Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Typisch Frau, typisch Mann? – Das Nichtgedachte ausprobieren | Bildung | bpb.de

Bildung Editorial Was ist Bildung? Bildung - Begriffsbestimmungen Nachgefragt: Was ist für Sie Bildung? Bildungsideale Alltagsbildung Bildung im Wandel Geschichte des Bildungssystems Ins System kommt Bewegung Demografischer Wandel Wissensgesellschaft Akteure der Bildungspolitik Staat als Akteur Kirchen und Religionsgemeinschaften Schüler, Studierende und Eltern Politische Parteien Unternehmerverbände, Lobbyorganisationen und Think-Tanks Bildungsverbände und Gewerkschaften Wissenschaft und Forschung Forschungsüberblick Bildungsungleichheiten Was sind soziale Bildungsungleichheiten? Ungleichheiten in den Bildungsbereichen Ursachen von Bildungsungleichheiten Ansätze zur Verminderung von Bildungsungleichheiten Literatur Ethnische Bildungsungleichheiten Geschlechterungleichheiten Schule & Bildungsungleichheit Heterogenität Berufsbildung & Bildungsungleichheit Wie wir lernen Videos: Nachgefragt: Wo findet Bildung statt? Wie funktioniert Lernen? Lernen durch Erfahrung Wie der Stoff ins Gedächtnis gelangt Wie lernt unser Gehirn? Videos: Intelligenzforschung Lernen im Unterricht Geschichte des Lernens mit Lehre Guter Lehrer, guter Unterricht Interview: Lehrerfortbildung Digitalisierung verändert die Lehrerrolle Individuelle Förderung: Hintergrund und Fallstricke Individuelle Förderung: Gestaltungsmöglichkeiten Quiz: Wie wir lernen Unterricht und Lernstile Binnendifferenzierung in der Praxis Kleine Klassen - besseres Lernen? Bildung und soziale Ungleichheit Editorial zur Einführung Forschungsstand Migration, Bildung und Ungleichheit Was sind soziale Bildungsungleichheiten? Ungleichheiten in den Bildungsbereichen Ursachen von Bildungsungleichheiten Geschlechterungleichheiten Behinderung & Bildungsungleichheit Ethnische Bildungsungleichheiten Bundesländerungleichheiten Lehrkräfte & Bildungsungleichheit Eltern & Bildungsungleichheit Zugangsbarrieren in der frühkindlichen Bildung Schule & Bildungsungleichheit Berufsbildung & Bildungsungleichheit Bildungsaufstieg Ende der Aufstiegsgesellschaft? Hintergrundwissen Zweigliedrigkeit Video: Die soziale Frage der Demokratie Menschenrecht Teilhabe durch Bildung Wissensgesellschaft Ungleiche Grundschulen Alltagsbildung Bildungserträge und andere Folgen der Bildungsexpansion Volkswirtschaft und Bildung Bildung als Ressource für Gesundheit Zivilgesellschaftliches Engagement Politisches Interesse und politische Partizipation Hauptschulen = Problemschulen? Ungleichheit in der Klassengesellschaft Deutsche Migrationsgeschichte Geschichte Strategien für Chancengleichheit Schulgeschichte bis 1945 Kampf um die Schulstruktur Schulgeschichte nach 1945 Von der Krippe bis zur Hochschule – das Bildungssystem der DDR Bildungsgerechtigkeit – kontrovers diskutiert Das Recht auf Bildung verwirklichen. Herausforderungen für Schule und Bildungspolitik in Deutschland Bildung, Interesse, Bildungsinteresse - Essay Bildungsgerechtigkeit - Essay Gleichheit als normatives Prinzip Was tun? Ansätze zur Verminderung von Bildungsungleichheiten Chancengerechtigkeit durch Kita? "Wer kann, schickt seine Kinder auf eine bessere Schule" Brennpunktschule - ein Praxisbericht Eltern & Bildungsungleichheit Forschung Übergangsbereich Bildungsberatung Zwischenruf Für eine kluge Ungleichbehandlung Soziale Auslese und Bildungsreform Bildung und Herkunft Pro & Contra: Digitale Nachhilfe auf Knopfdruck Podcasts & Videos Grafiken: Bildungsungleichheit Bildung und Demokratie Die ungleiche Bürgergesellschaft Video: Die soziale Frage der Demokratie Demokratie lernen Demokraten fallen nicht vom Himmel! Partizipation in der Kita Servicelearning – Lernen durch Engagement Mythos Neutralität Audio: Demokratie muss erfahrbar sein Rechtlicher Rahmen Bildungsrecht – wie die Verfassung unser Schulwesen (mit-) gestaltet Kultusministerkonferenz: Stärkung der Demokratieerziehung Schulgesetze der Bundesländer Bildung zwischen Markt und Staat Stiftungen Privatschulen Nachhilfe Studiengebühren Hochschulrankings Drittmittel aus der Wirtschaft Interview: Bildungsökonomie Volkswirtschaft und Bildung Frühkindliche Bildung Grundlagen & Reformen Rechtsgrundlagen und familienpolitische Maßnahmen Kindertagespflege Fachkräftemangel Ausbau Initativen und Reformen Bildungsinhalte Entwicklungspsychologie Schulreife Bildungspläne Interview Bildungsauftrag Qualitätssicherung Qualität Interview Qualität Interview Krippenpädagogik Chanchengerechtigkeit / Teilhabe für alle Zugangsbarrieren in der frühkindlichen Bildung Interview Ungleichheiten Chancengerechtigkeit durch Kita? Erzieher:innen Ausbildung Fachkräfteabwanderung Schule Eine Frage – viele Antworten: Was macht gute Schule aus? Corona-Pandemie und Schule Als hätte es Corona nicht gegeben Schulgestaltung Brennpunktschule - ein Praxisbericht G8 versus G9 Zeitleiste: G8 oder G9? Ganztagsschule Zweigliedrigkeit Interview: Schulbau Schulnoten Alternative Leistungsbeurteilung Klassenwiederholung Lernen und Lehren Umgang mit Heterogenität Binnendifferenzierung in der Praxis Integration in Sprachlernklassen Inklusion Inklusion – worum es geht Chancen und Hindernisse 10 Jahre Inklusion UN-Behindertenrechtskonvention Bildungsmonitoring Bessere Schulen mit Hilfe von Daten? PISA & Co. – eine kritische Bilanz Video: Die Studie Abiturnoten Ungleichheiten Bundesländerungleichheiten Bildungsungleichheiten - mögliche Ursachen Lehrkräfte & Bildungsungleichheit Geschichte Geschichte der allgemeinen Schulpflicht Datenreport 2021: Allgemeinbildende und berufliche Schulen Infografiken: Schule Kleine Klassen - besseres Lernen? Berufliche Bildung Berufsbildungsgesetz Berufsbildungsgesetz Zeitleiste: Berufsbildungsgesetz Duale & schulische Berufsausbildung Datenreport: Duale Ausbildung Duale Berufsausbildung Schulische Ausbildung Qualität dualer Ausbildung Dual und schulisch im Vergleich Bildungs-Schisma Ausbildungschancen Übergangsbereich Forschung Übergangsbereich Teilhabe durch Ausbildung Ausbildungschancen von Hauptschülern Interview: Geflüchtete Ausbildungsreife Berufswahl Interview: Berufsorientierung Berufswahl und Geschlecht Podcast: Berufswahl Grafiken zur Beruflichen Bildung Hochschule Studiengebühren? Bildungsaufstieg Interview: Powerpoint Qualitätspakt Lehre Hochschulen im Wettbewerb Hochschulen in Deutschland Interview: "Die Vergangenheit wird idealisiert" Grafiken zu Hochschule Geschichte des Bildungssystems Bildungsgeschichte im Überblick Überblick Entwicklung der Bildungsbereiche Frühkindliche Bildung Zeitleiste der frühkindlichen Bildung Schulgeschichte bis 1945 Schulgeschichte nach 1945 Abitur im Wandel Kampf um die Schulstruktur Demokratisierung der Schulkultur Strategien für Chancengleichheit Lebenslanges Lernen Bildungsexpansion Folgen der Bildungsexpansion Bildung, Erziehung und Lernen Helene Lange Bildung in der DDR Wie der sozialistische Staat die Bildungseinrichtungen prägte Von der Krippe bis zur Hochschule – das Bildungssystem der DDR Schulsystem der DDR Literatur Zahlen und Infografiken Grafiken: Soziale Rahmenbedingungen Grafiken: Frühkindliche Bildung Grafiken: Schule Inwieweit glauben junge Menschen an gleiche Bildungschancen? Gute Bildung – wovon hängt sie ab? Das denken junge Leute Grafiken: Berufsbildung Grafiken: Hochschule Grafiken: Private Bildung Grafiken: Bildungsungleichheit Grafiken: Erträge von Bildung Glossar Redaktion Digitalisierung und Bildung

Typisch Frau, typisch Mann? – Das Nichtgedachte ausprobieren

/ 7 Minuten zu lesen

Frauen und Männer können heute prinzipiell jeden Beruf ergreifen. Dennoch folgen viele bei ihrer Berufs- und Studienwahl klassischen Mustern. Wie lassen sich dennoch neue Möglichkeiten erschließen?

Ein Krankenpfleger füttert einen bettlägrigen Mann. Bei der Berufswahl sind die eigenen Talente wichtig. (© picture-alliance, Klaus Rose/OKAPIA)

Im Spielwarenladen ist die Welt hellblau und pink: In der pinken Ecke reihen sich "märchenhafte" Experimentierkästen "für kleine Gärtnerinnen" neben Regalböden voller Einhörner und Eisprinzessinnen. Im blauen Universum heißen die Experimentierkästen "Roboter-Control" oder "Weltraum-Farm". Produkte, die gezielt Jungen oder Mädchen ansprechen, findet man auch in Drogeriemärkten und in Lebensmittelläden, von rosa und blauen Smarties bis hin zu Badekristallen für "kleine Nixen" und "kleine Seeräuber". Früher gab es Kinder, heute scheint es nur noch Mädchen und Jungen zu geben, die in zwei völlig unterschiedlichen Welten leben.

Natürlich baden oder essen Jungen und Mädchen nicht anders, aber für Unternehmen lässt sich mit Gender-Marketing besser Geld verdienen, kritisiert Dr. Stevie Schmiedel, die die Initiative "Pinkstinks" ins Leben gerufen hat. Für sie hat diese Einseitigkeit in den Spielwarenläden weitreichende Folgen – auch für die Berufswahl. "Die Spielewelt macht Vorgaben. Sie weist Jungen und Mädchen bestimmte Kompetenzen zu. Mädchen sind für Verschönerung zuständig, pflegen und erziehen. Die Jungs bewegen sich in einer technischen Welt", zeigt sie auf.

Schere im Kopf

Dr. Stevie Schmiedel (© Yvonne Schmedemann)

Das Argument "ist doch nur Werbung" lässt sie nicht gelten: "Werbung ist kein Spiegel der Gesellschaft, sie prägt die Gesellschaft und muss ernstgenommen werden." Denn die Werbung zementiert tradierte Rollenbilder, die sich seit Jahrzehnten in der Berufs- und Studienwahl finden. Bei den dualen Ausbildungsberufen wählen junge Männer überwiegend Ausbildungsberufe aus den Bereichen Metall, Elektro, Bau oder Verkehr, junge Frauen entscheiden sich mehrheitlich für Berufe in Verwaltung und Büro, Körperpflege oder Dienstleistung.

Dabei leben wir eigentlich in einer aufgeklärten Zeit. "Die Ambivalenz zeigt sich unter anderem darin, dass Väter heute zwar ganz selbstverständlich ihren Sohn im Kinderwagen spazieren schieben, sich aber schwer tun, ihm einen Puppenwagen zum Papa spielen zu kaufen. Da ist eine Schere im Kopf!", lautet das Fazit von Dr. Stevie Schmiedel.

Ein Bündel an Einflüssen

Wenka Wentzel (© privat)

Für Eltern ist es schwierig, gezielt gegen solche Rollenzuschreibungen zu arbeiten. "Die Bilder sind einfach sehr stark", sagt Wenka Wentzel vom Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit. Das Kompetenzzentrum organisiert die Girls’- und Boys‘Days, an denen Jungs in soziale, erzieherische und pflegerische Tätigkeiten schnuppern können und Mädchen in MINT-Berufe – also Berufe rund um Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. "Junge Menschen wachsen in einem gesellschaftlichen Klima auf, in dem Chancengleichheit selbstverständlich zu sein scheint, aber schon bei ihrer Berufswahl wird deutlich, dass es weiterhin Faktoren gibt, die eine gleichberechtigte Teilhabe verhindern", betont Wenka Wentzel.

Jede Berufs- und Studienentscheidung ist das Ergebnis vielfältiger, miteinander verzahnter Einflussfaktoren, etwa aus den Medien, Vorbilder aus der Familie, dem Bekanntenkreis und der Schule. "Wie der tatsächliche Arbeitsalltag in der Familie funktioniert, was Eltern, Bekannte und Freunde vorleben hat sicherlich einen sehr großen Einfluss", erläutert Wenka Wentzel.

Sich diesem Einfluss zu entziehen, ist schwierig. "Die meisten jungen Menschen wollen nicht auffallen, sich nicht anders verhalten als der Rest ihrer Generation", erklärt Dr. Elisabeth Bublitz vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut. Sie ist Mitautorin einer Studie über geschlechtsspezifische Berufswahl. Eine vermutete negative Reaktion der Umwelt kann zur großen Hemmschwelle werden: "Wenn Mädchen davon ausgehen, dass ihre Umwelt negativ reagiert, weil sie etwa Kfz-Mechatronikerin werden wollen, lassen sie es eher bleiben. Das gleiche gilt für Jungen. Die Motivation, einen Beruf zu ergreifen, der allgemein nicht als 'männlich' eingestuft wird, muss entsprechend hoch sein."

Männer- und Frauenberufe

Christine Schramm-Spehrer (© privat)

Wie stark Berufe als männlich beziehungsweise weiblich wahrgenommen werden, weiß Christine Schramm-Spehrer aus zahlreichen Workshops. Sie ist Berufsberaterin im Hochschulteam und Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt bei der Arbeitsagentur Gießen: "Wenn Schülerinnen und Schüler Berufe den Kategorien 'männlich' oder 'weiblich' zuordnen sollen, gibt es kaum Diskussionen." Informatik, Maschinenbau, Physik? Männlich. Lehramt, Ernährungswissenschaft, Soziales? Weiblich.

Das gilt sowohl für Studien- als auch für Ausbildungsberufe. Mittlerweile studieren genauso viele Frauen wie Männer: Von den 2,76 Millionen Studierenden im Wintersemester 2015/16 waren 1,32 Millionen Frauen. Bei den Studiengängen gibt es jedoch eine unsichtbare Trennlinie zwischen Männer- und Frauenfächern: Sprach- und Kulturwissenschaften, Sozialwissenschaften, Studiengänge im Bereich Gesundheit und soziale Dienste sind Frauendomänen. Bei den Ingenieurwissenschaften, Informatik sowie in einigen mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern sind die Männer in der Mehrheit.

Diese starre Zuordnung lässt sich aufbrechen, aber nur sehr langsam. Im Jahr 2000 gab es im ersten Semester gut 27.000 Studierende der Informatik, davon waren fast 5.000 Frauen. Im Jahr 2015 waren unter den rund 37.000 Studierenden immerhin schon mehr als 8.000 Frauen. In 15 Jahren ist der Anteil von knapp über 18 Prozent auf fast 23 Prozent gestiegen. Im Bauingenieurwesen lag der Frauenanteil bei den Erstsemestlern im Jahr 2000 bei knapp über 23 Prozent, im Jahr 2015 bei etwas über 30 Prozent.

Auch in manchen Ausbildungsberufen zeichnet sich eine Veränderung ab. Bei den Mechatronikern stieg 2015 die Frauenquote bei den neuen Ausbildungsverträgen immerhin von knapp vier auf gut sieben Prozent, bei den Werkzeugmechanikern sogar von drei auf fast acht Prozent – eine Minirevolution.

Berufswahl nach Talent

Eine geschlechtstypische Studien- oder Berufswahl ist nicht per se schlecht: "Wenn eine Wahl passend zu den Interessen und Fähigkeiten getroffen wird, ist das wunderbar. Problematisch wird es, wenn junge Menschen aus Mangel an Informationen einfach überholte Bilder und Vorstellungen übernehmen und sich so Wege verschließen. Gerade junge Frauen wählen häufig nicht nach ihren Talenten", weiß Christine Schramm-Spehrer.

Schülerinnen, die etwa in Mathe gut sind, entscheiden sich nur selten für ein Studium der Elektrotechnik oder Informatik, eher noch für ein Studium der Mathematik oder einen Studiengang, dessen Studiengangbezeichnung "nicht so technisch" klingt, etwa Biomedizinische Technik und Wirtschaftsingenieurwesen.

"Erschwerend kommt hinzu, dass junge Frauen 'Frauenberufen' oft eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstellen", erklärt die Berufsberaterin. Doch Fehlanzeige. Nacht- und Schichtdienst ist etwa in Pflegeberufen üblich. Auch die körperlichen Voraussetzungen werden häufig falsch eingeschätzt: "Eine Pflegekraft, die Patienten umbettet, muss körperlich genauso fit sein wie ein Schreiner", ergänzt sie.

Viele Stellschrauben bewegen

Heidi Holzhauser (© privat)

"Auch junge Männer entscheiden nicht immer nach ihren eigentlichen Interessen und Fähigkeiten", betont Heidi Holzhauser, Leiterin des Kompetenzzentrums Chancengleichheit am Arbeitsmarkt der Bundesagentur für Arbeit. "Jungs erleben häufig erst in der Praxis oder durch Vorbilder, dass es durchaus ihrem Typ entsprechen kann, unmittelbar mit Menschen zu arbeiten, und sie eigentlich gerne einen Job in der Altenpflege oder Kindererziehung ergreifen möchten." Um eine klischeefreie Berufswahl zu fördern, die wirklich zu den Jugendlichen passt, geht die Bundesagentur für Arbeit daher seit einiger Zeit neue Wege: Sie wendet sich mit der Promotion "Typisch ich!" und jugendlichen Role Models über die sozialen Medien direkt an die jungen Menschen.

Um in der Arbeitswelt Veränderungen bei der Rollenaufteilung zu bewirken, müssen viele Stellschrauben bewegt werden: "Denn bedarfsgerechte Kinderbetreuungsmöglichkeiten und eine familienorientierte Personalpolitik, die Frauen und Männern flexible Ausbildungs- und Arbeitszeitmodelle ermöglichen, haben deutlichen Einfluss auf die Berufswahlentscheidung junger Menschen, die später einmal Familie und Beruf vereinbaren wollen. Und dann ist da auch noch die Frage nach dem Gehalt", sagt Heidi Holzhauser.

Geld macht einen Unterschied

Joachim Gerd Ulrich (© privat)

Joachim Gerd Ulrich vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) hat sich die Entwicklung des Frauenanteils in männlich dominierten Berufen von 2004 bis 2015 angeschaut. "Frauen, die sich für eine Ausbildung in typischen Männerberufen entscheiden, werden hierfür mit einer Ausbildungsvergütung belohnt, die im Schnitt höher ausfällt als in typischen Frauenberufen. Das ist bei Männern, die in Frauenberufe einsteigen, anders. Denn die Vergütungen in Frauenberufen sind im Schnitt eher niedrig", erläutert er.

Dabei legen immer mehr Frauen Wert auf eine gute Bezahlung. Das bestätigt etwa eine Langzeitbefragung von hochqualifizierten Fach- und Führungskräften, die im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen von der TU München erhoben wurde. Die Befragung von insgesamt 2.400 Teilnehmern an den "Karrieretagen Familienunternehmen" zwischen 2008 und 2015 ergab, dass "attraktive Vergütung und Sozialleistungen" noch im Jahr 2008 für nur 12,7 Prozent der befragten weiblichen Bewerber eines der drei wichtigsten Merkmale bei der Arbeitgeberwahl war. Im Jahr 2015 hat sich der Anteil auf 38,1 Prozent verdreifacht (Männer: 46,4 Prozent). "Bei der Frage nach dem Stellenwert der Vergütung gleichen sich die Geschlechter an. Frauen werden seit Jahren in puncto Gehalt selbstbewusster", erklärt Stefan Heidbreder, Geschäftsführer der Stiftung Familienunternehmen. Dennoch stehe für Männer beim gesuchten Jobprofil das Gehalt an erster Stelle, während Frauen nach wie vor eine gute Arbeitsatmosphäre am wichtigsten sei.

Während zunehmend mehr Frauen in Männerberufen Fuß fassen, lässt sich Umgekehrtes für junge Männer nicht beobachten: "Deren Anteil in den typischen Frauenberufen hat sich in den letzten zwölf Jahren kaum verändert", sagt Joachim Gerd Ulrich.

Vorbilder zeigen Wirkung

Der Faktor "Zeit" könnte bei der Steigerung des Frauenanteils in Männerberufen eine wichtige Rolle spielen. "Auffallend ist, dass in denjenigen Männerberufen stärkere Steigerungen des Frauenanteils erreicht werden konnten, in denen es bereits früher etwas mehr Frauen als in anderen männertypischen Berufen gab", erklärt Joachim Gerd Ulrich. Vielleicht können höhere Anteile irgendwann eine Art Sogwirkung entfalten und so den jährlichen Anteilszuwachs junger Frauen im Laufe der Zeit steigern.

Der Artikel erschien zuerst am 02.03.2017 auf Externer Link: www.abi.de, einem Angebot der Bundesagentur für Arbeit.

Fussnoten

Weitere Inhalte

Weitere Inhalte

Artikel

Europäisierung der deutschen Berufsbildungspolitik

Die Debatte über die Europäisierung der Berufsbildung ist eng mit der allgemeinen Berufsbildungsreform verknüpft. Dabei wird die EU-Politik als Reformimpuls oder als Bedrohung für das deutsche…

Artikel

"Was ist eigentlich 'Ausbildungsreife'?"

Nach Auffassung vieler Betriebe bringen Jugendliche häufig nicht die nötige "Ausbildungsreife" mit. Was genau aber einen ausbildungsreifen Bewerber auszeichnet, blieb lange im Vagen. Mittlerweile…

Artikel

Probleme auf dem Ausbildungsmarkt

Jugendliche mit geringer schulischer Vorbildung finden immer schwerer in Berufe, die gute Erwerbsaussichten bieten. Eine große Hürde bilden die Auswahlverfahren der Betriebe, die Potenziale von…

Interview

Geflüchtete in der Berufsausbildung

Mehr als die Hälfte der in den vergangenen Jahren zugewanderten Geflüchteten ist unter 25. Bei ihrer Integration kommt somit dem Bildungssystem eine zentrale Rolle zu. Dabei strebt ein Großteil der…