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Hammerskins – Ein militanter Geheimbund | Rechtsextremismus | bpb.de

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Hammerskins – Ein militanter Geheimbund

Andrea Röpke

/ 10 Minuten zu lesen

Sie organisieren Konzerte, vertreiben CDs und verdienen Geld mit Rechtsrock. Doch die Hammerskins tauchen kaum öffentlich auf, sie ziehen lieber im Verborgenen ihre Fäden. Von den Sicherheitsbehörden unterschätzt, unterhalten die Hammerskins auch Kontakte zur militanten Neonazi-Organisation “Combat 18“ – und zum NSU.

Wenn es um die Bruderschaft mit den zwei gekreuzten Hämmern im Logo geht, dann wird der Thüringer Neonazi sehr still. Sein "Wertegefühl" verbiete es ihm, über die Gemeinschaft der "Hammerskins" zu sprechen, offenbarte er dem Vorsitzenden Richter des Oberlandesgerichts beim NSU-Prozess in München im Oktober 2014. Dabei erscheint Thomas Gerlach aus Heukewalde bei Altenburg ansonsten als mitteilsamer Mensch, der seine radikale politische Meinung fast täglich bei Twitter verbreitet: "8./9. Mai! Wir feiern nicht! Wahrheit macht frei." oder "Achtung: Verkaufe billiges Bauland in Eritrea. Garantiert keine Afrikanischen Nachbarn! Preise ab 1488 Euro ..."

In München geht es um die Aufklärung eines der größten von Rechtsextremen begangenen Verbrechen nach 1945. Den fünf Angeklagten wird die Unterstützung des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) vorgeworfen. Diese Neonazi-Organisation soll unter anderem für zehn rassistisch motivierte Morde, unzählige Raubüberfälle und zwei Bombenanschläge verantwortlich sein. Mit dem mutmaßlichen Jenaer Waffenbeschaffer des NSU, Ralf Wohlleben, arbeitete Thomas Gerlach jahrelang politisch eng zusammen. Gemeinsam organisierten sie Konzerte oder bauten das "Freie Netz" der Kameradschaftsszene in Thüringen und Sachsen mit auf. Der Hammerskin Gerlach wurde bereits drei Mal als Zeuge vor das Gericht geladen – als bisher einziger seiner Bruderschaft, obwohl die Namen von drei weiteren Mitgliedern der "Hammerskin Nation" (HSN) bei den Ermittlungen gegen den NSU auftauchten.

Und tatsächlich darf Gerlach in München schweigen, weil ein vor zehn Jahren geführtes Strafverfahren gegen die Hammerskins in Sachsen eventuell weitergeführt wird und sich Gerlach mit einer Aussage selbst belasten könnte. Dabei weiß der Neonazi, genannt "Ace", wahrscheinlich durchaus mehr über bundesweite Untergrundstrukturen als er bisher eingeräumt hat. Denn der 36-Jährige gilt als einer der einflussreichsten Neonazis in den neuen Bundesländern. Seine politische Aktivisten-Laufbahn reichte von Gruppen wie dem berüchtigten "Thüringer Heimatschutz" über die "Nationalen Sozialisten Altenburger Land" bis hin zu den Uniformfetischisten des "Kampfbund deutscher Sozialisten", als deren "Organisationsleiter" er zeitweilig fungierte. Jedes Mal, wenn Gerlach bisher im schwerbewachten Verhandlungssaal A 101 in München erschien, beantwortete er diese oder jene Frage, räumte ein, das NSU-Kerntrio zwar nicht zu kennen, wohl aber den einen oder anderen mutmaßlichen Neonazi aus deren Umfeld. Kam im Gericht allerdings die Hammerskin Nation zur Sprache, verweigerte der Thüringer die Aussage.

Eine weiße, gewaltbereite Skinhead-"Elite"

Die HSN scheut aus gutem Grund die Öffentlichkeit, denn sie gilt als gefährlich. Nach dem Verbot von Blood & Honour im Jahr 2000 haben die Hammerskins nach und nach deren Aufgaben – zum Beispiel im Musikgeschäft – übernommen. Gegründet 1986 in Texas, ist die HSN seit Anfang der 1990er Jahre auch in der Bundesrepublik aktiv. Thomas Gerlach soll sich dem sächsischen "Chapter" schon früh angeschlossen haben, nachdem er zunächst offenbar mit Blood & Honour sympathisierte und sich in einem entsprechenden Shirt zeigte. Vordergründig sichern die Hammerskin-Ableger ihre Mitglieder und deren Geschäfte vor allem im Musikbereich nach außen hin ab. Den kriminellen Rockergangs ähnlich gilt bei ihnen eine strenge Hierarchie und ein “internes Regelwerk“. Nur Vollmitglieder dürfen sich Hammerskin nennen, sie sehen sich als Elite der "Skinhead"-Subkultur. Wie bei Rockern sammeln sich auch hier neonazistische Unterstützer in einer ebenso verschwiegenen "Supporter"-Gang, der "Crew 38". Experten wie Michael Weiss vom Apabiz in Berlin warnen vor einem Zulauf bei diesen Gruppen.

"Hammerskins, die Elite aus der Masse, Skinheads aus der Arbeiterklasse, den Hammern immer treu verbunden, im Kampf um unsere weiße Rasse, wir sind Nationalisten aus der ganzen Welt, unsere Bruderschaft uns ewig zusammenhält", so textet die Band "Hetzjagd" aus Bremen. Wie einst das Blood & Honour-Netzwerk, propagieren auch die Hammerskins einen gewaltsamen "Rassenkampf". Ihre Instrumente sind Bands, die ihnen nahestehen, wie "Deutsch Stolz Treu", "Wolfsfront", "Division Germania" oder "Blitzkrieg", einschlägige Konzerte und der Handel mit Tonträgern und Merchandising. Das kooperierende Netzwerk umfasst zahlreiche Versandgeschäfte und Musiklabels wie "Wewelsburg Records" oder "Opos-Records". Die Funktionsträger bleiben im Hintergrund. Offiziellen Quellen zufolge soll es zwischen 100 und 200 Vollmitglieder in Deutschland geben, der Verfassungsschutz bezifferte die Mitglieder in seinem Bericht 2014 auf 130. Die Zahl der Unterstützer ist unbekannt.

Der braune Geheimbund gilt als schlagkräftig. 2012 hieß es in einem internen BKA-Dossier, dass gegen fast die Hälfte der bundesdeutschen Hammerskins Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden. Doch die Verfassungsschutzbehörden warnen in ihren Jahresberichten bis heute nur bedingt vor dieser Organisation, da "nur wenig Aktivitäten mit Außenwirkung zu erkennen" seien. Nach einer Großrazzia gegen das Hammerskin-Chapter "Charlemagne" im Februar 2012 in Südfrankreich sprachen französische Ermittler allerdings davon, dass die Gruppe in ganz Europa 2000 Anhänger habe und perfekt organisiert sei. Ein halbes Jahr später stellte das umtriebigste deutsche Chapter "Westmark" in seinem Clubhaus in der lothringischen Kleinstadt Toul ein Rechtsrockkonzert mit rund 2000 Gästen auf die Beine. Keiner anderen Neonazi-Organisation gelingt eine ähnliche Mobilisierung.

Das Ziel der Bruderschaft ist es, weltweit alle "weißen, nationalen" Kräfte in einer ideellen, rassisch "reinen" Gemeinschaft – der Hammerskin Nation – zu vereinen. Interessenten können entweder über eine langwierige Anwärterschaft ("Hang Around") vom "Prospect" zum "Full Member" werden oder aber als Unterstützer ("Supporter") in der "Crew 38" einen Platz am Rand der auserwählten Gemeinschaft erhalten. Der propagierte Slogan "Be racially aware and practice the 14 Words" weist darauf hin, dass Hammerskins den Urheber dieser "14 Words" ("Wir müssen die Existenz unseres Volkes und die Zukunft für die weißen Kinder sichern"), David Eden Lane, verehren. Der 2007 verstorbene US-Neonazi genießt als ehemaliges Mitglied des Ku-Klux-Klan sowie als verurteilter Terrorist der US-Terrorgruppe "The Order" Kultstatus.

Agieren im Verborgenen

2006 wurden in Portugal mehrere Hammerskin-Aktivisten wegen Waffenhandels verurteilt. Recherchen des Berliner Journalisten Andreas Förster zufolge taucht auch Thomas Gerlachs Name in den Akten des portugiesischen Nachrichtendienstes auf. Der deutsche Neonazi soll Nachrichten geschmuggelt und Kontakt zu einem deutschen Waffenhändler aufgenommen haben. Vor Gericht musste er sich dafür bisher nicht verantworten. Es gibt auch Fotos, die Gerlach bei den "Brüdern" in Portugal zeigen. Im Jahr 2012 lief der US-Musiker und Hammerskin Wade Michael Page in Wisconsin Amok. Das langjährige Mitglied der "Northern Hammerskins" erschoss sechs Menschen in einem indischen Sikh-Tempel, bevor er selbst von der Polizei erschossen wurde. Die deutsche Hammerskin-Sektion gab eiligst die Order an alle "Brüder" heraus, auf keinen Fall über den Amoklauf zu kommunizieren, weder am Telefon, in Foren noch per Mail. Alle Verbindungen zu Wade und Spuren, die zu ihm führten, sollten sofort gelöscht werden. Die Order erfolgte "in der Hoffnung, dass daraus keine große Hammerskin-Sache" gemacht werde.

Kein Wunder also, dass Thomas Gerlach an diesem Prozesstag im Oktober 2014 in München vor dem Oberlandesgericht immer wieder die Aussage verweigert. Kein Wort kommt über seine Lippen zu dem Geheimbund, denn Gerlach kennt den Kodex: Brüder schweigen. Wie zur Bekräftigung trägt der NSU-Angeklagte André E. im Gericht – gut sichtbar für den Zeugen Gerlach – diesen Treueschwur der SS auf seinem T-Shirt: "Brüder schweigen". Vertreter der Nebenklage im Münchener Prozess vermuten, dass die im Geheimen operierenden Hammerskins bei der Unterstützung des NSU eine Rolle gespielt haben könnten: als Verbindung ins illegale Milieu. Wie heute bekannt ist, hatte zunächst Blood & Honour diese Funktion in Chemnitz übernommen. Eine der ersten Unterstützerinnen, die Uwe Mundlos, Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt mit einem Versteck half, war Mandy S., die spätere Freundin von Thomas Gerlach. Diese ehemalige Aktivistin bezeichnete den Thüringer als langjährigen Hammerskin und lenkte so, nach vielen Jahren im Verborgenen, die Aufmerksamkeit auf die "Nation".

Aufmerksamkeit können die Hammerskins gar nicht gebrauchen, agieren sie doch bevorzugt im Geheimen. Ihr Logo beispielsweise taucht kaum öffentlich auf. Dabei sind viele Hammerskins, wie der langjährige deutsche Anführer und mutmaßliche Europa-Chef Malte Redeker aus Ludwigshafen, umtriebige Multiplikatoren der Szene. Zwar treten sie bei Demonstrationen als Anhänger von Kameradschaften oder neuen Parteien wie "Der III. Weg" auf, doch führende Parteiaktivitäten sind bei der Hammerskin Nation wenig erwünscht: Exponierte Stellungen könnten das Wirken im Hintergrund gefährden. Diese Erfahrung musste Maik Scheffler, damaliger Mitarbeiter der NPD-Landtagsfraktion in Sachsen machen, als ihn sein Chapter "Westsachsen" 2009 ausschloss. Scheffler bezeichnete diese Entscheidung intern als "persönliche Katastrophe", da er "Nationalsozialist bis ins Tiefste meines Herzens" sei und nun seine Familie verloren habe.

Der Zusammenhalt des Geheimbundes zeigte sich in einer Solidaritätsaktion der Hammerskins 2011 für den bekannten Neonazi Sven Krüger aus Jamel in Mecklenburg-Vorpommern. In einem internen Rundschreiben vom August 2011 an alle internationalen Mitglieder wurde bekannt gegeben, dass Krüger, Spitzname "Obst", vom Chapter "Mecklenburg" eine Haftstrafe anzutreten habe. Er war mit einer Maschinenpistole, 200 Schuss Munition sowie gestohlenen Baumaschinen erwischt worden und zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Vor Antritt sollte Krüger noch Brüder in Baden und den Anführer Redeker aus Ludwigshafen besuchen, um seine Situation zu erläutern. Hammerskins und "Crew 38"organisierten unter dem Motto "Freiheit für Sven Krüger" ein Sommerfest mit Livemusik, um ihm und seiner Familie finanziell unter die Arme zu greifen.

Kontakte zum NSU und zu Combat 18

Die "Crew 38" fungiert in solchen Fällen als internes Unterstützernetzwerk der Hammerskins, das mit dem Verkauf von "Supporter Wear" für "politische Gefangene, erkrankte Brüder oder die Hinterbliebenen unserer verstorbenen Brüder und Schwestern" Geld sammelt – mutmaßlich auch für Helfer des NSU. Denn einer der umtriebigsten Neonazis in Thüringen, Steffen Richter aus Saalfeld, unterstützt den NSU-Angeklagten Ralf Wohlleben. Richter, der als ebenso militant gilt, zeigt sich im Internet in Kleidung mit "Crew 38"-Symbolen. Engen Kontakt hält er auch zum NSU-Zeugen Thomas Gerlach. Nach der Enttarnung der Zwickauer Terrorgruppe im Winter 2011 observierten die Sicherheitsbehörden sowohl Gerlach als auch Richter. Alleine 32 SMS tauschten die beiden zwischen Ende Dezember 2011 und dem 18. Januar 2012 aus. Im Mai 2014 leitete die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Richter wegen des Besitzes einer tschechischen Pistole der Marke "Ceska" ein. Mit eben einer solchen Ceska waren die meisten Opfer des NSU ermordet worden.

Auch der oberste Hammerskin-Boss Malte Redeker rückte ins Visier der NSU-Ermittler. Seit mindestens 2005 gehörte der Ludwigshafener Betreiber der "Gjallarhorn Klangschmiede" zum engen Kreis jener Händler, die unter Aufsicht von Ralf Wohlleben und Thomas Gerlach bei der Neonazi-Veranstaltung "Fest der Völker" in Jena verkaufen durften. Redeker, der 1976 in Schleswig-Holstein geboren wurde, lebte von 1994 an einige Jahre in Mexiko, von wo aus er auch politisch aktiv war. Als er Ende der 1990er Jahre in die Schweiz ging, begann er dort ein Studium. Ebenso wie Gerlach spricht der Kampfsportler mehrere Sprachen. Ein ehemaliger V-Mann des baden-württembergischen Verfassungsschutzes brachte Redeker mit dem regionalen Ableger des berüchtigten Ku-Klux-Klan in Verbindung. Noch während seines Mexikoaufenthaltes soll der junge Mann auch in Kontakt mit "Combat 18", dem militanten Zweig von Blood & Honour, gekommen sein. Das legen Briefe zwischen Redeker und einem sächsischen Hammerskin nahe, bei dem 1997 Combat-18-Materialien sichergestellt wurden, darunter auch Anleitungen für die Herstellung von Sprengstoff und Bomben.

Aus internen Unterlagen geht hervor, dass die Mitglieder eines deutschen Hammerskin "National Officers Meeting" 2011 beschlossen, wieder Kontakt zum deutschen Flügel von Combat 18 aufzunehmen. Zuvor hatten beide Gruppen jahrelang Streit geführt. Nun trafen sich Hammerskins mit dem Sänger der Band "Oidoxie" und Mitgliedern der "Oidoxie Streetfighting Crew", die zur ehemaligen Dortmunder Combat 18-Zelle gehört haben sollen. Diese Untergruppe hat sich, so berichten V-Leute des Verfassungsschutzes, als feste Gruppe bereits 2006 aufgelöst, nur wenige Wochen vor dem NSU-Mord an Mehmet Kubasik in Dortmund. Gegründet worden war sie 2000 aus den Kameradschaften Dortmund und Essen heraus. An Schießübungen, von denen der Rechtsextremismusexperte Michael Weiß berichtet, beteiligte sich auch der Neonazi Michael Berger, der am 14. Juni 2000 zwei Polizisten und eine Polizistin erschoss. Die Dortmunder Kameraden feierten den Mörder mit dem Aufkleber: "Berger war ein Freund von uns! 3:1 für Deutschland." Später soll die Zelle nur noch aus sieben Personen bestanden haben, darunter ein V-Mann des Verfassungsschutzes. Sie horteten Waffen, machten Schießübungen und schmiedeten Anschlagspläne. Das Treffen fünf Jahre später zwischen Hammerskins und Combat-18-Mitgliedern soll freundschaftlich verlaufen sein: Es gäbe "keinen einzigen C18 Mann in Deutschland, der keine gute Beziehung zur HSN möchte", hieß es anschließend in einschlägigen Kreisen.

Verlagerung ins Ausland

Auch heute agieren die Hammerskins bevorzugt im Verborgenen, nur selten dringt davon etwas nach außen. Im Februar 2013 mieteten zuständige Organisatoren des Chapter "Bremen" das Dorfgemeinschaftshaus in Werlaburgdorf bei Braunschweig für ein angebliches "Familientreffen" an. Bei starkem Schneetreiben reisten die etwa 30 "Offiziere" an, darunter einige Frauen. Lange am aktivsten war das Chapter "Westmark" heute "Kurpfalz". Nach dem Medienwirbel um das NSU-Verfahren wurden viele Aktivitäten verstärkt ins Ausland verlegt. Im Juni 2015 enthüllte die "Autonome Antifa Freiburg", dass französische Hammerskins in Lothringen für 25.000 Euro eine Halle erworben hatten, die sie "Taverne du Thor" nannten und die als Szene-Treffpunkt für internationale Konzerte dienen soll. Im Mai 2015 feierten die "Hammerskins Franken" in der "Erlebnisscheune" in Kirchheim. Die Thüringer Polizei errichtete Anreisekontrollen und leitete fünf Verfahren unter anderem wegen Verstößen gegen das Waffengesetz ein. Für Oktober 2015 plant die "Crew 38" um Steffen Richter anscheinend erneut einen Liederabend in Thüringen – unter dem Motto "Support the Nation". "Sounds of the Revolution" steht auf der internen Einladung, die nicht verbreitet werden soll.

Bundesweit findet die "Hammerskin Nation" immer mehr Nachahmer in der anwachsenden militanten Szene. Ihr straffes Konstrukt genießt ebenso Vorbildfunktion wie die strengen Organisationsformen der Rockerclubs. So haben sich zum Beispiel in Brandenburg die "Blood Brother Nation", in Mecklenburg-Vorpommern die "Aryan Blood Brothers" oder in der Region um Bremen die Bruderschaft "Nordic 12" – mit der Schwarzen Sonne der SS als Logo – gebildet. In einem internen Dossier des BKA zu den Hammerskins wurde übrigens bereits 2012 beanstandet, dass die Organisation von den Verfassungsschützern nur "inadäquat" dargestellt werde. "Quellenschutz" sei der Grund für das "Ignorieren polizeilicher Erkenntnisse", wurde vermutet.

Fussnoten

Fußnoten

  1. 1488 ist eine Kombination aus zwei geläufigen Neonazi-Symbolen. Die 14 steht für die sogenannten "Fourteen Words" ("Wir müssen die Existenz unseres Volkes und die Zukunft für die weißen Kinder sichern") des US-Neonazis David Eden Lane. 88 steht für den achten Buchstaben des Alphabets "H" und bedeutet "Heil Hitler".

  2. Die "38" ist das Kürzel für die Buchstaben "C" und "H", damit sind die Crossed Hammers, die gekreuzten Hämmer, gemeint.

Geb. 1965, ist Politologin und freie Journalistin. Spezialgebiet: Nationalsozialismus und Rechtsextremismus. Diverse Veröffentlichung in Fernseh- und Printmagazinen, darunter "Panorama", "Fakt", "Kennzeichen D" und "Spiegel TV". Ihre aufwendigen Inside-Recherchen im Neonazi-Milieu auch in "Spiegel", "Focus" und "Stern" veröffentlicht. 2007 als "Reporterin des Jahres" und mit dem Medienpreis "Leuchtturm" des Netzwerks Recherche ausgezeichnet.