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Der rechte Rand des politischen Systems der Bundesrepublik | Rechtsextremismus | bpb.de

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Der rechte Rand des politischen Systems der Bundesrepublik

Prof. Dr. Richard Stöss

/ 16 Minuten zu lesen

Der rechte Rand des politischen Systems der Bundesrepublik besteht aus Organisationen und Gruppierungen, die ideologisch-programmatisch rechts von den Unionsparteien angesiedelt sind. Das Spektrum reicht vom Rechtskonservatismus bis hin zum Rechtsextremismus. Es ist weltanschaulich sehr komplex und organisatorisch stark zersplittert. Der Beitrag zeichnet die großen Linien nach.

Ein Delegierter des Thüringer Landesparteitages der Partei Alternative für Deutschland (AfD) trägt am 09.04.2016 in der Stadthalle in Arnstadt (Thüringen) ein T-Shirt mit der Aufschrift "Wir unterstützen Björn Höcke! Patriotische Plattform". (© picture-alliance/dpa)

1. Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Rechtskonservatismus und Rechtsextremismus

Aus sozialwissenschaftlicher Sicht handelt es sich beim Interner Link: Rechtsextremismus um völkischen Nationalismus im Denken und Handeln. Sein Ziel ist die ethnisch homogene Volksgemeinschaft in einem hierarchisch strukturierten und autoritär verfassten Nationalstaat. Diese Definition umfasst sowohl individuelle bzw. kollektive Verhaltensweisen als auch politische Einstellungen. Der sozialwissenschaftliche Rechtsextremismusbegriff ist mithin breiter und weicher als der amtliche Extremismusbegriff der Verfassungsschutzbehörden, der sich nur auf konkrete Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung des Grundgesetzes bezieht.

Von Rechtsextremismus sollte nur dann die Rede sein, wenn das völkische und das nationalistische Denken jeweils stark ausgeprägt sind und sich als zwei Seiten ein und derselben Medaille zu einem integrierten und geschlossenen Weltbild verdichten, das sich diametral gegen die Grundprinzipien der Demokratie richtet. Mit Blick auf die entsprechenden Organisationen sollte zwischen einem gemäßigten und einem orthodoxen Rechtsextremismus unterschieden werden. Ersterer will seine Forderungen innerhalb der bestehenden politischen Ordnung durchsetzen und grenzt sich klar vom historischen Nationalsozialismus ab; letzterer bekennt sich offen zu seiner Systemfeindschaft, toleriert oder unterstützt sogar gewalttätiges Verhalten und bezieht sich mehr oder weniger stark auf historische Vorbilder. Andere Wissenschaftler sehen im Interner Link: Rechtspopulismus einen gemäßigten Rechtsextremismus, weil er sich unter Berufung auf den (angeblichen) Volkswillen oder auf die schweigende Mehrheit gegen das Establishment, gegen Eliten und gegen die herrschenden Parteien richtet.

Als rechtskonservativ sind Organisationen oder Gruppierungen zu bezeichnen, die über keinerlei Affinitäten zum völkischen Nationalismus verfügen und sich weder gegen Grundprinzipien der Demokratie noch gegen die bestehende Verfassungsordnung richten. Sie setzen sich für die Betonung bzw. Stärkung von konservativen Werten, also für einen starken Staat, für Ruhe, Ordnung und Sicherheit ein und wollen unerwünschte Entwicklungen (Demokratisierungstendenzen in einzelnen gesellschaftlichen Bereichen, Sozialdemokratisierung, Multikulturalismus, europäische Integratio, Geschlechtergerechtigkeit, Liberalisierung der Lebensstile etc.) eindämmen oder sogar rückgängig machen. In wirtschaftspolitischer Hinsicht werden aber oft auch neoliberale Rezepte propagiert. Die Programme der rechtskonservativen Parteien bestehen zumeist aus einem Katalog von konkreten Forderungen und entsprechenden Versäumnissen der etablierten Parteien, ohne dass dem eine konsistente konservative Weltanschauung zugrunde läge. In der Literatur wird diese politische Strömung auch als nationalkonservativ oder als autoritär-konservativ bezeichnet.

Um welche Gruppierungen es sich im Einzelnen in der Bundesrepublik handelt, wird in den Abschnitten 3 und 4 dargelegt. Hier sei noch angemerkt, dass die Grenzen zwischen den jeweiligen Ausprägungen am rechten Rand fließend sind . Über weltanschauliche Unterschiede oder gar Gegensätze hinweg besteht sogar eine gemeinsame thematische Grundausrichtung. Dazu zählen vor allem die Ausländer- und Asylpolitik, die europäische Integration und der Euro und nicht zuletzt die innere Sicherheit. Das bedeutet für die gemeinsame Grundausrichtung der Gruppierungen am rechten Rand mindestens die Konzentration auf folgende Ziele: Begrenzung der Immigration, eher Rückbau als Ausbau der EU und die konsequente Durchsetzung von „Law and Order“.

2. Modernisierungen und die intellektuelle "Neue Rechte"

In den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts haben sich die ökonomisch-sozialen und politisch-kulturellen Erfolgsbedingungen am rechten Rand in Folge von Globalisierung, wachsenden Migrationsbewegungen, Massenarbeitslosigkeit, Abbau von sozialen Standards, Standortkonkurrenz und Verdrängungswettbewerb auf den Arbeitsmärkten nicht nur in Deutschland, sondern in allen westeuropäischen Staaten wesentlich verbessert und oft auch einander angeglichen. Ursächlich für die politischen Erfolge hierzulande war auch der damit verbundene ideologisch-programmatische Wandel des Rechtsextremismus. Es handelt sich im Wesentlichen um drei Modernisierungen:

  • Die Umdeutung des klassischen Rassismus in den "Ethnopluralismus": Ethnopluralismus bedeutet die Anerkennung der kulturellen Differenzen, den Pluralismus der Ethnien (Völker), ihre autonome Entfaltung nebeneinander und damit eben auch ihre Trennung voneinander. Rasse wird nicht mehr im althergebrachten biologischen bzw. biologistischen Sinne verstanden, und es geht auch nicht mehr um die Wertigkeit von Rassen, sondern um die Verschiedenartigkeit von Kulturen und um das vermeintliche Recht jedes Volkes auf seine Identität. Die gängige Parole lautete nun: "Deutschland den Deutschen – Türkei den Türken!"

  • Der Bedeutungsgewinn von Kapitalismuskritik und sozialpolitischen Forderungen: Das Bedürfnis nach Schutz vor vermeintlichen oder tatsächlichen äußeren und inneren Bedrohungen wie dem internationalen Finanzkapital, der Abhängigkeit vom Weltmarkt, der zunehmenden Immigration, dem Sozialmissbrauch oder der Ausländerkriminalität bildet einen guten Resonanzboden für nationalistische und völkische Angebote, vor allem dann, wenn sie sich mit der sich angeblich immer dringlicher stellenden "sozialen Frage" verbinden.

  • Die Fokussierung des Rassismus auf den Islam: Auslöser dürften die terroristischen Anschläge am 11. September 2001 in den USA gewesen sein. Seither entwickelt sich die Muslimfeindschaft zu einer neuen Qualität des Rassismus, die weit über die Zielvorstellungen des Ethnopluralismus hinausreicht: Nun geht es nicht mehr nur um die Anerkennung von kulturellen Differenzen, sondern um Kulturkampf, um die Verteidigung des christlichen Abendlandes gegen den vermeintlichen Ansturm der Muslime Interner Link: (antimuslimischer Rassismus). Die Protagonisten dieses Kulturkampfesverschleiern dabei ihren antimuslimischen Rassismus, indem sie sich auf die Verteidigung demokratischer Werte berufen: Der Islam sei frauen- und schwulenfeindlich, autoritär und gewalttätig. Die neue Qualität besteht also darin, dass sich die Kampagne auf demokratische Werte beruft und vorgibt, für deren Einhaltung zu kämpfen.

Dieser ideologisch-programmatische Wandel wurde zumeist von intellektuellen Vordenkern (Interner Link: "Neue Rechte") formuliert, die die geistigen Grundlagen des Rechtsextremismus schaffen, indem sie seine Ideologie, seine langfristigen Ziele und Wertvorstellungen zeitgemäß formulieren, auf bestehende Stimmungen zuschneiden und gegebenenfalls den veränderten Bedingungen anpassen. Sie schalten sich in die durch die Massenmedien vermittelten Diskurse der Gesellschaft ein, bringen dort ihre Ideologie und ihre Themen zur Geltung und bemühen sich um Meinungsführerschaft bzw. um kulturelle Hegemonie.

Diese zumeist um "Denkfabriken" und Zeitschriften versammelten Gruppierungen werden in der Literatur teilweise als "Scharnier" (Gessenharter) zwischen Rechtskonservatismus und Rechtsextremismus bezeichnet, teilweise aber auch unmittelbar dem Rechtsextremismus zugeordnet (Pfahl-Traughber), wenn auch mit dem Hinweis, sie bildeten eine "Brücke zur gesellschaftlichen Mitte" (Pfeiffer). Jedenfalls stehen die einzelnen Personen dieses Netzwerks nicht nur in rechtsextremer, sondern auch in nationalliberaler oder in konservativer Tradition und wirken so als Ideenlieferanten für den rechten Rand des politischen Systems insgesamt.

3. Neuere Entwicklungen im Rechtsextremismus

Der organisierte Rechtsextremismus wurde bis in die achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts von der 1964 gegründeten Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) dominiert. Sie setzte sich zunächst vor allem für die Wiederherstellung des Deutschen Reichs ein und betrieb die Verharmlosung, Relativierung oder gar Leugnung der Verbrechen des Nationalsozialismus. Bereits Ende der siebziger Jahre starteten die NPD-Strategen eine Kampagne gegen die angebliche Überfremdung der Bundesrepublik ("Ausländerstopp"). Von den damals zunehmenden Asylbewerberzahlen ("Asylantenschwemme") profitierte zunächst aber nicht die orthodoxe NPD, sondern die 1983 gegründete Partei Die Republikaner (REP), eine gemäßigt rechtsextreme Organisation, die in ideologisch-programmatischer Hinsicht im Großen und Ganzen in der Tradition der "Neuen Rechten" stand.

Nach der deutschen Einheit radikalisierte sich die NPD zunehmend im Sinne einer national- und sozialrevolutionären Partei und kooperierte eng mit neonazistischen Gruppen, die sich auf gewaltbereite rassistische Strukturen und Subkulturen stützten. Mit ihrer kapitalismuskritischen Selbstdarstellung erreichte sie erstmalig seit 1968 wieder Landtagsmandate in Sachsen (2004 und 2009) und in Mecklenburg-Vorpommern (2006 und 2011). Auf nationaler Ebene war sie allerdings weit davon entfernt, die Fünf-Prozent-Hürde zu überwinden. Mittlerweile befindet sich die NPD in einer tiefen Krise: Zum einen war es ihr wegen ihrer kompromisslosen Systemopposition und ihres NS-nostalgischen und verbalradikalen Auftretens nicht gelungen, dauerhaft Zustimmung von breiteren bürgerlich-konservativen Wählerschichten zu erhalten. Zum anderen ist sie vor allem durch innerparteiliche Konflikte über Personal- und Sachfragen und durch Finanzskandale massiv geschwächt. Auch die Fusion mit der Deutschen Volksunion (DVU) Ende 2010 trug nicht zur Konsolidierung der NPD bei. Gleichwohl ist sie immer noch die stärkste rechtsextreme Partei. Andere orthodoxe Formationen wie "Die Rechte" oder "Der III. Weg" sind gegenwärtig vergleichsweise bedeutungslos.

Auch die gemäßigt rechtsextremen REP stießen nur vorübergehend auf nennenswerte Wählerresonanz: In Berlin (1989) und in Baden-Württemberg (1992 und 1996) gelang ihnen der Einzug in das jeweilige Landesparlament, und 1989 erzielten sie sogar mit über zwei Millionen Stimmen 7,1 Prozent und sechs Mandate im Europaparlament. Obwohl die Partei keine Sympathien für den Nationalsozialismus erkennen ließ, sich mehrheitlich zumeist deutlich vom orthodoxen Rechtsextremismus abgrenzte und verfassungstreu und bieder auftrat, gelang es auch ihr nicht, dauerhaft Wähler in der gesellschaftlichen Mitte zu mobilisieren. Auch die REP waren immer wieder durch Richtungskämpfe geschwächt, zumal dann, wenn sich führende Funktionäre oder einzelne Gruppierungen für eine Zusammenarbeit mit der NPD (und der DVU) aussprachen. Im Laufe der Jahre konnten sich allerdings die rechtskonservativen Kräfte in der mittlerweile unbedeutenden Partei durchsetzen. Seit 2007 werden die REP vom Verfassungsschutz nicht mehr als rechtsextremistisch eingestuft.

Insgesamt ist es weder der NPD noch den REP gelungen, populäre und respektable Personen als Spitzenkandidaten herauszustellen und sich in wichtigen Sachfragen politische Kompetenz und Glaubwürdigkeit zu erarbeiten. All diese Schwächen treffen auch auf die Mitte der neunziger Jahre entstandenen PRO-Gruppierungen (Bürgerbewegung "PRO Köln", "PRO Nordrhein-Westfalen", "PRO Deutschland" etc.) zu. Und dies obwohl sie sich konsequent dem in anderen Ländern Europas so erfolgreichen Konzept des antimuslimischen Rassismus verschrieben haben. Die PRO-Gruppierungen grenzen sich zwar verbal gegenüber dem orthodoxen Rechtsextremismus ab, bemühen sich aber auch um Zulauf von Wählern und Sympathisanten beispielsweise der NPD. Um Unterstützung für ihren gemäßigten Rechtsextremismus werben sie auch bei REP- und (ehemaligen) DVU-Anhängern. Und sie suchen Bündnispartner im europäischen Kontext, so beim belgischen Vlaams Belang (VB) oder bei der Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ). De facto sind also auch hier die Grenzen zum orthodoxen Rechtsextremismus durchlässig.

4. Neuere Entwicklungen im Rechtskonservatismus

Eine wichtige Ursache für rechtskonservative Oppositionsbestrebungen in Deutschland war die Vertiefung der europäischen Integration nach der deutschen Einheit, insbesondere der Vertrag von Maastricht 1992 (Begründung der EU, Grundlage für die Einführung des Euro). Widerstand zeigte sich an den rechten Rändern der Unionsparteien und der FDP, aber auch in Teilen der Bevölkerung machten sich Unsicherheit und Skepsis bemerkbar. Im Januar 1994 gründete Manfred Brunner, zuvor ein führender FDP-Politiker und einflussreicher EG-Beamter, den Bund Freier Bürger (BFB), der sich für die Beibehaltung der D-Mark, gegen den Souveränitätsverzicht der Nationalstaaten und für ein "Europa der Vaterländer" (Bund weitgehend souveräner europäischer Staaten) einsetzte. Gegen die Einführung des Euro richtete sich auch die 1998 entstandene Initiative Pro D-Mark – neue liberale Partei (Pro DM) des Unternehmers Bolko Hoffmann.

Insgesamt haben sich EU-Kritik und Euro-Ablehnung in Deutschland zunächst nicht als Erfolg verbürgende Themen für neue oder bestehende Oppositionsgruppen erwiesen, weil es sich dabei nicht um klare Konfliktpositionen mit den etablierten Parteien handelte. Auf diese Weise wurden die wirklichen Sorgen und Nöte der Bevölkerung nicht angesprochen. Am Beispiel von zwei rechtskonservativen Parteien zeigt sich, dass große Unzufriedenheit in der Bevölkerung (in diesem Fall mit autoritären Strukturen, geringen Partizipationsmöglichkeiten und Vernachlässigung von relevanten Bürgerinteressen) unter günstigen Umständen zwar dazu führen kann, dass neue Protestparteien aus dem Stand in ein Parlament katapultiert und sogar an einer Regierung beteiligt werden, dass sie aber genauso rasch bedeutungslos werden können, wenn es ihnen an sozialer Verankerung und einem konfliktträchtigen Thema mangelt: Gemeint sind die "STATT-Partei" und die "Schill-Partei".

Erstere zog 1993 mit 5,6 Prozent und acht Mandaten in die Bürgerschaft von Hamburg ein und beteiligte sich mit zwei parteilosen Vertretern an einem SPD-geführten Senat. Aber bereits vier Jahre später scheiterte sie bei den Bürgerschaftswahlen an der Sperrklausel. Letztere wurde im Jahr 2000 ebenfalls in Hamburg von dem Amtsrichter Ronald Barnabas Schill ("Richter Gnadenlos") als „Law and Order“-Partei gegründet und brachte es bei den Bürgerschaftswahlen 2001 auf 19,4 Prozent und 25 Mandate. Schill wurde Stellvertreter des Ersten Bürgermeisters Ole von Beust (CDU) und Innensenator. Als solcher erwies er sich bald als Populist und Angeber, als mäßig engagierter Amtsleiter und als wenig talentierter Politiker. Im August 2003 entließ von Beust seinen Innensenator und im Dezember 2003 kündigte er dann auch die Koalition mit der "Schill-Partei" auf. Das war der Anfang vom Ende der Partei.

Wesentlich besser erschienen die Erfolgsaussichten der im Februar 2013 auf dem Höhepunkt der Eurokrise mit erheblichem Medienecho gegründeten Alternative für Deutschland (AfD). Anlass für die Gründung war die in der Bevölkerung verbreitete Kritik an der Eurorettungspolitik, insbesondere am Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), und die damit verbundene Forderung nach einer "geordneten Auflösung" der derzeit bestehenden Eurozone.

Anders als die bisher erwähnten Parteien des rechten Randes präsentierte die AfD honorige und bekannte Führungspersönlichkeiten, wie etwa die neoliberalen Wirtschaftswissenschaftler Bernd Lucke und Joachim Starbatty, die Journalisten Konrad Adam und Alexander Gauland und nicht zuletzt den Talkshow-erfahrenen ehemaligen IBM-Manager und BDI-Präsidenten Hans-Olaf Henkel. Bei der Bundestagswahl im September 2013 konzentrierte sich die AfD auf die Unzufriedenheit mit der EU als angeblich weithin von Deutschland getragene Haftungsgemeinschaft. Mit beträchtlichen 4,7 Prozent verfehlte sie nur knapp die Fünf-Prozent-Hürde. Im darauf folgenden Jahr erzielte sie dann aber bei der Europawahl 7,1 Prozent (7 Mandate), bei den Landtagswahlen in Sachsen 9,7 Prozent (14 Mandate), in Thüringen 10,6 Prozent (11 Mandate) und in Brandenburg 12,2 Prozent (11 Mandate). 2015 gelang auch der Einzug in die Bürgerschaften von Hamburg (6,1%, 8 Mandate) und Bremen (5,5%, 4 Mandate), 2016 zog die AfD auch in die Landtage von Baden-Württemberg (15,1 %), Rheinland-Pfalz (12,6 %) und Sachsen-Anhalt (23,1 %) ein.

Diese Wahlerfolge sind auch deshalb möglich geworden, weil die AfD nach der Bundestagswahl - jedenfalls in Teilen - einen deutlichen Rechtsschwenk vollzog, nun auch gegen Einwanderung, Islam, Gender Mainstreaming und Homosexualität polemisierte und von den Unionsparteien angeblich vernachlässigte konservative Werte herausstellte. Unmittelbar nach der Gründung der AfD setzte ein rasches und unkontrollierbares Wachstum der Partei ein, womit auch betont rechtsgerichtete, fundamentalistische, fremdenfeindliche und teilweise sogar rassistische Kräfte an Boden gewannen. Dieser Wachstumsprozess wurde nicht selten von tumultartigen Streitereien über ideologische und strategische Fragen begleitet, die sich bald zu einem handfesten Konflikt zwischen eher wirtschaftsliberal und eher nationalistisch orientierten Kräften auswuchs. Der wirtschaftsliberale und Euro-kritische Flügel um Bernd Lucke spaltete sich im Juli 2015 ab und gründete die (vermutlich wenig aussichtsreiche) Allianz für Fortschritt und Aufbruch (ALFA), seine Kontrahentin Frauke Petry wurde Bundesvorsitzende der AfD.

Die Spaltung bremste den weiteren organisatorischen Aufbau der AfD zunächst, die Flüchtlingskrise bescherte ihr dann aber neuen Auftrieb – und neuen Führungsstreit. Die auf ein gutbürgerliches, moderates Image der Partei bedachte Vorsitzende Petry muss sich nun mit einer Gruppe um den rechtslastigen Landessprecher der AfD in Thüringen und Vorsitzenden der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag, Björn Höcke, auseinandersetzen. Dieser verfügt über gute Kontakte zu Repräsentanten des gemäßigten Rechtsextremismus und lehnt wohl auch eine Öffnung der AfD in diese Richtung nicht grundsätzlich ab. Zudem betrachtet er die aggressiv-ausländerfeindliche, mit Rechtsextremisten durchsetzte Protestbewegung Interner Link: Pegida wohlwollend und lässt in Thüringen regelmäßig eigene Großdemonstrationen gegen "Asylchaos", "Eurokrise" etc. durchführen. Insgesamt hat sich die AfD nach der Abspaltung der ALFA weiter nach rechts entwickelt und sich damit eben auch weiter für (gemäßigt) rechtsextreme Tendenzen geöffnet.

Interner Link: Pegida und ihre diversen regionalen Ableger werden oft als Vorfeldbewegungen der AfD bezeichnet, der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende der AfD, Markus Pretzell, hat die AfD sogar als "Pegida-Partei" bezeichnet. Tatsächlich ist das Verhältnis von Pegida und AfD komplizierter. Bei Pegida handelt es sich um eine "Protestbewegung neuen Stils", um eine "rechtspopulistische Empörungsbewegung" (Vorländer u.a., S. 139) mit teilweise enormer Mobilisierungskraft: Sie erreicht zumeist mehrere Tausend Teilnehmer. Ende Dezember 2014 nahmen etwa 17.000 Menschen an der Pegida-Versammlung in Dresden teil, Mitte Januar 2015 waren es nach Polizeiangaben 25.000 Menschen. Nach Angaben des Dresdner Politikwissenschaftlers Patzelt neigten 90 Prozent der im Januar 2015 befragten Pegida-Demonstranten zur AfD. Im Dezember 2015 gingen die Teilnehmerzahlen in Dresden auf ca. 6.000 zurück. Der Vorsitzende des Pegida-Trägervereins und Hauptredner der Protestbewegung Lutz Bachmann lehnt allerdings eine Zusammenarbeit mit der AfD ab. Über den richtigen Umgang mit Pegida bestehen unter den AfD-Spitzenpolitikern auf Bundes- und Landesebene unterschiedliche Auffassungen, auf kommunaler Ebene existieren zwischen beiden Vereinigungen jedoch vielfältige Kommunikationsbeziehungen.

5. Neuere Entwicklungen bei der intellektuellen "Neuen Rechten"

Intellektuelle Vordenker, Theoriedebatten und Weltanschauungsliteratur prägen den Rechtsextremismus seit seinen Anfängen, und seither existieren auch Grauzonen zwischen (Rechts-)Konservatismus und Rechtsextremismus. In der Nachkriegszeit sind allerdings nur wenige von Intellektuellen entwickelte weltanschauliche Innovationen zu vermerken. Noch heute berufen sich die Rechtsintellektuellen zumeist auf die "Konservative Revolution" der Weimarer Republik. Im Grunde genommen gab es am rechten Rand der Bundesrepublik nur eine einzige Zeitschrift, die theoretisch qualifizierte Diskussionsbeiträge im Spannungsfeld von (Rechts-)Konservatismus und Rechtsextremismus publizierte: Die 1951 gegründete Monatsschrift "Nation Europa", die 1990 in "Nation & Europa" umbenannt und 2009 wegen geringer Nachfrage eingestellt wurde. In dieser strömungsübergreifenden Zeitschrift kamen beispielsweise auch die nationalrevolutionären Verfasser des Ethnopluralismus-Konzepts zu Wort, die sich übrigens glaubhaft vom "alten Nationalismus" abgrenzten ("Opas Faschismus ist tot").

Die NPD ist die einzige Organisation innerhalb des rechtsextremen Lagers, die die Strategie einer "kulturellen Hegemonie" mehr oder weniger konsequent verfolgt. Ihr jüngster Versuch, als Gegenstück zur linken "Frankfurter Schule" eine "Dresdner Schule" zu etablieren, die "volkstreue Theoriearbeit" leistet, war bislang zwar nicht sonderlich erfolgreich. Aber es ist den NPD-Ideologen doch gelungen, in das völkisch-nationalistische Parteikonzept eine kapitalismuskritische Dimension zu integrieren. Seither wettert die NPD gegen den "vaterlandslosen Raubkapitalismus", behauptet, "Multikulti bedeutet Sozialabbau", und setzt sich für "Arbeit statt Profite", "gegen Sozialabbau" und für "soziale Gerechtigkeit statt Volksbetrug" ein. Für die Entwicklung des Rechtsextremismus im Nachkriegsdeutschland kann die Verbindung von nationaler und sozialer Frage durchaus als programmatische Innovation gelten. Als "neu" oder gar als besonders originell wird man diese Verbindung mit Blick auf die "Sozialisten" in der NS-Bewegung aber kaum bezeichnen wollen.

Häufig wird die Interner Link: "Junge Freiheit" als Sprachrohr der intellektuellen "Neuen Rechten" bezeichnet. In Wirklichkeit handelt es sich um eine selten geistreiche rechtskonservative Wochenzeitung ohne nennenswerte Bedeutung für die programmatisch-strategischen Diskurse am rechten Rand.

Im Zusammenhang mit AfD und Pegida wird in den Medien oft ein intellektuelles Netzwerk um Götz Kubitschek und Jürgen Elsässer genannt. Kubitschek ist Mitbegründer des gelegentlich als Denkfabrik der "Neuen Rechten" charakterisierten Interner Link: Instituts für Staatspolitik (IfS). Er ist Chefredakteur der vom IfS herausgegebenen Zeitschrift "Sezession" und Leiter des dem IfS verbundenen Antaios-Verlags. Während sich die politische Sozialisation von Kubitschek im rechten Spektrum vollzog – er war u.a. Redakteur der "Jungen Freiheit" -, kommt Elsässer aus dem Bereich des Linksextremismus. Er ist Chefredakteur des Monatsmagazins "Compact" und verfolgt eine "Querfront"-Strategie, also die Zusammenarbeit von Gruppierungen am rechten und am linken Rand des politischen Systems. Kubitschek und Elsässer waren beide Redner bei Pegida-Demonstrationen. Ihr intellektueller Beitrag für den zeitgenössischen Rechtskonservatismus dürfte sich allerdings in bescheidenen Grenzen bewegen. Im Grunde genommen versorgen sie ihre Gefolgschaft lediglich mit Feindbildern, Verschwörungstheorien und Hassparolen. Realistische Problemlösungen werden nicht geboten und von ihren Anhängern wohl auch nicht erwartet.

Insgesamt wird man also kaum von einer Intellektualisierung des rechten Rands sprechen können. Das Theorieangebot ist wohl auch deshalb so dürftig, weil nur eine geringe Nachfrage nach Theorieproduktion besteht.

6. Fazit und Ausblick

Aufs Ganze gesehen fristen die Parteien und Gruppierungen am rechten Rand des politischen Systems der Bundesrepublik auch von ihrer Bedeutung her eine Randexistenz. Parlamentarische Erfolge sind außerordentlich selten, beschränken sich mit zwei Ausnahmen (Europawahlen 1989 und 2014) auf die Landes- und die kommunale Ebene und wurden bis vor kurzem fast ausnahmslos von rechtsextremen Parteien erzielt. In den letzten beiden Jahren hat sich allerdings eine Gewichtsverlagerung vom Rechtsextremismus hin zum Rechtskonservatismus vollzogen. Dass der lange Zeit randständige Rechtskonservatismus nun einen plötzlichen Auftrieb erlebt, hat mehrere Ursachen:

  • Die orthodoxe NPD und die sie umgebenden neonazistischen Gruppen haben an Bedeutung verloren, und der gemäßigte Rechtsextremismus ist vollends von der Bildfläche verschwunden.

  • Während der Banken- und Finanzkrise, der Staatsschuldenkrise und schließlich der Eurokrise vollzog die Union unter Angela Merkel einen politischen Richtungswechsel, der oft sogar als "Sozialdemokratisierung" bezeichnet worden ist. Selbst in der CDU wurde befürchtet, dass die Integrationskraft der Union für betont konservative Wählerschichten schwinden könnte.

  • Viele Bürger sind von dem starken Anstieg der Flüchtlingszahlen stark verunsichert und fühlen sich dadurch teilweise sogar bedroht. Auf diesem Boden gedeihen weithin hasserfüllte Protestbewegungen, die sich nicht nur gegen die Flüchtlinge, sondern auch gegen das Establishment in Politik und Medien richten.

Für die bisherigen Erfolge der AfD sind mithin externe, kurzfristig wirksame Faktoren verantwortlich. Ob dies längerfristig so bleibt, wird sich zeigen. Intern muss sich die Partei erst noch in strategisch-programmatischer und personeller Hinsicht konsolidieren und sich glaubhaft gegenüber dem Rechtsextremismus abgrenzen. Denn das konservative Publikum goutiert keinen Krawall, es liebt geordnete Verhältnisse, Schutz und Sicherheit und eine starke und populäre Führung.

Literatur:

Brandstetter, Marc (2013): Die NPD unter Udo Voigt. Organisation. Ideologie. Strategie, Baden-Baden: Nomos (Extremismus und Demokratie, Bd. 25).

Decker, Frank (2004): Der neue Rechtspopulismus, 2. Aufl., Opladen: Leske + Budrich.

Decker, Frank (2006): Die populistische Herausforderung. Theoretische und ländervergleichende Perspektiven, in: Ders. (Hrsg.): Populismus. Gefahr für die Demokratie oder nützliches Korrektiv?, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 9-32. (Der Band ist auch unter dem Titel "Populismus in Europa" als Nr. 547 der Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung erschienen.)

Gessenharter, Wolfgang (1998): Neue radikale Rechte, intellektuelle Neue Rechte und Rechtsextremismus: Zur theoretischen und empirischen Neuvermessung eines politisch-ideologischen Raumes, in: Wolfgang Gessenharter/Helmut Fröchling (Hrsg.): Rechtsextremismus und Neue Rechte in Deutschland. Neuvermessung eines politisch-ideologischen Raumes?, Opladen: Leske + Budrich, S. 25-66.

Häusler, Alexander (Hrsg.)(2008): Rechtspopulismus als "Bürgerbewegung". Kampagnen gegen Islam und Moscheebau und kommunale Gegenstrategien, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

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Fussnoten

Fußnoten

  1. Eine ausführliche Darstellung findet sich bei Stöss (2013).

  2. Zum Verhältnis von Rechtsextremismus und Rechtspopulismus vgl. auch Decker 2006, S. 11 ff., 16.

  3. Konkrete Beispiele finden sich unten in Abschnitt 5.

  4. Eine vorübergehende Ausnahme bildete der medienerfahrene und talentierte Rhetoriker Franz Schönhuber, der den REP-Vorsitz von 1985 bis 1994 innehatte.

  5. Der offizielle Parteiname lautete Partei Rechtsstaatlicher Offensive (PRO), später musste die Kurzform in "Offensive D" umbenannt werden.

  6. Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes.

  7. Nach Medienberichten (Dresdner Neueste Nachrichten, Mitteldeutscher Rundfunk) beteiligten sich im Januar 2015 aber auch 35.000 Personen an einer Demonstration gegen Pegida.

  8. Siehe dazu oben Abschnitt 2.

  9. Dies geschah wohl mit Blick auf das gaullistische Konzept "Europa der Vaterländer", das bei der politischen Rechten mittlerweile hoch im Kurs stand.

  10. Details bei Stöss 2010, S. 119 ff. u. Brandstetter, S. 285 ff.

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Geb. 1944, studierte Politische Wissenschaft und ist seit 2004 außerplanmäßiger Professor an der FU Berlin. Forschungsschwerpunkte: Parteiensystem der Bundesrepublik, Deutschland, Rechtsextremismus, Politische Einstellungen, Wahlverhalten, Konfliktstruktur der deutschen Gesellschaft.