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Dänemark: Mit Islamhass nach Europa

Silke Bigalke

/ 9 Minuten zu lesen

In Dänemark ist die rechtspopulistische Dänische Volkspartei als große Siegerin aus der Europawahl hervorgegangen. Nach Jahren der Wirtschaftskrise und einer damit einhergehenden Sparpolitik treibt die Dänen vor allem die Angst um den Sozialstaat in die Fänge der Ausländer- und Muslimfeinde von der Dänischen Volkspartei – die den Islamhass geschickt zu schüren weiß.

Morten Messerschmidt, Mitglied der Dänischen Volkspartei und Kandidat für das Europaparlament, bei seiner Stimmabgabe für die Europawahl am 25. Mai 2014. (© dpa)

Der Erfolg war flächendeckend: In 72 von 91 dänischen Wahlkreisen erhielt die Dänische Volkspartei bei der Europawahl im Mai die meisten Stimmen. Insgesamt 26,6 Prozent der Wähler entschieden sich für die Rechtspopulisten. Diese gewannen damit klar vor den Sozialdemokraten von Regierungschefin Helle Thorning-Schmidt, die mit 19,1 Prozent auf Platz zwei landeten. Zwar lag die Wahlbeteiligung mit 56,3 Prozent etwas niedriger als bei der Europawahl vier Jahre zuvor. Dennoch erhielt der Spitzenkandidat der Dänischen Volkspartei, Morten Messerschmidt, mehr Stimmen als jemals ein dänischer Kandidat bei einer Europawahl zuvor. Für den Rechtspopulisten stimmte jeder fünfte Däne, der zur Wahl gegangen war.

Wieso haben sich so viele Dänen hinter eine EU-skeptische und einwanderungsfeindliche Partei gestellt? Eine Erklärung ist sicherlich, dass die Dänen sich um den eigenen Wohlstand sorgen, um Sozialleistungen, die sie nicht mit Einwanderern aus anderen EU-Ländern teilen möchten. Ein anderer Grund ist der verbreitete Argwohn gegenüber muslimischen Immigranten, die – so suggeriert es die Dänische Volkspartei - die Kultur des Landes verändern und seine Sicherheit bedrohen würden. Dazu kommt die Ansicht vieler Dänen, Brüssel nehme zu viel Einfluss auf die Politik in Kopenhagen. Diese Gründe sorgen seit Jahren dafür, dass die Dänische Volkspartei Wähler gewinnt.

Die Antieuropa-Debatte entzündete sich am Kindergeld

Dass sie bei der Europawahl aber besser abschnitt als je zuvor, hat sie vor allem einer Debatte zu verdanken: Dem Streit um das Kindergeld in Dänemark. Dieser hat in den Wochen vor der Wahl die Medien im Land bestimmt wie kein anderes Thema. 2010 hatte die damalige liberal-konservative Regierung festgelegt, dass Ausländer das volle Kindergeld erst erhalten sollten, nachdem sie zwei Jahre in Dänemark gearbeitet haben. Im Sommer 2013 forderte die Europäische Kommission Dänemark auf, EU-Bürger aus anderen Mitgliedsländern nicht zu diskriminieren. Jeder solle dieselben Leistungen erhalten, sobald er in Dänemark gemeldet ist. Die Regierung, inzwischen unter sozialdemokratischer Führung, kündigte an, das Gesetz zu ändern. Geschätzte Mehrkosten: rund 20 Millionen Kronen pro Jahr (gut 2,6 Millionen Euro) – eine kleine Summe im Vergleich mit den jährlichen Kosten für das Kindergeld, die bei rund 17 Milliarden Kronen (knapp 2,3 Milliarden Euro) liegen.

Trotzdem schlug das Thema bereits damals hohe Wellen. Das Kindergeld stand stellvertretend für die generelle Sorge, dass sogenannte Wohlfahrtstouristen aus EU-Staaten mit schwächeren Sozialsystemen scharenweise nach Skandinavien kommen könnten. Eine Angst, die nicht nur die Dänische Volkspartei schürte: "Das ist eine Bombe unter unserem Wohlfahrtssystem, die die Regierung nicht zu erkennen scheint", sagte etwa Brian Mikkelsen, Sprecher der Konservativen Volkspartei. Die rechtsliberale Venstre stimmte mit ein: Das Kindergeld solle den dänischen Familien helfen und sei nicht zur Selbstbedienung für Leute da, die nach Dänemark kommen und nur kurz arbeiten, sagte deren Sprecher für Steuerfragen Torsten Schack Pedersen. Die Ressentiments richteten sich vor allem auf EU-Bürger östlicher Mitgliedstaaten, beispielsweise Polen oder Rumänien.

Wie Europa vermeintlich das dänische Parlament entmachtet

Im Februar 2014 stellte die sozialdemokratische Regierung, im Parlament in der Minderheit, ein Gesetz vor, dass Dänemark auf EU-Linie bringen sollte. Es fand keine Mehrheit. Die Dänische Volkspartei reichte gemeinsam mit den Konservativen und unterstützt von der Venstre einen Gegenvorschlag ein, der das alte Recht mehr oder weniger erhalten sollte. Die Parteien stritten über Wochen, die Opposition nutzte das Thema für ihren Wahlkampf. "Die Regierung ist völlig unbesorgt darüber, wie wir dänische Sozialleistungen für die Zukunft sichern und denkt offenbar, es sei vernünftig, dass ausländische Arbeiter Kindergeld von dem Tag an nach Hause schicken können, an dem sie einen Fuß ins Erdbeerfeld setzen", so Ellen Thrane Nørby, politische Sprecherin der Venstre.

Die Dänische Volkspartei ging weiter als die anderen: Sie forderte eine dänische Ausnahme, ein Opt-Out von den EU-Verträgen in Sachen Sozialleistungen – ein ebenso unrealistischer wie verlockender Vorschlag für viele Dänen. "Die Dänische Volkspartei hat von dieser Debatte profitiert. Sie hat sich selbst als wahre Verteidigerin des Wohlfahrtsstaates dargestellt. Die pro-europäischen Politiker haben keine klaren Argumente gebracht", sagt Mehmet Ümit Necef, Associate Professor an der Süddänischen Universität. Die Europa-Befürworter rechneten vor, wie gering die Mehrkosten der neuen Kindergeld-Regel seien und wie viel Vorteile die EU-Mitgliedschaft Dänemark bringe. Es wurden Studien zitiert, um die Theorie vom Wohlfahrtstourismus zu widerlegen. Demnach bezog nur ein Bruchteil polnischer oder rumänischer Einwanderer überhaupt Sozialleistungen, am meisten wurden sie stattdessen von Bürgern des Nachbarlandes Schweden in Anspruch genommen. Es half nichts. Die Regierung habe die tief sitzende Sorge über die Zukunft des dänischen Sozialstaats ignoriert, sagt Necef. Immer würde nur über Einschnitte, Sparmaßnahmen im Kindergarten und in der Altenpflege diskutiert. "Und dann kommt diese Debatte darüber, ob ein Pole hier Geld für seine Kinder in Warschau bekommen sollte", überspitzt er.

Die Krise der dänischen Sozialdemokratie

Schon lange vor der Europawahl hatten die regierenden Sozialdemokraten wegen ihrer Sparpolitik viel Unterstützung verloren. 2011 waren sie nur dank ihrer Partner an die Macht gekommen, die Partei selbst hatte das schlechteste Wahlergebnis seit Jahrzehnten erzielt. Davor hatte eine liberal-konservative Koalition zehn Jahre lang regiert – unterstützt von der Dänischen Volkspartei, die so Einfluss vor allem auf die Einwanderungspolitik Dänemarks nehmen konnte. 2011 aber wählten die Dänen den Wechsel – und wurden enttäuscht. Denn die neue sozialdemokratische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt konnte viele ihrer Wahlversprechen wegen der schlechten Wirtschaftslage nicht einhalten. Die Arbeitslosenunterstützung wurde gesenkt statt erhöht, die Körperschaftssteuer auf Kosten sozialer Leistungen gekürzt, Ticketpreise für Bus und Bahn wurden teurer statt billiger. "Viele Wähler waren wirklich geschockt darüber, wie weit die Regierung von ihren Versprechen abwich. Da war es leicht für die Dänische Volkspartei, die enttäuschten Wähler der Sozialdemokraten, die nicht wussten, wohin sie sich nun wenden sollten, anzusprechen", sagt der dänische Journalist und Autor Rune Engelbreth Larsen.

Vor der Europawahl trafen in der Kindergeld-Debatte zwei Ängste der Dänen zusammen: Die Sorge um den Sozialstaat und die Angst, von Brüssel aus regiert zu werden. Um den EU-Vorgaben in Sachen Kindergeld zu folgen, musste Thorning-Schmidt die Entscheidung des dänischen Parlaments ignorieren – und wurde von der Dänischen Volkspartei dafür heftig angegriffen: "Haben wir eine Minderheitsregierung, der es völlig gleichgültig ist, was das Parlament denkt?", fragte Kristian Thulesen Dahl, der Vorsitzende der Dänischen Volkspartei. Der Ministerpräsidentin blieb kaum etwas anderes übrig, als auf geltendes EU-Recht zu verweisen.

Dänemark – ein Land der Europaskeptiker

Die Dänen gelten als besonders EU skeptisch, obwohl sie mehr als andere Länder vom europäischen Binnenmarkt profitieren. Als die EU-Staaten 1992 im Vertrag von Maastricht den Euro, eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und eine Unionsbürgerschaft beschlossen, war das den Dänen zu viel Gemeinschaft. Erst nachdem sie einige wichtige Ausnahmen ausgehandelt hatten, stimmten sie dem Vertrag zu. So ist Dänemark nun neben Großbritannien als einziges Mitglied nicht verpflichtet, den Euro einzuführen, es nimmt nicht an Militäreinsätzen unter EU-Flagge teil und arbeitet in Polizei- und Justizfragen nicht automatisch mit der EU zusammen. Nur eine Fünfsechstel-Mehrheit im Parlament oder Referenden können an diesem Status Quo etwas ändern. Doch vor Referenden schrecken dänische Regierungen seit Jahren zurück, weil sie ein "Nein" ihrer EU-skeptischen Landsleute nicht ausschließen können.

An der Spitze der Europaskeptiker steht die Dänische Volkspartei. Einen EU-Austritt fordert sie zwar nicht. Doch in ihrem Parteiprogramm von 2002 steht, sie werde nicht erlauben, dass Dänemark seine Souveränität aufgibt. Als Konsequenz lehne sie die EU ab. "Keine andere Partei mobilisiert die Europa-Skeptiker. Alle anderen Parteien sind pro Europa, während die Skepsis der Wähler gegenüber der EU weiter steigt", sagt Jens Peter Frølund Thomsen, Politikwissenschaftler an der Universität Aarhus. Dass Morten Messerschmidt die Grenzkontrollen an den dänischen Außengrenzen wieder einführen und Einwanderung in die EU reduzieren will, gefällt vielen Dänen.

Stimmenfang mit dem Feindbild Islam

Im Land herrscht Misstrauen vor allem gegenüber Migranten aus nicht-westlichen Ländern. "Eine große Minderheit, etwa 40 Prozent, lehnen Einwanderung von Muslimen ab", sagt Thomsen, der zum Thema geforscht hat. Eine Umfrage im Herbst 2013 ergab, dass jeder dritte Däne der Meinung ist, Dänemark sei zu tolerant gegenüber seiner muslimischen Bevölkerung. "Es ist diese bestimmte Gruppe, die den Leuten Angst macht“, sagt Thomsen. Als Gründe nennt er die großen kulturellen Unterschiede, die oft schwierige Integration in den Arbeitsmarkt, die Vermischung von Religion und Politik. Dass ein Wohnungsverein im dänischen Kokkedal sich im Winter 2012 gegen die Aufstellung eines Weihnachtsbaums entschied, löste eine landesweite Debatte aus. Im Vorstand des Vereins saßen Muslime.

Die Angst vor dem Islam kommt der Dänischen Volkspartei zugute: Seit ihrer Gründung besetzt sie das Thema und schürt den Islamhass im Land. Vor einem Jahr veröffentlichte sie in einer ganzseitigen Anzeige eine Liste mit rund 700 Namen von Einwanderern, die die dänische Staatsbürgerschaft bekommen sollten. "Eine Person auf dieser Liste ist eine Gefahr für die dänische Sicherheit. Er wird nun Däne werden“, stand darüber. Die Anzeige wurde von anderen Parteien und Journalisten scharf kritisiert. Sie schüre Hass und stelle unschuldige Menschen unter Generalverdacht, weil sie Einwanderer seien. Zwar entschuldigte sich die Partei später halbherzig. Gleichzeitig jedoch kündigte sie an, im Parlament gegen einen Erlass zu stimmen, der 1.600 Menschen die dänische Staatsbürgerschaft zuerkennen sollte. Der Partei waren zu viele Muslime darunter.

"Anti-Immigration-Politik und Politik gegen Muslime hat viel Popularität in Dänemark gewonnen“, sagt der Journalist Larsen. Andere Parteien hätten es aufgegeben, die Dänische Volkspartei dafür zu kritisieren, manche einfach ihre Ansichten übernommen. Zum Beispiel die rechtsliberale Partei Venstre. Im Juli 2014 forderte die Parteisprecherin und ehemalige Arbeitsministerin Inger Støjberg strengere Regeln für Immigranten aus nicht-westlichen Ländern. Es sei nicht notwendig, dieselben Forderungen an alle Einwanderer zu stellen, schrieb sie in einem Gastkommentar für die Tageszeitung Berlingske: Zwischen einem christlichen Amerikaner oder Schweden einerseits und einem muslimischen Somalier oder Pakistaner andererseits gebe es große Unterschiede in Fähigkeit und Willen, sich zu integrieren.

Es mag ein Versuch gewesen sein, der Dänischen Volkspartei Stimmen bei den kommenden Nationalwahlen abzuwerben. Bisher haben solche Forderungen jedoch vor allem den Rechtspopulisten genutzt. Nicht nur, dass die anderen Parteien die Abneigung gegen Einwanderer salonfähig gemacht haben. Sie hätten, so Larsen, den Dänen damit auch suggeriert, dass die Rechtspopulisten von Anfang an Recht gehabt hätten.

Die Journalistin Silke Bigalke berichtet unter anderem für die Süddeutsche Zeitung über dänische Politik.