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Klaus-Peter Hufer: "Ich bin überzeugt von der Wirkung und der Bedeutung von Argumenten" | Rechtsextremismus | bpb.de

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Klaus-Peter Hufer: "Ich bin überzeugt von der Wirkung und der Bedeutung von Argumenten"

Klaus-Peter Hufer

/ 6 Minuten zu lesen

Mit Holocaust-leugnenden "Hardcore-Nazis" redet Prof. Klaus-Peter Hufer nicht – um sie nicht salonfähig zu machen. In den meisten anderen Fällen aber führt sein unerschütterlicher Glaube an die Aufklärung dazu, dass er das Gespräch mit Neonazis und Mitläufern aufnimmt und ihnen mit Argumenten entgegentritt.

Soll man mit Neonazis reden? Bei dieser Frage stellen sich zunächst einmal weitere Fragen ein: Wer und was ist ein "Neonazi”? Ist es ein richtiger Hardcore-Nazi, ein Faschist, ein NPD-Mitglied, ein unorganisierter Mensch mit rechtsextremer Gesinnung, ein Mitläufer/eine Mitläuferin in einer Kameradschaft, jemand, der im Alltag rassistische Sprüche von sich gibt, ein Jugendlicher, der mit einem einschlägigen Outfit herumläuft?

Ich will aus meiner jahrelangen Erfahrung in der politischen Bildungsarbeit berichten.

Über viele Jahre hinweg habe ich öffentliche Veranstaltungen gegen Rechtsextremismus durchgeführt. Sie waren so auch klar etikettiert. Die Folge war, dass fast zuverlässig eine Gruppe kam, deren Mitglieder eindeutig rechtsextrem waren. "Reden" oder gar eine Kommunikation führen, wollten sie nicht. Im Gegenteil: Es ging ihnen, ganz im Sinne der "Wortergreifungsstrategie", darum, die Veranstaltungen zu majorisieren, sie absolut zu dominieren und zum Kippen zu bringen. Es war jedes Mal ein verbaler Schlagabtausch, mehr noch: Von mir verteilte Papiere wurden zerrissen, es kam zu Rangeleien. Ich habe das etliche Male erlebt. Mehrfach standen Veranstaltungen unter Polizeischutz, und einmal brachte mich die Polizei nach Hause. Ein anderes Mal rettete mich ein Polizist vor Handgreiflichkeiten. Es waren junge und alte "Nazis". Ihre Anwürfe waren in etwa so: "Wir werden von einer jüdisch-christlichen Clique beherrscht." "Deutschland ist nur noch ein multikulturelles Gemisch." "Der Zahltag wird kommen, Sie, Herr Hufer, werden sich dann wundern."

Miteinander reden? Keine Spur. Wohl aber haben die anderen, zunächst überrumpelten Teilnehmer/-innen an den Veranstaltungen sich doch schnell zu einer deutlichen Gegenposition zusammengefunden. Einige versuchten, ein halbwegs zivilisiertes Gespräch herbeizuführen. Ob da zugehört wurde, hing weniger vom Inhalt, sondern von der Person ab. Beispielsweise konnte eine entschieden und stark auftretende ältere Dame sich Gehör verschaffen. Die rechten Störer und Randalierer hörten in kürzester Zeit zu wie Schulkinder. Bei Menschen mit einer autoritären Struktur scheint es doch nicht ohne Wirkung zu ein, wenn man ihnen gegenüber selbst autoritär auftritt.

Die Gruppe, die ich so über Jahr hinweg kennen lernen "durfte", ist keineswegs homogen. Die Mitglieder kamen zu Veranstaltungsbeginn einzeln – da folgten sie einer durchsichtigen Strategie – und verschwanden dann gemeinsam. Aber einige standen nach der Veranstaltung noch zusammen. Wenn dann ihre besonders aggressiv auftretenden Führer weg waren, habe ich mich mitunter zu ihnen gestellt. Und siehe da: Ohne dass man sich inhaltlich näher kam, war so etwas wie ein Gespräch möglich, zumindest hörten sie mir zu. Ob es einen Erfolg mit sich brachte, ob ich wenigstens etwas erreichen konnte, weiß ich nicht. Aber ich wäre in der politische Bildungsarbeit fehl am Platz, wenn ich nicht von der Wirkung und der Bedeutung von Argumenten, von der Plausibilität von Vernunft überzeugt wäre – auch bei Menschen mit abgeschottet wirkenden Einstellungsmustern.

Zudem bin ich seit circa 15 Jahren mit meinem "Argumentationstraining gegen Stammtischparolen" in Deutschland, Österreich und neuerdings in der Schweiz unterwegs. Das Ziel dieser interaktiven Veranstaltung ist es, Menschen zu ermutigen dagegenzuhalten, wenn sie mit rechten Parolen, mit rassistischen, sexistischen, antidemokratischen Sprüchen konfrontiert werden. Die Nachfrage ist beträchtlich. Immer wieder berichten die Teilnehmer/-innen dieser Veranstaltungen, wie sprachlos sie oft sind. Dabei werden sie, meistens unvorbereitet, mit Sprüchen konfrontiert, die letztendlich zwar alle in das bekannte System gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit passen, aber unterschiedlich massiv sind. Die immer wieder genannte Parole ist: "Die Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg." Ist das schon rechtsextrem, gar neonazistisch? Nein, aber vielleicht doch. Denn wenn man konsequent weiter nachhakt, dann werden mit dieser Behauptung gleich mehrere Botschaften verkündet: 1. Wir haben zu viele Ausländer hier. 2. Auch du hast Grund, Angst um deinen Arbeitsplatz haben. 3. Schuld sind daran die Ausländer, 4. Wenn wir sie rauswerfen oder ausweisen, sind unsere Probleme gelöst. 5. Dazu ist aber dieses politische System nicht in der Lage. 6. Wir brauchen wieder einen starken Mann. Sowohl im Klar- als auch im Subtext dieser Parole sind wesentliche Merkmale rechtsextremer Ideologie versammelt. Doch wenn man an jeder dieser Aussagen direkt nachfragt, ob zugestimmt wird oder nicht, dann werden das die meisten nicht bis zur letzten Konsequenz tun. Sie erkennen die rigorose, mit einer Demokratie nicht mehr zu vereinbaren "Lösung”, die sich letztendlich herausstellt.

Es gibt aber auch eindeutige Sprüche, bei denen es nicht lohnt zu diskutieren, beispielsweise: "Wir brauchen wieder einen kleinen Hitler." Was sollte man da erwidern? Und es gibt Sprüche, auf die keinesfalls eingegangen werden darf, zum Beispiel: "Auschwitz ist eine Lüge." Wer so etwas sagt, mit dem sollte man nicht reden, weil man ihn sonst als Gesprächspartner salonfähig macht. Dieser menschenverachtende Zynismus, dieser Versuch, den Holocaust zu leugnen, ist absolut indiskutabel und – nebenbei – auch strafbar. Hier also ein kategorisches "nein”.

Bei den weniger eindeutigen Mitteilungen aber sollte meiner Meinung nach immer das Gespräch aufgenommen werden. Einmal, weil die Bundesrepublik als zivile und demokratische Gesellschaft an allen Orten und Plätzen verteidigt werden muss. Zum anderen, um die zu schützen, die letztendlich Opfer solcher Parolen werden – denn vom Wort zur Tat gibt es mitunter fließende Übergänge. Und letztendlich sind bei solchen Gesprächen auch immer Indifferente, Unentschiedene, Zögernde, Abwartende dabei. Und das sind die eigentlichen Adressaten. Sie können mit einem klaren Auftritt davon überzeugt werden, dass hier die besseren Argumente sind.

Was ist mit solchen, die sich eindeutig rechtsextrem äußern? Soll man mit denen reden? Sie kommen nicht mit rassistischen Einstellungen auf die Welt, sie erlernen diese, erwerben sie sich. Insofern habe ich einen unerschütterlichen Glauben an die Kraft der Aufklärung: Was erlernt wurde, kann auch wieder verlernt werden, Menschen können neu lernen. Einer dieser Lernanlässe kann sein, dass man das Gespräch mit "Neonazis” – zumindest mit den weniger militant und rigide auftretenden Vertretern – aufnimmt. Sie werden zunächst ihre Vorurteile und Ressentiments verteidigen. Aber ein Gespräch ist nie endgültig vorbei, wenn es formal beendet ist, es wirkt nach. Die Erfahrung, die autoritär strukturierte Menschen dabei machen, kann für sie verblüffend sein. Hier tritt ihnen jemand entgegen, der/die etwas kann, was sie nicht können: Ambiguitäten, Widersprüche aushalten. Das heißt, ihre Person annehmen, aber ihre Position entschieden ablehnen. Vielleicht beeindruckt das so sehr, dass sie die eindimensionalen Kraftmeiereien in ihren Reihen mit ihrem geschlossenen, starren Weltbild als diejenigen Schwächlinge enttarnen, die sie sind. Es gibt keinen Beweis dafür, dass das nicht möglich ist – auch wenn ein Sinneswandel sicherlich nicht ad hoc kommt. Ein über eine lange Zeit hinweg festes und rigides Weltbild ist eben nicht so ohne Weiteres zu erschüttern. Aber bezeichnend ist doch für mich, dass mir die stadtbekannten Neonazis im Ort nicht feindselig begegnen. Ich habe immer mit ihnen geredet, und zwar heftig und mit Klartext. Der ungefähr dreißigjährige Kopf der regionalen NPD-Gruppe grüßt mich schon von Weitem, und neulich kam seine Mutter auf mich zu und bat mich, ich solle unbedingt mit ihm reden. Ist da vielleicht doch ein Zweifel in ihm?

Auch ein älteres Ehepaar, das der oben beschriebenen rechten Kleingruppe angehört, spricht mich an und redet über Belanglosigkeiten mit mir. Mehr noch: Ich habe ein Kinderbuch geschrieben – eines, das zur Emanzipation ermuntert und für soziales Engagement wirbt. Nun sagte mir die Frau, sie habe es gekauft und werde es ihrem Enkel schenken. Würde sie das tun, wenn unsere Auseinandersetzungen lediglich zu weiteren Verhärtungen geführt hätten?

Ich jedenfalls bewerte diese beiden Beispiele als Hinweis für meine bereits genannte These: Dass ein Gespräch noch lange nicht zu Ende ist, auch wenn die Positionen unversöhnlich wirkten und man abrupt und ohne erkennbare Wirkung auseinandergegangen ist.

Klaus-Peter Hufer, Jg. 1949, Dr. rer. pol. phil. habil. ist apl. Professor in der Universität Duisburg-Essen und Fachbereichsleiter der Kreisvolkshochschule Viersen. Tätigkeitsschwerpunkte: Geschichte, Theorie und Praxis der politischen Erwachsenenbildung, Professionalität in der Erwachsenenbildung, Rechtsextremismus.