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Den demokratischen Dialog aufrechterhalten – Wie Online-Medien mit Leserkommentaren umgehen | Rechtsextremismus | bpb.de

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Den demokratischen Dialog aufrechterhalten – Wie Online-Medien mit Leserkommentaren umgehen

Thomas Mrazek

/ 8 Minuten zu lesen

Legt man die Nutzerkommentare in Online-Medien und Social-Media-Plattformen wie Facebook als Maßstab an, zeigt sich seit Jahren eine Verrohung der Debattenkultur, sagt der Journalist Thomas Mrazek. Wie man mit Hass, rechtsextremer Propaganda oder verschwörungstheoretischen Kommentaren umgehen soll, ist in den Redaktionen umstritten.

Ein mit dem Wort "Lügner" beschmierter Zeitungsautomat mit der Kölner Boulevard-Zeitung "Express" steht am 17.04.2016 auf einem Gehweg in Köln. (© picture-alliance/dpa)

Eigentlich war es ganz unverfänglich. Die Tagesschau.de-Redaktion postete am 1. Mai 2016 auf Facebook das Foto des ersten Freiluftschwimmers dieses Jahres auf einem Badeschiff in Berlin. Der Badende war schwarz. "Wenn wir so etwas Harmloses, nicht Nachrichtliches posten, rechnen wir eher damit, dass sich die Leute darüber beschweren, dass wir so etwas Irrelevantes posten", erklärt Anna-Mareike Krause, Social-Media-Koordinatorin der Tagesschau. Doch einige Nutzer reagierten ganz anders: "Warum schwimmt da Kacke im Becken" oder "Bei uns war letztens auch ein schwarzer 'Flüchtling' im Schwimmbad, sein Schwimmstil war zwar äußerst seltsam [sic] aber Ausdauer hatte er! Ich dachte mir [sic] der wird üben für die nächste Mittelmeerüberquerung :-D *Ironie off". Krause präsentierte diese und weitere Beispiele im Oktober in ihrem Vortrag "Strategien gegen den Hass" beim Zündfunk-Netzkongress in München.

Auf den Web-Angeboten der Tagesschau können die Nutzer rund um die Uhr kommentieren. Im Schnitt schreiben die Nutzer alleine bei Facebook rund 12.000 Kommentare, auf der Website der Nachrichtensendung sind es 2.000. Seit Anfang 2015 hat sich das Kommentaraufkommen vervierfacht. "An einzelnen Tagen hatten wir schon 21.000 Kommentare", berichtet Krause. Fünf Redakteure und zwei Assistenten beschäftigen sich neben anderen redaktionellen Aufgaben mit rassistischen Kommentaren, die nicht nur bei explizit politischen Themen zu finden sind. Technische Hilfen können die Redaktion bei ihrer Arbeit nur sehr eingeschränkt unterstützen: "Wir haben ein Tool, mit dem wir gezielt nach Begriffen suchen können, die wir ohnehin löschen würden", beschreibt Krause diese Hilfe: "'Rapefugees' ist so ein Beispiel. Schwieriger ist es mit eigentlich neutralen Begriffen wie 'Fachkräfte', die von Rechten umgedeutet werden". Für Nutzer aus dem rechten Spektrum bietet die hohe Reichweite der Tagesschau-Angebote einen Anreiz, dort die eigene Propaganda zu verbreiten, meint Krause: "Das erkennen wir als Motiv zum Beispiel bei denjenigen, die Behauptungen oder verschwörungstheoretische Links immer wieder in unsere Kommentare posten." Typisch hierfür sei etwa der ständig wiederkehrende Text mit Link-Hinweis auf ein YouTube-Angebot der Reichsbürger-Bewegung. Ein weiteres Motiv von "Hasskommentatoren" sei es, "bei uns ihre Ablehnung des Establishments zu kommunizieren. Sie sehen uns als Teil einer Elite, die sie ablehnen".

Nutzerbeiträge wie die eingangs genannten werden gelöscht: "Für uns ist die Grenze dann erreicht, wenn die Würde eines anderen Menschen gefährdet ist", sagt Krause, "Niemand muss sich bei uns beleidigen lassen, aber auch gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit löschen wir." Ebenso werden Kommentare, die falsche Behauptungen oder Gerüchte enthalten gelöscht. Für die Nutzer werden die Spielregeln in einer eigenen Netiquette erläutert.

Es sei "nur ein kleiner Teil der Nutzer, die Hasskommentare" verfassen, sagt die Social-Media-Koordinatorin, diese seien allerdings "eine laute Minderheit". Verwundert ist Krause zum einen über die "Faktenresistenz" dieser Nutzer: "Keine Statistik, keine seriöse Quelle kann diese davon überzeugen, dass sie mit ihren Behauptungen falsch liegen." Zum anderen erschrecke Krause "die Offenheit mancher Nutzer, mit der Hasskommentare verbreitet werden. Da schwingt manchmal fast ein Stolz auf die eigene Menschenfeindlichkeit mit". Ob man sich angesichts solcher Konstellationen nicht davor scheue, gewisse Themen – wie etwa die Rede eines Muslims in einer evangelischen Kirche am Reformationstag – zum Kommentieren freizugeben? "Nein, dann hätten die Hasskommentatoren gewonnen. Wir wählen Themen nach Nachrichtenwert aus, das gilt auch für die sozialen Netzwerke", beschreibt Krause ihre Arbeit und ergänzt: "Wir würden uns ja auch nie bei der Themenauswahl für die Tagesschau im Fernsehen davon leiten lassen, ob wir danach Zuschauerpost bekommen könnten".

Einschränkung der Kommentarfunktion auf ausgewählte Themen

Mit problematischen Nutzerkommentaren hat auch die Süddeutsche Zeitung auf ihren Internet-Angeboten täglich zu tun. Seit September 2014 können auf der Website daher nur noch drei tagesaktuelle, von der Redaktion ausgewählte Themen kommentiert werden. Natürlich sei die Anzahl der Kommentare durch diese Maßnahme zurückgegangen, sagt Daniel Wüllner, Teamleiter Social Media und Leserdialog: „Doch die Qualität der Nutzerbeiträge ist dadurch gestiegen.“ Durchschnittlich gäbe es bis zu 100 Kommentare zu einzelnen Beiträgen, bei Facebook seien es bis zu 400. "Wenn Nutzer gezielt Hetze betreiben oder bewusst die Kommunikation sperren, blocken wir Leser in Einzelfällen", schildert Wüllner, der mit drei Kollegen die Nutzerkommunikation betreut, seine Praxis.

Vom eher humorvollen Umgang mit problematischen Leserkommentaren, wie dies etwa die Kollegen von WeltN24 betreiben, hält Wüllner wenig: "Humor ist natürlich eine Strategie, um mit Trollen umzugehen, doch das kann sehr schnell nach hinten losgehen. Im Zweifelsfall kann Humor den Graben zwischen Lesern und Zeitung auch vergrößern, weil sich der interessierte Leser nicht mehr ernstgenommen fühlt." Statt "jemandem zu trotzen" plädiert Wüllner dafür "die Leser mitzunehmen". Als Troll werden in diesem Zusammenhang Personen gesehen, die mit ihren Kommentaren gezielt provozieren wollen. Freilich sei es "nicht immer leicht zu erkennen, welcher Leser ein Anliegen hat und welcher nur Hass verbreiten will".

Anbieter von Online-Medien sind in Deutschland gezwungen, ihre Kommentarspalten zu moderieren. Strafbare Inhalte müssen nach dem Telemediengesetz 24 Stunden nach Kenntnisnahme gelöscht werden, ansonsten können die Seitenbetreiber dafür haftbar gemacht werden. Das macht viel Arbeit. Doch auch wenn die Kommentarmöglichkeiten auf der Website wie bei der Süddeutschen Zeitung eingeschränkt werden, ist die Betreuung des Leserdialogs immer noch mit einem immensen Aufwand für die Medien verbunden. Einige Zeitungen können oder wollen sich so ein aufwändiges Engagement bei der Kommunikation mit ihren Lesern nicht mehr leisten. Im Frühjahr zeigte eine Umfrage des Medienmagazins journalist, dass in den vergangenen zwölf Monaten 27 von 66 befragten Zeitungsredaktionen die Kommentarfunktion auf ihren Websites eingeschränkt haben. "Vor allem Lokalzeitungen stellen Onlineforen ein oder lassen bei einzelnen Artikeln keine Kommentare mehr zu. Die Begründung: Der Ton – vor allem rechter Kommentare – ist aggressiver geworden, teilweise strafrechtlich relevant", schreibt Autorin Svenja Siegert.

Löschen als Ultima Ratio

Auch beim Nordbayerischen Kurier in Bayreuth haben die Verantwortlichen im Jahr 2015 Konsequenzen aus der zunehmenden Zahl diskriminierender und rassistischer Leserkommentare auf den Online-Angeboten gezogen. Auf der Website können nur noch registrierte Abonnentinnen und Abonnenten kommentieren, sagt Kerstin Fritzsche, Online-Redakteurin und Channel-Managerin. "Wir haben auch überlegt, eine Klarnamen-Pflicht einzuführen." Dies sei aber nicht im Sinne der Online-Kommunikation. Es gebe Themen, "bei denen man Menschen auch den Schutz der Anonymität gewähren sollte, auch im Lokalen". Ansonsten würde man im schlimmsten Fall auf "wertvolle Beiträge und Hinweise verzichten". Die Interaktivität und die Kommunikation durch die Redaktion seien auch ein Grund dafür, dass "sich Leser für ein Nachrichtenangebot entscheiden". Den Umgang mit problematischen Leserkommentaren, die gegen die eigene Netiquette verstoßen, habe man "ganz gut in Griff bekommen", sagt die Online-Redakteurin. "Manchmal muss man dann eben auch löschen" lautet die Ultima Ratio für die Journalisten, aber bewährt hat sich laut Fritzsche auch das "Regulativ der Masse": "Nutzer korrigieren sich gegenseitig oder ein Irrläufer wird von den anderen wieder 'eingenordet' – dann müssen wir als Redaktion gar nicht eingreifen".

Beobachtet hat Fritzsche, dass bei Facebook-Beiträgen zu Flüchtlingsthemen "rechtes Gedankengut in Wellen" auftrete: "Da hat man den Eindruck, da mussten sich jetzt Leute erst organisieren, um dann einen Shitstorm loszutreten". Für sehr problematisch hält Fritzsche Beiträge im Sprachduktus "Ich habe ja nichts gegen Lesben oder Schwule, aber …" oder "Ich bin nicht rechts, aber …". Dann würden "irgendwelche Verschwörungstheorien nachgeplappert aus Angst vor irgendwas. Die kann man ja nicht löschen, Dummheit kann ich nicht löschen – weder auf unserer Website noch bei Facebook". Das Fatale daran sei, dass solche Beiträge unter Umständen funktionierende Diskussionen in eine bestimmte Richtung lenkten oder ganz zerstörten. Dann müsse man eingreifen, "weil andere einfach nicht mehr zu Wort" kämen.

Beobachtet hat die Redakteurin auch, dass es eine spezielle Gruppe von "professionellen Trollen" gäbe, die "sehr gut wissen, wo ihre Grenzen sind, welche Formulierungen noch gehen und welche nicht". Da müsse man sich als Journalist sehr vorsichtig verhalten, denn auch einige rechte Bewegungen hätten es "gut drauf", die Grenzen der Meinungsfreiheit auszuloten. Sie empfiehlt Gelassenheit: "Auf Facebook hilft es, nicht immer gleich zu löschen oder schnell zu antworten, sondern die Leute per Nachrichtenfunktion direkt anzuschreiben und zu sagen: 'Hier läuft etwas schief'."

Bewährt habe sich bei den Oberfranken auch der seit 2014 jährlich veranstaltete Hate Slam. Bei einer öffentlichen Lesung werden dabei von Redakteuren "beleidigende oder besonders doofe Kommentare, Mails und Leserbriefe" anonymisiert vorgelesen. Damit wird die krude Argumentation mancher Leser öffentlich noch mal auf satirische Art und Weise vorgeführt. Die Journalisten, aber auch große Teile der Leser und Zuschauer, haben Spaß an dieser Form der Aufklärung und Reflexion.

"Humor kann ein sehr effektives Mittel gegen Hass sein", sagt Julia Sommerfeld, Sprecherin für WeltN24. Sie zitiert ein Beispiel der Social-Media-Chefin von WeltN24, Niddal Salah-Eldin: "Jemand schrieb uns, dass wir alle Sklaven der USA seien. Nach ein paar Minuten haben wir geantwortet, er müsse bitte entschuldigen, dass unsere Antwort so lange gedauert habe – wir hätten uns alle auf Baumwollplantagen herumgetrieben. Die Person hat dann nicht wieder kommentiert." Auf der Website dieses Angebots des Axel-Springer-Verlags werden täglich rund 5.000 Leserbeiträge und auf Facebook 13.000 veröffentlicht. Alle Kommentare werden vor der Veröffentlichung durch ein Moderatorenteam und mittels computerlinguistischer Filter geprüft: "Diese reagieren automatisiert auf Beiträge, die entweder klar gegen die Regeln verstoßen oder unbedenklich sind", erklärt Sommerfeld. Über den personellen Aufwand möchte die Sprecherin keine Angaben machen.

Kommunikation mit den Lesern gehört zur neuen Rolle des Journalisten

Lohnt sich überhaupt der Aufwand, der zur Moderation von Kommentaren betrieben wird? Trägt diese Form der Nutzerkommunikation überhaupt noch sinnvoll zum demokratischen Diskurs bei? Sommerfeld bejaht: "Kommunikation mit den Nutzern ist essentieller Bestandteil unserer Arbeit. Wir begreifen uns nicht nur als Sender, sondern auch Empfänger. Wir tragen zum Diskurs bei, indem wir Grenzen ziehen, indem wir Nutzer auf Regeln des Diskurses hinweisen und deren Einhaltung überwachen."

In einer Phase, in welcher das Publikum eine große Welle des Misstrauens gegen Medien und Journalisten hegt, gelte es "die Rolle des Journalisten neu zu definieren", sagt Daniel Wüllner von der Süddeutschen Zeitung: "Dazu ist die Kommunikation mit dem Leser meiner Meinung nach der wichtigste Schritt. Wir müssen dem Leser zuhören, sein Feedback zur Themensetzung und auch zur technischen Umsetzung zulassen und in die eigene Arbeit einbeziehen."

Kerstin Fritzsche vom Nordbayerischen Kurier ist skeptisch, ob auf den Web-Angeboten ihrer Zeitung noch sinnvolle politische Diskussionen stattfinden: "Tatsächlich selten. Meist geht es darum, Links-Rechts-Schwarz-Weiß-Schemata beizubehalten und unbedingt durchzudrücken. Aber genau deswegen muss uns weiterhin daran gelegen sein geradezurücken, wo es nötig ist und die liberale Gesellschaft zu verteidigen – eine der Kernaufgaben von Journalismus nach wie vor."

Anna-Mareike Krause ist überzeugt, dass die stetige Arbeit der Tagesschau.de-Redaktion wirkt: "Unser Eindruck ist, dass unsere klare Haltung gegen Menschenverachtung insofern Wirkung gezeigt hat, dass andere Nutzer sich bei uns äußern. Eine Community, in der Nutzer übler Hassrede widersprechen, hat man schließlich nicht einfach so. Sondern man muss den Nutzer signalisieren, dass sie nicht damit alleine sind, wenn sie sich gegen Hasskommentator äußern. Nachdem wir das seit fast zwei Jahren konsequent tun, merken wir, dass andere Nutzer sich wieder verstärkt bei uns äußern." Beim Bekämpfen von Hasskommentaren sei man darauf angewiesen, "dass ganz normale User diese öffentlichen Räume im Netz nicht der lauten Minderheit überlassen".

Anna-Mareike Krause: Strategien gegen den Hass Vortrag beim Zündfunk Netzkongress 2016 am 15.10.2016 in München YouTube-Video, 44:11 Min, https://www.youtube.com/watch?v=Z-SKfuZ9gms

Richtlinien für die Nutzung der Plattform meta.tagesschau.de sowie Facebook und Google+ (Netiquette) http://meta.tagesschau.de/richtlinien

Svenja Siegert in journalist 3/2016, 01.03.2016: Nahezu jede zweite Zeitungsredaktion schränkt Online-Kommentare ein http://www.journalist.de/aktuelles/meldungen/journalist-umfrage-nahezu-jede-2-zeitungsredaktion-schraenkt-onlinekommentare-ein.html

Nordbayerischer Kurier: Der Kurier-Hate-Slam 2016 in voller Länge, 04.02.2016 YouTube-Video: 1:50:58, https://www.youtube.com/watch?v=RrZB1J0YjJw

Thomas Mrazek ist freier Journalist in München.