Unternehmerverbände, Lobbyorganisationen und Think-Tanks
BDA, INSM, CHE. Die Arbeit von Interessengruppen ist meist nicht sehr einfach zu durchschauen. Wer verbirgt sich hinter diesen Abkürzungen und welche Ziele verfolgen die großen Player im Bildungswesen?
Bildungspolitisch sehr einflussreich sind auch die Unternehmerverbände. Sie vertreten in erster Linie die wirtschaftspolitischen Interessen ihrer jeweiligen Branchen, so etwa der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) oder der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Die sozialpolitischen Arbeitgeberverbände dagegen sind vor allem für gesellschaftspolitische und tarifpolitische Forderungen zuständig. Hervorzuheben ist hier der Bundesverband der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), dessen Bundesfachverbände und Landesvereinigungen für alle Branchen in Deutschland tätig sind: Industrie, Dienstleistung, Banken, Handel, Verkehr, Handwerk und Landwirtschaft. Eine dritte Säule bilden die öffentlich-rechtlichen Kammern, die als berufsständische regionale Selbstverwaltungsorganisationen auf der Bundesebene im Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) zusammengeschlossen sind.
Unternehmerverbände erhöhen Druck auf Bildungspolitik
Trotz dieser arbeitsteiligen Organisation stimmen die bildungspolitischen Grundkonzeptionen bei allen Verbandsgruppen weitgehend überein. Besonders bedeutsam ist hier der "Bundesverband der BDA“, dem in bildungspolitischen Fragen die Rolle eines koordinierenden Meinungsführers zukommt. Durchweg sehen die Unternehmer die Bildungspolitik als ein strategisch bedeutsames Politikfeld. Der sogenannte PISA-Schock und der wachsende Globalisierungsdruck haben in den letzten Jahren das bildungspolitische Engagement der Wirtschaft enorm befördert. Bildung wird zunehmend als zentraler wirtschaftlicher "Standortfaktor“ wahrgenommen: Die Unternehmensverbände vertreten die Auffassung, dass angesichts eines sich verschärfenden internationalen Wettbewerbs dem Bildungswesen künftig eine Schlüsselfunktion für den Unternehmenserfolg zukommt. Wirtschaftliche Leistung, Wachstum und damit die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands hängen aus dieser Sicht wesentlich von der Qualität und der Leistungsfähigkeit des verfügbaren "Humankapitals" ab. Die Unternehmer berufen sich daher mitunter auf die mittelmäßigen Ergebnisse deutscher Schüler in internationalen Schulleistungsstudien und bescheinigen dem deutschen Bildungssystem zahlreiche Defizite, die sich nachteilig auf das Beschäftigungssystem und den Arbeitsmarkt auswirken. Als Kritikpunkte werden insbesondere genannt:- eine unzureichende "Ausbildungsreife“ oder Berufsfähigkeit von Schul- und Hochschulabsolventen,
- eine zu hohe Quote von Schul- und Studienabbrechern,
- fehlende vorschulische- und schulische Ganztagseinrichtungen,
- eine zu geringe soziale Durchlässigkeit des Bildungssystems und eine unzureichende "Ausschöpfung der Begabungsreserven“
- eine zu geringe Anzahl von Hochschulabsolventen.
Erklärtes Ziel der Unternehmerverbände ist es, gerade in der Schul- und Hochschulpolitik, einen steten Handlungsdruck auf die Politik zu erzeugen. Dies geschieht z.B. durch mediale Öffentlichkeitsarbeit, Positionspapiere oder durch intensive Kontaktpflege zu den bildungspolitischen Entscheidungsträgern in Parteien, Parlamenten oder Regierungen. Darüber hinaus suchen Unternehmensverbände aber auch die Nähe der öffentlichen Bildungsverwaltungen. In diesem Sinne agiert z.B. die seit über 50 Jahren existierende Bundesarbeitsgemeinschaft SCHULEWIRTSCHAFT, die vom BDA und dem arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) getragen wird. Sie unterhält Landesarbeitsgemeinschaften und rund 450 regionale Arbeitskreise. Das Netzwerk arbeitet eng mit den Kultusministerien in der Lehrplanentwicklung und vor allem in der Lehrerfortbildung zusammen, mit dem Ziel:
- Modelle zum schulischen Qualitätsmanagement zu etablieren,
- unternehmerisches Denken und Handeln zu fördern,
- Konzepte zur besseren Berufsorientierung und von Wirtschaftsplanspielen zu erarbeiten,
- Initiativen zur Verbesserung der ökonomischen Bildung auf den Weg zu bringen,
- die Kooperation von Schule und Unternehmen zu verstärken.