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Simone Rafael: Wichtig ist, dass Rassismus und Hass nicht unwidersprochen stehen | Rechtsextremismus | bpb.de

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Simone Rafael: Wichtig ist, dass Rassismus und Hass nicht unwidersprochen stehen

Simone Rafael

/ 6 Minuten zu lesen

Ein ganz klares Nein – mit Neonazis redet Simone Rafael von der Amadeu Antionio Stiftung nicht. Solange die nur pöbeln, bedrohen und niederschreien wollen. Allerdings argumentiert sie gegen ihre Positionen.

Simone Rafael arbeitet für die Amadeu Antonio Stiftung. Ihr neuestes Projekt heißt "no-nazi.net – Für soziale Netzwerke ohne Nazis". (© AKSB e.V.)

Mit Neonazis und Rechtspopulist_innen zu reden macht richtig schlechte Laune. Sie hören nicht zu. Sie wollen nicht diskutieren. Sie wollen keine Argumente abwägen, kein reflektiertes Urteil fällen. Sie wollen provozieren, anpöbeln, bedrohen, niederschreien, ihre Ideologie verbreiten und ihre Aggressionen abladen bei jemandem, den sie als politischen Gegner oder einfach als hassenswerten Untermenschen ansehen. Wenn ihnen zu einem Thema nichts mehr einfällt, machen sie einfach ein nächstes auf, und die Predigt geht von vorne los. Sie wollen Minderheiten und Andersdenkende mundtot machen, ermüden, entmutigen. Immer wieder bringen sie die gleichen Ideologie-Versatzstücke, die sie als "Copy & Paste" bei "Vordenkern" der Szene aufgeschnappt haben. Das ist nicht nur dumm, sondern auch noch langweilig. Nein, ich möchte nicht mit Nazis und Rechtspopulist_innen reden. Wirklich nicht.

Das Dumme ist nur – sie wollen mit mir reden

Ich arbeite bei der Amadeu Antonio Stiftung, die Demokratiearbeit stärkt, Netzwerke der Zivilgesellschaft bildet, Engagierte unterstützt. Nazis sind darüber nicht amüsiert, denn wir arbeiten gegen all ihren Hass, und dabei binden wir sie nicht ein, wir arbeiten parteilich auf der Seite derjenigen, die von Neonazis angegriffen und bedroht werden, die sich für eine Gesellschaft stark machen, in der Vielfalt und Gleichwertigkeit gelebt werden können. Trotzdem kommen Nazis immer wieder zu unseren Veranstaltungen.

In Mecklenburg-Vorpommern moderierte ich eine Veranstaltung, bei der die lokalen Neonazis demonstrativ vor der Tür des Veranstaltungsraums herumlungerten. Allerdings nicht, weil sie mitreden wollten. Sie wollten Menschen abschrecken, die Veranstaltung zu besuchen. Zum Glück sind die Engagierten in Mecklenburg-Vorpommern ziemlich taff und haben wenige Ängste, weil ihre Namen eh bekannt sind, genau wie die der Neonazis. Als ich die Neonazis ansprach, lokal bekannte NPD-Kader, wurden sie laut, kamen mir nah, brüllten von ihren Rechten in der Demokratie, und meinten doch nur Gewalt und Bedrohung. Wir konnten die NPD-Aktivisten dann mit Hilfe freundlicher Sicherheitskräfte zumindest auf der anderen Straßenseite positionieren. Mit solchen Neonazis reden, ihnen gar bei einer öffentlichen Veranstaltung ein Podium bieten? Nein. Sie machen die lösungsorientierten Gespräche der gesprächsbereiten Menschen kaputt. Sie halten sich nicht an demokratische Spielregeln und stellen sich selbst außerhalb des demokratischen Konsenses. Sie wollen nicht reden, sie wollen nur bedrohen. Oder sie versuchen, das Klima eines Ortes zu bestimmen, wenn man sie lässt. Wer gekippten öffentlichen Diskussionsrunden um die Unterbringung von Geflüchteten zusieht, weiß: Wenige, geschickt positionierte Neonazis und Rassist_innen, die sich viel zu Wort melden, reichen völlig aus, um die Stimmung einer ganzen Veranstaltung zu bestimmen. Vor allem, wenn sie unvorbereitete Moderator*innen gewähren lassen. Also: Neonazis raus aus Veranstaltungen, auf denen sie nur stören wollen – denn das ist ja ihre Strategie, verbreitet schon seit den 1990er Jahren: Die Wortergreifungsstrategie.

Noch mehr Kontakt in der virtuellen Welt

Hauptsächlich arbeite ich aber in der virtuellen Welt. Ich betreibe dort eine Internetseite mit angeschlossenen Social-Media-Seiten bei Facebook, Twitter, Jappy, Tumblr, Google+ und Instagram. Meiner Meinung nach heißt unsere journalistische Internetplattform "Netz gegen Nazis", aber wenn ich mir manchmal die Kommentare in sozialen Netzwerken angucke oder meine persönlichen Nachrichten oder mein Email-Postfach, dann heißt unsere Seite für Neonazis offenbar "Netz für Nazis, die mal mit Andersdenkenden diskutieren wollen" oder "Netz für 'Ich bin kein Rassist, aber'-Rassist_innen, die mal gucken wollen, wie viel Rassismus wir durchgehen lassen". Kurzum: Als wir 2009 unsere allererste Social-Media-Seite, damals noch auf Schüler-VZ, aufmachten, waren gleich die ersten zwei Einträge auf der Pinnwand von offenen Rechtsextremen: "Sieg Heil, Ihr Opfer! 88!"

Solche offen rechtsextremen Postings werden bei uns gelöscht. Wenn sie nachts geschehen und sich unsere Community schon an ihnen abgearbeitet hat, lasse ich die Diskussion manchmal zu Anschauungszwecken stehen. Wenn mich Jungneonazis antwittern, während ich gerade online bin, habe ich manchmal Lust, argumentativ mit ihnen zu spielen, aber das ist dann mehr ein Kräftemessen. Mit Neonazis diskutieren bringt auch online nichts, denn sie hören auch dort nicht zu, sie lassen keine Belege gelten, gehen selten auf Argumente ein. In anderen Communities, in denen Neonazi-Beiträge nicht gelöscht werden, weil man es als Teil des redaktionellen Auftrags versteht, alle Kommentare zuzulassen, empfehle ich: Sich nicht von den Neonazis im eigentlichen Gespräch stören lassen. Statt mit ihnen in der Argumentation Lebenszeit zu verlieren, sich gegen ihre hasserfüllte, rassistische, menschenfeindliche Aussage positionieren, sie benennen, gegebenenfalls widerlegen – und dann weitermachen mit den lösungsorientierten, sinnvollen Gesprächen.

Gespräche im Internet sind aber oft sehr uneindeutig. So mancher rassistisch, demokratiefeindlich oder beleidigend klingende Post ist nur eine ungeschickte Formulierung, ein verunglücktes Dampf-Ablassen, dessen Rassismen oder Beschimpfungen sich auch korrigieren lassen. Wenn man dann in die Auseinandersetzung geht, kann ein Gespräch zum Beispiel folgendermaßen aussehen: "Ihr Gutmenschen-Idioten, wie soll man sich denn schützen gegen kriminelle Flüchtlinge?" "Wir sind keine Gutmenschen-Idioten, sondern arbeiten für eine demokratische Alltagskultur, die allen eine Teilhabe ermöglicht. Flüchtlinge sind auch generell eher nicht kriminell. Haben Sie eine Frage?" "Oh, Sie antworten mir? Ja dann, Entschuldigung. Können Sie mir denn sagen, wie ich mich hier vor Ort über Pläne für das neue Flüchtlingsheim informieren kann? Ich kenne nur die Gerüchte aus den Supermarkt-Gesprächen hier. Aber ich mache mir schon Sorgen." "Vielleicht engagieren Sie sich ja in der Flüchtlingshilfe, dann können Sie sich selbst ein Bild machen über die Menschen, die in ihren Ort kommen." "Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Vielleicht haben Sie Recht?" Da es also auch so ablaufen kann, antworte ich deshalb auf Pöbeleien gern erst einmal mit Fragen. Oft verrät schon die erste Antwort, ob es ein sinnvolles Gespräch werden kann – oder eben nicht. Denn wenn geäußert wird, dass man ja als Frau das Haus nicht mehr verlassen könne, wenn im Ort ein Flüchtlingsheim eröffnet würde, gilt es immer abzuwägen – ist das noch eine real gefühlte Angst, die ich mit Argumenten entkräften kann, oder ein pures Nachplappern rassistischer Ressentiments aus dem Internet? Für die Unentschlossenen, die Suchenden wollen wir ja ansprechbar sein.

Außerdem gibt es auf Blogs, in Kommentarspalten und in den sozialen Netzwerken noch einen weiteren Grund, auf Rassismus, Politiker_innen-Schelte und Demokratiefeindlichkeit einzugehen, statt darüber hinweg zu lesen: Es gibt dort stets nicht nur den postenden Aggressor, sondern auch eine große, schweigende, mitlesende Öffentlichkeit. Dieser gegenüber ist es sinnvoll, zu argumentieren oder sich zumindest zu positionieren, Rassismus zu benennen, sich gegen Vorurteile und Hass auszusprechen, an Netiquette, Diskussionsregel oder gegebenenfalls Strafgesetze zu erinnern. Bestenfalls lassen sich sogar Teile dieser schweigenden Mitleserschaft aktivieren, wenn man sie anspricht ("Sehen das hier alle so?"). Doch selbst wenn nicht: Wichtig ist, dass Rassismus, Huldigungen des Nationalsozialismus oder Hass nicht unwidersprochen stehen. Denn wer schon einmal versucht hat, Rechtsextreme einfach machen zu lassen und zu hoffen, dass sie dann aufhören, der wird festgestellt haben: Stattdessen freuen die sich über den vermeintlichen Raumgewinn für ihre Ideologie und nutzen die Situation, um immer mehr und immer krassere Dinge zu posten, ihre Ideologie zu feiern. Es ist wie bei rechtsextremen Demos: Einige Gemeinden haben versucht, sie in menschenleeren Straßen laufen zu lassen und Gegenproteste zu unterbinden – in der Hoffnung, die mangelnde Aufmerksamkeit würde die Neonazis entmutigen. Stattdessen folgte Anmeldung auf Anmeldung, denn in Städten mit Gegenprotest oder gar Blockaden sind Nazi-Demos viel unbequemer und frustrierender.

In der Publizistik gibt es die Theorie der Schweigespirale von Elisabeth Noelle-Neumann: Wer glaubt, dass die Mehrheit der Menschen andere Dinge denkt als man selbst, traut sich oft nicht mehr, die eigene Meinung zu äußern. Deshalb sollten wir, auch wenn es bisweilen anstrengend ist, gemeinsam aktiv und argumentativ daran arbeiten, dass es weder auf Veranstaltungen noch in sozialen Netzwerken so wirkt, als wären plötzlich so viele Menschen rassistisch, antisemitisch oder islamfeindlich, dass sich die vernünftigen Menschen nicht mehr trauen, sich am Gespräch zu beteiligen. Der Einsatz lohnt sich für die Unentschlossenen, für die Minderheiten, die angegriffen werden, und für das Klima in den sozialen Netzwerken und in der Gesellschaft.

Simone Rafael arbeitet als freie Journalistin. Sie schreibt u.a. für die Amadeu Antonio Stiftung in Berlin. Die Absolventin der Henri-Nannen-Schule in Hamburg konzipierte 2003 die Website www.mut-gegen-rechte-gewalt.de.