Servicelearning – Lernen durch Engagement
Gesellschaftliches Engagement und demokratisches Handeln – das können Schülerinnen und Schüler schon in der Schule lernen. Besonders Erfolg versprechend ist dabei ein "learning by doing", durch das wichtige Kompetenzen erworben und verbessert werden können. Servicelearning/Lernen durch Erfahrung bietet dafür einen Ansatz, der sich in Deutschland in den letzten Jahren immer weiter verbreitet.Lernen durch Engagement
Servicelearning, oder auf Deutsch: Lernen durch Engagement (LdE), ist eine Lehr- und Lernform, die den Unterricht in der Schule und den Einsatz von Schülerinnen und Schülern für das Gemeinwohl außerhalb der Schule miteinander verbindet. Dabei verfolgt LdE zwei Ziele:- Zum einen sollen die Schülerinnen und Schüler ihre sozialen und demokratischen Kompetenzen erweitern und sich zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten der Zivilgesellschaft entwickeln. Dabei wird besonderer Wert darauf gelegt, die Kinder und Jugendlichen dort zu erreichen, wo sie alle in einer Institution zusammenkommen: in der Schule. So ist auch die Aussage "Demokratie beginnt in der Schule" zu verstehen.
- Gleichzeitig geht es aber auch um die Qualität des Schulunterrichts: Durch die Anwendung von Wissen in der Praxis und die Verknüpfung von Bildungsinhalten mit Lebenserfahrung soll die Bedeutung der Fachinhalte für die Schülerinnen und Schüler klarer erkennbar und das Lernen in seiner Tiefe besser verankert werden.

Das Verhältnis von Demokratie und Pädagogik
Den theoretischen Hintergrund zu Servicelearning liefern progressive pädagogische Studien, zum Beispiel des Philosophen und Bildungstheoretikers John Dewey. Er beschäftigte sich bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit jenen Zusammenhängen zwischen Demokratie und Pädagogik, die heute auch für uns wichtig sind. So war Dewey überzeugt, dass Demokratie im Leben von Kindern und Jugendlichen eine große Rolle spielen müsse, wenn sich die Gesellschaft als Ganze positiv weiterentwickeln wolle. Besonders der Schule wies er dabei eine Schlüsselrolle zu, sie solle Ort demokratischer Bildung und demokratische Institution zugleich sein.Über den Zusammenhang von Demokratie und Pädagogik wird auch heute in der Bildungspolitik lebhaft diskutiert. Ein Beispiel hierfür ist die aktuelle Debatte über die Diversität der Schülerschaft, die in Deutschland seit einigen Jahren verstärkt unter dem Stichwort "Inklusion" geführt wird. Dabei geht es im Kern darum, inwieweit man Menschen mit unterschiedlichen Lern- und Lebensvoraussetzungen im Bildungssystem zusammen unterrichtet und welche Vor- und Nachteile dies für das Lernen in der Schule und das Zusammenleben in der Gesellschaft hat. So kritisieren die Befürworter von Inklusion, dass sich die unsere demokratische Gesellschaft insgesamt prägende Heterogenität in den Schulen des gegliederten Schulsystems nicht ausreichend widerspiegelt. Zur Vorbereitung auf das Leben in einer demokratischen Gesellschaft sei daher eine Schule, die sich durch eine heterogene Schülerschaft auszeichne, viel besser geeignet. Die Befürworter und Gegner von Inklusion diskutieren also letztlich auch das Verhältnis von Demokratie und Pädagogik in der Schule wie bereits John Dewey lange vor ihnen.
LdE an deutschen Schulen
LdE nimmt den Grundgedanken Deweys auf, die Schule sei ein besonders wichtiger Ort zum Erwerb demokratischer Kompetenzen. Darum besteht eine Besonderheit der Methode darin, außerschulisches Engagement mit dem Schulalltag von Kindern und Jugendlichen fest zu verbinden. Während jedoch z. B. in den USA die Kooperationen zwischen Schulen und ihrem Umfeld in der Gemeinde eine lange Tradition haben – Servicelearning ist in den Lehrplänen aller US-Bundesstaaten verankert, teilweise sogar verpflichtend –, ist in Deutschland diese Öffnung der Schule hin zum Gemeinwesen relativ neu. Sie geht einher mit einer verstärkten Orientierung am Leitbild der Inklusion und ist Ausdruck eines erweiterten Bildungsverständnisses, in dem nicht mehr nur die formellen Lernprozesse eine Rolle spielen (also die Bearbeitung der in Lehrplänen festgeschriebenen Unterrichtsinhalte), sondern zunehmend auch informelle Lernprozesse, die sich im praktischen Lebensvollzug außerhalb der Schule ereignen.Seitdem in Deutschland internationale Schulleistungsstudien wie PISA die Leistungsfähigkeit des Schulsystems infrage gestellt haben, veränderte sich auch der Blick auf die Lehrpläne: An die Stelle der sogenannten Input-Steuerung der Schule durch Lehrpläne ("Was muss gelehrt werden?") trat die Output-Orientierung ("Welche Kompetenzen sollen die Schülerinnen und Schüler am Ende eines Lernprozesses erworben haben?"). War das Lernen in der Schule zuvor stark durch Lehrpläne und die in ihnen festgeschriebenen Wissensbestände bestimmt, nimmt heute die Frage nach dem Kompetenzerwerb und den Lernergebnissen der Schülerinnen und Schüler einen deutlich größeren Stellenwert ein. Diese veränderte Sichtweise kommt LdE entgegen, da es über seine demokratiepädagogischen Ziele hinaus in besonderer Weise auf eine ganzheitliche Kompetenzentwicklung, das heißt Sach-, Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz, der Schülerinnen und Schüler ausgerichtet ist.
In den Lehrplänen der einzelnen Bundesländer wird LdE zwar unterschiedlich behandelt, vor allem im Hinblick auf die Bedeutung und den zeitlichen Umfang, der dem gemeinschaftlichen Engagement und dem Demokratielernen in der Schule eingeräumt wird. Insgesamt hat die Bedeutung des LdE aber seit Beginn der 2000er Jahre hierzulande stetig zugenommen, gefördert beispielsweise durch das Bund-Länder-Programm "Demokratie lernen und leben" von 2002 bis 2007 mit rund 200 beteiligten Schulen.
LdE in der Praxis
Doch wie genau verbindet LdE schulisches Lernen und außerschulisches Engagement? Hier ein Beispiel: Schülerinnen und Schüler setzen sich im Unterricht mit dem Thema "Migration" auseinander, befassen sich zum Beispiel in den Fächern Sozialkunde, Geschichte oder Religion mit Flüchtlingsströmen weltweit, Erklärungsmustern für Flucht und Verfolgung, mit Asylrecht und mit Begründungen für die Aufnahme von Flüchtlingen. Gleichzeitig engagieren sie sich in einem Integrationsprojekt in ihrer Umgebung und bieten Flüchtlingskindern Deutschunterricht und andere soziale Aktivitäten an. Denkbar sind viele Möglichkeiten des Engagements; wichtig dabei ist, dass die Schülerinnen und Schüler die im Unterricht gelernten Inhalte in ihr Engagement einbringen können, sodass eine Rückbindung des Engagements an den Unterricht besteht.i
Beispiele für Lernen durch Engagement
Quelle: http://www.servicelearning.de/index.php?id=13
Ausführliche Beispiele finden sich hier: http://www.servicelearning.de/index.php?id=17#c124
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Phasen des LdE
Recherche: "Ein Service-Learning-Projekt beginnt typischerweise mit einer Phase der Recherche. Schüler erforschen ihr Umfeld und identifizieren dabei die wichtigsten Herausforderungen und Probleme ihrer Gemeinde. Sie führen Interviews mit unterschiedlichen Menschen in der Gemeinde und erstellen eine Analyse der vorhandenen Probleme und Bedürfnisse." (Sliwka 2004b: 33) Diese Phase wird als sehr wichtig für den Erfolg von Servicelearning charakterisiert, um Schülerinnen und Schülern bereits im Planungsprozess Selbstwirksamkeitserfahrungen ermöglichen zu können (vgl. BLK 2001; Sliwka 2004a).
Projektentwicklung: Daran schließt die Phase der Ideensammlung und Projektentwicklung an, in der "Teams Ideen für mögliche Lösungsansätze für eines oder mehrere [der vorab identifizierten] Probleme [entwickeln]. Dabei arbeiten sie eng mit Partnern in der Gemeinde, staatlichen und zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammen" (Sliwka 2004b: 33). In einem partizipativen Aushandlungsprozess wird dann die Entscheidung darüber gefällt, welche Projekte zuerst verwirklicht werden sollen.
Umsetzung: Je nach Altersstufe der Teilnehmenden und schulspezifischem Bezug soll Servicelearning vor allem über den Praxisbezug realisiert werden. Wichtig dabei ist, die Verbindung zum Schulunterricht herzustellen. Die Rolle der Lehrkräfte besteht darin, Verknüpfungen zwischen den praktischen Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler und dem theoretischen Schulstoff zu vermitteln sowie den Lernprozess moderierend und ermöglichend zu begleiten.
Reflexion: Bei Servicelearning hat Reflexion eine große Bedeutung, um Lernprozesse nachhaltig zu unterstützen und abzusichern. Es sollte ermöglicht werden, dass die Schüler regelmäßig Rückmeldungen über den Stand der Projektarbeit abgeben und bedarfsgerecht diskutieren können. Nach bestimmten Arbeitsabschnitten und in jedem Fall am Ende des Projektzyklus wird die Arbeit gründlich ausgewertet. Dazu zählen Selbsteinschätzung, Gruppenauswertung und die Reflexion über den Verlauf des Projekteinsatzes.
Anerkennung: Um eine Kultur der Wertschätzung von Servicelearning zu befördern, werden unter anderem schulinterne und pressewirksame Veröffentlichungen, öffentliche Würdigungen (z. B. Tage der Offenen Tür, Dankesfeiern) sowie die Zertifizierung von Engagementleistungen vorgeschlagen.
Quelle: http://www.ganztaegig-lernen.de/phasen-service-learning