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Die neonazistische Musik-Szene: Transnational wie nie | Rechtsextremismus | bpb.de

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Die neonazistische Musik-Szene: Transnational wie nie

Jan Raabe

/ 13 Minuten zu lesen

Von London bis Porto, von Athen bis Helsinki – jede Woche finden europaweit Neonazi-Konzerte statt. Mal kommen nur hundert Zuschauer, mal sind es mehrere tausend. Und oft stehen deutsche Bands auf der Bühne.

Die Rechtsrock-Szene ist gut vernetzt und bietet eine lukrative Einnahmequelle sowohl für Musikverlage als auch für Organisationen wie Blood & Honour oder neonazistische Kameradschaften. Bei keinem anderen Bereich des Rechtsextremismus haben internationale Verbindungen größere Relevanz als bei der Musik. Wie und warum funktioniert diese Zusammenarbeit in einer nationalistischen Szene? Wie weit reichen die Netzwerke? Und welche Ziele haben sie?

„White Power“ als gemeinsamer Nenner

Das transnationale Agieren der extrem rechten Jugend- und Musikkultur hat teilweise ideologische, teilweise auch praktische Gründe. Anders als in weiten Teilen der organisierten und parteiförmigen extremen Rechten dominiert auf ideologischer Ebene nicht der Nationalismus als Bezugspunkt, sondern es dominieren Rassismus und Nationalsozialismus. „I stand watch my country, going down the drain. We are all at fault, we are all to blame. We’re letting them takeover, we just let ‘em come. Once we had an empire, and now we’ve got a slum“ sang Ian Stuart Donoldson, Kopf der britischen Band Skrewdriver Anfang der 1980er Jahre. In dem Lied verbindet er ohne Begründung Einwanderung und Niedergang. Im eingänigem und oft wiederholtem Refrain schreibt er dann die angebliche Lösung „White power, for England. White Power, today. White Power, for Britain, before it gets too late.“

Im englischsprachigen Raum wird rechtsextreme Musik von Bands und Fans folgerichtig oft als „White Power Music“ bezeichnet – dies macht die Orientierung an der angeblichen Überlegenheit einer „weißen Rasse“ als zentrales Ideologie-Moment deutlich. Dadurch verschiebt sich der Fokus vom Nationalismus und dem je eigenen Nationalstaat – und eint die Aktivistinnen und Aktivisten über einen vermeintlich gemeinsamen rassischen Hintergrund und gemeinsamen Kampf. Die Verschiebung des Fokus vom Nationalismus auf den Rassismus und auch den Nationalsozialismus, welcher als konsequente Umsetzung des Rassismus gesehen wird, prägte die extrem rechte Jugendkultur seit Anfang der 1980er. Analog zur internationalen Verbreitung der Musik und der Entstehung erster transnationaler Kontakte und Netzwerke. Der Zweite Weltkrieg wird in dieser Erzählung zu einem von „den Juden“ mittels Zwietracht initiierten Interner Link: Bruderkrieg. Heute gelte „No More Brother War! – Nie wieder Bruderkrieg!“. So lautete bereits der Titel eines 1996 erschienenen Samplers; ein weiterer, 2015 erschienener Sampler trägt denselben Namen.

Diese beiden Musiksammlungen sind auch deshalb außergewöhnlich, weil neben deutschen Bands vor allem Bands aus Osteuropa vertreten sind. Der jüngere Sampler etwa enthält neben Liedern der deutschen Band „Strafmass“ Titel von „Indulat“ aus Ungarn und „Legion Twierdzy Wrocław“ und „Odwet 88“ aus Polen. Gerade die Kooperation mit polnischen Rechtsextremen ist etwas Besonderes. Denn bei allem Zusammengehörigkeitsgefühl als „Weiße Rasse“ sind für viele deutsche Neonazis die Anhänger der extremen Rechten in Polen aufgrund der Gebietsabtrennungen von Ostpreußen und Teilen Schlesiens und Pommerns nach dem Zweiten Weltkrieg immer noch „Landräuber“. Deutschlands wohl bekannteste neonazistische Band „Landser“ sang 1998 in ihrem Lied „Polacken-Tango“, „Wenn bei Danzig die Polenflotte im Meer versinkt und das Deutschlandlied auf der Marienburg erklingt, dann zieht die Wehrmacht mit ihren Panzern in Breslau ein, und dann kehrt Deutschlands Osten endlich wieder heim“. Damit brachte die Band die Position vieler deutscher Neonazis auf den Punkt. Dass deutsche Bands zwischen 2005 und 2016 nur elf Mal im Nachbarland Polen auf der Bühne standen und damit seltener als etwa in der ebenfalls benachbarten Tschechischen Republik (34), oder in Belgien (44). Sogar weniger als in Russland (13), Finnland (14) oder der Ukraine (15), dürfte Ausdruck einer anti-polnischen Einstellung sein, welche die White-Power-Ideologie überlagert.

Wo Hakenkreuzfahnen legal sind

Jenseits ideologischer Gemeinsamkeiten hat die transnationale Zusammenarbeit oft sehr praktische Gründe. Sei es, dass die Gesetzgebung in einem anderen Land liberaler ist, oder dass die Strafverfolgungsbehörden kaum auf neonazistische Aktivitäten reagieren. In Deutschland ist es im Gegensatz zu vielen anderen Ländern Europas verboten, Hakenkreuzfahnen zu schwenken oder den Hitlergruß zu zeigen.

Die unterschiedliche Gesetzgebung und das unterschiedliche Agieren führten dazu, dass neonazistische Rockbands aus Deutschland ihre CDs mit strafrechtlich relevanten Inhalten bei Musikverlagen im Ausland veröffentlichten. So erschienen zum Beispiel Tonträger der Brandenburger Band „Hassgesang“ beim US-amerikanischen Label „Micetrap“. Illegale CDs und LPs deutscher Bands können bis heute recht einfach aus dem Ausland bezogen werden. Das Label und der Versand „Blackshirt Records“ in Italien zum Beispiel vertreibt in Deutschland verbotene CDs von „Hassgesang“ oder der deutschen Band „Hate Society“, gegen die in der BRD ein Beschlagnahmebeschluss vorliegt. Der Mechanismus funktioniert aber auch andersherum: Internationale Größen des Rechtsrock, wie beispielsweise die US-amerikanische Band „Blue Eyed Devils“, veröffentlichten teilweise ihre Platten in Deutschland und fanden in Europa und gerade in Deutschland einen wesentlich größeren Absatzmarkt als in den USA.

Auch bei Konzerten greifen die unterschiedlichen Rechtsnormen verschiedener Länder. Um ihre neonazistische Einstellung ungestraft und in entspannter Atmosphäre zeigen zu können, reisen deutsche Rechtsextremisten und rechtsextreme Bands gern ins Ausland, wo Veranstaltungssäle unbehelligt mit Hakenkreuz- oder auch SS-Fahnen dekoriert werden können.

Mit Auftritten im Ausland vermeiden Veranstalter und Mitwirkende an Konzerten auch Repressionsmaßnahmen der Sicherheitsbehörden. Für den 20. Februar 2016 war beispielsweise ein Konzert mit der neonazistischen Band „Kategorie C“ aus Bremen und dem neonazistischen Rapper Makss Damage aus Ostwestfalen im Raum Aachen angekündigt. Tatsächlich fand das Konzert 60 Kilometer von Aachen entfernt im belgischen Malmedy statt. Ein für die Westpfalz angekündigtes Konzert am 13. August 2016 fand im französischen Volmunster statt. In den Nachbarländern ist die Aufmerksamkeit der Behörden und Zivilgesellschaft meist nicht so groß wie in Deutschland. So gehen die Veranstalter ein geringeres Risiko ein, dass die Konzerte verboten oder aufgelöst werden. Seit beispielsweise 2013 und 2014 mehrere Konzerte neonazistischer Bands in Nordrhein-Westfalen von der Polizei und antifaschistischen Gruppen verhindert wurden, finden die für dieses Bundesland angekündigten Konzerte nun oft in Belgien statt.

Auch Tourneen sind mit internationalen Netzwerken leichter zu organisieren. Bands etwa aus den USA für nur ein Konzert nach Europa zu holen, ist teuer und risikoreich - mit Hilfe internationaler Netzwerke jedoch ist es leicht möglich, aufeinanderfolgende Konzerte in verschiedenen Ländern zu organisieren. So trat der Sänger der australischen Band „Fortress“ im März 2017 nicht nur in Frankreich auf, sondern auch in Schweden und Deutschland.

Grenzübergreifende Zusammenarbeit

Bei mindestens 61 im Jahr 2016 international stattgefundenen Konzerten und Liederabenden der extremen Rechten standen deutsche Musikerinnen und Musiker auf der Bühne. Das ist häufiger als je zuvor. Die meisten Auftritte der letzten Jahre (2005-2016) fanden in Italien (85), Frankreich (51), Ungarn (47) und Belgien (44) statt. Die ersten drei Länder haben eine große rechtsextreme Szene, sodass es nicht weiter verwunderlich ist, dass hier häufiger deutsche Bands auftraten. In Belgien hingegen existiert nur eine sehr kleine Szene. Diese ist jedoch in der Lage, in Zusammenarbeit mit den deutschen „Kameraden“ Konzerte zu organisieren, für die sie sich oftmals um die Räume kümmern und die Schleusungspunkte besetzen, also jene Treffpunkte, an denen die anreisenden Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Augenschein genommen werden und weitere Infos zum Veranstaltungsort erhalten.

Die Schweiz hat nur eine kleine rechtsextreme Szene und einige wenige Bands, welche kaum international bekannt sind. Am 15. Oktober 2016 fand trotzdem in dem kleinen Ort Alt St. Johann das „Rocktoberfest“ statt. Im Laufe des Konzerts, zu dem laut Behördenangaben 5000 Besucherinnen und Besucher erschienen, traten die deutschen Bands „Stahlgewitter“, „Confident of Victory“, „Exzess“ und der Rapper „Makss Damage“ auf, ebenso wie die Schweizer Band „Amok“. Angekündigt worden war das Konzert für den Raum Süddeutschland, über E-Mail oder Telefon wurden die Besucherinnen und Besucher Richtung Ulm gelotst. Erst dort erhielten sie nach eingehender Überprüfung und Kontrolle Informationen über den tatsächlichen Veranstaltungsort. So hofften die Organisatoren, den Ort vor Journalisten, Behörden und natürlich auch vor der Antifa geheimzuhalten. Mit Autos und Bussen fuhren sie dann noch fast 180 km in die Schweiz.

Von den ca. 5000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollen knapp 70 Prozent aus Deutschland angereist sein. Bei der Organisation des Konzertes kooperierten zumindest Strukturen aus Deutschland und der Schweiz, vermutlich noch aus anderen Ländern. Bei einem Eintrittspreis von 30 Euro spielten allein die Eintrittsgelder etwa 150.000 Euro ein. Auch wenn Miete für Raum und Technik und Gagen für die Musikerinnen und Musiker abgezogen werden müssten, so blieben vermutlich – bei einem einzigen Konzert – weit über 100.000 Euro Gewinn aus Eintrittsgeldern und dem begleitenden Verkauf von Getränken, T-Shirts, Tonträgern etc.

Mit seiner hohen Besucherzahl stellt das Konzert ein Novum dar, aber es finden in Europa jährlich wiederkehrende, mehrtägige Festivals der Neonazi-Szene mit teilweise mehreren tausend Teilnehmerinnen und Teilnehmer statt. In Norditalien gibt es seit 1990 das „Return to Camelot“, auf dem 2016 die sächsische Band „Sachsonia“ auftrat. Ebenfalls 2016 trat beim vierten „Orle Gniazdo“ Festival in Polen die Bremer Band „Kategorie C“ auf. Das „Boreal“-Festival, das zum ersten Mal 2012 in Ungarn stattgefunden hatte und auf dem sowohl Bands spielen als auch Vorträge und Diskussionsrunden angeboten werden, wurde 2016 am Gardasee in Italien ausgetragen. Mit dabei war die Band „Naked but Armed“ aus Baden-Württemberg. Selbst in der Ukraine werden immer wieder deutsche Bands zumindest angekündigt: So sollten etwa „Kraftschlag“ aus Sachsen-Anhalt und „Die Lunikoff Verschwörung“ aus Berlin auf einem für den 26. März 2016 angesetzten Konzert unter dem Motto „Töten für Wotan“ in Kiew auftreten, das aber verschoben wurde. „Die Lunikoff Verschwörung“ trat schließlich gemeinsam mit den ukrainischen Bands „Sokyra Peruna“ und „Komu Vnyz“ sowie der russischen Gruppe „M8L8TH“ am 30. April 2017 in der ukrainischen Hauptstadt auf.

„Blood & Honour”

„Comrades, the voices of the dead battalions, of those who fell, that Europe might be great. Join in our song, for they still march in spirit with us and urge us on that we gain the national state“ - diese Worte sang Ian Stuart, der Frontmann der neonazistischen britischen Band „Skrewdriver“ 1984 in dem Lied „Hail the new dawn“. Stuart verwendet hier nicht nur lyrische Zitate des Horst-Wessel-Liedes, sondern auch den in dieser Szene ungewöhnlichen Bezugsrahmen Europa. Im Refrain heißt es dann: „The streets are still, the final battle has ended. Flushed with the fight, we proudly hail the dawn. See over the streets, the white man's emblem is waving. Triumphant standards of a race reborn“.

Ideologisch bezieht sich Ian Stuart hier auf den in neonazistischen Kreisen beschworenen „Kampf der Weißen Rasse“ und nimmt Rekurs auf den Nationalsozialismus und Europa. Mit diesen Aussagen formulierte er schon vor mehr als dreißig Jahren die programmatische Basis des von ihm und seinen „Kameraden“ 1987 gegründeten Musiknetzwerkes „Blood & Honour“. Das Netzwerk ist inzwischen allein in Europa in 16 Ländern aktiv. Zweck der Zusammenarbeit war und ist es, für die rassistischen und neonazistischen Bands der Szene Auftrittsmöglichkeiten zu organisieren und Tonträger zu produzieren und zu vertreiben. Nicht zuletzt soll auch Geld für die Musiker und jene verdient werden, die in der Szene organisatorische Aufgaben übernehmen.

Im Dezember 2016 veröffentlichte „Blood & Honour Hungary“ auf ihrer Website eine Liste mit bisher 27 für das Jahr 2017 von den nationalen Divisionen des „Blood & Honour“-Netzwerkes geplanten Konzerten. Die Aufzählung startet mit einem „London Calling“ Konzert am 28. Januar 2017 in England und endet mit dem „White Christmas“-Konzert am 2. Dezember 2017 in Schweden. Es werden auch mehrere Konzerte in Deutschland angekündigt, obwohl das Netzwerk hier seit dem Jahr 2000 verboten ist.

„Blood & Honour“ ist der international wichtigste Konzertveranstalter für rechtsextreme Bands, auch für jene aus Deutschland. Von den 61 Auftritten deutscher Bands oder Liedermacher im Jahr 2016 im Ausland wurden mindestens 20 von „Blood & Honour“ (mit)organisiert. Darunter waren Konzerte in Frankreich, England, Bulgarien, Italien, Portugal, Finnland, Schweden und Slowenien. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stellte in seinem Jahresbericht von 2003, also drei Jahre nach dem Verbot von „Blood & Honour“ in Deutschland fest, die Organisation sei „nach Verbot weitgehend zerfallen“. In neueren Berichten wird sie lediglich als „verboten“ aufgelistet. Angesichts der regen Aktivitäten auf den internationalen Bühnen von „Blood & Honour“ muss aber festgestellt werden, dass die Organisation weiterhin eine wichtige Rolle spielt – und deutsche neonazistische Bands sie für sich zu nutzen wissen.

„Hammerskins“

Der zweite Akteur von internationaler Bedeutung sind die Interner Link: „Hammerskins“. Das 1987 in Texas gegründete Netzwerk versteht sich als Eliteorganisation der „white working class“-Skinheads. Seit 1990 haben die „Hammerskins“ auch „Chapter“, so nennen sie in Anlehnung an die Rocker ihre Untergliederungen, in Europa. Aktuell existieren solche „Chapter“ zum Beispiel in Spanien, Portugal, der Schweiz, Frankreich, Italien, Schweden, Ungarn und auch in Deutschland. England ist jedoch fest in der Hand von „Blood & Honour“. Jährlich veranstalten die „Hammerskins“, die straff organisiert sind, ein zentrales Konzert, das „Hammerfest“. Am Rande des Konzertes findet das „European Officer Meeting“, das Treffen der Vertreter der nationalen Gruppen, statt. Während für dieses Treffen im Jahr 2012 ca. 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die Organisationselite der Hammerskins, zusammentrafen, kamen zum abendlichen Konzert bis zu 2000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. 2016 war das Hammerfest in Frankreich angekündigt; im Line-up fanden sich neben französischen, niederländischen und ungarischen natürlich auch deutsche Bands: „Division Germania“ aus Nordrhein-Westfalen und „Wolfsfront“ aus Rheinland-Pfalz/Saarland.

Hauptakteure intensivieren ihre Zusammenarbeit

Unter dem Motto „Europe Awake“ fand am 19. November 2016 ein Konzert in Mailand statt, welches gemeinsam von den „Hammerskins“ und „Blood & Honour“ organisiert wurde. Auch hier traten wieder deutsche Bands auf: „Frontfeuer“ und „Blitzkrieg“ aus Brandenburg. Das Konzert deutet auf ein Zusammenrückens der beiden großen Netzwerke der rechtsextremen Musikszene hin. Zuvor hatten in anderen Ländern bereits kleinere gemeinsam veranstaltete Konzerte stattgefunden. Nach Jahren der Konkurrenz scheinen die Streitigkeiten beigelegt zu sein. Das dürfte dazu führen, dass die Szene sich international noch besser vernetzt. Dies würde ihnen mehr Möglichkeiten bieten, die Behörden zu täuschen, Geld zu verdienen, junge Menschen in eine Erlebniswelt des Neonazismus eintauchen zu lassen und den organisierten alten Kadern Gelegenheiten für Treffen und Absprachen zu geben.

Die alten Kader, die teilweise schon seit mehr als zwanzig Jahren im Rechtsrock aktiv sind, haben längst erkannt, dass grenzüberschreitendes Agieren in vielen Bereichen Vorteile bietet. Das transnationale Agieren aber auf die Ebene der Praxis zu reduzieren greift zu kurz. Der ideologische Überbau eines gemeinsamen Kampfes für die „weiße Rasse“, das „Abendland“ oder eben schlicht eines ebenfalls transnationalen Faschismus schafft die Grundlage für diese Praxis.

Fussnoten

Fußnoten

  1. „No More Brother War“, CD, Di-Al-Records, 1996 mit den Bands Besta Bellica (Italien), Svastika (Schweden), Razors Edge (Großbritannien), Kratky Proces (Slowakei), Konkwista 88 (Polen), Freikorps (Deutschland), Excalibur (Tschechische Republik), Estirpe Imperial (Spanien), Combate (Italien) und Celtic Warrior (Großbritannien).

  2. „No More Brother Wars“, CD, Baribal-Records, 2015, mit den Bands Wsspolen (Polen), Strafmass (Deutschland), Indulat (Ungarn), Odwet 88 (Polen) und Legion Twierdzy Wrocław (Polen).

  3. In dem Lied „Landräuber“ der neonazistischen Band „Sturm 18 heißt es: „Man diskutiert über alle Herrenländer nur nicht über das, was uns angetan Nicht über die Landräuber, dort in Polen, die uns unser Land gestohlen Doch von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt. Alle sind sie deutsche Städte und das schönste Land der Welt“. Sturm 18: Landräuber, auf Komm zu uns, CD 2002.

  4. Landser: Polacken-Tango, auf: Rock gegen Oben, CD 1998.

  5. So kursieren auf Facebook Bilder eines Konzertes mit der deutschen Band Kategorie C von einem Konzert am 25.10.2014 in Slowenien, welche zeigen, dass der Konzertraum u.a. mit einer Hakenkreuzfahne ausgestattet war.

  6. Auf dem Werbeflyer für das Konzert heißt es „Raum Aachen“.

  7. Deutscher Bundestag, Drucksache 18/8381.

  8. Ankündigungsflyer der Veranstalter.

  9. Deutscher Bundestag, Drucksache 18/10215.

  10. Flyer für das unter dem Motto „Defend Europe“ angekündigte Konzert am 18.03.2017 mit den deutschen Bands Blitzkrieg, Division Germania, Heiliger Krieg, der englischen Band Squadron und der australischen Band Fortress.

  11. Flyer für das ebenfalls unter dem Motto „Defend Europe“ angekündigte Konzert mit den schwedischen Bands Tors Vrede, Wafflor Waffen und Marder, dazu die australische Band Fortress am 25.03.2017 im „Stockholm Area“. Bild des Konzerts unter https://www.facebook.com/MarderFinland/photos/rpp.184869585350349/192634144573893/?type=3&theater eingesehen am 28.3.2017.

  12. Flyer unter der Überschrift „Stimmen der Bewegung“ mit den deutschen Bands Flak, Carpe Diem, Breakdown, Germanium und „Scott (Fortress)“ am 1.4.2017 in der „Region Südwestdeutschland“. Bericht vom Konzert https://logr.org/tddz2017/ eingesehen am 4.5.2017.

  13. Dem Autor liegen Quellen für diese Aufzählung vor.

  14. Björn Resener, Johannes Radke: 5.000 Neonazis feiern ungestört in der Schweiz, auf http://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2016/10/17/neonazis-schweiz-rock-konzert_22534 eingesehen am 15.03.2017.

  15. „Süddeutschland“ hieß es auf dem Ankündigungsflyer für das Konzert.

  16. Einschätzung der Quellen des Autors.

  17. Einschätzung des Autors, entsprechende Hinweise liegen vor.

  18. Jan Jirát: Unterwasser liegt in Thüringen, auf https://www.woz.ch/-7383 eingesehen am 15.03.2017.

  19. https://www.facebook.com/ritornoacamelot/ eingesehen am 12.09.2016.

  20. "Festival Orle Gniazdo 2016.07.15. Kategorie C – So sind wir“, auf; https://www.youtube.com/watch?v=Qr0k84Vq-Ik eingesehen am 20.07.2016.

  21. „Am Wochenende spielten wir zum krönenden Abschluss unserer jetzt schon legendären "naked butt army" Tour auf dem Boreal Festival am Gardasee“, auf: https://www.facebook.com/Naked-but-armed-240797599346708/ eingesehen am 6.7.2016.

  22. https://vk.com/xcxxxxxx, eingesehen am 3.04.2016.

  23. https://vk.com/event138089755, https://en-gb.facebook.com/m8l8th.division/posts/1364215516934155, eingesehen am 23.02.2017.

  24. Skrewdriver: Hail the new dawn, auf: Hail the new dawn, LP 1984, Rock-O-Rama-Records.

  25. Vgl. Lowless, Nick: Die internationale des Hasses, in: Dornbusch, Christian; Raabe, Jan (Hg.): RechtsRock. Bestandsaufnahme und Gegenstrategien. Unrast Verlag, Münster 2002.

  26. http://bhhdivision.blogspot.de/, eingesehen am 28.12.2016.

  27. Von Blood & Honour Haxagone organisiertes „White Christmas“ Konzert mit den deutschen Bands Brainwash und Nordglanz am 10.12.2016.

  28. Von Blood & Honour UK organisiertes „Ian Stuart Donaldson-Memorial“ Konzert mit der deutschen Band Weiße Revolutionäre am 24.09.2016.

  29. Von Blood & Honour Bulgaria unter dem Motto „Defend Europe" organisiertes Konzert mit der deutschen Band Exzess am 26.11.2016.

  30. Konzert am 19.11.2016 unter dem Motto "Europe Awake", organisiert von den Hammerskins und Blood & Honour. Hier traten die deutschen Bands Frontfeuer und Blitzkrieg auf.

  31. Am 29.10.2016 trat die deutsche Band Randgruppe Deutsch auf einem von Blood & Honour Portugal organisiertem Konzert auf.

  32. Im Rahmen eines Konzertes am 17.09.2016 trat die deutsche Band Division Germania auf einem von Blood & Honour Finland und Hammerskins organisiertem Konzert auf.

  33. Auftritt der deutschen Gruppe Division Voran im Rahmen des 4. Sommerfest von Blood & Honour / Combat 18 Skandinavien am 27.08.2017.

  34. Von Blood & Honour Slowenien organisiertes "15 years Blood & Honour Slovenia" Konzert mit der deutschen Band Division Germania am 30.04.2016.

  35. https://www.antifainfoblatt.de/artikel/internationaler-hass, eingesehen am 12.03.2017.

  36. Anmerkung des Autors: Die Hammerskins führen sehr regelmäßig National Officer Meetings und European Officer Meetings durch. Es gibt festgelegte Anwärterzeiten etc. Das gab und gibt es bei „Blood & Honour“ nicht.

  37. http://www.berliner-zeitung.de/politik/hammerskins-europas-neonazis-feiern-sich-selbst-4188738, eingesehen am 12.03.2017.

  38. Flyer für das „Hammerfest“ Konzert am 18.06.2016 in „East France“.

  39. https://www.facebook.com/Skinhouse-Milano-482213018548089, eingesehen am 21.11.2016.

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Der Soziologe und Autor Jan Raabe, Jahrgang 1965, beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema Rechtsextremismus. Einer seiner Arbeitsschwerpunkte ist rechtsextreme Musik und die Neonazi-Musikszene in Deutschland. Er ist Mitherausgeber und -verfasser des Standardwerks "RechtsRock – Bestandsaufnahme und Gegenstrategien" (Landeszentrale für politische Bildung Thüringen 2010)