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Politische Initiativen und Reformen | Bildung | bpb.de

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Politische Initiativen und Reformen Mehr und bessere Angebote frühkindlicher Bildung, Betreuung und Erziehung in Deutschland und Europa

Nicole Klinkhammer Katharina C. Erhard

/ 15 Minuten zu lesen

Frühkindliche Bildung und Betreuung erfahren mittlerweile in Deutschland, aber auch international große gesellschaftliche und politische Aufmerksamkeit. Wie erklärt sich der veränderte Blick und was wurde in den vergangenen Jahren für den Ausbau und die Qualität frühkindlicher Bildung auf bundesdeutscher und europäischer Ebene getan?

Erzieherin schaukelt Krippenkinder in einer Nestschaukel. Seit dem 1. August 2013 haben Eltern einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für alle Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr. (© dpa)

In vielen Ländern Europas wurde der frühkindlichen Bildung und Betreuung lange Zeit vergleichsweise wenig Bedeutung beigemessen. Doch seit Anfang der 2000er Jahre hat sich die politische Diskussion darüber erheblich verändert. Heute gilt die Förderung frühkindlicher Fähigkeiten als überaus wichtige Investition in das "Humankapital" einer Gesellschaft. Indem Kinder möglichst frühzeitig in ihrem Leben gefördert und Eltern kleiner Kinder in die Lage versetzt werden, berufstätig zu sein, sollen Armut und Ungleichheit bekämpft sowie gesellschaftlicher Wohlstand gesichert werden.

Frühkindliche Bildung als soziale Investition

Dieser "sozialinvestive" Gedanke wurde vor allem von dem amerikanischen Wirtschaftsökonomen und Nobelpreisträger James J. Heckman geprägt. Mit seinen Analysen über die Wirkung und den langfristigen Ertrag von Bildungsinvestitionen beflügelte er die Debatte über frühkindliche Bildungs- und Betreuungsangebote. Er argumentierte folgendermaßen: Je früher und gezielter in die Förderung von Kindern investiert wird, desto wirksamer ist sie und desto mehr zahlen sich die Bildungsinvestitionen einer Gesellschaft aus. Werden Kinder in jungen Jahren entsprechend ihrer Potentiale gefördert, können sie in ihrem weiteren Bildungs- und Lebensweg auf diesen Grundsteinen aufbauen. Ein solcher positiver Zusammenhang gilt nach Heckman vor allem für sozial benachteiligte Kinder. Aufgrund prekärer Lebensverhältnisse liefen sie besonders Gefahr, ihre kognitiven Potenziale nicht auszuschöpfen. Hier könnten frühpädagogische Angebote "kompensatorisch" – d. h. sozial bedingte Unterschiede ausgleichend – wirken: Wenn Entwicklungs- und Lernanreize in den Familien nicht ausreichend vorhanden sind, können sie mit einer hochwertigen Kindertagesbetreuung geschaffen und die sozialen wie sprachlichen Fähigkeiten benachteiligter Kinder gefördert werden. Wie hoch der "return on investment" – der ökonomische Ertrag der Bildungsinvestitionen – ausfällt, hängt Heckman zufolge entscheidend von der Qualität der Förderangebote ab (Heckman 2008).

Eine ähnliche Perspektive nahm der einflussreiche dänische Wohlfahrtsstaatsforscher Gösta Esping-Andersen (2002) ein. Im Zentrum seiner Überlegungen, wie moderne Wohlfahrtsstaaten weiterentwickelt werden können, stehen Investitionen, die auf die frühe Bildung und Förderung von Kindern ausgerichtet sind. Denn bereits in dieser Entwicklungsphase werden die entscheidenden Weichen für das weitere Leben und damit letztlich auch für den wirtschaftlichen Erfolg eines Landes gestellt. Esping-Andersens Arbeiten legten erheblichen Reformbedarf in vielen Ländern offen, insbesondere in konservativen Wohlfahrtsstaaten wie Deutschland. Hier bildete über Jahrzehnte die Förderung des traditionellen Familienmodells mit einer nichterwerbstätigen Ehefrau und Mutter und einem erwerbstätigen Ehemann als "Ernährer" das Leitbild für die Externer Link: Ausrichtung familienpolitischer Leistungen. Esping-Andersen forderte eine bessere, umfassendere Bildungspolitik für Kinder im Vorschulalter, nicht zuletzt angesichts der Interner Link: demografischen Alterung der westlichen Gesellschaften. Diese könnten sich Schulabbrecher oder gar Analphabeten nicht mehr leisten.

Esping-Andersens Ideen wirkten sich hierzulande vor allem in der ersten Hälfte der 2000er Jahre auf die Politik aus: Ausbau frühkindlicher Bildung und Betreuung, Ganztagsbetreuung schon für sehr junge Kinder, staatliche Förderung der Beschäftigung von Haushaltshilfen, damit Mütter leichter berufstätig sein können – zunächst war es die SPD, die diese Themen aufgriff und auf die politische Agenda setzte. Mittlerweile finden sie über die politischen Lager hinweg breiten Zuspruch. Entscheidend waren hierfür auch die ernüchternden Ergebnisse der PISA-Studie im Jahr 2001. Sie stießen nicht nur Reformen im Schulwesen an, sondern bestärkten die Einsicht, dass eine effektive Bildungspolitik nicht erst in der Schule, sondern bereits viel früher ansetzen muss. War der vorschulische Bereich bisher vor allem unter dem Gesichtspunkt der Betreuung betrachtet worden, rückte nun dessen Bildungsauftrag in den Fokus der Politik. Verstärkt wurde dies zudem durch Forschungserkenntnisse aus den Neurowissenschaften und der Entwicklungs- und Familienpsychologie, die die Bedeutung der frühen Kindheit für die kognitiven Prozesse des lebenslangen Lernens herausstellt. Kinder werden in diesem Zusammenhang als "kompetente Akteure" gesehen, zu deren Bildungsförderung und Persönlichkeitsentwicklung Kindertageseinrichtungen mit entsprechenden pädagogischen und didaktischen Konzepten beitragen sollen.

Zielsetzungen auf europäischer Ebene

Europaweit hat die frühkindliche Bildung und Betreuung eine gesellschaftspolitische Aufwertung erfahren. Insbesondere in den 1990er Jahren bildeten vorwiegend gleichstellungs- und beschäftigungspolitische Interessen die relevanten Treiber für diesen Perspektivwechsel. Durch die steigende Erwerbsquote von Frauen rückte das Thema der Vereinbarkeit von Familie und Beruf als eine der vordringlichsten Themen auf die europäische Agenda. Der Ausbau von Betreuungsangeboten wurde als eine Initiative zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt diskutiert. In diesen wirtschaftspolitischen Hintergrund sind auch die auf europäischer Ebene verabschiedeten Barcelona-Ziele einzuordnen (siehe Infobox): Diese Ziele sind Bestandteil der Europäischen Wachstums- und Beschäftigungsstrategie, die wiederum auf die Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen in der gesamten Europäischen Union (EU) abzielt. Auf Grundlage der Ziele folgten der politischen Debatte nun auch Taten: Seit der Verabschiedung der Barcelona-Ziele durch den Europäischen Rat im Jahre 2002 begannen viele Länder damit, frühkindliche Bildungs- und Betreuungsangebote auszubauen und so die Möglichkeiten der Teilhabe von Kindern an früher Bildung und Betreuung zu verbessern.

Schlussfolgerungen des Vorsitzes Europäischer Rat (Barcelona)

15. und 16. März 2002

Die Barcelona-Ziele wurden vom Europäischen Rat im Jahre 2002 festgelegt. Diese gaben erstmals auf europäischer Ebene Zielsetzungen – sogenannte Benchmarks – für den Ausbau von Angeboten vor: "Die Mitgliedstaaten sollten Hemmnisse beseitigen, die Frauen von der Beteiligung am Erwerbsleben abhalten, und bestrebt sein, nach Maßgabe der Nachfrage nach Kinderbetreuungseinrichtungen und im Einklang mit den einzelstaatlichen Vorgaben für das Versorgungsangebot bis 2010 für mindestens 90 % der Kinder zwischen drei Jahren und dem Schulpflichtalter und für mindestens 33 % der Kinder unter drei Jahren Betreuungsplätze zur Verfügung zu stellen" (vgl. Europäischer Rat 2002, S. 13). Im Rahmen der europäischen Berichterstattung wird der Erfolg des Ausbaus in den Ländern weiterhin an diesen Benchmarks gemessen.

Der Beschluss ist online abrufbar unter: Externer Link: http://europa.eu/rapid/press-release_PRES-02-930_de.htm

Seit über fünfzehn Jahren wird regelmäßig die Erreichung der Ziele entlang der Entwicklung der Beteiligungsquoten von Kindern unter und über drei Jahren ermittelt. Die Informationen werden in der europäischen Berichterstattung aufgearbeitet, wie beispielsweise dem Eurydice Keydata Report zur frühkindlichen Bildung und Betreuung (2014) oder dem "Education and Training Monitor" (2017) der Europäischen Kommission. Wenngleich die originäre Zuständigkeit für familien- und sozialpolitische Maßnahmen, wie der Kindertagesbetreuung, bei den Mitgliedsländern liegt, lösen derartige internationale Vergleiche einen Handlungsdruck bei politischen Akteuren aus. Denn mit der Berichterstattung geht zugleich immer die Frage einher, welche Maßnahmen ergriffen und Fortschritte erzielt werden konnten.

Mehr Angebote: Der Ausbau der Plätze zur Kindertagesbetreuung ab 2005

Seit über einem Jahrzehnt stehen in Deutschland sowohl der Ausbau als auch die Weiterentwicklung frühkindlicher Bildungs- und Betreuungsangebote ganz oben auf der fachpolitischen und praktischen Agenda. Das System der Kindertagesbetreuung, das neben den frühkindlichen auch weitere reguläre Angebote für Kinder bis zum Schuleintritt umfasst (siehe Infobox), konnte damit insgesamt erheblich ausgeweitet werden.

Welche Angebote umfasst der Bereich Kindertagesbetreuung?

In Deutschland werden öffentlich geförderte Angebote frühkindlicher Bildung und Betreuung in der Regel als Kindertageseinrichtungen sowie Kindertagespflege bereitgestellt.
Unter den Sammelbegriff Kindertageseinrichtungen fallen Kinderkrippen für unter Dreijährige, Kindergärten für Drei- bis Sechsjährige bzw. bis zum Schulpflichtalter sowie altersgemischte Einrichtungen (u.a. Kinderhäuser, Familienzentren). Weiter gibt es Betreuungsangebote für Kinder im Grundschulalter, wie Horte und Tagesheime. Zudem bieten heilpädagogische Einrichtungen, wie Integrationseinrichtungen, Angebote für Kinder mit besonderen Förderbedarfen.

Die Kindertagespflege wird von einer Tagespflegeperson entweder im eigenen Haushalt, im Haushalt der Erziehungsberechtigten oder aber in anderen, für diesen Zweck geeigneten Räumen geleistet. Im Rahmen der klassischen Tagespflege werden maximal fünf Kinder gleichzeitig betreut. Durch die familiäre Betreuungssituation wird das Angebot vor allem von Kindern unter drei Jahren in Anspruch genommen. Des Weiteren gibt es Großtagespflegestellen, bei denen meist mehrere Tagespflegepersonen gemeinsam mehr als fünf Kinder gleichzeitig betreuen. Bis 2005 war die Kindertagespflege vielerorts ein privat organisiertes und finanziertes Betreuungsangebot. Mit der Verabschiedung des Tagesbetreuungsausbaugesetzes (TAG) wurde die Kindertagespflege als ein Angebot der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe etabliert (siehe unten).

Dies ist auch einem systematischen Externer Link: Kurswechsel in der Familienpolitik geschuldet. Sie förderte in der Vergangenheit eher ein konservatives Familienmodell, in dem kleine Kinder vor allem von der Mutter zu Hause versorgt werden, während der Vater, als Ernährer der Familie, einer Erwerbstätigkeit nachgeht. Mit dem Konzept einer "nachhaltigen Familienpolitik" setzte die rot-grüne Bundesregierung seit 2005 neue Akzente und stellte aus zwei wesentlichen Gründen den Ausbau von Angeboten der frühkindlichen Bildung und Betreuung in den Vordergrund:

  • um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern, vor allem für Mütter von kleinen Kindern

  • um alle Kinder früh im Leben zu fördern, vor allem jedoch jene aus benachteiligten Lebenslagen

Zwei Gesetze gelten als Meilensteine für den Umbruch im Bereiche der Kindertagesbetreuung:

  • das Tagesbetreuungsausbaugesetz (TAG) im Jahr 2005

Gesetz zum qualitätsorientierten und bedarfsgerechten Ausbau der Tagesbetreuung (Tagesbetreuungsausbaugesetz – TAG)

In Kraft seit: 1. Januar 2005

Das wesentliche Ziel des Gesetzes war es, den Ausbau von Betreuungsangeboten voranzutreiben, insbesondere für Kinder unter drei Jahren. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe wurden dazu angehalten, ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen oder Kindertagespflegeoptionen für Kinder unter drei Jahren sowie für Schulkinder zur Verfügung zu stellen. Erstmals wurde im Gesetz eine Konkretisierung der Bedarfsbestimmung entlang von Kriterien vorgenommen (§ 24 Abs. 3 SGB VIII). Demnach wurde ein Betreuungsbedarf anerkannt, wenn die Erziehungsberechtigten erwerbstätig sind oder die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit ansteht, sie sich in Ausbildung befinden oder sie an einer Weiterbildungs- oder Wiedereingliederungsmaßnahme in den Arbeitsmarkt teilnehmen. Außerdem liegt ein Bedarf vor, wenn eine Förderung zur Sicherung des Kindeswohls notwendig ist. Eine solche frühkindliche Förderung kann sowohl in Kindertageseinrichtungen als auch in der Kindertagespflege erfolgen. Auf diese Weise wurde die Kindertagespflege als eine Form der öffentlich geförderten Kindertagesbetreuung gesetzlich anerkannt.

  • das Kinderförderungsgesetz (KiföG) im Jahr 2008

Gesetz zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege (Kinderförderungsgesetz – KiföG)

Inkrafttreten: 15. Dezember 2008

Das Gesetz erhöhte den Druck für die Schaffung weiterer Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren in Kindertageseinrichtungen und in Kindertagespflege. Um den Zugang zu diesen Angeboten zu verbessern, wurden die Bedarfskriterien erweitert. Der zentrale Meilenstein des Gesetzes ist jedoch die Verabschiedung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz nach dieser Phase des Ausbaus: Der Anspruch gilt mit dem Abschluss der Ausbauphase ab dem 1. August 2013 für Kinder ab dem vollendeten ersten bis zum vollendeten dritten Lebensjahr (Artikel 1 Nr. 7 – § 24 Abs. 2 SGB VII).

Seitdem hat sich die Betreuungslandschaft hierzulande – insbesondere für Kinder unter drei Jahren – stark verändert. Das Tagesbetreuungsausbaugesetz benannte erstmals konkrete Zielmarken: Rund 230.000 neue Kinderbetreuungsplätze sollten nach damaligem Planungsstand bis 2010 eingerichtet werden. Das Kinderförderungsgesetz ging noch einen entscheidenden Schritt weiter: Es verankerte den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für alle Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr, Stichtag war der 1. August 2013.

Dieser Anspruch galt nun also unabhängig von den bis dahin angewandten Kriterien (wie etwa Umfang der Erwerbstätigkeit der Eltern), nach denen die zuständigen Behörden bisher einen Bedarf für eine öffentlich geförderte Kinderbetreuung anerkannten. Damit wurde der Druck auf Länder und Kommunen noch einmal erheblich erhöht, die Anzahl der Betreuungsplätze auszubauen. So standen einerseits die Bundesländer in der Pflicht, die auf Bundesebene beschlossenen Neuerungen durch eigene Landesgesetze zu konkretisieren und deren Umsetzung zu regeln. Andererseits mussten auch die Gemeinden und Kommunen handeln, da sie für die Planung und Bereitstellung der Bildungs- und Betreuungsangebote vor Ort zuständig sind und für den überwiegenden Teil der Finanzierung aufkommen. Es galt Kitas einzurichten, Kindertagespflegepersonen zu rekrutieren und zu qualifizieren sowie die Träger als Anbieter der Angebote zu unterstützen. Je nachdem, welche Angebote in den Ländern und Kommunen bereits zuvor bestanden und ob sie in vorausgegangenen Jahren die Anzahl der Betreuungsplätze bedarfsgerecht geplant hatten, fiel der Handlungsdruck entsprechend unterschiedlich aus. In den ostdeutschen Bundesländern war die Ausgangslage aufgrund einer bereits bestehenden Infrastruktur besser als dies für die meisten Regionen Westdeutschlands der Fall war und teilweise immer noch ist (vgl. Bock-Famulla/Strunz/Löhle 2017). Aber Regionalanalysen haben gezeigt, dass sich in beiden Landesteilen von Region zu Region und von Kommune zu Kommune große Unterschiede im Betreuungsangebot finden (vgl. Bertelsmann Ländermonitor 2018). Dies ist nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass die Kommunen den höchsten Anteil bei der Finanzierung der Angebote haben. Jenseits des politischen Willens der Akteure vor Ort steht somit die Finanzsituation der einzelnen Kommune in engem Zusammenhang mit den Möglichkeiten und Grenzen bei der Bereitstellung sowie der Qualität von Bildungs- und Betreuungsangeboten für Kinder.

Jedenfalls verpflichtet der Rechtsanspruch die Kommunen und Gemeinden nun dazu, ausreichend Plätze vorzuhalten; tun sie dies nicht, können die Eltern ihren Anspruch rechtlich geltend machen und einen Platz für ihr Kind bzw. eine entsprechende finanzielle Kompensation für das privat organisierte Betreuungsarrangement einklagen.

Welche Herausforderungen bestehen für den weiteren Ausbau?

Der Bedarf an Kleinkindbetreuung für Familien ist in Deutschland nach wie vor nicht gedeckt, und er steigt weiterhin an, wie nicht zuletzt die aktuelle DJI-Kinderbetreuungsstudie (vgl. Alt et al. 2017) zeigt. Daher bleibt es notwendig, das Angebot an Betreuungsplätzen noch mehr auszuweiten und gleichzeitig den Zugang zu den bestehenden Angeboten für alle Kinder zu verbessern. Denn in vielen Kommunen ist es noch immer gängige Praxis, die begrenzte Zahl an Betreuungsplätzen nach einem bestimmten festgestellten Bedarf zu vergeben, etwa bevorzugt erwerbstätige Eltern zu versorgen. Und das obwohl von Rechts wegen jedes Kind, unabhängig von der Beschäftigungssituation der Eltern, Anspruch auf einen Platz hat. Aber auch lange Wartelisten, in die sich Eltern mit Betreuungswunsch für ihre Kinder bei den Angeboten eintragen müssen, und die durch eine Betreuung anfallenden Kosten, wie etwa je nach Bundesland und Kommune unterschiedlich hohe Elternbeiträge oder ein Verpflegungsgeld, haben Einfluss darauf ob und welche Kinder öffentlich geförderte Kindertagesbetreuung nutzen können (Mehr dazu in diesem Beitrag).

Der weitere Ausbau der frühkindlichen Bildung und Betreuung ist bei allen politischen Zielvorgaben indes in der Praxis schwer umzusetzen, besonders weil es an qualifizierten pädagogischen Fachkräften für die Einrichtungen fehlt. Dieser Engpass wird auf absehbare Zeit auch nicht behoben sein, das zeigen aktuelle Berechnungen eindrücklich: Wenn man den Geburtenanstieg, die Zuwanderung, nicht erfüllte Betreuungswünsche der Eltern und einen politisch angestrebten verbesserten Personalschlüssel in den Einrichtungen zugrunde legt, dann werden allein bis zum Jahr 2025 etwa 329.000 zusätzliche pädagogische Fachkräfte in Krippen, Kindergärten und in der Grundschulbetreuung gebraucht (Rauschenbach, Schilling & Meiner-Teubner 2017). Experten rechnen jedoch in dieser Zeit mit nur etwa 274.000 neu ausgebildeten Fachkräften , die in die Kindertagesbetreuung einsteigen. Daher versuchen die Bundesländer heute bereits mit anderen Strategien, schnelle und dauerhaft tragfähige Lösungen für den Fachkräftemangel zu finden: So sollen etwa Fachkräfte zurückgewonnen werden, die diesen Bereich bereits verlassen haben, die Aus- und Weiterbildung in der Kindertagesbetreuung ausgebaut, Ausbildungswege verkürzt und Quereinsteiger besser anerkannt werden.

Bessere Angebote: Nationale Initiativen zur Qualitätsverbesserung

Um das System der frühkindlichen Bildung und Betreuung nachhaltig weiterzuentwickeln, sind aber nicht nur zusätzliche Betreuungsplätze erforderlich. Vielmehr geht es auch um verbesserte Ansätze für eine wirksame Förderung frühkindlicher Lernprozesse und eine bessere Ausstattung der Betreuungseinrichtungen bzw. der Tagespflege. Was wurde mit Blick auf diese inhaltlichen und strukturellen Fragen politisch bisher unternommen?

Einführung von Bildungsplänen

Bereits 2004 verständigten sich die zuständigen Fachministerinnen und Fachminister der Länder im Rahmen der Jugend- und Familienministerkonferenz auf gemeinsame Ziele, die das Profil sowie den Bildungs- und Erziehungsauftrag von Kindertageseinrichtungen genauer bestimmen sollten. Auf Basis dieser offen formulierten Leitgedanken entwickelten alle Bundesländer anschließend eigene Interner Link: Bildungspläne , die viele Übereinstimmungen mit Blick auf das Verständnis vom Kind, die Bedeutung von Spiel und Lernen sowie die kindlichen Lern- und Entwicklungsprozesse aufweisen und relevante Bildungs- und Erziehungsbereiche wie Sprache, Lese- und Schreibkompetenz, , Körper, Gesundheit und Bewegung oder Ethik und Religion beschreiben. Bedeutende Unterschiede gibt es jedoch hinsichtlich des Umfangs, der Verbindlichkeit, des Geltungsbereichs sowie der Art und des Ausmaßes an Unterstützung bei der Umsetzung dieser Ziele. Mit Blick auf die inhaltliche Weiterentwicklung haben diese Bildungspläne in den letzten Jahren wichtige Grundlagen und Impulse für die Auseinandersetzung mit frühkindlichen Bildungs- und Lernprozessen geliefert und den "Abschied von der Unverbindlichkeit" (Diskowski 2012) mit Blick auf den Bildungsauftrag von Kindertageseinrichtungen in Deutschland eingeleitet.

Deshalb wurde im Jahre 2014 ein Qualitätsentwicklungsprozess auf Bundesebene angestoßen. Besonders ist an diesem Prozess, dass er auf einem breit angelegten partizipativen Verfahren basiert, mit dem Ziel eine Verständigung über gemeinsame Qualitätsziele im Feld der Kindertagesbetreuung zu erreichen. Dies ist insofern ein Novum als es eine solche bundeslandübergreifende Verständigung noch nicht gab. Den Anstoß gab die damalige Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig mit den Fachministerinnen und Fachministern der Länder auf der ersten Konferenz zur Frühen Bildung. Sie bildete den Startschuss für die Formulierung der gemeinsamen Qualitätsziele für die Kindertagesbetreuung. Hierzu wurde die Arbeitsgruppe "Frühe Bildung weiterentwickeln und finanziell sichern" gegründet, an der Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände mitwirkten. In einem sogenannten Expertendialog wurden außerdem weitere fachpolitische Verbände und Organisationen aus dem Feld der Kindertagesbetreuung und der Wissenschaft eingebunden. Im November 2016 legte die Arbeitsgruppe einen Zwischenbericht vor, in dem sich die Beteiligten erstmals auf gemeinsame Handlungsziele zur Qualitätsentwicklung in der Kindertagesbetreuung verständigten: etwa eine besseres Verhältnis der Anzahl von Fachkräften und Kindern in den Einrichtungen (Fachkraft-Kind-Relation), die angemessene Qualifizierung von Fachkräften, die Stärkung der Einrichtungsleitungen sowie die Professionalisierung der Kindertagespflege (vgl. BMFSFJ/JFMK 2016). Diese Handlungsziele sollen nun in Deutschland mit dem "Gute-Kita-Gesetz" umgesetzt werden. Dabei dienen die im Zwischenbericht skizzierten Handlungsfelder und -ziele als ein sogenannter "Instrumentenkasten", der die Basis für die anvisierten Verbesserungen bilden soll. Hierfür ist ein Finanzvolumen von 5,5 Milliarden Euro bis 2022 aus dem Bundeshaushalt vorgesehen. Nachdem das Bundeskabinett das Gesetz beschlossen hat, soll es zum 1. März 2019 in Kraft treten.

Wenngleich dieses Vorhaben durchaus einen ersten Meilenstein in den bundesdeutschen Bemühungen zur Regulierung von Qualitätsverbesserungen darstellen kann, fehlt es noch an wichtigen Konkretisierungen. Dazu gehört u.a. das Gesetz auf Dauer zu stellen und mit einem tragfähigen Budget für umfassende Maßnahmen auszustatten (vgl. dazu BMFSFJ/JFMK 2016, S.56ff.). Die zeitliche Entfristung als auch die Höhe des Finanzvolumens sind erste Punkte einer Liste, die u.a. von Themen wie einer konkreten Festschreibung struktureller Qualitätsziele (z.B. Fachkraft-Kind-Relation) oder einer konkreten Regelung des Finanzflusses von Ländern an die letztlich für die Umsetzung verantwortlichen Kommunen ergänzt werden müssen, damit das Gesetz seine geplante Wirkung – Qualität zu verbessern – nicht verfehlt.

Inhaltliche Profilierung und Qualifizierung der Kindertagespflege

Die Kindertagespflege hat in den letzten Jahren eine erhebliche Aufwertung erfahren. Durch das Tagesbetreuungsausbaugesetz wurde sie gesetzlich mit Kindertageseinrichtungen gleichgestellt (siehe oben). Damit unterliegt sie dem gleichen Auftrag zur Bildung, Betreuung und Erziehung von Kindern unter drei Jahren wie Kindertageseinrichtungen. Da eine kindliche Förderung bis dahin in dieser Betreuungsform nicht systematisch vorausgesetzt wurde, hatte diese gesetzliche Aufwertung grundlegende Auswirkungen auf inhaltliche Handlungszusammenhänge der Kindertagespflege (vgl. Pabst/Schoyerer 2015, S. 14). Aus diesem Grund haben viele Kommunen und Gemeinden die Anforderungen an die Qualifikation der Tagesmütter und -väter angehoben und Qualifizierungskurse für sie eingeführt oder bestehende Kurse weiterentwickelt und ausgebaut . Diese Kurse dienen einer Grundqualifizierung von Tagesmüttern und -vätern, damit sie die für die Ausübung der Tätigkeit erforderlichen vertieften fachlichen Kenntnisse erwerben. Allerdings sind die Kurse nicht vergleichbar mit den Qualifizierungsvoraussetzungen, die für die pädagogischen Fachkräfte in den Einrichtungen gelten. Die Tätigkeit in der Tagespflege erfordert keine abgeschlossene Berufsausbildung, vorausgesetzt werden vielmehr die persönliche Eignung und eine Mindestqualifikation. Während eine solche Mindestqualifikation für Tagespflegepersonen einen Umfang bis zum 300 Unterrichtseinheiten haben kann, absolvieren Erzieherinnen und Erzieher eine mehrjährige Interner Link: Ausbildung an einer Fachschule oder einer Fachakademie für Sozialpädagogik. Auch Kinderpflegerinnen und –pfleger und Sozialassistentinnenen und -assistenten, die in der Regel als Zweitkräfte in den Kita-Gruppen tätig sind, verfügen über eine Berufsfachschulqualifikation. Sie sind geringer qualifiziert als Erzieherinnen und Erzieher, jedoch fachpädagogisch ausgebildet. Diese Ausbildung ist für Tagespflegepersonen nicht erforderlich. Sie müssen lediglich ihre fachliche Eignung sowie Kenntnisse über die Anforderungen an die Tätigkeit als Tagesbetreuungsperson nachweisen.

Diese Unterschiede werden auch in den oben genannten Handlungszielen des Zwischenberichts deutlich: Die Fachkräfte sollen besser ausgebildet und die Ausbildung auf Basis eines kompetenzorientierten Qualifikationsprofils an die sich verändernden

Anforderungen angepasst werden. Kindertagespflegepersonen sollen wiederum eine verbesserte fachliche Grundqualifizierung erhalten und regelmäßig Fort- und Weiterbildungen wahrnehmen.

Internationale Initiativen zur Verbesserung der frühkindlichen Bildung

Eine vom Europäischen Rat beauftragte Gruppe von Expertinnen und Experten aus 27 europäischen Ländern legte 2014 einen "Qualitätsleitrahmen" für frühkindlichen Bildung und Betreuung vor (siehe Infobox), der in vielen europäischen Ländern Reformen anregte oder bereits laufenden Reformen Rückenwind verschaffte (Lazzari 2017). Darin wurden zu den Fragen von Zugang, Fachkräften, Bildungsprogrammen (Curricula), Evaluation und Monitoring sowie Steuerung und Finanzierung der frühkindlichen Bildung konkrete Ziele und Maßnahmen formuliert, an denen sich die Politikgestaltung auf der örtlichen, regionalen und nationalen Ebene orientieren kann (vgl. EU-Arbeitsgruppe 2014).

Vorschlag für einen Europäischen Qualitätsleitrahmen (2014)

Die Thematische Arbeitsgruppe "Frühkindliche Bildung und Betreuung" (Thematic Working Group "Early Childhood Education and Care") wurde im Frühjahr 2012 durch einen Beschluss des Europäischen Rates gegründet. Während ihres zweijährigen Mandates erarbeitete die Gruppe einen europäischen Orientierungsrahmen zur Qualität frühkindlicher Bildung und Betreuung. Unter anderem wird hier das Ziel formuliert, dass für alle Familien und ihre Kinder ein Angebot der frühkindlichen Bildung und Betreuung verfügbar und erschwinglich sein sollte. Weitere Ziele sind die Herstellung förderlicher Arbeitsbedingungen mit einer fachlichen Leitung, die Entwicklung eines ganzheitlichen Curriculums sowie die Verankerung von systematischem, regelmäßigem Monitoring und Evaluation. Ganzheitlich bedeutet in diesem Zusammenhang, dass den verschiedenen Facetten der kindlichen Entwicklung, des kindlichen Wohlbefindens und der kindlichen Lernbedürfnisse – auch hinsichtlich der sozialen, emotionalen, körperlichen, sprachlichen und kognitiven Entwicklung – Beachtung geschenkt wird (vgl. ebd., Glossar S. 78).
Das Besondere an diesem Qualitätsleitrahmen ist zum einen, dass er auf einem breiten Konsens der Mitgliedsländer basiert und damit eine entsprechende Unterstützung erfährt. Zum anderen wird er mit seinen offenen Zielformulierungen den unterschiedlichen Ausgangslagen in den Mitgliedsländern gerecht, ohne diese in ihrer Entwicklung zu unter- oder zu überfordern.

Download: Externer Link: http://ec.europa.eu/dgs/education_culture/repository/education/policy/strategic-framework/archive/documents/ecec-quality-framework_de.pdf

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) prägt seit Ende der 1990er Jahre mit ihrer "Starting Strong Series" ebenfalls die internationale Fachdebatte. Sie veröffentlichte mit Starting Strong III eine "Qualitätstoolbox", die Reformstrategien, Erfahrungen und Beispiele guter Praxis zur Qualitätsentwicklung und -sicherung in der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung bündelt (vgl. OECD 2013). Die darauffolgende Studie Starting Strong IV konzentrierte sich auf die Frage, wie die Qualität in diesen Bereichen mithilfe eines Interner Link: Monitoringsystems weiterentwickelt und nachhaltig gesichert werden kann (OECD 2016). Ebenfalls seit Ende der 1990er Jahre erscheint jährlich der Bericht "Bildung auf einen Blick", der basierend auf statistischen Kennzahlen ("Bildungsindikatoren") unter anderem über die Strukturen und die Finanzierung von Bildungssystemen sowie über die Bildungsbeteiligung in verschiedenen Ländern informiert (OECD 2017). Vor einigen Jahren wurden Indikatoren zur frühkindlichen Bildung in den Bericht aufgenommen. Mit ihren international vergleichenden Studien und der damit einhergehenden Berichterstattung versucht die OECD programmatisch, die Debatte über frühkindliche Bildungs- und Betreuungsangebote sowie die Politikgestaltung in diesem Feld zu beeinflussen. Die Organisation ist aufgrund ihrer wirtschaftsliberalen Ausrichtung in der bundesdeutschen Fachszene durchaus umstritten. Mit ihren bildungspolitischen Aktivitäten, allen voran der PISA-Studie, hat sie die bundesdeutsche Auseinandersetzung mit frühkindlicher Bildung jedoch verändert und an einigen Stellen vorangetrieben.

Fazit: Ein Feld im Um- und Aufbruch

In kaum einem anderen Handlungsfeld der Kinder- und Jugendhilfe hat sich in den vergangenen Jahren eine derartige Dynamik und Veränderung beobachten lassen wie in der Kindertagesbetreuung. In Deutschland, aber auch in vielen anderen Ländern weltweit, rückte der Ausbau und die Weiterentwicklung der Angebote frühkindlicher Bildung, Betreuung und Erziehung ganz oben auf die fachpolitische und -praktische Agenda. Hierzulande steht das System frühkindlicher Bildung vor enormen Herausforderungen: Es gilt, dem weiterhin steigenden Bedarf durch zusätzliche Betreuungsplätze zu begegnen und den Zugang zu vorhandenen Angeboten zu erleichtern. Gleichzeitig ist es dringend notwendig, die Rahmenbedingungen von Kindertageseinrichtungen und der Kindertagespflege zu verbessern. Eine gute Fachkraft-Kind-Relation, regelmäßige Fort- und Weiterbildung der Fachkräfte sowie deren Unterstützung durch Fachberatungen sind zentrale Voraussetzungen für eine nachhaltige Weiterentwicklung der Qualität in der pädagogischen Praxis, in den Einrichtungen sowie im System der frühkindlichen Bildung und Betreuung insgesamt.

Quellen / Literatur

Alt, Christian; Gesell, Daniela; Hubert, Sandra; Hüsken, Katrin; Kuhnke, Ralf; Lippert, Kerstin (2017): DJI-Kinderbetreuungsreport 2017. Inanspruchnahme und Bedarfe aus Elternperspektive im Bundesländervergleich. München: Deutsches Jugendinstitut.

Autorengruppe Fachkräftebarometer (2017): Fachkräftebarometer Frühe Bildung 2017. München: WiFF.

Bertelsmann Ländermonitor (2018): Frühkindliche Bildungssysteme. Online verfügbar unter: Externer Link: https://www.laendermonitor.de/de/startseite/.

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Rauschenbach, Thomas/Schilling, Matthias/Meiner-Teubner, Christiane (2017): Plätze. Personal. Finanzen - der Kita-Ausbau geht weiter. Zukunftsszenarien zur Kindertages- und Grundschulbetreuung in Deutschland.

Textor, M.R. (2016/2008): Erziehungs- und Bildungspläne. In: Das Kita-Handbuch. Online verfügbar unter: Externer Link: http://www.kindergartenpaedagogik.de/1951.html

Fussnoten

Fußnoten

  1. Die Zahl der Neuzugänge basiert auf "einer Fortschreibung der zuletzt erfolgreich abgelegten Examina in den einschlägigen Berufs- und Hochschulausbildungen und der dabei berücksichtigten ausbildungsspezifischen Übergangsquoten in das Arbeitsfeld der Kindertagesbetreuung" (vgl. Rauschenbach, Schilling & Meiner-Teubner, S.32).

  2. Je nach Bundesland werden diese unterschiedlich bezeichnet: von Orientierungsplan (Baden-Württemberg, Niedersachsen) über Bildungs- und Erziehungsplan (Bayern, Hessen) bis hin zu Bildungsgrundsätze (Nordrhein-Westfalen) oder Bildungsprogramm (Saarland, Sachsen-Anhalt). Alle Bildungspläne können online auf dem Deutschen Bildungsserver abgerufen werden: Externer Link: https://www.bildungsserver.de/Bildungsplaene-der-Bundeslaender-fuer-die-fruehe-Bildung-in-Kindertageseinrichtungen-2027-de.html

  3. Der Geltungsbereich kann sich lediglich auf die Krippe und den Kindergarten beziehen, alle Kindertageseinrichtungen und die Kindertagespflege umfassen oder erweitert die verschiedenen Formen der Kindertagesbetreuung, die Schule und die Familie miteinschließen (vgl. Textor 2016).

  4. Mehr Informationen und eine ausführliche Dokumentation finden sich online unter: Externer Link: https://www.fruehe-chancen.de/qualitaet/qualitaetsentwicklungsprozess/

  5. Ausführliche Informationen dazu finden sich unter: Externer Link: https://www.fruehe-chancen.de/qualitaet/gute-kita-gesetz/

  6. Dabei bildet das hierfür konzipierte DJI-Curriculum "Qualifizierung in der Kindertagespflege" mit einem Umfang von 160 Unterrichtsstunden oder das kompetenzorientierte Qualifizierungshandbuch Kindertagespflege (QHB) des DJI mit einem Umfang von 300 Unterrichtsstunden vielerorts eine zentrale Grundlage.

  7. Der Umfang dieser Unterrichtseinheiten ist nicht bundeseinheitlich vorgeschrieben und variiert somit erheblich. Die Mehrheit der Tagespflegepersonen hat im Jahr 2016 einen Qualifizierungskurs von mindestens 160 Stunden absolviert (vgl. Autorengruppe Fachkräftebarometer 2017, S. 49).

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Nicole Klinkhammer

Dr., geb. 1978, ist wissenschaftliche Referentin im Internationalen Zentrum frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung (ICEC) am Deutschen Jugendinstitut e.V. und Lehrbeauftragte an der Hochschule für angewandte Wissenschaften sowie der Katholischen Stiftungshochschule München. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören u.a. Fragen der Politik und der Governance von Qualitätsentwicklung sowie von Zugang und Teilhabe in frühkindlichen Bildungs- und Betreuungssystemen.

Katharina C. Erhard

Katharina C. Erhard, Dr., geb. 1985, ist Soziologin und war bis Ende 2018 als wissenschaftliche Referentin im Internationalen Zentrum frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung (ICEC) am Deutschen Jugendinstitut in München tätig. Schwerpunkte ihrer Arbeit liegen in der vergleichenden Sozialforschung u.a. in den Bereichen Zugang und Teilhabe in Systemen der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung, Theorie und Vergleich von Wohlfahrts- und Genderregimen und Educational Governance.