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Soziale Ungleichheiten reduzieren: Was die Kita leisten kann | Bildung | bpb.de

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Soziale Ungleichheiten reduzieren: Was die Kita leisten kann

Susanne Kuger Frauke Peter

/ 7 Minuten zu lesen

Nicht zuletzt das neue "Gute-Kita-Gesetz" weckt viele Erwartungen an die Frühe Bildung. Doch inwiefern trägt sie tatsächlich zu mehr Chancengerechtigkeit bei? Eine Analyse der wichtigsten Forschungsergebnisse. Ein Beitrag aus dem Forschungsmagazin des Deutschen Jugendinstituts.

Zwei Jungen spielen in einer Kita mit einer Murmelbahn. Die Frühe Bildung, zu der auch der Besuch einer Kita gehört, ist besonders wichtig, um Kindern Fähigkeiten und Fertigkeiten zu vermitteln, die für den späteren Erfolg in der Schule und im Leben relevant sind. (© dpa)

Fast jedes Kind in Deutschland besucht vor dem Schuleintritt eine Kindertageseinrichtung (Kita). Was und wie die Kinder dort lernen, spielen und sich zu eigenständigen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten entwickeln, ist in den vergangenen Jahrzehnten immer stärker in den Fokus des politischen, gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Interesses gerückt. Disziplinübergreifend wird untersucht, wie sich die frühe Bildungsbeteiligung von Kindern auf ihr späteres Leben auswirkt und welche Rolle die Kita dabei spielt. Aktuelle politische Diskussionen drehen sich unter anderem um die Frage, ob bundesweit einheitliche Qualitätsstandards für die Frühe Bildung und mehr Investitionen in diese geeignet sind, gesellschaftliche Ungleichheiten auszugleichen.

Ein erster Schritt zur Qualitätsverbesserung und Personalentwicklung im frühen Bildungsbereich ist mit dem "Gute-Kita-Gesetz" angestoßen worden, das seit Anfang 2019 in Kraft ist. Denn die empirische Bildungsforschung zeigt, dass die Unterschiede in der schulischen Leistung von Kindern und ihre Chancen auf Teilhabe an der Gesellschaft nicht zufällig, sondern entlang bestimmter Ungleichheitsdimensionen auftreten. Kinder, deren Eltern einen niedrigeren Bildungsabschluss haben oder ein geringeres Einkommen, haben eine deutlich geringere Wahrscheinlichkeit auf ein Gymnasium zu gehen, das Abitur zu schaffen oder ein Studium zu beginnen und abzuschließen als Kinder aus Familien mit höherem Bildungsabschluss oder höherem Einkommen. Mittlerweile ist relativ viel darüber bekannt, welche Faktoren mit ungünstigeren Bildungsergebnissen zusammenhängen.

Die ersten Lebensjahre sind entscheidend

Das familiäre und außerfamiliäre Umfeld spielen gleichermaßen eine wichtige Rolle für das Aufwachsen von Kindern. Die Interaktionen eines Kindes mit seiner Umwelt rufen Lern- und Entwicklungsprozesse hervor, unterstützen oder (be-)hindern diese. Unter allen Umfeldfaktoren sind vor allem die Interaktionen des Kindes mit dem jeweiligen Kontext relevant, der Austausch mit Erwachsenen und anderen Kindern sowie die Beschäftigung mit den Objekten in seiner Umwelt. Diese Interaktionen werden durch das Kind und seine Interaktionspartner, also Eltern, Freunde, Geschwister oder Fachkräfte, gestaltet und geformt. Ebenso tragen Rahmenbedingungen des Aufwachsens bei, zu denen auch die Kita-Gruppe, das Stadtviertel und das gesellschaftliche Zeitgeschehen zählen.

Die Frühe Bildung, zu der auch heute mehr denn je der Besuch einer Kita gehört, ist hierbei besonders wichtig, um Kindern Fähigkeiten und Fertigkeiten zu vermitteln, die für den späteren Erfolg in der Schule, vor allem aber im Leben allgemein relevant sind. Diese bilden sich zum einen früh heraus und prägen zum anderen die weitere Entwicklung (Kluczniok 2017). Die Frage, was die Kita bei der Unterstützung der Entwicklung der Kinder leisten kann, ist daher eng verknüpft mit der Frage, welchen Einfluss die Gesellschaft beim Aufbau und bei der Manifestation von Disparitäten in der kindlichen Entwicklung hat – und was sie tut oder tun kann, um den ungleichheitsverstärkenden Faktoren entgegenzuwirken oder sie wieder abzubauen.

Studien, die die Effekte der Frühen Bildung auf die Entwicklung von Fähigkeiten von Kindern – auch nach unterschiedlicher familiärer Herkunft – untersuchen, zeigen: Kinder aus besser gestellten Familien entwickeln sich oftmals schneller oder positiver als Kinder aus Familien mit weniger günstigen Voraussetzungen (Melhuish u.a. 2015). Die Kita gilt somit als ein möglicher Ort, an dem man im Idealfall die Kinder so in ihrer Entwicklung unterstützen kann, dass mögliche Herkunftsunterschiede verringert werden und alle Kinder bis zum Schuleintritt ähnlich gute Startchancen erlangen können (van Huizen/Plantenga 2018). Doch inwiefern kann die Kita eine Kompensation möglicher Ungleichheit in der Entwicklung realistisch leisten? Und welche Hindernisse bestehen möglicherweise, um diese Hoffnungen zu erfüllen?

Es kommt auf die Qualität der Betreuung an

In der Forschung wurde in den vergangenen Jahren zunächst untersucht, welche Bedeutung der Besuch einer Kita und seine Dauer haben. Der Bildungsbericht 2018 zeigt, dass mittlerweile fast alle Kinder in Deutschland über mehrere Jahre hinweg eine Kita besuchen (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018). Dennoch gibt es nach wie vor Unterschiede. Infolge des akuten Mangels an Kita-Plätzen haben zwei Gruppen von Kindern Vorrang bei der Vergabe von Betreuungsplätzen für Kinder im Alter von ein und zwei Jahren: Kinder, deren Eltern beide arbeiten (was im Regelfall mit einem höheren Bildungsabschluss und Einkommen assoziiert ist) und Kinder von Alleinerziehenden. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung belegt mit Daten des "Sozioökonomischen Panels" (SOEP), dass sich der Besuch einer Kita für die Dauer von drei Jahren und länger positiv auswirkt auf die Fähigkeiten beim Schuleintritt. Diese Effekte halten bis zum Jugendalter an (Müller u.a. 2013).

Betrachtet man neben der Besuchsdauer den Betreuungsumfang, scheint es keine verstärkenden Effekte zu geben (Meiner-Teubner u. a. 2018). Demzufolge ist eine intensivere Nutzung weder schädlich noch scheint es eine kompensatorische Wirkung zu geben. Dennoch bleibt zu bedenken, dass in kaum einem der genutzten Datensätze der relativ neue Trend zur intensiven Nutzung einer wöchentlichen 45-Stunden-Betreuung und mehr vorliegt, sodass zu den möglichen Auswirkungen eines extrem hohen Betreuungsumfangs keine Aussagen getroffen werden können.

Die bildungswissenschaftliche Forschung der vergangenen 20 Jahre zeigt, dass vor allem die Interner Link: Qualität der Kita und der dort erlebten Interner Link: Interaktionen bedeutsam für die kindliche Entwicklung ist. Je nach Definition und Operationalisierung von "Qualität" scheinen hiervon allerdings besonders Kinder zu profitieren, die schon einen Entwicklungsvorsprung aufweisen, sowie Kinder, deren Entwicklung zusätzlich auch zu Hause gut gefördert wird (Anders 2013). Die Studie "Nationale Untersuchung zu Bildung, Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit" (NUBBEK) attestierte jedoch den Einrichtungen in Deutschland vor einigen Jahren insgesamt nur eine mittelmäßige Qualität (Tietze u.a. 2012).

Warum profitieren nicht alle gleich?

Auch wenn solche Befunde scheinbar klare Aussagen zur Bedeutung einzelner Faktoren des Kita-Besuchs machen, ist die Praxis doch komplizierter. Die meisten bedeutsamen Faktoren hängen miteinander zusammen und können nicht unabhängig von einander betrachtet oder verändert werden. Mögliche kompensatorische Wirkungen werden so erschwert.

Nicht nur gibt es Differenzen bei Interner Link: Betreuungsquoten und -dauer. Kinder mit unterschiedlichem familiären Hintergrund erleben in Deutschland auch eher unterschiedlich gute Qualität in den von ihnen besuchten Einrichtungen (Becker/Schober 2017). Zwar sind die Unterschiede in der Qualität gering und deutlich kleiner als zum Beispiel in den USA. Trotzdem geht aus mehreren Untersuchungen (siehe Infobox) mit Daten aus den Studien BiKS, "Nationales Bildungspanel" (NEPS) oder "Kinder und Kitas in Deutschland" (K2ID-SOEP) hervor, dass der Zugang zu besserer Qualität selektiv ist und Kinder mit günstigeren Lebensumständen im Vorteil sind (Schober u.a. 2017). Kinder aus weniger privilegierten Familien finden in den von ihnen besuchten Einrichtungen etwas weniger gute Anregung vor. Wünschenswert wären dagegen Befunde wie sie zum Teil aus England berichtet werden. Dort sind Kinder zum Beispiel in Brennpunktregionen teilweise in Einrichtungen mit einer besseren Qualität als Kinder in den reicheren Randbezirken der Stadt. Dies beweist, dass gute Qualität unter allen Rahmenbedingungen, auch widrigen, realisiert werden kann (Siraj-Blatchford u.a. 2011).

Überblick über Studien zur Wirkung von Früher Bildung: Aussagekräftige Ergebnisse liefern prospektive, längsschnittliche Feldstudien

Die Frage, wie sich der Besuch einer Kindertageseinrichtung auf die Entwicklung von Kindern auswirkt, ist weniger leicht zu untersuchen, als man zunächst meinen könnte: Besonders robuste Ergebnisse für Wirkungsanalysen erhält die Wissenschaft in Zufallsexperimenten, bei denen eine Gruppe eine bestimmte Behandlung bekommt und die andere Gruppe eine andere oder gar keine. Im Zusammenhang mit einem Kita-Besuch lässt sich heute ein solches Studiendesign in Deutschland kaum mehr realisieren, denn inzwischen gehen nahezu alle Kinder von einem gewissen Alter an in die Kita. Kausale Schlussfolgerungen über die Wirkung eines Kita-Besuchs sind daher mit methodischen Annahmen behaftet.

Besonders nah kommt man aussagekräftigen Ergebnissen mit sogenannten prospektiven, längsschnittlichen Studien, in denen eine große Gruppe von Teilnehmenden über längere Zeit begleitet wird, und durch Beobachtungen und Befragungen immer wieder Informationen über ihre Lebensumstände gesammelt werden. In Deutschland existieren einige Studien, die eine solche Datengrundlage bilden, wie der folgende Überblick zeigt:

Im Rahmen von BiKS ("Bildungsprozesse, Kompetenzentwicklung und Selektionsentscheidungen im Vorschulalter") wurden von einer Forschergruppe an der Universität Bamberg von 2005 an knapp 550 Kinder in Nordbayern und Hessen vom 3. bis zum 14. Lebensjahr (bzw. bis zur 7. oder 8. Klasse) begleitet. Es wurden Eltern sowie Mitarbeitende in Kindergärten und Schulen befragt, die Interaktionen in den Kontexten wurden regelmäßig beobachtet und zudem wurden Merkmale der kognitiven sowie sozial-emotionalen Entwicklung der Kinder erhoben.

K2ID-SOEP ("Kinder und Kitas in Deutschland") ist eine Erweiterungsstudie zum Sozio-ökonomischen Panel (SOEP) am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, einer Befragung, die seit 1984 alle Personen in einem Haushalt begleitet. Seit den 2000er-Jahren erhebt das SOEP auch Daten zur altersspezifischen Entwicklung von Kindern. Für das K2ID-SOEP wurden zwischen 2013 und 2015 Eltern mit Kindern im Alter bis zu sechs Jahren zu Früher Bildung und deren Nutzung befragt sowie nach der konkreten Kindertageseinrichtung, die ihre Kinder besuchen. Parallel erhielten die Teams der besuchten Kita einen schriftlichen Fragebogen. Die Daten erlauben es, sowohl den Kontext des Aufwachsens in der Familie als auch den in der Kita zu analysieren.

Das "Nationale Bildungspanel", kurz NEPS, untersucht "Bildungsverläufe in Deutschland". Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Deutschen Jugendinstitut (DJI) wirken seit Studienbeginn im Jahr 2009 in unterschiedlichen Rollen an der Untersuchung mit. Dafür werden von der Universität Bamberg aus derzeit sechs verschiedene Studien längsschnittlich koordiniert, von denen eine seit dem Jahr 2010 neugeborene Kinder und deren Eltern begleitet.

Die "Nationale Untersuchung zu Bildung, Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit", kurz NUBBEK, an der das DJI beteiligt war, ist eine bundesweite Erhebung ohne Längsschnittkomponente. Um belastbares empirisches Datenmaterial zu gewinnen, wurden die Qualität von Einrichtungen der Kindertagesbetreuung sowie der Entwicklungsstand der zwei- und vierjährigen Kinder zum Zeitpunkt der Erhebung im Jahr 2010 untersucht.

Aber nicht nur der Interner Link: selektive Zugang zu qualitativ guten Einrichtungen kann dazu führen, dass der Kita-Besuch Ungleichheiten eher nicht ausräumt. Solange Platzknappheit herrscht, also nicht jedes Kind, dessen Eltern einen Betreuungsplatz suchen, einen solchen bekommt, werden Kinder aus sozial schwächeren Familien eher benachteiligt. Dies gilt aktuell vor allem für die Betreuungssituation im Alter von bis zu drei Jahren und in Gegenden mit weniger umfangreichem Betreuungsangebot: Nach wie vor hängen die Bildung der Mutter, die Erwerbstätigkeit der Eltern, das Armutsrisiko oder auch der Migrationshintergrund damit zusammen, ob ein Kind unter drei Jahren eine Kita besucht (Jessen u.a. 2018). Wie die KiBS-Studie am Deutschen Jugendinstitut zeigt, erhalten inzwischen zwar viele Eltern einen Betreuungsplatz, den elterlichen Anforderungen aber werden sie nicht immer gerecht. Einrichtungen können häufig die zeitliche Flexibilität nicht anbieten, die notwendig ist, wenn Eltern weit zum Arbeitsplatz pendeln müssen oder in Schichtarbeit beschäftigt sind. Das führt dazu, dass Eltern multiple Arrangements der Betreuung logistisch aufeinander abstimmen müssen. Beim erforderlichen quantitativen und qualitativen Ausbau der Kindertagesbetreuung ist zudem derzeit der Mangel an qualifiziertem Personal ein großes Hindernis.

Strukturelle Hindernisse schränken positive Effekte ein

So groß die Fortschritte in der Forschung zu diesen Merkmalen der Betreuung in den vergangenen Jahren waren, so sehr zeigen die Ergebnisse auch, dass es nicht den einen Kita-Effekt für alle Kinder gibt. Entsprechend gibt es auch keinen generellen kompensatorischen Effekt der Kitas. Die Realisierung guter Qualität und deren Wirkung für eine günstige Entwicklung der Kinder sind möglich. Gleichzeitig wird in den Befunden auch deutlich, dass die Forschung in den kommenden Jahren noch viel genauer hinsehen muss, um zum Beispiel zu identifizieren, ob und inwiefern das geschilderte komplexe Ineinandergreifen verschiedener Faktoren überall ähnlich funktioniert.

So ergibt sich, etwas plakativ und verkürzend zusammengefasst, ein leicht ernüchterndes Bild: Üblicherweise entwickeln sich jene Kinder am besten, die sehr gute Qualität in beiden Kontexten (Familie und Kita) erfahren, und die schon mit guten Eingangsbedingungen in die Kita kommen. Um ungünstigere Bedingungen in der Familie auch nur annähernd kompensieren zu können, müssten die betroffenen Kinder über längere Zeit hinweg in einer Kita mit sehr guter Qualität betreut werden. Tatsächlich werden sie im Alter unter drei Jahren aber eher nicht angemeldet, bekommen eher keinen Platz, gehen im Durchschnitt etwas kürzer in die Kita (vor allem im Alter zwischen drei und sechs Jahren), und die Wahrscheinlichkeit, dass die Betreuung dort von guter Qualität ist, ist etwas geringer als bei Kindern aus einem günstigeren Familienumfeld.

Somit scheint es nach wie vor wichtig, einzelne strukturelle Hindernisse wie die Platzknappheit, den selektiven Zugang und das Fehlen bundesweit einheitlicher Qualitätsstandards sowie Informationsdefizite auf Elternseite zu beseitigen, um Kompensationseffekte zu ermöglichen. Die Zukunft wird zeigen, ob das neue "Gute-Kita-Gesetz" sowie Einzelinitiativen wie die in Bremen realisierte konzertierte Aktion "BRISE" ("Bremer Initiative zur Stärkung frühkindlicher Entwicklung") dazu beitragen, gesellschaftliche Ungleichheiten durch frühe Bildungsbeteiligung auszugleichen.

Quellen / Literatur

Dieser Beitrag erschien zuerst im Forschungsmagazin des Deutschen Jugendinstituts DJI Impulse, 1/19, Nr. 121.
Mehr zum Thema auch unter: Externer Link: www.dji.de/themen/kinderbetreuung

Literatur

Anders, Yvonne (2013): Stichwort: Auswirkungen frühkindlicher institutioneller Betreuung und Bildung. In: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 16. Jg, 2. H., S. 237–275.

Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2018): Bildung in Deutschland 2018. Bielefeld.

Becker, Birgit / Schober, Pia Sophia (2017): Not just any child care center? Social and ethnic disparities in the use of early education institutions with a beneficial learning environment. In: Early Education and Development, 28. Jg., 8. H., S. 1011–1034.

Kluczniok, Katharina (2017): Längsschnittliche Analysen der Auswirkung frühkindlicher Lernumwelten – Chancen und Risiken außerfamilialer Betreuung. In: Pädagogische Rundschau, 71. Jg., 3. und 4. H., S. 247–259.

Jessen, Jonas u.a. (2018): Kita-Besuch hängt trotz ausgeweitetem Rechtsanspruch noch immer vom Familienhintergrund ab. In: DIW Wochenbericht, 38. H., S. 803–813.

Van Huizen; Thomas / Plantenga; Janneke (2018): Do children benefit from universal early childhood education and care? A metaanalysis of evidence from natural experiments, In: Economics of Education Review, 66. Jg., S. 206–222.

Melhuish, Edward u. a. (2015): A review of research on the effects of early childhood education and care (ECEC) on child development. Utrecht.

Meiner-Teubner, Christiane / Stolarove, Margarita / Tabel, Agathe (2018): Stellungnahme1 zur Kleinen Anfrage der Abgeordneten Waldemar Herdt, Nicole Höchst, Dr. Götz Frömming und der Fraktion der AfD vom 18. Mai 2018. München.

Müller, Kai-Uwe u.a. (2013): Evaluationsmodul: Förderung und Wohlergehen von Kindern. In: Politikberatung kompakt, 73. Jg., Berlin.

Schober, Pia Sophia / Spiess, Katharina C. / Stahl, Juliane (2017): Parental Socio-Economic Status and Childcare Quality: Early Inequalities in Educational Opportunity? In: Early Childhood Research Quarterly, 44. Jg., S. 304–317.

Siraj-Blatchford, Iram u. a. (2011): Performing against the odds: develop-mental trajectories of children in the EPPSE 3 to 16 study: brief. London.

Tietze, Wolfgang u.a. (Hrsg.) (2013): Nationale Untersuchung zur Bildung, Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit (NUBBEK). Weimar, Berlin.

Fussnoten

Weitere Inhalte

Dr. Susanne Kuger leitet seit April 2018 das "Zentrum für Dauerbeobachtung und Methoden" am Deutschen Jugendinstitut in München. Zuvor arbeitete die Psychologin am Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation (DIPF) in Frankfurt in der Abteilung "Bildungsqualität und Evaluation". Ihre Arbeitsschwerpunkte sind die Erfassung der Aufwachsens- und Lernkontexte von Kindern und Jugendlichen im Kindergarten, der Schule, der Familie und in ihrer Freizeit, die Abhängigkeit der Kontexte von gesellschaftlichen und individuellen Voraussetzungen sowie ihre Bedeutung für gelingendes Aufwachsen.

Dr. Frauke Peter ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung "Bildung und Familie" am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind insbesondere Bildungsentscheidungen in der Frühen und der Tertiären Bildung. Sie arbeitet hierbei unter anderem zur Rolle von Informationen und nutzt hierzu Interventionsstudien. Zudem forscht sie auch zur Entwicklung und zum Einfluss von nicht-kognitiven Fähigkeiten sowie zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf von Müttern.
Kontakt: E-Mail Link: fpeter@diw.de