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Rechtsrock für's Vaterland | Rechtsextremismus | bpb.de

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Rechtsrock für's Vaterland

Andreas Speit

/ 10 Minuten zu lesen

Seit mehr als 30 Jahren besteht eine Rechtsrockszene in Deutschland. Sie liefert den Sound für Hass und Hetze. Wie Nationale, Rechtsextreme und Neonazis über die Musik ihre Ideologie verbreiten, hat sich Autor Andreas Speit unter anderem auf dem Rechtsrockfestival in Berga angeschaut.

Von der Bühne können Musiker und Redner den Kyffhäuser sehen. In dem Gebirge, nicht weit vom Veranstaltungsplatz, soll der Sage nach Kaiser Friedrich Barbarossa ("Rotbart") in seinem Bergschloss mit seinem Hofstaat ausharren. Wenn die Zeit gekommen sei, so heißt es, würde der Kaiser zurückkehren und große Schlachten schlagen. Auf der Bühne am Ortsrand von Berga spielen die Bands aus der rechtsextremen Szene aber nicht bloß auf die deutschen Mythen an. "Deutschland, Deutschland über alles, über alles sei geliebt" singt der "nationale Barde" Frank Rennicke zur Eröffnung des Rechtsrockfestivals "In.Bewegung 2013. Das politische Fest der Nationalen". Bei strahlendem Sonnenschein brandet auf der Wiese starker Applaus auf. Vor der Bühne, an der eine NPD- und eine Schwarz-Weiß-Rote-Fahne wehen, füllt sich der Platz.

In den vergangenen Jahren richteten verschiedene Veranstalter der Szene immer wieder unterschiedliche Rechtsrockevents aus. Hier in der sachsen-anhaltinischen Gemeinde war es Patrick Weber, NPD-Kreistagsmitglied im Kyffhäuserkreis, der für den 10. August 2013 die Veranstaltung mit sechs Bands und sechs Rednern angemeldet hatte. "Der Höhepunkt des Jahres 2013 für jeden Nationalen Aktivisten", hieß es im Vorfeld auf der extra eingerichteten Website zum Event. Die Veranstalter, neben der NPD auch die "Freien Kräfte", warben nicht nur mit den "erstklassigen Rednern und Musikern", sondern auch mit einem "umfangreichen Kinderprogramm". Daher rennen bei jungen Erwachsenen und Jugendlichen, zwischen Bierstand und Gulaschkanone auf der Wiese im Industriegebiet auch Kinder herum. Mancher Vater trägt Glatze, manche Mutter blonde Zöpfe. Auf einer Hüpfburg spielt der Nachwuchs. Gleich neben der Hüpfburg ein Stand der NPD-Frauenorganisation "Ring Nationaler Frauen". Ein kurzer Regenschauer treibt einige der rund 900 Gäste zu weiteren Info- und Verkaufsständen. Das "Gedenkbündnis Bad Nenndorf" bietet Material an, die Modemarke "Angsgar Aryan" ihre Bekleidung. Ein Solistand für Erich Priebke ist aufgestellt. Seit Wochen feiern NPD und Freie Kameradschaften auf den 100. Geburtstag des verurteilten SS-Kriegsverbrechers hin (der einen Monat später, am 11. Oktober 2013, verstirbt). Rennicke, der zu den etwa 30 Liedermachern und -macherinnen der ultrarechten Szene gehört, singt auf der Bühne nicht bloß, er erinnert zudem an die inhaftierten Gesinnungskameraden, die nicht kommen konnten. Einen nennt Rennicke namentlich, einen, der längst einer der Stars der Szene ist: den verurteilten Holocaust-Leugner Horst Mahler.

Musik als Einstiegsdroge in die rechte Szene

Politik und Party, das macht seit Jahren die Attraktivität des Rechtsrocks für Jugendliche und junge Erwachsene aus. "Konzerte mit Kameraden besuchen, oder Rechtsrock zu Hause alleine hören, die Musik ist zu einem der wichtigsten Integrationsoptionen und Identifikationsangeboten der Szene geworden", sagt Jan Raabe. Seit Jahren arbeitet der Rechtsrockexperte des Vereins Argumente & Kultur gegen Rechts e.V. und Mitherausgeber des Standardwerks "RechtsRock" zu rechtsextremen Subkulturen. In der Bundesrepublik bestehen an die 200 Bands, sagt Raabe, die unterschiedliche Musikgenres anbieten - von Deutschrock über Hiphop und Hardcore bis Black Metal. Mehr als 40 Labels produzieren die Musik.

Still sitzt Kai Karsten, der anders heißt, an einem Tisch in einem Café in einer Stadt, die nicht genant werden soll. Nachdenklich sucht er nach Worten. Denn der 23-Jährige ist aus der Szene zwischen NPD und Autonomen Nationalisten raus. "Wegen der Kameraden" möchte er nicht, dass sein Name und sein Wohnort öffentlich wird. Mit 17 Jahren kam er zu den Rechtsextremen, fünf Jahre blieb er, jetzt will er keine Klischees von sich geben. Dann aber sagt er selbst: "Ein Klischee folgt", denn so war es eben: "Über die Musik kam ich zu der Szene." Rechtsrockbands fand er damals gut. Ein Zufall beschleunigte seine rechte Karriere. Im Bus traf er "Neonaziskinheads". "Viele Kisten Bier hatten die mit, machten Party", erzählt er. Später genügte ihm Feiern und Rechtsrock nicht mehr, er wollte "Politik für Deutschland" machen, sich gegen "Überfremdung" und "Übervorteilung" der "Ausländer" wehren. Der NPD beizutreten war für ihn "ganz logisch". Mit den Songs verinnerlichte er die Inhalte, sagt er weiter, räumt aber ein: "Ich tickte so auch schon. Fand die Sprüche gut, teilte die Einstellung."

"Musik ist das ideale Mittel, Jugendlichen den Nationalsozialismus näher zu bringen. Besser als dies in politischen Veranstaltungen gemacht werden kann, kann damit Ideologie transportiert werden", stellte bereits vor mehr als vierzehn Jahren der Übervater des internationalen Rechtsrocks, der Brite Ian Stuart Donaldson, in einem Fernsehinterview fest. Die politische Intention ist für alle rechtsextremen Musikprojekte charakteristisch. Die Musik mit ihren Texten liefert die Schlagwörter des rechtsextremen Weltbildes, das sich so festsetze, sagt Raabe: "In den Ohren den Sound, im Kopf die Ideologie". Donaldson war mit seiner Band "Skrewdriver" nicht nur der Begründer dieses Genres. Er, der 1993 mit dem Auto tödlich verunglückte, gründete das internationale Netzwerk "Blood & Honour" (B&H) LINK, das Rechtsrockbands promotet, Konzerte ausrichtet und CDs vertreibt. Aus dieser Szene verübten Aktivisten immer wieder Gewalttaten. Das spätere NSU-Trio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe, denen der Generalbundesanwalt zehn Morde, zwei Bombenanschläge und vierzehn Banküberfälle zuschreibt, gehörten zum harten Kern der B&H-Bewegung, deren deutsche "Division" das Bundesinnenministerium im September 2000 verbot. Viele Kader machten allerdings nach dem Verbot weiter.

In den Umbaupausen: Nationale Hetze

Zurück nach Berga. Auf der Bühne steht einer der Bands aus diesem Spektrum: "Oidoxie". Mit den ersten Tönen hat der Sänger Marko Gottschalk bereits die Besucher gewinnen können. Die Band mit CD-Titeln wie "Kann denn Glatze Sünde sein", "Weiß und Rein" oder "Ehre und Treu" lieferte auch den Szenehit "Rechtsrock". Gottschalk singt in dem Hit: "Wir spielen Rechtsrock (...) für's Vaterland. (...) Wir sprengen die Ketten, und schlagen uns frei. Wir kämpfen für Deutschland, und bleiben dabei. (...) Und schreien immer wieder: Heil, heil." Die Fans in Berga singen mit, sie wissen, wo "Oidoxie" politisch steht. In dem illegalen Szenevideo "Kriegsberichterstatter" coverte "Oidoxie" das "Hakenkreuz"-Lied der Neonazi-Band "Radikahl": "Hängt dem Adolf Hitler den Nobelpreis um (...) hisst die rote Fahne mit dem Hakenkreuz." Das Video zeigt, unterlegt mit Rechtsrock, auch Erschießungen von Schwarzen und Juden sowie Karikaturen von der Ermordung Behinderter.

In Berga auf dem Festival wechseln sich zwischen den Musikgigs die Redner von der NPD und den Freien Kameradschaften ab. Sowohl Reden als auch die Songs der Bands mussten der Polizei im Vorfeld vorgelegt werden. "Fünf Lieder wurden untersagt", sagt ein Polizeisprecher vor Ort – "wegen Jugendgefährdung". Alle Musiker soll es getroffen haben. Die Verbote hindern Maik Müller von den Freien Kameradschaften aber nicht daran, ins Mikrophon zu brüllen: "Wir sind keine Laberpartei, wir sind eine Kampforganisation zur Veränderung der Bundesrepublik." Der Fraktionsvorsitzende der NPD im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, Udo Pastörs, der 2013 den Parteivorsitz übernahm, verkündet: "Die NPD mag man verbieten, den naturgegebenen Nationalismus im Volke aber nicht." Den Zuhörern, die alle möglichen Szenestyles tragen - von Kurzhaarschnitt bis Basecap, Zöpfe und Haare rosa gefärbt - gefällt die Pastörsche Hetze gegen "perverse Homos", "Demokröten" und "Ausländer".

Vorne an der Bühne prangen gleich mehrere Werbebanner vom "Germania Versand". Das ist nicht überraschend, Veranstaltungsanmelder Patrick Weber von der NPD betreibt den Versand, der in Sondershausen nahe Berga sitzt. Im Angebot findet sich alles, was zum rechtsextremen Lifestyle gehört: Rechtsrock-CDs von Bands wie "Word of Anger" oder "Lunikoff Verschwörung", Bekleidung von Szenemarken wie "MAX 8H" oder "Hemland", Schmuck mit Motiven aus der germanischen Mythologie oder mit Runen-Verzierungen und Bücher mit dem Titel "Getürkt und gelinkt - Wem nützt rechte Gewalt?" oder "SS-Sturmbataillon 500 am Feind - Weg und Kampf einer Einheit der Waffen-SS". Vom "Germania Versand" verlinkt ist der Webshop der Modemarke "Hate-Hate". Hier gibt es "Klamotten für die Szene: Modisch – Intolerant – Hasserfühlt – Kompromisslos!", so der Werbeslogan. Auch hier hat Weber seine Hand im Spiel: Im Impressum ist er als "Autor des Webangebotes" genannt.

In der Szene, sagt Raabe, könnten geschäftstüchtige Rechtsextreme Millionen durch den Verkauf rechter Lifestyle-Güter einfahren. Mit der Musik sei das Angebot wesentlich ausdifferenzierter geworden. An die 100 Versandhäuser bieten Musik, Kleidung, Accessoires und Propaganda-Material an. Schon lange gut im Geschäft mit Rechtsrock und Merchandising ist Thorsten Heise, NPD-Landesvize in Thüringen. Von Fretterode aus betreibt offiziell seine Frau den "WB-Versand". Mit im Angebot: "Giggi und die braunen Stadtmusikanten". Das Projekt um Daniel Giese, Sänger der Rechtsrock-Band "Stahlgewitter", hat großen Erfolg damit, bekannte Melodien mit eigenen Texten einzuspielen. Im März 2014 verurteilte das Oberlandesgericht Giese wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 1.000 Euro. Das Gericht bestätigte die Auffassung des Landgerichts Osnabrück, dass der Text des Liedes "Geschwür am After" den Völkermord an den Juden im Dritten Reich leugne. In dem Song singt Giese: "All die geschmierten 'Historikerkommissionen' mit den Lieblingsthemen: Massenmord (...) Doch Wahrheiten von heute sind die Lügen von morgen und so viele ihrer Leichen sind bis heute nicht gestorben".

Der Song auf der mittlerweile indizierten CD "Adolf Hitler lebt" sorgte anfänglich für wenig Aufmerksamkeit. Stattdessen hatte vor allem der "Döner-Killer"-Song große Beachtung gefunden. Gut eineinhalb Jahre vor der Entdeckung des NSU 2011 sang er: "Neunmal hat er es jetzt schon getan. Bei allen Kebabs herrschen Angst und Schrecken. Der Döner bleibt im Halse stecken, denn er kommt gern spontan zu Besuch, am Dönerstand, denn neun sind nicht genug." Seitdem wird darüber spekuliert, was Giese wann über die Morde des NSU gewusst haben könnte.

Volksverhetzung und Gewaltverherrlichung als Standardrepertoire

In Berga auf der Bühne haben sich die "Kinderzimmer-Terroristen" eingespielt. Der Song "Schwarz ist die Nacht" von "Frontalkraft", mit dem sie beginnen, ist eindeutig: "Schwarz ist die Nacht,
 in der wir euch kriegen, Weiß sind die Männer, die für Deutschland siegen. Rot ist das Blut,
 auf dem Asphalt". Von Anfang an, seit mehr als 30 Jahren, gehören Gewaltbeschwörungen und Hetze gegen die ausgemachten Feinde zum Repertoire des Rechtsrocks. "Auch das Rollenbild des kämpferischen Mannes und der dienenden Frau wird gerne bedient", sagt Raabe. In dem Song "Jungs für's Grobe" singt "Lunikoff" alias Michael Regener: "Mundschutz und Schienbeinschoner gehören zu unserer Garderobe. 
In dieser Stadt weiß jedes Kind: Wir sind die Jungs für's Grobe (…) Die Mädels und die Wirte 
beginnen gleich zu fleh'n. Die einen, dass wir kommen. Die anderen, dass wir endlich gehen".

Michael Regener, Bandleader und Namensgeber der "Lunikoff Verschwörung", sang zuvor bei "Landser". 2003 verurteile das Berliner Kammergericht die Bandmitglieder als kriminelle Vereinigung – auch wegen der eindeutigen Texte, zum Beispiel in "Walvater Wotan": "Wir wollen euren Jesus nicht - das alte Judenschwein. Denn zu Kreuze kriechen, kann nichts für Arier sein. Die Bibel und das Kruzifix - die soll der Geier holen. Wir wollen eure Pfaffen nicht (...) Walvater Wotan soll unser Herrgott sein. Walvater Wotan wird Germanien befrei'n." Nach einer Haftstrafe von knapp drei Jahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung und Volksverhetzung erlang Regner/Lunikoff Kultstatus. Mit seiner neuen Band, der "Lunikoff Verschwörung", greift er gerne soziale Themen und aktuelle Debatten auf. "Ob Stuttgart 21 oder Gorleben. Am liebsten würden sie uns die Kugel geben. Nach Gutsherrenart auf unsere Kosten prassen. Sauft den Champagner, solang wir euch noch lassen!", singt er in "Wir sind das Volk". Songs von Lunikoff finden sich auch auf den Schulhof-CDs der NPD, die die Partei regelmäßig bei Wahlkämpfen an Erst- und Jungwähler gratis verteilt. Auch Hip-Hop und Rap von Makss Damage und n'Socialist Soundsystem wird präsentiert.

Beim Rechtsrockfestival in Berga müssen die Besucher 18 Euro Eintritt zahlen. Mit solchen Veranstaltungen versuchen rechte Kader seit Jahren, weitere Einnahmequellen zu erschließen. Konzerte allerdings richten die rechten Veranstalter weiterhin vor allem klandestin aus. Ein Vereinsheim einer Gartenkolonie wird unter Vorspiegelung falscher Tatsachen angemietet oder Clubräume eines befreundeten Rockerclubs genutzt. Via Handy kann ein erster Kontakt vermittelt werden. "Die Fahrt zu den Kontrollpunkten bis zum Konzert ist schon ein Teil der Feier", sagt Kai Karsten, der Aussteiger. Die kleineren Konzerte mit bis zu 200 Besuchern seien schon deshalb "cool", weil man – wenn das Konzert stattfindet – "Bullen und Antifa" überlistet hätte. Beworben werden die Konzerte ohne genaue Ortsangaben. Bei der rechtsextremen Hooliganband "Kategorie C – Hungrige Wölfe"v heißt es zum Beispiel "Raum Ruhrpott-West".

Die Anzahl der heimlichen Konzerte ist ungewiss

Im Jahr 2012 registrierte das Bundesinnenministerium im rechtsextremen Spektrum 82 Konzerte und 17 Liederabende. Auf eine Kleine Anfrage der Linken im Bundestag gibt das Ministerium an, im Jahr 2013 etwa 45 Konzerte mit rund 8.900 Besuchern gezählt zu haben. Im selben Zeitraum fanden auch an die 42 Liederabende mit etwa 1.560 Teilnehmern statt. Wie schwierig es ist, verlässliche Zahlen zu erheben, zeigen die Angaben der "Mobilen Beratung in Thüringen" (Mobit). In ihrer Jahresbilanz 2013 zählt die Beratung allein in Thüringen insgesamt 25 Konzerte und elf Liederabende. Fünf Konzerte fanden in der "Kammwegklause" in Erfurt statt. "Durchschnittlich jedes zweite Wochenende bietet die Szene Konzerte in Thüringen an", sagt Mikis Rieb, Berater bei Mobit.

In Berga in Sachsen-Anhalt steht am Abend "Kraftschlag" auf der Bühne. Die Band um Jens-Uwe Arpe, die seit 1989 besteht und in Berga auch die jüngeren Besucher begeistert, hatte Kontakte zu Blood & Honour. Mit der Musik sei insbesondere durch die Freien Kameradschaften eine rechte Erlebniswelt entstanden, sagt Rechtsrock-Experte Raabe. Die NPD wendete sich erst später der Musik zu, um Jugendliche und junge Erwachsene für sich zu gewinnen. An ihrer Ausrichtung lässt Musiker Arpe keine Zweifel aufkommen. In einem der neueren Songs von "Kraftschlag", "Zum Siegen verdammt", heißt es: "Dort draußen herrscht ein Krieg, der nie erklärt worden ist. (...) Ein Kampf der Kulturen gegen eine fremde Religion. (...) Ich scheiß auf Mohammed, die Bibel und den Koran, dieser Kampf hat gerade begonnen, dieser Kampf fängt gerade erst an". Die Werbung für "In.Bewegung 2014" läuft bereits.

Andreas Speit, geboren 1966, ist Journalist und Autor, der unter anderem für die taz, den Freitag oder blick nach rechts schreibt. Er arbeitet schon lange zu Neonazismus und Rechtsetremismus in Deutschland und hat bereits mehrere Bücher zu diesem Thema verfasst, darunter "Braune Kameradschaften – Die neuen Netzwerke der militanten Neonazis" (Chr. Links Verlag 2010) und "Die extreme Rechte in Deutschland" (Unrast 2009).