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"Der Ton ist harscher geworden" – Die Medien und der Vorwurf der "Lügenpresse" | Rechtsextremismus | bpb.de

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"Der Ton ist harscher geworden" – Die Medien und der Vorwurf der "Lügenpresse"

Johannes Radke

/ 8 Minuten zu lesen

Ulrich Wolf ist Reporter der Sächsischen Zeitung in Dresden. Seit den Anfängen von Pegida 2014 beobachtet er deren Entwicklung. Wolf und seine Kollegen haben seither mehrere Hundert Meldungen, Berichte, Porträts und Reportagen über Pegida veröffentlicht. Mehrfach wurde Wolf für seine Arbeit mit Journalistenpreisen ausgezeichnet. Für Pegida-Anhänger gilt er als Inbegriff der "Lügenpresse". Das Interview führte Johannes Radke.

Pediga-Demonstration gegen eine Flüchtlingsunterkunft in Freital bei Dresden am 26. Juni 2015. (© picture-alliance/AP)

Herr Wolf, Sie haben Pegida von Beginn an beobachtet. Wann haben Sie die politische Dimension dieser Demonstrationen erkannt?

Schon sehr früh, Anfang November 2014. Das war die Zeit, zu der die Teilnehmerzahlen plötzlich explodierten, bis es Ende Januar 2015 rund 25.000 Menschen waren. Bereits in den Wochen davor war für mich klar, dass das eine Sache ist, die uns noch länger begleiten wird.

Warum?

Wegen der Entschlossenheit, die man da gespürt hat. Herr Bachmann und Co haben einen Punkt getroffen, der die Leute dermaßen motiviert, dass sie bei Wind und Wetter montags auf die Straße gehen. So eine Ausdauer hat es seit der Wende nicht mehr gegeben.

Was glauben Sie, warum die Teilnehmerzahlen plötzlich so angestiegen sind?

Daran sind indirekt auch wir als Sächsische Zeitung schuld. Bis Ende November 2014 war das ein rein regionales Thema. Dann haben wir aber angefangen zu recherchieren, wer Lutz Bachmann ist. Dabei kamen wir zu den heute bekannten Ergebnissen: zu seinen Vorstrafen, seinen Verbindungen ins Rotlichtmilieu und so weiter. Das hat wiederum viele überregionale Medien darauf aufspringen lassen. Das ist ja eine absolut exotische Geschichte: Da kommt ein Typ, den keiner kennt und schafft es, Montag für Montag Tausende Menschen demonstrieren zu lassen.

Es gab dann einen überregionalen Aufschrei und einen pauschalen Nazivorwurf. Es wurde nicht differenziert. Dabei waren zu der damaligen Zeit Hooligans und Rechtsextreme bei Pegida eine absolute Minderheit. Die Pauschalisierung in den bundesweiten Medien hat zu einer massiven Solidarisierung innerhalb dieser Bewegung geführt. Nach dem Motto: "Jetzt erst recht".

Lutz Bachmann, Mitgründer von Pegida, bei einer Pegida-Demonstration am 3. Oktober 2016. (© picture-alliance/AP)

Im Rückblick muss ich sagen, dass die Nazikeule das Schlimmste war, was aus unserer Sicht passieren konnte. Das wirkte ungeheuer mobilisierend.

Wie sieht das konkret aus, wenn sie rund um einen Pegida-Aufmarsch berichten?

Bis zum Spätsommer 2015 war das für mich kein Problem. Ich konnte da hingehen und das in Ruhe anschauen. Als schreibender Reporter habe ich nicht so einen starken Zeitdruck und falle nicht so auf wie etwa die Radio- und Fernsehkollegen. Ich kann mit meinem Block aus dem Aufzug herausgehen, ein paar Notizen machen und dann wieder hineingehen.

Inzwischen kann ich mir das so aber nicht mehr erlauben. Wenn ich da jetzt hingehe, bildet sich um mich herum sofort eine Traube von 50 bis 100 Personen. Die stürmen auf mich ein und beleidigen mich. "Links-grün-versiffter Journalisten-Dschihadist" ist so eine Standardfloskel. Ich kann also über die Demonstrationen gar nicht mehr berichten, weil ich aktiver Teil des Geschehens geworden bin. Ich greife durch meine Anwesenheit in die Handlung ein.

Sind die Pegida-Anhänger für Argumente zugänglich? Können Sie mit denen sprechen? Inzwischen nicht mehr. Meine Toleranzgrenze gegenüber den Mitläufern ist auf null gesunken. Ich hatte lange eine gewisse Toleranz. Wir haben auch mal vier Pegida-Teilnehmer im Blatt vorgestellt. Ich habe sogar mit Lutz Bachmann mehrere Stunden gesprochen. Heute geht das alles nicht mehr.

Wieso hat sich das verändert?

Die große Zäsur war der Auftritt von Geert Wilders im April 2015. Danach hat sich die Bewegung deutlich radikalisiert. Ich kann ihnen aber nicht sagen warum. Den zweiten Radikalisierungsschub gab es, als die vielen Flüchtlinge kamen. Wären die nicht gekommen, wage ich zu bezweifeln, ob es Pegida heute noch gäbe. Jetzt ist es eine richtig radikale Bewegung.

Wie viel Zeit wenden Sie auf, um rassistische Gerüchte und Falschmeldungen aus sozialen Netzwerken nachzurecherchieren?

Das macht bei uns vor allem die Onlineredaktion. Bei gravierenden Fällen haken wir nach. Beispielsweise soll es vor gut zwei Wochen einen SEK-Einsatz in einer Flüchtlingswohnung in der Kleinstadt Riesa gegeben haben, wie es auf Facebook hieß. Nach einem Anruf bei der Polizei war klar: Den hat es nie gegeben. In der heißen Phase, also im Frühherbst 2015, gab es so viele Gerüchte via Facebook, dass wir nicht mehr mithalten konnten. Manchmal dauert es einfach ein paar Stunden, bis man die Rückmeldung der Polizei bekommt. In der Zwischenzeit wurde die Falschmeldung aber schon hundertfach auf Facebook geteilt. Das bekommt man nicht mehr aus der Welt.

Facebook ist bei diesem Thema ein richtiges Hyperventilations-Medium geworden. So viele Plastiktüten hat man gar nicht, um den Sauerstoff mal kurz abzubinden, damit es sich wieder beruhigt.

Hat Pegida für Sie die Arbeit als Journalist generell verändert?

Die Vielfalt meiner Themen hat deutlich abgenommen. Ich sehe das jedoch als Herausforderung. Dennoch ist es ermüdend geworden, über Pegida zu berichten. Ich bin regelrecht abgestumpft, was Beleidigungen, Beschimpfungen und Bedrohungen angeht. Es gab Zeiten, da habe ich tatsächlich schlechter geschlafen. Jetzt perlt das alles an mir ab. Ich habe mich daran gewöhnt.

Ermüdend ist es auch festzustellen, dass man mit Sachlichkeit nicht weiterkommt. Die haben ihre vorgefertigte Meinung, und da geht kein Millimeter dazwischen. Man weiß nicht, wie man diese Menschen noch erreichen soll. Jeder einzelne von denen bräuchte eigentlich einen Sozialarbeiter, der langfristig mit ihm arbeitet. So wie man das mit einem Drogenabhängigen machen würde.

Ich frage mich immer, warum deren Meinung so dogmatisch sein muss, gepaart mit Wut, bis hin zu Hass. Ich mache da ein wenig Facebook mitverantwortlich. Die Plattform ist eine super Erfindung, aber jeder postet immer nur das, was seiner eigenen Meinung entspricht. Ein Austausch findet nicht mehr statt. Man wird sofort geblockt oder zutiefst beleidigt. Es gibt in diesen Kreisen keine konstruktive Kommunikationskultur. Die Sprache ist hässlicher und radikaler geworden. Die Anstandsgrenzen sind im Gully versunken.

Wirkt sich das auch im Alltag aus?

Ja. Ich habe das schon häufig erlebt. Da sitzt man im Café, es kommt ein Bettler vorbei, und der wird in einer Fäkalsprache dermaßen angemacht, dass man denkt, man liest gerade ein paar Facebook-Postings.

Ein anderes Mal habe ich einem indischen Tourist in der Straßenbahn erklärt, an welcher Station er aussteigen muss. Da wurde ich von Fahrgästen beschimpft, ich solle doch mal nach Syrien gehen und mich dort abknallen oder köpfen lassen. In einer ähnlichen Situation bin ich bespuckt worden.

Sind die Leser allgemein misstrauischer, kritischer oder auch anspruchsvoller geworden?

Für einen Teil unsere Leser gilt das gleiche wie für das allgemeine Empfinden: Sie sind lauter geworden und harscher im Ton. In Leserbriefen melden sich natürlich vor allem die Unzufriedenen zu Wort. Aber auch hier hat sich der Ton merkbar verändert. Die Briefe werden deutlich aggressiver. Interessanterweise habe ich die Erfahrung gemacht, dass, wenn man sachlich zurückschreibt, manchmal eine Entschuldigung kommt.

Schaffen Sie es überhaupt, allen zu antworten?

Wenn ich Zeit habe, versuche ich es. Bei richtigen Beleidigungen antworte ich aber gar nicht erst. Ich habe – nach Rücksprache mit der Chefredaktion – inzwischen einen Musterbrief entwickelt, wenn ich oder unsere Zeitung direkt beleidigt werden. Ich antworte dann sinngemäß: "Wenn wir Ihnen so viele Schmerzen bereiten, steht es Ihnen natürlich frei, Ihr Abo zu kündigen."

Haben die Lehren aus der Pegida-Berichterstattung auch in anderen Bereichen Wirkung gezeigt? Sind Sie jetzt generell vorsichtiger oder gründlicher geworden?

Vorsichtiger auf dem Heimweg von Pegida nicht. Aber sorgfältiger beim Schreiben, ja. Das ist so eine Art Ehrgeiz. Das geht vielen Kollegen so. Man will diesen Schreihälsen durch einen kleinen Flüchtigkeitsfehler nicht noch eine Vorlage bieten. Gerade bei den Themen Flüchtlinge, Dealer, Asylpolitik oder Islam. Da liest man beim fertigen Text einmal mehr drüber, als man es sonst tut.

Es würde mich gar nicht stören, wenn die "Fehlerpresse" rufen würden. Fehler passieren. Aber der Begriff "Lügenpresse" ist eine Unverschämtheit. Das impliziert, dass wir unsere Leser bewusst in die Irre führen würden. Da reagiere ich inzwischen äußerst allergisch.

Wann und wie kam der Begriff eigentlich bei Pegida auf?

Das ist ganz interessant. Ich bin durch Zufall bei einem Kollegen vom Sport auf drei alte Fotos gestoßen. Eines von Ende der 1990er, eines aus dem Jahr 2004 oder 2005, und das dritte von 2013. Alle drei Bilder waren aus dem sogenannten K-Block der Ultras von Dynamo Dresden. Darauf waren Spruchbänder mit dem Satz: "Lügenpresse Sächsische Zeitung" und "Lügenpresse" und dann der Name des Kollegen, der etwas Kritisches über den Verein geschrieben hatte.

Das brachte mich auf die Idee, bei Pegida genau hinzuschauen, wer da eigentlich Lügenpresse ruft. Das erste Mal gab es das im November 2014. Gerufen haben da die Jungs aus dem K-Block. Die waren zwar ohne Dynamo-Schals dort, aber trotzdem erkennbar. Als es dann später mehrere Tausend Teilnehmer waren, haben die sich richtig organisiert. Erst zehn von denen, dann ein paar Hundert normale Demonstrationsteilnehmer, dann wieder zehn aus dem K-Block und so weiter. Die gaben die Stichworte vor. Da riefen dann langsam die anderen mit, und wenn es drohte zu versanden, übernahm hinten die nächste Reihe. Genau wie das mit der akustischen Choreographie in der Fankurve auch läuft. Kurzum: Der heute bundesweit bekannte Lügenpresse-Ruf aus Dresden kommt aus dem Fußball.

Sehen Sie bei der bundesweiten Berichterstattung über Pegida Defizite?

Mittlerweile nicht mehr. Inzwischen wird das von den meisten richtig bewertet. Die Diskussion führen wir in der Redaktion schon seit 2014: Wie wichtig sind die eigentlich? Wie viel sollte man darüber berichten? Inzwischen machen wir montags höchstens noch online eine Meldung. Andere Medien schaffen es jetzt ebenfalls, Pegida weder über-, noch zu unterschätzen.

Bekommen Journalisten genug Rückhalt aus den Redaktionen?

Ja, unsere Chefredaktion ist da ganz eindeutig. Ich bekomme genug Zeit und Platz im Blatt eingeräumt, um meine Recherchen zu machen. Aber es gibt diese gesellschaftliche Spaltung auch in der Redaktion. Da gibt es schon ab und zu Meinungsverschiedenheiten zu Themen wie AfD und Pegida.

Wann wurden Sie das letzte Mal bedroht?

Das war im vergangenen Sommer. Da fand ich in meinem privaten Briefkasten einen Zettel, auf dem stand: "Wir wissen, wo deine Tochter zur Schule geht." "Normale" Beschimpfungen und Pöbeleien bekomme ich aber quasi wöchentlich per Mail.

Wie gehen Sie mit den Drohungen um?

Wenn man in einer Menge von 22.000 Menschen steht und plötzlich auf der Bühne Bachmann deinen Name als Vertreter der Lügenpresse ruft – das war ein absolut neues Gefühl für mich, und kein schönes. Ich will jetzt nicht sagen, dass mir das Angst gemacht hat, aber es hat mich äußerst verunsichert. Aber man gewöhnt sich daran. 95 Prozent von dem, was da gerufen wird, ist nur Schreierei. Trotzdem gingen zeitweise Kollegen vom MDR und anderen Sendern nur noch mit Personenschutz zu Pegida.

Wurden Sie schon tätlich angegriffen?

Nein. Ich bin sowas wie der Hauptgegner von Bachmann. Die brauchen mich. Ich denke, das ist es, was mich schützt.

ist freier Journalist mit dem Themenschwerpunkt Rechtsextremismus und Jugendkultur. Er betreut für ZEIT-Online seit Juli 2009 den Störungsmelder. Gemeinsam mit Toralf Staud hat er das ZEIT-Portal "Netz gegen Nazis" gestartet und an dem "Buch gegen Nazis" mitgeschrieben.