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Die nächste Generation Hass | Rechtsextremismus | bpb.de

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Die nächste Generation Hass

Simone Rafael

/ 8 Minuten zu lesen

Wie der Vater, so der Sohn, wie die Mutter, so das Kind – auf Kinder, die bei rechtsextremen Eltern groß werden, trifft das leider allzu häufig zu. Unabhängig davon, welche Erziehungsmethoden in rechtsextremen Haushalten ausgeübt werden, es herrscht ein Konsens, der den Ausstieg aus dem Hass so schwierig macht: Wenn sich das Kind gegen seine Eltern und ihre Ideologie stellt, wird es aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. In der Keimzelle Familie werden so die Neonazis von morgen erzogen.

Neonazi-Sänger und NPD-Bundespräsidenten-Kandidat Frank Rennicke wurde als Kind in der 1994 verbotenen Interner Link: "Wiking-Jugend" gedrillt – ebenso wie Udo Pastörs, NPD-Fraktionsvorsitzender im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, und NPD-Bundesvorstandsmitglied Thomas "Steiner" Wulff. Die NPD-Landtagsabgeordneten in Mecklenburg-Vorpommern Tino Müller und David Petereit gehörten zur Interner Link: "Heimattreuen Deutsche Jugend" – wie auch der Vorsitzende der Interner Link: "Jungen Nationaldemokraten" (JN) Sebastian Richter und der rechtsextreme Liedermacher und Mitglied des Bundesvorstandes der NPD Jörg Hähnel. Aus Kindern rechtsextremer Familien ist in der Szene so Einiges geworden. Nur Aussteiger werden sie meistens nicht, obwohl das Aufwachsen in der rechtsextremen Szene eng verknüpft ist mit Repressionen, Gewalt und Erniedrigung.

Rechtsextreme Kindheit, was heißt das?

Die exemplarische, die "eine" rechtsextreme Kindheit gibt es nicht. Praktisch ist es für Kinder ein Unterschied, ob sie eher in eine "aktionsorientierte" Demo- und Konzert-Neonazifamilie geboren werden oder in eine seit Generationen bestehende völkische Sippe, die eher ein langfristiges "Blut-und-Boden"-Konzept verfolgt. Allerdings gibt es einige Gemeinsamkeiten, die für so gut wie alle Kinder in rechtsextremen Familien zutreffen:

  • Sie werden dazu erzogen, ihr demokratisches Umfeld als feindlich anzusehen, die Erzieher und Lehrer, Polizisten und die Eltern anderer Kinder. Deshalb dürfen sie diesem Umfeld vieles aus ihrer eigenen Familie nicht erzählen, müssen über Freizeitaktivitäten schweigen oder darüber, dass die Deutschlandfahne in Mamas und Papas Schlafzimmer schwarz-weiß-rot ist. Heidi Benneckenstein, geborene Redeker, eine der wenigen Aussteigerinnen aus einer rechtsextremen Familie, beschrieb diese Situation in einem Interview mit der ZEIT: "Das war hart, andererseits kam ich mir unheimlich wichtig vor, weil meine Eltern mir Geheimnisse erzählt haben, die ich anderen nicht erzählen durfte." Zu diesen Geheimnissen gehört die Erzählung, dass das "deutsche Volk" bedroht sei, man selbst aber zu den "Auserwählten" gehöre, die das erkannt hätten. Im Gegensatz zu den anderen.


  • Die Kinder werden zu Rassismus, Antisemitismus, Behindertenfeindlichkeit und Hass auf alles erzogen, was nicht dem "deutschen Volkskörper" dient oder als zugehörig definiert wird. Sie lernen, dass Menschen unterschiedlich viel wert seien und dass es deshalb in Ordnung sei, Menschen abzuwerten und zu verletzen. Die Bandbreite dieser Erziehung reicht von der alltäglichen Hass-Sprache über Teilnahmen an flüchtlingsfeindlichen "Nein zum Heim"-Demos bis hin zum Verbot von Freundschaften mit Kindern mit Migrationshintergrund – von denen etwa Aussteigerin Benneckenstein berichtet – oder szeneinternem Mobbing gegen behinderte Kinder. Für Kameradschaftsführerin Tanja Privenau war das Mobbing gegen ihren behinderten Sohn der ausschlaggebende Grund, die "Heimattreue Deutsche Jugend" (HDJ) zu verlassen und Interner Link: aus der rechtsextremen Szene auszusteigen.


  • Viele rechtsextreme Eltern erziehen ihre Kinder autoritär bis paramilitärisch, von Kindern wird Gehorsam bis zur Unterwerfung gefordert. Wird der Gehorsam verweigert, werden Sanktionen von Liebesentzug bis zu körperlicher Gewalt nicht nur angedroht, sondern auch vollzogen. Die Kinder sollen ja nicht "verzärtelt", sondern "hart wie Kruppstahl" werden. Dazu gehört auch ein "Abhärten" des Nachwuchses, der – so die Idee – die nächste Generation einer als herausragend verstandenen Linie "deutschen Blutes" sein soll. Konkret bedeutet das: Kinder werden im Winter ohne warme Kleidung nach draußen zum "Marschieren" geschickt, ihnen werden, wenn sie krank sind, Medikamente verweigert, damit sie aus eigener Kraft wieder gesund werden. 2009 starb ein vierjähriges Mädchen aufgrund dieser Erziehungsideologie, weil ihre rechtsextremen Eltern ihr die Diabetes-Medikamente verweigerten. In allen rechtsextremen Familien wird den Kindern vermittelt: Wenn du dich gegen unsere Ideale wendest, den falschen Partner mitbringst oder die falsche Musik magst, wirst du verstoßen.


  • Grundlegend wird ein antimodernes Geschlechterbild vermittelt: Männer müssen hart sein und kämpfen, mit Geschick, Strategieund Gewalt. Für Frauen ist die Mutterrolle vorgesehen, sie sollen den Nachwuchs im Sinne der völkischen Ideologie großziehen und den "Fortbestand" des "deutschen Volkes" sichern. Daher wähnen sie sich im "Geburtenkrieg".

Rechtsextremer Alltag

Grundsätzlich bleibt in rechtsextremen Familien kaum etwas "unpolitisch": Die Vereinnahmung der Kinder beginnt schon vor der Geburt, wenn in rechtsextremen Internetforen Mütter mit Nicknames wie "NoRemorse", "Raginhild" und "Pride Mother" über die Namen der zukünftigen Kinder diskutieren. Sie fragen, ob "Aryan Hope" ein guter Name wäre (Antwort: "Nein, zu englisch"), Anna, Josef oder Hans (Antwort: "Nein, hebräische Wurzeln – oder doch, wegen Joseph Goebbels?") oder ob germanisch-nordische Namen wie Svea, Sigrun, Mechthild oder Ragnar und Bernward zu bevorzugen seien.

NS-Verherrlichung lässt sich beim Backen von Runen-Keksen und Laubsägearbeiten mit Hakenkreuz-Verzierungen vermitteln, aber auch, indem Kinderbücher aus der NS-Zeit gelesen werden. Rechtsextreme Versände bieten für die "kleinen Germanen" Wikingerhelme nebst Holzschwertern und Plastikmorgensternen oder Memory-Spiele an, mit denen man nordische Götter, Runen und Jahreskreisfeste kennenlernt. In Mecklenburg-Vorpommern beobachtete ein Nachbar, wie Neonazi-Eltern ihrem Sohn zum dritten Geburtstag einen Mini-Baseballschläger schenkten und eine schwarze Puppe – "zum Üben".

Oft dürfen Kinder aus rechtsextremen Familien keine nicht-deutsch anmutenden Begriffe verwenden. Da bedeutet ein Leben mit Gemüsekuchen, T-Hemd und Funki statt mit Pizza, T-Shirt und Handy. Ein nicht ungewollter Nebeneffekt: Die Kinder werden so in ihren Klassen zu Außenseitern, haben wenig Kontakt zu Kindern außerhalb der Szene. Ulrike Privenau, Tochter von Interner Link: Tanja Privenau, berichtete in einem Interview in der „Berliner Morgenpost“, dass sie vor dem Ausstieg nicht einmal Radio hören durfte. Jeans waren tabu, Hosen generell bei Mädchen nicht gerne gesehen. "Das war oft peinlich", sagt sie. "Im Trachtenrock zur Schule." Die Mutter sagte ihr stets: "Dass du mir keinen Türken oder N**** anschleppst." Ihr Stiefvater, der NPD-Aktivist Markus Privenau, brüllte sie einmal zusammen, "weil ich das Klavierstück eines jüdischen Komponisten üben wollte." Heidi Benneckenstein wiederum erzählt, ihr Vater habe aus allem im Haushalt einen Wettbewerb gemacht: Wer räumt am besten auf? Wer schleppt die meisten Umzugskartons? "Es ging immer nur um Leistung. Der Beste erhielt eine Belohnung, die anderen wurden bestraft. Das war keine Erziehung, das war Erpressung."

Um welche Erziehungsideale geht es?

Der Grundkonsens in der heutigen neonazistischen Kindererziehung ist eine Mischung aus völkischem Denken, Nationalismus, Rassismus, Antiamerikanismus und Antisemitismus, Führerprinzip, soldatischen Idealen und Antikapitalismus. Ein User mit dem Nicknamen "Reichsbademeister" fasste es in einer Diskussion um "nationale Erziehung" in einem Szene-Forum so zusammen (Rechtschreibung übernommen): "Wir treffen uns öfters mit anderen [rechtsextremen] Eltern um etwas mit unseren Kindern zu unternehmen. Wir feiern gerne im Kreis der Familie. Wir meiden Fast-Food-Ketten-Besatzerfraß. Wir spielen Abends lieber als das wir Fernsehen schauen. Wir machen unsere Geschenke teilweise lieber selbst, als etwas zu kaufen. Wir sind oft in der Heimat unterwegs, Spazieren, Wandern, Zoobesuche, Spielplatz. Wir legen Wert auf Ordnung und Anstand. Wir überwachen was unser Kind sieht oder welche Musik sie hört. … und dann kommen noch andere Kleinigkeiten dazu."

Dabei wird den Kindern die völkische Ideologie vermittelt, die im Nationalsozialismus das Familienideal darstellte: Die eigene Gruppe, in diesem Fall die Gruppe weißer Deutscher, wird als "Volk" verabsolutiert und als "reine" Gemeinschaft definiert; sie wird als höherwertiger als andere angesehen. Keimzelle des „Volkes“ ist die Familie, die der Mann schützen soll und in der die Frau als Mutter die möglichst zahlreichen Kinder im Sinne der "Volksgemeinschaft" erziehen soll. Das heißt nicht nur, sie in verschiedenen Formen von Brauchtum zu unterrichten. Da zu diesem "Volk" bzw. der eigenen "Volksgemeinschaft" auch ein Lebensraum – der "Boden" zum "Blut" – gehört, der gegen die ständige Bedrohung von außen verteidigt werden muss, gehört zu dieser Erziehung häufig auch die Schulung des Nachwuchses in Gewalt und an Waffen.

Rechtsextreme Erziehung als politische Strategie: Völkische Jugendlager

Praktisch geschieht diese Erziehung auch durch politisch motivierte Kinder- und Jugendlager. Das begann 1926 mit der "Hitlerjugend" und wurde nach Ende des Zweiten Weltkriegs relativ nahtlos mit der Interner Link: "Wiking-Jugend" (1952 gegründet, 1994 verboten) und der Interner Link: "Heimattreuen Deutschen Jugend" (2000 gegründet, 2009 verboten) fortgesetzt. Auch heute existieren weiterhin Camps wechselnder Träger, die "Sturmvogel", "Freibund", "Jugendbund Pommern" oder "Interessengemeinschaft (IG) Fahrten und Lager" heißen. Die Lager gelten als Kaderschmiede für die rechtsextreme Elite der Zukunft. Sie sollen die Kinder auf den Ernstfall, den Angriff auf die "Volksgemeinschaft", vorbereiten. Die Lager sind eine Mischung aus Überlebens- und Kampftrainings, geprägt von Drill und Unterwerfung, mit Gewaltmärschen, lebensgefährlichen "Mutproben" wie ungesichertem Klettern an Steilwänden, Paintball-Spielen und Waffenschulungen. Die Kinder erhalten "Unterricht" zu "Rassenkunde", "Blutreinheit" und "Bräuchen", aber auch "Selbstverteidigung", "Funk- und Meldewesen" oder den Umgang mit "feindlichen Systemvertretern" wie Medien oder Lehrern. Die Mädchen lernen Nähen, Kräuterkunde und Kalligrafie, die Jungen Boxen, Speerwerfen und Lagerbau. Außerdem werden die Kinder und Jugendlichen ausgebildet, um die rechtsextreme Ideologie in Schule und Umfeld weiterzugeben – und dies taktisch schlau, rhetorisch geschickt, nicht offen rechts argumentierend, aber gegen "links", gegen Internationalismus, unter Vorführung demokratischer Autoritäten wie etwa Lehrern und Lehrerinnen. Dass heutige NPD-Kader und Anführer der "Freien Kräfte" aus dem HDJ-Umfeld stammen, zeigt die Effizienz dieser frühen Hasserziehung. Wichtiger Nebeneffekt: Die Kinder sollen innerhalb der Szene ihre Partner kennenlernen – um weitere "gleichgeartete Kinder" zu zeugen.

Opa war auch Nazi: völkische Sippen und Siedlungen

Die Langlebigkeit der zahlreichen NS-Ideale, die den Kindern vermittelt werden, fußt auch darin, dass sie in etlichen völkischen Familien seit dem Nationalsozialismus ungebrochen vertreten werden. Bei manchen Neonazi-Familien hing schon lange ein Hitler-Bild im Wohnzimmer; statt "Polen" hieß es immer "Ostpreußen", rassistisches Wettern gegen Schwarze, Juden und Roma gehört schon lange zum Alltag. Solche Familien sind unter anderem in Gruppierungen wie der Interner Link: "Artgemeinschaft – Germanische Glaubensgemeinschaft" und den "Artamanen" vernetzt. Die "Sippen" wohnen oft im gleichen Ort, um sich wirtschaftlich und politisch zu unterstützen und stärkeren Einfluss auf ihre Umgebung nehmen zu können.

Das Prinzip Interner Link: gemeinsamer Siedlungen überzeugt weitere Teile der rechtsextremen Szene, die ebenfalls in einer Gemeinschaft Gleichgesinnter ohne Andersdenkende wohnen wollen. Sie kaufen sich gezielt gemeinsam Immobilien im ländlichen Raum, um ihre Kinder jenseits der verhassten modernen Welt aufwachsen zu lassen. Solche Siedlungsprojekte sind in Bayern, Hessen, der Lüneburger Heide, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Schleswig-Holstein bekannt. Auf dem Land gibt es weniger Vielfalt in den Lebensstilen, weniger Migranten und oft auch weniger zivilgesellschaftliche Gegenwehr. Deshalb schotten sich die rechtsextremen Siedler auch nicht von ihrer Umgebung ab: Sie kommen als Ökobauern, Hebammen, Kunsthandwerker und Eltern vieler Kinder mit den Einheimischen in Kontakt, geben sich zupackend und engagiert, übernehmen Aufgaben in der Kita und in der Schule – und lassen erst nach gelungenem Vertrauensaufbau ihre Ideologie durchscheinen, wenn sie zum Beispiel darum bitten, in der Kita keine Bilder mit Kindern anderer Hautfarbe aufzuhängen ("Sowas haben wir hier doch gar nicht!") oder sich gegen das Engagement für Geflüchtete wenden.

Und die demokratische Gesellschaft?

Diese gesellschaftlich engagierten und ideologisch sendungsbewussten Rechtsextremen – oft sind es Frauen – sind eine Herausforderung für Kitas und Schulen. Wenn sie sich als Erzieherinnen bewerben oder Kitas betreiben wollen, helfen Leitbilder, die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf die freiheitlich demokratische Grundordnung verpflichten. Interner Link: Aber wie soll man umgehen mit Eltern, die beim Abholen "Thor Steinar"-T-Shirts tragen? Mit Kindern, die mit rassistischen Sprüchen Schwarze Kitakinder beleidigen? Grundsätzlich ist es sinnvoll, im Eltern- und Kollegenkreis zu thematisieren, wenn rechtsextreme Eltern die Kinder oder andere Eltern mit völkischem, rassistischem oder NS-verherrlichendem Gedankengut beeinflussen wollen. Nur so kann ein gemeinsamer Umgang diskutiert werden.

Für die Kinder aus rechtsextremen Elternhäusern jedenfalls ist der Kontakt zu nicht-rechten Menschen eine große Chance. So können sie ein positives Gegenbild demokratischen Zusammenlebens kennenlernen. Wenn in der Kita Kinder mitbestimmen dürfen, wenn vorurteilsbewusst erzogen wird, konstruktives Streiten gelehrt wird und ein Gemeinschaftsgefühl ohne Ausgrenzung gelebt wird, haben alle etwas davon. Interner Link: Heike Radvan von der „Fachstelle Gender und Rechtsextremismus“ der Amadeu-Antonio-Stiftung sagt: "Von Aussteigern wissen wir, dass oft ein Mensch für sie entscheidend war, der sie akzeptierte, aber in ideologische Widersprüche verwickelt hat. Ausgrenzung ist bei Kindern jedenfalls keine Lösung."

Simone Rafael arbeitet als freie Journalistin. Sie schreibt u.a. für die Amadeu Antonio Stiftung in Berlin. Die Absolventin der Henri-Nannen-Schule in Hamburg konzipierte 2003 die Website www.mut-gegen-rechte-gewalt.de.