Schulen sollen allen Kindern und Jugendlichen in Deutschland neben fachlichen Kompetenzen auch Wissen, Werte und Fähigkeiten vermitteln, die sie für eine aktive Teilhabe an der Gesellschaft und ihrer Gestaltung in demokratischen Prozessen brauchen. Ob im Unterricht, im Schulalltag, in Arbeitsgemeinschaften oder bei gemeinsamen Aktivitäten: die Förderung von demokratischer Urteilsfähigkeit, respektvollem Miteinander und aktiver Beteiligung ist und bleibt wesentlicher Auftrag aller Schulen und spiegelt sich daher in den Schulgesetzen der Bundesländer, in Lehrplänen und Leitbildern von Schulen wider.
Laut einer aktuellen Umfrage, dem Deutschen Schulbarometer 2025, sieht jedoch mehr als die Hälfte aller Lehrkräfte an allgemein- und berufsbildenden Schulen in Deutschland Verbesserungsbedarf in Sachen schulischer Demokratiebildung (siehe Grafik
Mit Abstand die meisten der Befragten – etwa Dreiviertel der Lehrkräfte in Ost- und in Westdeutschland (Ost: 74 Prozent, West: 77 Prozent) – sehen ein Problem in der dafür fehlenden Unterrichtszeit, gefolgt von über 40 Prozent der Lehrkräfte, die meinen, dass es in ihrem Kollegium am nötigen Fachwissen über Demokratiebildung mangelt (Ost: 40 Prozent, West: 45 Prozent). Jede dritte befragte Lehrkraft in Westdeutschland (35 Prozent) und jeder fünfte in Ostdeutschland (20 Prozent) vermisst außerdem dafür passende Materialien an ihrer Schule. Abgesehen von den genannten Gründen auf schulischer Seite, sieht immerhin mehr als jede vierte Lehrkraft in Ost- und Westdeutschland ein geringes Interesse bei Schülerinnen und Schülern an Demokratiebildung als Hinderungsgrund (Ost: 27 Prozent, West: 28 Prozent). In beiden Landesteilen stellt fast jede fünfte Lehrkraft Unsicherheiten unter Kolleginnen und Kollegen fest, wie sie sich im Kontext des Neutralitäts- und Mäßigungsgebots (nach Bundesbeamtengesetz) in konkreten Situationen verhalten sollen (Ost: 18 Prozent, West: 19 Prozent).
Deutliche Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland zeigen sich, wenn es um die Einschätzung der Offenheit von Eltern, Kollegium und Schulleitung gegenüber Demokratiebildung sowie den Umgang mit sozialen Konflikten an Schulen geht: So nennen 27 Prozent der befragten Lehrkräfte in Ostdeutschland gegenüber 9 Prozent in Westdeutschland ein mangelndes Interesse oder sogar Widerstand der Eltern gegenüber schulischer Demokratiebildung als Hinderungsgrund. Ebenso nehmen mehr Lehrkräfte in Ostdeutschland gegenüber jenen in Westdeutschland ein fehlendes Interesse innerhalb ihres Kollegiums (Ost: 38 Prozent, West: 26 Prozent), aber auch vonseiten der Schulleitung (Ost: 23 Prozent, West: 15 Prozent) als Erschwernis für schulische Demokratiebildung wahr. Die Angst vor Konfliktsituationen unter Schülerinnen und Schülern wird als ein weiterer Faktor, der Demokratiebildung an ihren Schulen beschränkt, häufiger von Lehrkräften in Ostdeutschland (29 Prozent) genannt als von ihren Kolleginnen und Kollegen in Westdeutschland (17 Prozent).
Diese regional unterschiedlichen Einstellungen und Herausforderungen haben historische Wurzeln und prägen auch die aktuellen Diskussionen um Demokratiebildung und Neutralität an Schulen. Darauf weist der Historiker Dr. Phillip Wagner hin, der im folgenden Interview einen tieferen Einblick in die wechselvolle Geschichte der Demokratiebildung von der Weimarer Republik bis heute gibt: