterer gängiger Einwand gegen Darlehenssysteme besagt, stetig wachsende Hochschulabsolventenquoten würden irgendwann dazu führen, dass Hochschulabschlüsse am Arbeitsmarkt entwertet werden: Je mehr Personen mit Hochschulabschluss auf den Arbeitsmarkt drängen, umso weniger sei dieser Abschluss letztlich wert, umso geringer seien also die Einkommensvorteile, die mit einem Hochschulstudium verknüpft sind. In der Folge würden die Kosten eines Studiums irgendwann dessen Erträge übersteigen, sodass es aus diesem Grund zu massiven Kreditausfällen kommen könnte. Allerdings gibt es diesen Einwand schon seit Jahrzehnten. Immer wieder wurde in der deutschen Geschichte vor einer "Akademikerschwemme" oder einem "akademischen Proletariat" gewarnt. Die bisherigen Trends geben indes keine Hinweise darauf, dass die steigende Zahl von Wissensarbeitern in den OECD-Staaten zu sinkenden durchschnittlichen Einkommen geführt hat. Ganz im Gegenteil, wie eingangs hervorgehoben, ist die Einkommensschere in den Industriestaaten in den letzten Jahren zugunsten der Hochschulabsolventen weiter auseinandergegangen.

Fazit

Wie der Blick in andere Länder offenbart, kann ein sozial ausgewogenes und zugleich nachhaltig finanzierbares Hochschulwesen auf unterschiedlichen Wegen erreicht werden. Das Finanzierungsmodell der Staaten Nordeuropas ist zweifellos attraktiv. Es setzt jedoch ein deutlich progressiveres Steuersystem voraus, als wir es in Deutschland haben, und scheint somit, zumindest unter den gegebenen Bedingungen, politisch schwer realisierbar. Vor diesem Hintergrund erscheint das in England und Australien praktizierte Modell bedenkenswert. Durch eine Kombination von moderaten nachgelagerten Studiengebühren und einem sozial gestaffelten Stipendiensystem könnte Deutschland den überfälligen Ausbau des Hochschulsystems deutlich vorantreiben, die Qualität des Studiums durch höhere Gesamtinvestitionen verbessern und durch einen erweiterten und offeneren Zugang zum Studium die Bildungsbeteiligung sozial gerechter gestalten. Nicht zuletzt ließe sich durch ein kostenpflichtiges Studium auch die Effizienz des Hochschulsystems erhöhen, denn zahlende Studierende würden von den Hochschulen wohl bessere Lehrleistungen einfordern und ihr Studium wahrscheinlich eher fristgerecht abschließen.

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Andreas Schleicher ist Leiter des Direktorats für Bildung bei der OECD und Sonderberater ihres Generalsekretärs in bildungspolitischen Fragen. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehört u.a. die Koordination internationaler Bildungsstudien wie PISA und PIACC.