Antifeminismus kann als ein Scharnier zwischen offen gewaltbereiten Gruppierungen und denen, die sich von der offenen Gewaltanwendung distanzieren, dienen. Dies kann diskursive Allianzen und eine neue Akzeptanz frauen- und queerfeindlicher Positionen in unterschiedlichen Teilen der Gesellschaft verstärken.
Antifeminismus
Unter dem Begriff des
Antifeministische Erzählungen haben eine lange Geschichte, und suchen sich immer wieder neue Anlässe. Zu Beginn des 20.Jahrhunderts beschworen Antifeminist:innen die Angst, die Gesellschaft sei in hohem Maße gefährdet, wenn Frauen die Universitäten besuchen, wählen und gleichberechtigt am öffentlichen Leben teilnehmen. Heute spielt dies kaum noch eine Rolle, und andere Themen dienen der Mobilisierung. So ist es u.a. die Anerkennung vielfältiger geschlechtlicher und sexueller Lebensweisen, die ähnliche Angstszenarien hervorruft: Beispielsweise versuchten antifeministische Gruppen, die Verabschiedung der Ehe für alle Sommer 2017 zu verhindern.
Der Antifeminismus ist zu unterscheiden von einer bloßen Kritik an feministischen Positionen und Politiken: „Die Feminismus- oder Genderkritik“, so die Sozialwissenschaftlerin Ilse Lenz, „(…) setzt sich inhaltlich mit feministischen und Geschlechteransätzen auseinander und kritisiert ihre Positionen, Probleme und Widersprüche.“
Antifeminismus, Sexismus und Misogynie
Es existieren Schnittmengen zwischen Antifeminismus und anderen Formen geschlechterbezogener Abwertung wie Sexismus oder Frauenhass (Misogynie). Bei Sexismus handelt es sich um eine unmittelbare und alltägliche Erfahrung von Mädchen und Frauen. In den meisten Fällen kommt Sexismus in Form von Abwertungen zum Ausdruck. Sexismus weist Männern und Frauen aufgrund ihres Geschlechts bestimmte gesellschaftliche Rollen zu, die mit ungleichen Verwirklichungschancen einhergehen. Sexismus steht somit einer tatsächlichen Gleichberechtigung, wie sie im Grundgesetz Art. 3 Abs. 2 verankert ist, entgegen. Der Antifeminismus verteidigt Sexismus als Mittel, um eine traditionelle Geschlechterordnung zu erhalten.
Antifeminismus in der autoritären und extremen Rechten
In der extremen Rechten gehört der Antifeminismus seit jeher zu den ideologischen Grundfesten. Er äußert sich in einem Geschlechter- und Familienbild, das eine in Teilen völkische Geschlechterordnung mit
Das Feindbild „Gender“ dient der extremen Rechten in den vergangenen Jahrzehnten als Containerbegriff und Scharnier in andere antifeministische Milieus. Es waren ursprünglich katholisch-klerikale Kreise, die in Reaktion auf die Weltfrauenkonferenzen in Peking 1995 Ressentiments gegen „Gender“ schürten.
Das Thema der reproduktiven Selbstbestimmung gehört seit jeher zur Kernagenda des Antifeminismus. Im Mittelpunkt dessen steht die bis heute kontrovers geführte Debatte um einen medizinisch sicheren und straffreien Schwangerschaftsabbruch, ferner auch der Zugang zu Verhütungsmitteln. Sozialverbände blicken mit Sorgen auf Pläne extrem rechter Parteien, Schwangerschaftsabbrüche mit zusätzlichen Hürden zu belegen.
Familienpolitik der AfD
Neben der Anti-Migrations- und der Anti-Euro-Politik machte eine streng antifeministisch ausgerichtete Familienpolitik eine von drei Säulen der Alternative für Deutschland bei ihrer Parteigründung im Februar 2013 aus. „Nur die traditionelle Familie“, so heißt es in einem Antrag der AfD im Deutschen Bundestag, „kann für eine Gesellschaft Werte stiften und Leitbilder setzen. In ihr als einer elterlichen Sorgegemeinschaft sind Mutter und Vater in dauernder Verantwortung für die gemeinsamen Kinder verbunden.“ Die Fraktion der AfD im Deutschen Bundestag reagierte mit diesem Antrag darauf, dass der zuvor gestellte Antrag, die Bundestagsentscheidung zur Ehe für alle aus dem Sommer 2017 rückgängig zu machen, von allen im Bundestag vertretenen Fraktionen abgelehnt wurde.
Antifeminismus als Scharnier
Zahlen der Leipziger-Autoritarismus-Studie aus dem November 2024 verweisen auf antifeministische Einstellungen in allen Teilen der Bevölkerung. So stimmt jede:r Fünfte der Befragten der Aussage zu „Durch den Feminismus werden die gesellschaftliche Harmonie und Ordnung gestört.“
Der Begriff „Gender“ erfährt auch jenseits der konservativen und extremen Rechten Kritik.
Dass die extrem rechte Mobilisierung stellenweise funktioniert, hat mehrere Gründe. So ist die Vorstellung zweier von Natur aus gegensätzlicher, hierarchischer Geschlechter tief verankert in den Geschlechterordnungen der westlichen Welt. Sie wird als Ausdruck von Normalität beschrieben und gelebt. Diese Normalität wird von Teilen der feministischen und queeren Akteur:innen infrage gestellt. Sie kritisieren eine in vielen Bereichen anhaltende Ungleichbehandlung entlang von Geschlecht und sexueller Identität.
Die extreme Rechte inszeniert sich als letzte Verteidigerin einer zweigeschlechtlichen, heteronormativen Geschlechterordnung, und buhlt um die Zustimmung all jener, die den eigenen Lebensentwurf hinterfragt sehen. Hierfür bemüht sie Vorbehalte und Ressentiments gegen Feminismus und „Gender“, zu deren Verbreitung sie in den letzten Jahren selbst beigetragen hat. So beschrieben extrem rechte Politiker:innen den Abbau bestehender Diskriminierungen gegenüber Frauen und queeren Personen in den letzten Jahrzehnten stets als Bedrohung.
Dies stellt demokratische Akteur:innen vor eine doppelte Herausforderung: So ist es eine politische und gesellschaftliche Aufgabe, den demokratischen Widerstreit um den Inhalt und die Gestalt von Antidiskriminierungspolitiken zu führen, begründet und in öffentlichen Debatten. Und sich zugleich abzugrenzen vom Antifeminismus der extremen Rechten.