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Gut getarnt oder offener Menschenhass: Wie erkennt man Neonazis im Web 2.0? | Rechtsextremismus | bpb.de

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Gut getarnt oder offener Menschenhass: Wie erkennt man Neonazis im Web 2.0?

Anna Groß

/ 10 Minuten zu lesen

Als Bürgerinitiative, durch Unterwanderung von Diskussionsgruppen und unter dem Deckmantel von Satire und Humor schaffen Neonazis es immer wieder, ihre Themen gezielt zu platzieren.

Der Screenshot zeigt die Startseite des Blogs der Freien Nationalisten Esslingen am 03.03.2014 (http://fnesslingen.wordpress.com/)

Die Hand zum Hitlergruß erhoben, eine "Schwarze Sonne" als Tattoo oder eine Hakenkreuz-Flagge im Profilbild: Es gibt in den Sozialen Netzwerken Neonazis, die sich ganz offen zu erkennen geben. Sie bieten rassistische Grafiken an, die als Profil- oder Titelbilder für die persönlichen Facebook-Seiten benutzt werden können, sie verbreiten jugendaffine Videoclips mit demokratiefeindlichen Inhalten, sie kündigen Neonazi-Events und Online-Chats großflächig an und twittern live von Neonazi-Demos. Dass sich das Internet hervorragend als Propagandainstrument nutzen lässt, scheint Neonazis schon lange klar zu sein.

In den Sozialen Medien, im sogenannten Web 2.0, setzen sie aber auch auf subtilere Methoden. Ohne ihr problematisches Gedankengut gleich voran zu stellen, besetzen sie scheinbar unpolitische Themen in Foren, in Diskussionen, auf eigenen Facebook-Seiten und auf denen anderer, instrumentalisieren – wie in der nicht-virtuellen Welt auch – geschickt lokale Konflikte und spielen mit den Ängsten besorgter Bürgerinnen und Bürger. Sie agieren als "Kümmerer", und häufig gelingt es ihnen, Menschen für sich zu gewinnen, die zunächst gar nicht merken, dass sie es mit Neonazis zu tun haben. Wer allerdings genau hinschaut, erkennt die Strategien und typische Phänomene der verdeckten Propaganda schnell.

Woran erkennt man Neonazis im Netz?

Schwerpunkt "Neonazis im Netz" im Dossier Rechtsextremismus auf bpb.de

Woran erkennt man Neonazis im Netz?

Sie setzen scheinbar unpolitische Themen in Sozialen Netzwerken, nutzen Ängste aus und instrumentalisieren lokale Konflikte, um ihre menschenverachtende Propaganda zu verbreiten: Wie agieren Neonazis im Netz und woran kann man sie erkennen? Anna Groß von no-nazi.net im Interview.

"Nein zum Heim" – wenn Neonazis "Bürgerinitiativen" gründen

Eine dieser Strategien ist die Gründung von Bürgerinitiativen. Schon in der "realen" Welt nutzen Neonazis Bürgerinitiativen – zum Beispiel gegen den Bau von Moscheen oder gegen neue Flüchtlingsunterkünfte – als Propagandainstrument. Das funktioniert auch online sehr gut. Dort, wo sich Sorgen und Ängste von Bürgerinnen und Bürgern kanalisieren lassen, können Neonazis ihre Gesinnung schnell und einfach unters Volk bringen. Wie in der Facebook-Gruppe "Schneeberg wehrt sich". Hier diskutieren besorgte Bürger – und Personen aus dem rechtsextremen Spektrum über die Heim-Unterbringung von Flüchtlingen im sächsischen Schneeberg. Darunter auch der lokale NPD-Funktionär Stefan Hartung. Wer die Gruppenbeschreibung liest, braucht sich über den Ton nicht zu wundern. Da heißt es: "Diese Gruppe formuliert den Protest gegen die Ansiedlung krimineller Asylbetrüger in Schneeberg!", man könne nicht zusehen, wie "unsere schöne Bergstadt über Nacht in eine Hochburg straffällig gewordener Asylbewerber verwandelt" wird und "zunehmend mehr von denen in der ehemaligen Jägerkaserne einquartiert werden". Die Strategie ist unübersehbar, die Botschaft klar: Wer von "kriminellen Asylbetrügern" statt von Flüchtlingen redet, schert sich eher wenig um die sozialen und humanitären Herausforderungen, die eine Flüchtlingsunterkunft mit sich bringen kann.

Wer sich die Mühe macht, die Gruppenbeschreibung bis zum Ende zu lesen, erfährt recht unverblümt, worum es der "Schneeberg-wehrt-sich-Gruppe" noch so geht: Sie will das Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen, tritt für ein Kopftuchverbot in der Öffentlichkeit ein und wehrt sich gegen die vermeintliche Islamisierung Deutschlands. Mit der Heimunterbringung von Flüchtlingen hat das nicht mehr allzu viel zu tun. Ob die mehr als 3.700 Gruppenmitglieder von dieser offen rechten Ausrichtung der Gruppe wissen, darüber lässt sich nur spekulieren. In den Posts selbst aber tritt die Ideologie der Neonazis deutlich zutage. Immer wieder ist von "Asylschmarotzern" oder "kriminellen Asylbetrügern" zu lesen, von "denen" und "wir". Zahlen und Webseiten, die zum Beispiel beweisen sollen, dass Asylsuchende in Deutschland mehr Unterstützung bekommen als Menschen mit einem deutschen Pass, verlinken meist auf rechtsextreme oder rechtspopulistische Quellen.

Was für "Schneeberg wehrt sich" gilt, gilt auch für andere "Bürgerinitiativen": Sprache und Bilder spielen beim Entlarven rechter Propagandastrategien eine wichtige Rolle. Wer typische Slogans wie "Deutschland wird überrannt", "die Asylanten nehmen uns die Arbeitsplätze weg", "es werden immer mehr" oder auch "die sind doch alle kriminell, zeigt schon die Statistik" liest, sollte noch einmal genau hinschauen, wer sich hinter der Gruppe verbirgt. Oft ist mit ein, zwei Klicks der NPD-Funktionär oder ein anderer Neonazi "enttarnt". Während in rechten Kreisen der Begriff "Asylant" verwendet wird, sprechen andere von "Asylsuchenden", "Flüchtlingen" oder "Geflüchteten". Ebenfalls aufmerksam werden sollte man, wenn die inzwischen zum Symbolbild der Islamfeinde gewordene durchgestrichene Moschee als Profilbild oder als sogenanntes PicBadge angezeigt wird: ein kleines, rundes Zeichen am rechten unteren Rand des Profilbilds, sozusagen die digitale Form des Ansteckbuttons. Zwar ist nicht jeder, der die durchgestrichene Moschee für sich in Anspruch nimmt, ein Islamfeind oder eine Islamfeindin. Aber da dieses Symbol auch von Islam- und Muslimfeinden benutzt wird, gilt hier: Zweimal hinschauen, ob jemand offen gegen Muslime hetzt oder nur vorsichtig hinterfragt, welche Religionsgruppe genau vor Ort eine Moschee bauen möchte.

Wie Neonazis "Kindesmissbrauch" für ihre Propaganda missbrauchen

Mit Fotos, Musik und virtuellen Veranstaltungen machen Neonazis in Sozialen Netzwerken Stimmung gegen "Kinderschänder". Sexueller Missbrauch an Kindern ist ein emotional und moralisch aufgeladenes Thema, das in den Sozialen Netzwerken (und nicht nur dort) immer wieder zu heftigen Diskussionen führt. Viele dieser Diskussionen werden frei von rationalen Argumenten geführt – ein gefundenes Fressen für Neonazis, um dieses Thema ideologisch zu instrumentalisieren. Schnell werden Forderungen von Neonazis wie "Todesstrafe für Kinderschänder" – in Deutschland eine verfassungswidrige Forderung – oder "Keine Gnade für Kinderschänder" geliked, weil sie in hitzig geführten Diskussionen als nahezu logische Konsequenz dargestellt werden.

Wer Seiten gegen Kindesmissbrauch unterstützen will, sollte ganz genau hinschauen, ob es eine ernstgemeinte, unterstützenswerte Initiative ist oder nicht am Ende doch Neonazis dahinter stecken. Wie bei der harmlos klingenden Facebook-Seite "Deutschland gegen Kindesmissbrauch", die mit Stand vom Februar 2014 mehr als 40.000 Likes erreicht hatte. Wer liest schon die Info-Seite, die mit den Worten beginnt: "Deutschland gegen Kindessmissbrauch [sic!] – Keine Gnade für Kinderschänder". Einige Sätze weiter wird gefordert, dass "auch die Diskussion über die Todesstrafe (…) kein gesellschaftliches Tabu sein" darf.

Dass die Macher der Seite schreiben, dass sie "nicht zwischen deutschen und ausländischen Tätern" unterscheiden, mag das Unbehagen über die ideologische Herkunft der Initiative besänftigen. Auffällig aber ist, dass häufig von migrantischen Tätern und deutschen Kindern als Betroffenen ("Vergewaltigung durch Südländer") geschrieben und daraufhin zusammen gereimt wird, dass Migration zu mehr Kindesmissbrauch führen würde. Beim Kindesmissbrauch durch nicht-migrantische Täter wird auf deren ethnischen Hintergrund übrigens nicht eingegangen. Auch die Tatsache, dass bei rund der Hälfte der Missbrauchsfälle die Täter den Opfern bekannt waren und es sich bei weiteren 27 Prozent gar um Familienmitglieder handelt, wird meist verschwiegen.i

Wer Seiten gegen Kindesmissbrauch unterstützen, aber sichergehen will, dass es sich nicht um Propagandaseiten von Neonazis handelt, sollte auf folgende Merkmale achten:

1. Neonazis sprechen häufig von "Opfern", was mit Hilflosigkeit assoziiert wird und den Eindruck erweckt, die "Opfer" könnten sich nicht selbst wehren. Seriöse Initiativen nutzen zunehmend den Begriff "Betroffene", um die emotionalen Konnotationen möglichst gering zu halten. 2. Neonazistische Propagandaseiten fokussieren ihre "Berichterstattung" auf die Täter und ihre Bestrafung, nicht auf die Betroffenen. Oft werden "Auge um Auge, Zahn um Zahn"-Metaphern benutzt und Selbstjustiz befürwortet. 3. (Nicht nur) Neonazis benutzen gerne das Wort "Kinderschänder" und lenken den Blick so vom Opfer – dem missbrauchten Kind – auf den Täter. Opferinitiativen finden den Gebrauch des Wortes "Kinderschänder" problematisch, weil der Begriff suggeriert, dass dem Kind eine "Schande" angetan wurde. "Somit bekommt das Opfer eine moralische Kategorisierung", schreibt zum Beispiel Clemens Fobian von basis-praevent, einer Fachberatungsstelle für Jungen, die sexuelle Gewalt erlebt haben. Dadurch werde nicht der Opferschutz in den Vordergrund gestellt, "sondern die Opfer werden einmal mehr missbraucht".ii

"Umweltschutz ist Heimatschutz" - Wie Neonazis den Naturschutz unterwandern

Ein weiteres Thema, das Neonazis geschickt für sich ausnutzen, ist der Umweltschutz. Lautstark präsentieren sie sich als engagierte Naturschützer, denen nicht egal ist, was vor ihrer Haustür passiert. NPD und andere Neonazi-Gruppen fordern einen besseren Tierschutz und den Schutz heimischer Pflanzenarten – und betonen dabei besonders, wie wichtig ihnen die "Heimat" ist. "Umweltschutz ist Heimatschutz", heißt es, und so geht es den Neonazis in Umweltgruppen der Sozialen Netzwerke vor allem um den deutschen Wald, die deutsche Umwelt und jene Natur, die den Deutschen nutzt. Gerne wird in diesem Kontext auch von "Blut und Boden" gesprochen, womit die klassischen, neonazistischen Kampfbegriffe "Abstammung" und "Lebensraum" in die Diskussionen eingewoben werden.

Strategisch versuchen Rechtsextreme häufig, bei bestehenden lokalen Facebook-Gruppen und -Seiten unterzukommen. Beliebt sind die großen Themen wie der Bau von Atomkraftwerken, aber auch ganz im Kleinen diskutieren die Neonazis mit: bei einer Baumfällung oder dem Ausbau einer Tierzuchtanlage. Wer hinsieht, kommt ihnen beim Thema Umweltschutz schnell auf die Schliche: "Stoppt Tierversuche! Nehmt Kinderschänder!" ist ein typisches Beispiel dafür, wie Themen miteinander vermengt und für Propaganda missbraucht werden.

Wie erkennt man rechtsextreme Unterwanderungsstrategien noch?

1. Vorsicht bei dem Ausspruch: "Deutsche Landschaften sind Kulturlandschaften". Das klingt harmlos, ist der Begriff "Kultur" doch erst einmal positiv besetzt. Doch der Gegensatz von "Deutschland ist kultiviert, andere Länder unzivilisiert" macht deutlich, wer hier postet.

2. Veganismus und Neonazis? Auch das gibt es: In Sozialen Netzwerken plädieren Neonazis für ein Leben ohne Fleisch und andere tierische Produkte. Gesunde Ernährung ist ein Trendthema und somit ideal für Neonazis, um viele Menschen anzusprechen. Vegane Neonazis glauben an den "gesunden deutschen Körper", der frei ist von Giftstoffen wie Alkohol oder Zigaretten und für den auf Fleisch und andere tierische Produkte verzichtet wird. "Tierschutz ist Heimatschutz" ist ein typischer Slogan für die rechtsextreme vegane Bewegung.

3. Für den Tierschutz setzen sich Neonazis auch dann immer gerne ein, wenn sie sich gegen das Schächten richten, gegen das rituelle jüdisch-islamische Schlachtverfahren. Nicht jede Kritik am Schächten ist antisemitisch oder islam- bzw. muslimfeindlich. Wenn es aber nicht um das Tier, sondern um eine pauschalisierte Herabsetzung religiöser Riten geht, dann hat man es nicht selten mit Neonazis zu tun.

"Themenhopping" und andere Wortergreifungsstrategien der Neonazis

Um die Meinungsführerschaft in Sozialen Netzwerken zu erobern, wählen Neonazis nicht nur bestimmte Themen, sondern wenden auch bestimmte Techniken an. Dazu gehört, Diskussionen zu (fast) beliebigen Themen zu unterwandern. Durch "Themenhopping" lenken die rechten Diskutanten vom ursprünglichen Thema ab und platzieren gezielt ihre Propaganda. Sinn und Zweck des Themenhoppings ist immer, Platz für die eigenen Themen zu erkämpfen. Es werden so viele Kommentare und Beiträge gepostet, dass die ursprüngliche Diskussion in den Hintergrund gerät. Dadurch wird es anderen Diskussionsteilnehmern (fast) unmöglich gemacht, dem Argumentationsstrang zu folgen – sie ziehen sich aus den Threads zurück.

Eine weitere Wortergreifungsstrategie von Neonazis ist Propaganda-Spamming in den Sozialen Netzwerken. Gezielt werden Seiten und Foren mit neonazistischer Propaganda überflutet und zugespammt. Massenhaft werden Links gepostet, die die eigenen Aussagen und Behauptungen vermeintlich wissenschaftlich untermauern. Ziel dieser Aktionsform ist es nicht nur, viele neonazistische Inhalte zu verbreiten, sondern auch, die ursprünglichen Diskussionen zu ersticken. Forenbetreiber reagieren auf diese Strategien oft hilflos. Löschen sie problematische oder offen diskriminierende und rassistische Kommentare oder schließen Nutzer aus Foren aus, wird die Keule "Meinungsfreiheit" geschwungen. "Ihr seid doch die wahren Nazis" muss sich vorwerfen lassen, wer "zensiert". Da heißt es: Stark bleiben. Wer sich gegen Neonazis zur Wehr setzt und Kommentare, Fotos oder Seiten meldet, ist alles andere als "selbst ein Nazi”. Diskriminierungen und Ausgrenzung dürfen benannt und Betroffene können unterstützt werden: Zum Beispiel durch Anzeige bei der Internetwache der Polizei, wo Straftatbestände direkt im Netz und per Mail gemeldet werden können. Oder auch bei den Netzwerken selbst!

"Humor" – wenn das Lachen im Hals steckenbleibt

In Gruppen und auf Seiten der Sozialen Netzwerke, die sich dem schwarzen Humor verschrieben haben, wird zum Teil unverhohlen Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und Behindertenfeindlichkeit verbreitet – und als Satire verkauft. Über Humor lässt sich bekanntlich streiten, und Seiten, über die die Meinungen besonders stark auseinander gehen, verpasst der Netzwerkbetreiber Facebook gar den Zusatz "[Umstrittener Humor]". Frei nach dem Motto "Humor kennt keine Grenzen" werden hier alle Formen Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit gefeiert. Unter einem Beitrag auf der Seite "[Umstrittener Humor] Hömma, bist du Humorbehindert, oder was?" [sic!] vom 20. Februar 2014, der einen Auszug aus dem "Handbuch für die gute Ehefrau" aus dem Jahr 1955 zeigt, hat ein Nutzer kommentiert: "nich annähernd so krank wie das was im koran über die frauen steht, aber es erinnert mich teilweise daran... naja, immerhin hat sich unsere kultur weiterentwickelt...." Einige Beiträge weiter unten wird die Löschung eines offenbar rassistischen und daher von Facebook entfernten Posts vom 12. Februar vom Seitenadministrator mit den Worten kommentiert "Zach da war der Eselficker gelöscht ^^" und ergänzt "Ha Ha, wegen rassistischem Inhalt ^^ also sexuelle Handlung hätte ich noch verstanden! Sind halt kulturelle Unterschiede ..." Über Humor lässt sich streiten – diese Seite hat mehr als 50.000 Gefällt-mir-Angaben!

Natürlich sind nicht alle Administratoren solcher Facebook-Gruppen überzeugte Neonazis – doch sie bieten Rechtsextremen ungewollt ein Forum, um ihrem als Humor getarnten Antisemitismus, Rassismus und Sexismus oder ihrer Dicken- und Behindertenfeindlichkeit freien Lauf zu lassen. Manche dieser Posts sind harter Tobak. Die Handreichung "Liken. Teilen. Hetzen. Neonazi-Kampagnen in den Sozialen Netzwerken" der Amadeu Antonio Stiftung dokumentiert einen Eintrag auf der Facebook-Seite "[Umstrittener Humor] Schwarzer Humor". Zu sehen ist ein Bild Adolf Hitlers und die Frage: "did i leave the oven on" (Habe ich den Ofen angelassen?) Ein Nutzer, der die Frage wagte, was denn an der Massenvernichtung von Millionen von Menschen witzig sein soll, wurde mit antisemitischen Hasstiraden überzogen.

Nicht jeden Kritiker trifft es gleich so hart, doch wann immer sich jemand gegen derartigen "Humor" auflehnt, verweisen die Urheber darauf, dass es doch bloß Humor sei und man nicht den Moralapostel und den Spielverderber raushängen lassen soll. Wo die Grenze zwischen Satire und rechtsextremer Ideologie verläuft, ist schwer zu verorten. Zur Orientierung mag helfen: Wenn ausschließlich menschenverachtende und rechtsextreme Hetze verbreitet wird, ist das kein Humor, sondern Ideologie. Gehen die Witze grundsätzlich auf Kosten gesellschaftlicher Minderheiten, muss man sich die "Witzbolde" genauer anschauen. Sind die eigenen Freunde auf Seiten mit "Umstrittenem Humor" aktiv, macht sie das noch nicht zu Neonazis – aber man sollte sie mit klaren Worten auf die Inhalte aufmerksam machen. Sie verletzen nicht nur die Menschenwürde der betroffenen Personen: In besonders schweren Fällen können sie sich sogar strafbar machen.

Anna Groß ist Mitarbeiterin von "no-nazi.net – für Soziale Netzwerke ohne Nazis". Im Projekt wird beobachtet und analysiert, wie Neonazis diese Netzwerke ausnutzen und zur Verbreitung ihrer Ideologie instrumentalisieren.