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"Das Geld versickert" | Bildung | bpb.de

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"Das Geld versickert"

Ludger Wößmann

/ 6 Minuten zu lesen

Ludger Wößmann (© picture-alliance)

"Bildungsökonom" – viele werden das Gesicht verziehen, wenn sie den Begriff lesen. Ist es moralisch vertretbar, dass sich die Knechte des Marktes der hehren Bildung annehmen?

Ludger Wößmann: Ökonomen sind keine Monster, auch wenn uns einige Pädagogen und Altphilologen so sehen mögen – aber die haben den Humanismus und »das Gute« nicht gepachtet. Auch wir machen uns Gedanken darüber, wie man die Lage der Menschen verbessern kann – gerade der Menschen, denen es am schlechtesten geht.

Welche Gedanken macht sich ein Bildungsökonom?

Wößmann: Zum einen beschäftigt mich der Einfluss der Bildung auf das Wirtschaftswachstum: Was kann in der Schule getan werden, um einen hohen Lebensstandard für alle zu sichern? Zum anderen, wie das Bildungssystem nach ökonomischen Maßstäben verbessert werden kann. Wir leben nicht im Schlaraffenland, die Ressourcen sind immer begrenzt. Wie können sie am wirkungsvollsten eingesetzt werden?

Ist es sinnvoll, Bildung nur durch die Brille der Ökonomie zu betrachten?

Wößmann: Nicht nur, sondern auch.

Was haben Schulen und die Schüler davon?

Wößmann: Eine ganze Menge. Wenn wir nachweisen – und dafür haben meine Kollegen und ich überwältigende Belege gefunden –, dass Bildung ein wichtiger Schlüssel für das Wirtschaftswachstum ist, dass Bildung vor Arbeitslosigkeit schützt und mehr Verdienst verspricht, dann wächst die Lobby für gute Schulen und Universitäten. Auch die Unterprivilegierten finden einen starken Verbündeten in der Wirtschaft.

Inwiefern?

Wößmann: Die Pisa-Studie hat gezeigt, dass ein knappes Viertel der 15-Jährigen nicht richtig lesen und rechnen können, die stehen dem Arbeitsmarkt nur eingeschränkt zur Verfügung. Gleichzeitig leiden viele Unternehmen schon jetzt unter einem Mangel an Fachkräften. Die Wirtschaft wird also Druck auf die Politik ausüben und selbst aktiv werden, um dieses Problem in den Griff zu bekommen.

Worauf achtet ein Ökonom, wenn er das Schulsystem betrachtet?

Wößmann: Das Schlüsselwort heißt »Anreize«. Der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Steven Landsburg hat das hübsch formuliert: »Der Großteil der Ökonomie kann in vier Worten zusammengefasst werden: ›Menschen reagieren auf Anreize.‹ Der Rest ist Kommentar.«

Was heißt das für die Schulen?

Wößmann: Auch da gilt: Menschen ziehen Dinge, die ihnen lieber sind, anderen Dingen vor, die ihnen weniger angenehm sind. Die erste Frage lautet also: Wie muss das Bildungssystem gestaltet werden, damit alle Beteiligten Anreize haben, zum Lernen der Schüler – denn das ist das »Kerngeschäft« – beizutragen? Die zweite Frage ist die nach der effizienten Nutzung der Ressourcen.

Was haben Sie dazu herausgefunden?

Wößmann: Mehr Geld macht die Schulen nicht unbedingt besser.

Wie kommen Sie darauf?

Wößmann: Ich habe die Bildungsausgaben verschiedener Staaten mit den Leistungen der Schüler in der Pisa-Studie verglichen – es gibt keinen Beleg dafür, dass Länder, die mehr für die Bildung ausgeben, bessere Leistungen vorweisen. Die ostasiatischen Staaten liegen mit ihren Ausgaben eher im Durchschnitt, mit den Leistungen aber immer an der Spitze. Die USA hingegen investieren relativ viel Geld, ihre Schüler schneiden aber nur mittelmäßig ab. Auch Studien, die Leistungen innerhalb der Länder untersuchen, finden keine Belege für positive Effekte höherer Ausgaben.

Das wird die Kultusminister freuen.

Wößmann: Die Finanzminister vielleicht; die Kultusminister sollte es eher beunruhigen.

Weshalb?

Wößmann: Weil die gedanklich simple Lösung, mehr Geld in das Bildungssystem zu pumpen, nicht funktioniert. Es schafft keine neuen Anreize, etwas besser zu machen. Das Geld versickert einfach in einem ineffizienten System.

Eltern und Lehrerverbände fordern regelmäßig die Einstellung von mehr Pädagogen und kleinere Schulklassen. Da wäre mehr Geld doch gut angelegt.

Wößmann: Diese Investitionen sind beliebt, haben aber – so zeigen zahllose Studien – kaum einen Effekt.

Aber in Klassen mit weniger Schülern, das sagt einem der gesunde Menschenverstand, kann doch besser unterrichtet werden.

Wößmann: Könnte vielleicht, wird aber nicht. Vielleicht würde sich etwas ändern, wenn etwa der Unterrichtsstil geändert würde. Dann müsste man Lehrer belohnen, die besser unterrichten. Wenn man dazu mehr Geld braucht, wäre das sinnvoll investiert. Aber einfach die Klassen zu verkleinern kostet nur Geld.

Im Englischunterricht, das haben Studien gezeigt, hat die Klassengröße einen Einfluss auf die Schülerleistungen.

Wößmann: Ja, vermutlich gilt das auch für Förderunterricht und zu Beginn der Grundschule. Aber im Durchschnitt aller Klassen und Fächer gilt es eben nicht. Nur in einem Bereich sind derzeit größere Investitionen sinnvoll, weil sie etwas bewirken: beim Ausbau der frühkindlichen Förderung, insbesondere für Kinder aus benachteiligten Familien.

Sie sprachen von Anreizen. Werden unsere Lehrer gut genug bezahlt?

Wößmann: Im internationalen Vergleich sogar sehr gut. Das ist also nicht das Problem.

Sondern?

Wößmann: Der fehlende Anreiz, besser zu werden. Gute und einsatzbereite Lehrer oder jene, die Zusatzaufgaben übernehmen, bekommen nicht mehr Geld als ihre faulen oder unfähigen Kollegen. In Finnland etwa verdienen die Lehrer ein Drittel weniger als bei uns. Aber für Zusatzaufgaben und gute Leistungen bekommen sie Zulagen. Hierzulande werden die guten Lehrer bestraft und die faulen belohnt. Das kann nicht funktionieren.

Sind Sie noch auf andere Fehlinvestitionen gestoßen?

Wößmann: Hinterfragen muss man die Millionen, die in die Computerausstattung der Schulen geflossen sind. Es ist ein Irrglaube, anzunehmen, dass die Nutzung von Computern zu Hause und in der Schule zu besseren Leistungen führt. Meine Studien zeigen das Gegenteil: Wer zu oft am Computer sitzt, lernt sogar schlechter.

Die Wirtschaftsorganisation OECD, die die Pisa-Studie initiiert hat, behauptet etwas anderes.

Wößmann: In der Tat zeigen Schüler, die intensiv Computer nutzen, oft bessere Leistungen als ihre Mitschüler. Die stammen aber häufig aus bildungsfördernden Familien und gehen auf privilegierte Schulen. Wenn man den sozialen Hintergrund mit betrachtet, bringen Computer – zumindest so, wie sie jetzt genutzt werden – nichts für die Schülerleistung.

Sollte man also die Computer aus den Schulen verbannen?

Wößmann: Nein. Man sollte den Schulen nur nicht jede Mode aufzwingen, sondern neue Mittel und Methoden zunächst auf ihre Wirksamkeit hin untersuchen. Derzeit wird zum Beispiel der Fremdsprachenunterricht in den Grundschulen forciert. Aber keiner weiß, wie sich das wirklich langfristig auf die Leistungen auswirkt.

Was würden Sie am Schulsystem ändern, damit die Schüler besser lernen?

Wößmann: Es muss mehr Anreize für gute Lehrer und Schulen geben. Dazu muss klar sein, wer für eine Leistung verantwortlich ist, nur dann können Belohnungen und Sanktionen wirken. Deshalb halte ich neben mehr Frühförderung vor allem zwei institutionelle Reformen für nötig: Erstens sollte der Staat nur die Ziele vorgeben, zum Beispiel, was die Schüler am Ende der neunten Klasse können müssen, und mit Tests und zentralen Prüfungen das Erreichen dieser Ziele kontrollieren. Den Weg dahin sollte jede Schule autonom bestimmen, auch wofür sie Geld ausgibt und welche Lehrer sie einstellt. Wichtig ist dieser Dreiklang: staatliche Zielvorgabe – Schulautonomie – externe Kontrolle.

Schulautonomie allein reicht nicht?

Wößmann: Viele Studien zeigen, dass Autonomie ohne Kontrolle oftmals sogar zu schlechteren Leistungen führt.

Und die zweite institutionelle Reform?

Wößmann: Am besten schneiden die Länder ab, in denen der Staat nur die Finanzierung übernimmt, sich die Schulen aber in privater Trägerschaft befinden.

Das Pisa-Musterland Finnland hat aber ein staatliches Schulwesen.

Wößmann: Und in Holland, das bei Pisa nicht signifikant schlechter abschneidet als Finnland, gehen drei Viertel der Schüler auf privat geleitete Schulen – die alle staatlich finanziert sind. Systematische Antworten bekommen wir also nur, wenn wir alle Pisa-Länder miteinander vergleichen und gleichzeitig andere Effekte berücksichtigen.

Schulen zu privatisieren ist in Deutschland wohl eher eine utopische Forderung.

Wößmann: Sie sollen ja nicht von Discountern übernommen werden. Die meisten Privatschulen heute sind kirchliche Schulen. Man sollte zumindest darüber nachdenken. Als Wissenschaftler kann ich nur die Ergebnisse meiner Studien auf den Tisch legen und Vorschläge machen.

Müssen wir die Schulstruktur ändern?

Wößmann: Auf jeden Fall, das habe ich erst kürzlich für Deutschland nachgewiesen, ist die Bildungsungerechtigkeit größer, je früher die Schüler auf verschiedene Schularten aufgeteilt werden. Arbeiterkinder lernen weniger als Oberschichtkinder, auch wenn sie genauso intelligent und fähig sind. Das ist moralisch verwerflich und ökonomisch unvernünftig.

Wären denn Gesamtschulen besser?

Wößmann: Nicht die deutsche Gesamtschul-Spezies, die zusätzlich neben die selektiven Schularten gestellt wurde. Aber die Kinder länger in einer gemeinsamen Schule zu unterrichten funktioniert in anderen Staaten gut. In Deutschland sollte man die Kinder nicht schon nach der vierten Klasse auf verschiedene Schularten aufteilen und die Zahl der Schulformen reduzieren.

Was halten Sie von dem Vorhaben, mehr Ganztagsschulen einzuführen?

Wößmann: Das mag eine sozialpolitisch sinnvolle Maßnahme sein. Mir ist aber keine Studie bekannt, die überzeugend zeigt, dass Ganztagsschulen zu besseren Schulleistungen führen. Hier warne ich vor allzu viel Optimismus.

Interview: Thomas Kerstan

Zuerst erschienen in der Wochenzeitung DIE ZEIT, Nr. 25/2007 (Externer Link: www.zeit.de/2007/25/C-Interview-Woessmann/komplettansicht)

Fussnoten

Weitere Inhalte

Prof. Dr. Ludger Wößmann ist Universitätsprofessor für Bildungsökonomie an der volkswirtschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München und Leiter des ifo Zentrums für Bildungs- und Innovationsöknomik, München.