Studiengebühren oder Studium aus öffentlichen Mitteln?
Was sich aus dem internationalen Vergleich über gerechte und effiziente Hochschulfinanzierung lernen lässt
Studiengebühren werden häufig mit der Begründung abgelehnt, sie würden junge Menschen aus einkommensschwächeren Familien vom Studieren abhalten. Doch hängt der Hochschulbesuch in Deutschland stärker von der sozialen Herkunft ab als in so manchem Land mit Studiengebühren. Welche Modelle der Studienfinanzierung gibt es international und welche Vor- und Nachteile haben sie gegenüber dem deutschen?
In Deutschland ist das Studium an staatlichen Universitäten traditionell gebührenfrei. Studierende zahlen zwar Semesterbeiträge für Studentenwerk, Studierendenschaft (AStA) und Semesterticket, der Besuch der Lehrveranstaltungen an sich ist jedoch kostenlos. Zwar hatten einige Bundesländer zwischenzeitlich Studiengebühren eingeführt, nachdem das Bundesverfassungsgericht 2005 das Verbot von Studiengebühren aufhob. Nach teils massiven Studentenprotesten wurden diese jedoch in den Folgejahren wieder abgeschafft, zuletzt in Niedersachsen zum Wintersemester 2014/15.
Die Diskussion um Studiengebühren ist damit aber noch lange nicht abgeschlossen. Angesichts der knappen Haushaltslage halten beispielsweise viele Hochschulrektoren die Einführung von Studiengebühren nach wie vor für geboten, damit die Hochschulen ihre Kapazitäten ausbauen sowie die Qualität von Studium und Lehre verbessern können. Angesichts der hohen individuellen Erträge eines Hochschulstudiums (etwa in Form späteren Einkommens) spricht sich auch so mancher Ökonom für eine Beteiligung der Studierenden an den Kosten des Studiums aus. Doch es gibt auch Befürchtungen, Studiengebühren könnten gerade Personen aus einkommensschwachen Schichten vom Studieren abhalten und damit die ohnehin schon starke soziale Selektivität des deutschen Bildungssystems weiter verschärfen. Das gebührenfreie Studium, so die gerade auf der linken Seite des politischen Spektrums häufig geäußerte Überzeugung, sei ein zentraler Grundpfeiler der Bildungsgerechtigkeit und müsse daher auch in Zukunft erhalten bleiben.
Wie sind diese Positionen zu bewerten? Führen Studiengebühren notwendigerweise zu sozialen Zugangshürden beim Hochschulzugang oder gibt es auch sozialverträgliche Modelle? Der Blick in andere Länder hilft diese Fragen zu beantworten.
Steigende Erträge des Hochschulstudiums und steigende Hochschulbeteiligung

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Der monetäre Vorteil einer Hochschulausbildung ist dabei lediglich ein Aspekt. Eine OECD-Studie zu Erwachsenenkompetenzen zeigt zum Beispiel, dass Hochschulabsolventen seltener von Arbeitslosigkeit betroffen sind, sich häufiger sozial engagieren und politisch beteiligen sowie generell ein höheres Vertrauen in die Gesellschaft aufweisen als Personen mit niedrigerem Bildungsstand (OECD 2013).
Die Vorteile einer akademischen Ausbildung treten heute klarer denn je zutage und machen sich im Bildungsverhalten der Bevölkerung deutlich bemerkbar: Die Zahl der Studierenden ist in Deutschland in den vergangenen Jahren stark gestiegen, allein zwischen 2000 und 2013 um etwa 45 Prozent, von knapp 1,8 auf 2,6 Millionen (siehe Abbildung 2). 2013 nahmen erstmals mehr junge Menschen ein Studium auf als eine berufliche Ausbildung. Schätzungen der OECD zufolge werden 31 Prozent der jungen Menschen in Deutschland[1] im Verlauf ihres Lebens ein Hochschulstudium abschließen, gegenüber nur 18 Prozent im Jahr 2000. Im OECD-Durchschnitt stiegen die entsprechenden Abschlussquoten im Vergleichszeitraum von 28 auf 38 Prozent (OECD 2014, S. 106).

Finanzierung in Zeiten der Hochschulexpansion: Steuergelder versus Studiengebühren
Um so dringlicher stellt sich für bildungspolitische Entscheidungsträger die Frage, wie das deutsche Hochschulwesen angesichts stetig steigender Studierendenzahlen nachhaltig finanziert werden kann. Denn ein Mehr an Studierenden erfordert von den Hochschulen auch zusätzliche Ausgaben. Viele der Hochschulen verfügen aber schon seit Jahren nicht über ausreichende finanzielle Mittel, um im Zeitalter der Massenuniversität wirklich qualitativ hochwertige Studienbedingungen zu gewährleisten, geschweige denn eine die Nachfrage deckende Zahl von Studienplätzen zu schaffen. Vielerorts sind Lehrveranstaltungen chronisch überfüllt und Betreuungsrelationen zunehmend ungünstig, hat doch die Zahl des wissenschaftlichen Personals mit dem starken Anstieg der Studierendenzahlen nicht Schritt gehalten. Im Jahr 2013 kamen auf einen Hochschullehrer durchschnittlich 65 Studierende, 2000 waren es noch 56[2]. Daran haben auch Milliardenprogramme wie Exzellenzinitiative und Hochschulpakt kaum etwas geändert.Angesichts dieser Entwicklungen liegt die Notwendigkeit einer besseren Finanzierung der Hochschulen auf der Hand. Die Hochschulfinanzierung kann dabei grundsätzlich auf zwei Wegen erfolgen: Der Staat kann die Hochschulen entweder vollständig aus öffentlichen Mitteln (d.h. aus Steuergeldern) finanzieren, wie es in Deutschland traditionell der Fall ist. Oder aber er beteiligt die Studierenden über Gebühren an den Kosten ihrer universitären Ausbildung.
In vielen Staaten der Welt sind Studiengebühren ein wichtiges Instrument zur Hochschulfinanzierung geworden. Die in Deutschland regelmäßig geäußerte Befürchtung, dass Gebühren zu größeren sozialen Disparitäten beim Hochschulzugang führen, indem sie Personen aus einkommensschwachen Schichten vom Studieren abhalten, wird durch internationale Vergleiche nicht belegt. Im Gegenteil zeigt sich, dass eine Reihe von Staaten, die keine Studiengebühren erheben, sogar größere soziale Disparitäten in der Bildungsbeteiligung aufweisen als Länder mit Studiengebühren. Das ist insbesondere dort der Fall, wo die öffentlichen Mittel zur Finanzierung der Hochschulen nicht ausreichen, um die Nachfrage an Studienplätzen zu decken. Denn übersteigt die Nachfrage nach Studienplätzen das Angebot, so kommt es zu Engpässen beim Studienzugang, die in der Regel eher für Jugendliche aus ungünstigem sozialem Umfeld zur Barriere werden als für Jugendliche aus Akademikerfamilien. Bildungsnahe Eltern verfügen meist über bessere Kenntnisse und mehr Mittel, um ihre Kinder beim Übergang auf das Gymnasium zu unterstützen oder auf die entsprechenden Eingangsprüfungen vorzubereiten.