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Italien: Der Vormarsch des "Verschrotters"

Bernhard Schinwald

/ 7 Minuten zu lesen

In Italien ist der Populismus keineswegs unbekannt – doch aus den Europawahlen 2014 ging die Partito Democratico und damit die Partei von Regierungschef Matteo Renzi als großer Sieger hervor. Einer Antwort auf die Frage, warum ausgerechnet in Italien weder Euroskeptiker noch Populisten gut abschnitten, nähert sich der Journalist Bernhard Schinwald an.

Der italienische Premierminister Matteo Renzi während des Wahlkampfes für die Europawahlen 2014. (© dpa)

Die Europawahlen 2014 sorgten in vielen EU-Ländern für politische Verwerfungen: Euroskeptische und rechtspopulistische Parteien waren stärker denn je, etablierte und staatstragende Regierungsparteien wurden abgestraft. Ein Land jedoch, dem der Populismus eigentlich alles andere als unbekannt ist, bildete eine überraschende Ausnahme: Italien. Denn während andernorts Regierungsparteien das Nachsehen gegenüber den einfachen Parolen von euroskeptischen Politikern hatten, errang die italienische Partito Democratico (PD) unter der Führung des neuen Ministerpräsidenten Matteo Renzi einen überraschend eindeutigen Wahlsieg.

Das verhältnismäßig schwache Abschneiden von Populisten wie dem langjährigen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi oder dem ehemaligen Komödianten Beppe Grillo ist zu einem großen Teil auf eigene und parteiinterne Probleme zurückzuführen. Berlusconi schied im November 2013 aus der Regierung aus und war seither eher mit anhängenden Gerichtsverfahren als mit politischen Angelegenheiten in den Schlagzeilen. Seiner neu gegründeten Partei Forza Italia steht eine ungewisse Zukunft bevor. Die 5-Sterne-Bewegung von Beppe Grillo, seit dem Vorjahr ein gewichtiger Faktor in der italienischen Politik, konnte aufgrund interner Streitereien die Sensation der Parlamentswahlen 2013 nicht wiederholen.

Interne Probleme erklären auch das Resultat der Lega Nord. Die rechtspopulistische Partei, die bei den Europawahlen im Jahr 2009 mit 10,3 Prozent das beste Ergebnis ihrer Geschichte bei landesweiten Wahlen erzielte, kam in diesem Jahr auf 6,2 Prozent der Stimmen. In besseren Zeiten ein verlässlicher Mehrheitsbeschaffer für die Regierungskoalitionen unter Silvio Berlusconi, verlor die Lega Nord seit dem Jahr 2012 an Zuspruch, nachdem ihr Gründer und langjähriger Chef Umberto Bossi und seine beiden Söhne über einen Korruptionsskandal stürzten. Bei den Parlamentswahlen im Februar 2013 erreichte die Partei sogar nur 4,1 Prozent.

Doch mindestens so entscheidend für Erfolg oder Nicht-Erfolg der Populisten ist immer auch die Zufriedenheit der Bevölkerung mit den jeweils herrschenden Akteuren. Und diese Zufriedenheit spielt im Falle der Europawahlen in Italien – als erste landesweite Wahl unter dem neuen Ministerpräsidenten Matteo Renzi – letztlich die entscheidende Rolle.

Trotz wirtschaftlicher Probleme konnte die Regierung punkten

Matteo Renzi ist seit Februar dieses Jahres an der Spitze der Regierung und erfreut sich enormer Beliebtheit unter seinen Landsleuten. Diese Popularität spiegelt sich auch im Ergebnis der Europawahlen wider. Die PD konnte nicht nur um ganze zehn Prozentpunkte gegenüber den Parlamentswahlen im Vorjahr zulegen, sie erreichte mit 40,8 Prozent sogar mehr Stimmen als jede andere Partei in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union.

Der Erfolg des 39-jährigen Ministerpräsidenten erklärt sich mit der wirtschaftlichen und politischen Krise, in der sich Italien befindet. Seit dem Ausbruch der Eurokrise zählt das Land zu den europäischen Problemländern und wird stets im selben Atemzug mit Griechenland, Portugal oder Irland genannt, obwohl es letztlich nie Hilfe der Rettungsschirme in Anspruch nehmen musste. Noch heute kämpft es mit tiefgreifenden wirtschaftlichen Problemen. Die Rezession hat das gesamte Wachstum der letzten Jahre zu Nichte gemacht. Die Wirtschaftsleistung liegt heute auf dem Niveau des Jahres 2000. 43 Prozent der Jugendlichen sind ohne Arbeit. Die Staatsverschuldung ist auf einem Rekordhoch.

Die italienische Bevölkerung ist sich der misslichen Lage und des dringenden Reformbedarfs ihres Landes bewusst. Vor allem aber hat sie die Korruption und die verkrustete Politik der letzten Jahrzehnte satt – und damit auch eine ganze Generation von Politikern, die damit über Jahrzehnte verbunden wurde. Matteo Renzi steht für viele für den lange herbeigesehnten Generationswechsel. Genauso weiß er sich auch zu inszenieren. Zeit seiner politischen Karriere hängte er sich das Etikett des "Verschrotters" um, der die alte politische Kaste kurzerhand entsorgen will. Bei seinem Amtsantritt im Februar dieses Jahres versprach er eine große Reform pro Monat, um schrittweise nicht nur die Wirtschaft, sondern den gesamten Staatsapparat auf neue Beine zu stellen. Bei seiner Amtsübernahme unterzog er die Regierung einer deutlichen Verjüngungskur. Er besetzte acht der 16 Ministerposten mit Frauen und allesamt mit jungen und bislang wenig bekannten Gesichtern.

Renzi bringt Italien auf den "Dritten Weg"

Dem Wunsch und der Bereitschaft vieler Italiener nach tiefgreifenden Veränderungen kommt Renzi gewissermaßen auch ideologisch entgegen. Er begann seine politische Karriere in christdemokratischen Jugendorganisationen. Heute sieht er sich selbst in der sozialdemokratischen Tradition des "Dritten Weges" mit Vorbildern wie dem ehemaligen britischen Premier Tony Blair. Der Dritte Weg verbindet klassische sozialdemokratische Politik, die auf sozialen Ausgleich bedacht ist, mit wirtschaftsliberalen Ideen, die die Rolle des Staates einschränken und jene des freien Marktes stärken sollen.

In Renzis erstem Regierungsprogramm zeigte sich, was für ein politischer Spagat diese Politik ist. Einerseits setzte er Steuerentlastungen für Geringverdiener und Lohnkürzungen für Manager im öffentlichen Dienst durch. Andererseits arbeitet er an einer umfassenden Arbeitsmarktreform, die unter anderem die Lockerung des Kündigungsschutzes enthält. Er ist ein erklärter Kritiker strenger Austeritätspolitik, aber der erste, der ihre vermeintliche Urheberin, die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, gegen populistische Angriffe aus den verschiedenen Ecken des politischen Spektrums in Italien verteidigt.

Diese Wendigkeit bringt ihm gelegentlich den Vorwurf der politischen Beliebigkeit ein. In weiten Teilen der italienischen Linken gilt er als wenig fortschrittlich und opportunistisch. Die Tageszeitung "Il Manifesto" nennt ihn einen "populistischen Technokraten". Dem Gemüt der italienischen Bevölkerung in der aktuellen Lage des Landes scheint er jedoch gut zu entsprechen. Ob gewollt oder nicht, verbindet er die Eigenschaften all jener politischen Entscheidungsträger, die in den letzten Jahren in Italien erfolgreich waren: Die Reformbereitschaft seines Vorvorgängers, des Technokraten Mario Monti, die Kritik des Populisten Beppe Grillo an den verkrusteten und korrupten Verhältnissen in der italienischen Politik einerseits und der überzogenen Austeritätspolitik andererseits sowie den Populismus und die mediale Wirkung von Silvio Berlusconi.

Seinen politischen Gegnern, die mit einfachen Parolen die Wähler von sich zu überzeugen versuchen, nimmt er damit den Wind aus den Segeln. Dazu kommt, dass der Populismus auch in Renzis politischem Werkzeugkasten ein wohlerprobtes Instrument ist. Wenn es darauf ankommt, werden polemische Reden gegen politische Gegner gehalten oder der Bevölkerung nach dem Mund geredet. Mit jugendlichem und energischem Auftritt, rhetorischer Begabung und Telegenität weiß er sich auch medial gut zu verkaufen. Renzi posiert schon mal in enger Lederjacke für das Cover eines Klatsch-Magazins oder tritt in einer populären Castingshow als Überraschungsgast auf. Sein Hang zur Selbstinszenierung brachte ihm sogar die Anerkennung Silvio Berlusconis ein, der Renzi – in diesem Sinne – als seinen Nachfolger bezeichnet.

Auch die etablierten Parteien punkten mit EU-Ressentiments

In diesem populistischen Umfeld haben es Rechtsparteien schwer, Fuß zu fassen. Der politische Spielraum für Parteien im Stile des französischen Front National ist in Italien geringer. Denn wichtige Motive für die Wahl von Rechtspopulisten, wie EU-Skepsis und Ressentiments gegenüber Einwanderern, werden zu einem erheblichen Teil von den größeren Parteien bedient. Die 5-Sterne-Bewegung ist aktuell die erste Anlaufstelle für euroskeptische Wähler und Gegner der als unsozial wahrgenommenen Austeritätspolitik. Silvio Berlusconi hingegen punktet mit seinen Parolen gegen illegale Einwanderer, die er im italienischen Fernsehsender RAI einst sogar als "Armee des Bösen" bezeichnete. Wobei das Thema der Migration, trotz der Dauerbelastung durch Flüchtlingsströme aus dem Mittelmeer, speziell bei den Europawahlen 2014 aufgrund der Wirtschaftskrise und dem Reformbedarf des Landes ohnehin nur von zweitrangiger Bedeutung war.

Rechtspopulisten sind in Italien dann erfolgreich, wenn sie diese typischen Motive mit anderen Themen verbinden können. Im Falle der Lega Nord ist das etwa die Forderung nach nationaler Unabhängigkeit des wirtschaftlich starken Norditaliens. Doch selbst in erfolgreichen Zeiten bleibt das Potential für diese Parteien im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, wie Frankreich, den Niederlanden oder Österreich, gering.

Trotz des aktuellen Höhenfluges des Ministerpräsidenten kann sich der Wind in der italienischen Politik jedoch schnell wieder zu Gunsten der Populisten drehen. Denn die Probleme des Landes bleiben enorm, und mit Renzis Popularität steigen auch die Erwartungen. In den nächsten Monaten warten große Herausforderungen. Das Land ist erneut in der Rezession, dazu erstmals seit 1959 in der Deflation, die Senatsreform, ein Herzstück von Renzis Staatsumbauplänen, wird im Parlament blockiert, und der Umgang mit der steigenden Zahl der Flüchtlinge an den italienischen Küsten wird zum ersten großen Härtetest für seine Regierung.

Darüber hinaus gewinnt Matteo Renzi mit dem Erfolg bei den Europawahlen auch auf europäischer Ebene deutlich an Einfluss. Die Partito Democratico ist so stark, dass sie heute sogar die größte Delegation der sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament stellt. Zudem hält Italien und damit Renzi bis Ende 2014 die rotierende Präsidentschaft des Rates der Europäischen Union. Diese Macht bedeutet aber gleichzeitig auch Verantwortung. Anders als Grillo oder Berlusconi wird Renzi künftig nicht mehr in der EU einen einfachen Sündenbock für die italienische Probleme finden können, sondern für all das vermeintlich Schlechte aus Brüssel mitverantwortlich sein.

Die EU-Wahlen gelten im Allgemeinen als besonders willkommener Anlass, die nationalen Regierungen abzustrafen. In Großbritannien und Frankreich gewannen die Europaskeptiker nicht nur aufgrund der eigenen Überzeugungs- und Mobilisierungskraft, sondern zu einem großen Teil auch deswegen, weil sowohl die jeweils regierenden Parteien als auch die größten Oppositionsparteien wenig Zuspruch aus der Bevölkerung genießen. In Italien hingegen scheint Matteo Renzi in den Augen der relativen Mehrheit des Wahlvolks der richtige Mann zum richtigen Zeitpunkt zu sein, sodass sie ihn populistischen Schreihälsen à la Beppe Grillo und Silvio Berlusconi vorziehen.

Bernhard Schinwald studierte er Volkswirtschaftslehre an der Universität Wien. Er war leitender Redakteur beim Magazin „mokant.at“ und schreibt als freier Journalist unter anderem für "agora42" und "The European".