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Andreas Hechler: Entscheidend ist der Kontext | Rechtsextremismus | bpb.de

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Andreas Hechler: Entscheidend ist der Kontext

Andreas Hechler

/ 4 Minuten zu lesen

In pädagogischen Kontexten hat man oft gar nicht die Wahl, ob man mit Neonazis reden soll oder nicht. Andreas Hechler plädiert für eine Fokusverschiebung und das Einbeziehen von an den gesellschaftlichen Rand gedrängten Gruppen.

Geschulte Neonazis nutzen öffentliche Formate wie Talkshows strategisch, um Raum einzunehmen und ihre Agenda zu setzen. (© picture-alliance/ dpa/dpaweb)

Natürlich kann man mit Neonazis reden. Aber warum sollte man? Es ist ein freudloses, bisweilen selbstquälerisches Unterfangen, und der Nutzen ist zweifelhaft. Meist reicht der Zuschnitt des Themenspektrums von "Genderismus" und Israel als "Aggressorstaat" über "patriarchale Muslime" bis hin zu Fragen, ob es wirklich Gaskammern gab oder alle Menschen gleich viel wert seien. Die "Lösung" wird zumeist gleich mitgeliefert: Mit dem ganzen Kroppzeug müsse endlich mal aufgeräumt werden.

In pädagogischen oder anderweitigen Arbeitsfeldern hat man allerdings häufig gar nicht die Wahl, ob man mit Neonazis reden soll oder nicht. Entscheidend ist die Frage des Kontexts. Ist er selbstgewählt oder nicht? Wird öffentlich mit Publikum oder im (inter-)individuellen Kontakt mit Neonazis geredet? Handelt es sich um eine Podiumsdiskussion, ein pädagogisches Setting, die Vorgesetzte oder den Nachbarn? Gibt es Abhängigkeitsverhältnisse? Wer redet mit Neonazis – ein potenzielles Opfer von Neonazis oder jemand, der zwar gegen Neonazis ist, aber selbst eine_r sein könnte? Wie organisiert und ideologisch gefestigt ist das Gegenüber?

Oft wird die Frage, ob mit Neonazis geredet werden dürfe, von denen gestellt, die ihnen unbedingt eine Stimme geben möchten, die diese Entscheidung gegen kritische Einwände mit Zähnen und Klauen verteidigen und mit einem Verweis auf demokratische Logik begründen: Neonazis sind auch ein Teil unserer Gesellschaft, und Ausgrenzung sei per se falsch beziehungsweise kontraproduktiv. Es handelt sich hierbei meines Erachtens um ein falsch verstandenes Demokratieverständnis, das die Verfahrensebene über alles stellt und die inhaltlichen Ideen ignoriert, die eine Demokratie ausmachen. Wenn beispielsweise eine Mehrheit beschließt, Menschenrechte abzuschaffen und aktiv zu diskriminieren, ist das mitnichten demokratisch. Um sich selbst zu erhalten, schützen sich Demokratien notwendigerweise vorm Neonazismus und seinen Protagonist_innen.

Bei pädagogisch Tätigen findet sich zudem häufig der Berufsethos, niemanden aufgeben zu wollen und eine damit verbundene Hoffnung auf pädagogische (Selbst-)Wirksamkeit. Pädagogik kann tatsächlich Einfluss auf biografische Verläufe nehmen, häufig überschätzen sich allerdings Pädagog_innen mit ihren Fähigkeiten und unterschätzen die Situation und die Gefahren. Die Einteilung der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin in Kader_innen, Aktivist_innen, Mitläufer_innen und Sympathisant_innen und ihre jeweiligen Einbindungs- und Ideologisierungsgrade finde ich diesbezüglich hilfreich. Mit den beiden erstgenannten Gruppen ist pädagogische Arbeit in der offenen Kinder- und Jugendarbeit nicht mehr möglich, schlimmstenfalls sogar gefährlich, mit den beiden letztgenannten Gruppen ist sie mit geschultem Personal und unter guten Arbeitsbedingungen möglich.

Für öffentliche Formate wie Talkshows und Podiumsdiskussionen ergibt sich das Problem, dass Rechte in einer strukturell stärkeren Position sind. Nicht, weil ihre Antworten richtig sind, sondern weil rechtes Gedankengut einfache Antworten gibt, Parolen simpel und eingängig sind, plausibel erscheinen und an vorherrschendes Wissen/Ideologien anknüpfen. Es lässt sich nicht in einem Satz widerlegen, warum alles an der "Argumentation" falsch ist, dass beispielsweise "die Ausländer" "uns" "überfluten" und krimineller seien oder „die Homo-Lobby“ Kindern „ihr Geschlecht“ „verbiete“ und ohnehin „zu viel Einfluss“ habe. Zudem hechelt man rechter Argumentations„logik“ hinterher, das sattsam bekannte Parolenspringen kann man nur verlieren. Komplexe gesellschaftliche Verhältnisse lassen sich nicht mit Parolen erklären, sondern erfordern komplexes Denken und Antworten. Für Veranstaltungen mit Publikum ist das ungeeignet, man benötigt vom Gegenüber eine ernsthafte Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit Argumenten ohne den Druck von außen, der durch Zuschauer_innen erzeugt wird.

Andererseits kommt man in Deutschland aber auch an Neonazis und ihrem Gedankengut kaum vorbei, und es ist wichtig, ihre Ansichten nicht einfach so stehen zu lassen und Gegenargumente für diejenigen zu liefern, die dafür zugänglich sind. Dafür muss man aber nicht Neonazis und denen, die ihr Gedankengut vor- oder nachplaudern, ein Forum geben. Geschulte Neonazis haben kein Interesse an einer ernsthaften inhaltlichen Auseinandersetzung; sie nutzen öffentliche Formate strategisch, um Raum einzunehmen und ihre Agenda zu setzen. Ein möglicher Ausweg aus dem Dilemma, Neonazis keinen Raum geben zu wollen und dennoch nachhaltige Veränderungen initiieren zu können, kann ein pädagogischer Eins-zu-Eins-Kontakt sein.

Sinnvoller allerdings ist eine Verschiebung des Fokus. Es ist wichtiger, marginalisierten Stimmen zu Aufmerksamkeit und Öffentlichkeit zu verhelfen und Talkshows und Podiumsdiskussionen über relevante Themen mit Queers, Feministinnen, Antifas, Migrant_innen, People of Color, Jüd_innen, Krüppelaktivist_innen, Opfer rechter Gewalt, NS-Überlebenden und ihren Kindern und (Ur-)Enkel_innen, Trans*, Inter*, Nicht-Akademiker_innen, Obdachlosen, Kindern/kleinen Menschen oder Vertreter_innen anderer marginalisierten Gruppen zu besetzen. Die Antwort auf die Frage, ob man mit Neonazis reden soll, heißt in erster Linie, über Alternativen zum Neonazismus zu reden und diskriminierte Menschen und Gruppen zu empowern.

Andreas Hechler arbeitet bei Dissens – Institut für Bildung und Forschung und ist Mitherausgeber des Sammelbands "Geschlechterreflektierte Pädagogik gegen Rechts".