Pionierinnen im Fußball – Von der Produktion auf den Platz
Carina Sophia Linne
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Wo und wann gab es die ersten Fußballspielerinnen in der DDR? Ein Bericht über die oft vergessene Geschichte des Frauenfußballs im „Osten“ bis hin zum einzigen Länderspiel am 9. Mai 1990.
Noch heute, im 35. Jahr nach der Öffnung der Mauer, sind manche Menschen erstaunt, dass es schon seit 1960 Frauen in der DDR gab, die offiziell Fußball spielten. Wer waren diese Frauen, die dem runden Leder nachjagten? Eigentlich ist dies schnell erzählt. In einem Artikel der ostdeutschen „neuen Fußballwoche" schrieb der Autor am 2. Februar 1960 von einem Frauenfußballspiel in der sächsischen Elbmetropole. Diese Fotoreportage konzentrierte sich zwar auf den als noch sehr laienhaft wahrgenommenen Umgang der Frauen mit dem Ball. Als journalistisches Zeugnis bestätigte sie allerdings die Anfänge des Frauenfußballs in Dresden – knapp acht Jahre früher, als allgemein in der Populärwissenschaft bisher angenommen wurde.
Die Anfänge
In den ersten Jahren waren es regelrechte Pionierinnen des weiblichen Fußballsportes, die dafür sorgten, dass beispielsweise „Die neue Fußballwoche“ oder das „Deutsche Sportecho“ über ihre Spiele berichteten. Im Gegensatz zum Westen Deutschlands hatten diese Frauen das Glück, dass sie sich nicht mit einem Verbandsverbot auseinandersetzen mussten. Sie wurden vom Deutschen Fußballverband der DDR (DFV) bereits anerkannt. Der Leipziger Bürger Fritz Große berichtete am 3. Januar 1968 über ein Frauenfußballturnier in der Messestadt, das in der zweiten Jahreshälfte 1967 auf dem Platz der BSG Leipzig-Nordost ausgetragen worden war. Damals spielten vier Mannschaften aus Halle, Wittenberg, Bergwitz und Leipzig in Turnierform gegeneinander. Große fragte, warum eigentlich nicht auch die Frauen spielen dürften, denn sie verlören dabei nicht gerade an Grazie und Anmut. Sein frühes Plädoyer 1968 lautete wie folgt: „Ich verstehe überhaupt nicht, weshalb der Frauenfußball allerorts so wenig für voll genommen wird. Die Mädchen aus Halle klagten zum Beispiel darüber, daß sie seit Juni keine Möglichkeit mehr zum regelmäßigen Training erhalten haben.“
Unmittelbar vorher hatte sich die in Leipzig geborene Waltraud Horn im November 1967 ein Herz gefasst und einen Brief an den DFV gesandt, mit der Bitte um Unterstützung des Frauenfußballs in Leipzig. Das Antwortschreiben des DFV-Präsidenten Wolfgang Riedel machte deutlich, dass die Anfänge des Frauenfußballs von offizieller Seite nicht sehr ernst genommen wurden. Waltraud Horn erhielt zunächst nicht die gewünschte Unterstützung des Verbandes. Sie ließ sich jedoch nicht entmutigen und wurde nur ein Jahr später von der Sektion Fußball der Betriebssportgemeinschaft Chemie Leipzig eingeladen, ihr Anliegen „Frauenfußball“ vorzutragen. Nun folgte die erhoffte Zustimmung. Gemeinsam mit ihrem Vater Paul Horn baute sie im Februar 1969 die erste Frauenfußballmannschaft in Leipzig auf. Parallel dazu entwickelte sich auch der Fußballsport in der Elbmetropole Dresden weiter, unter anderem bei der BSG Empor Dresden Mitte. Also spielten Frauen in der DDR seit frühestens Ende 1967 offiziell Fußball, wenngleich es noch bis Anfang der 1970er-Jahre dauerte, bis sie auf Bezirksebene in Leipzig, Dresden, Karl-Marx-Stadt oder Sassnitz, Neubrandenburg und Potsdam Punktspiele austrugen.
Einführung eines offiziellen Spielbetriebs 1971
Wesentlicher Baustein der frühen Frauenfußballgeschichte in der DDR waren die Betriebe. In der Regel gründete sich innerhalb der Sektion Fußball eines Betriebes eine Frauenmannschaft. Mit diesem Rückhalt konnte ein regelmäßiger Trainings- und Spielbetrieb aufgebaut werden, auf den der DFV Anfang der 70er-Jahre zwangsläufig reagieren musste. Der neue Betriebssport Frauenfußball wurde dem Freizeit- und Erholungssport (FES) angegliedert, jenem Bereich, der von der sportpolitischen Führung der DDR weiter in der Gesellschaft gestärkt werden sollte. Im „Abschnitt ‚Körperkultur und Sport’ vom Rechenschaftsbericht des Zentralkomitees der SED an den VIII. Parteitag“ wurde beispielsweise 1971 hervorgehoben, dass mit dem gemeinsamen Sportprogramm von FDGB und DTSB „ein guter Weg zur Förderung und Organisierung des Volkssports in den Betrieben, Wohngebieten und Erholungszentren beschritten“ sei. Für den Frauenfußball bedeutete dies mehrheitlich eine institutionelle Betreuung durch die eigenen Trägerbetriebe, die sie in den Jahressportplan aufnahmen.
Wichtig für die Förderung des Frauenfußballs in einem Betrieb war vor allem die Besetzung der Schnittstelle zwischen der Betriebs- und Sektionsleitung Fußball. Bei der BSG NGMB Neubrandenburg übernahm beispielsweise Werner Lenz bis zur Wiedervereinigung die Position des Direktors für Kader und Bildung sowie ab 1976 die Leitung der Sektion Fußball, in die der Frauenfußball integriert war. Lenz sorgte vor allem in den 1980er-Jahren dafür, dass seine Betriebsspielerinnen so gut wie möglich versorgt waren. Innerhalb der Strukturen des DFV gelang diese Umsetzung erst mit der Entschließung des VI. Verbandstages vom 12.4.1978. Vorher hatte der Verband 1971 im Paragraph 13 der Spielordnung erklärt, „noch mehr Werktätige (Frauen und Männer) an den Sport heranzuführen (...).“
1974 hätte auch die internationale Geburtsstunde des DDR-Frauenfußballs eingeläutet werden können. Eine am Ende nicht zum Beschluss erhobene Empfehlung des DFV erwähnte zu diesem Zeitpunkt 300 aktive Frauenfußballmannschaften. Sie trainierten regelmäßig und trugen in ihren Bezirken Vergleichswettkämpfe aus. Die Empfehlung machte gleichzeitig auf eine äußerst unterschiedliche Entwicklung aufmerksam. So führten die Bezirksfachausschüsse BFAs Karl-Marx-Stadt, Erfurt, Halle, Cottbus und Berlin „interessante und regelmäßige Punktspielrunden auf Groß- und Kleinfeld sowie Turniere und Pokalwettbewerbe“ durch, während im Rest der DDR die Frauen sich selbst überlassen wurden. Es dauerte weitere vier Jahre, bis der Frauenfußball in seiner Wettkampftätigkeit und dem damit verbundenen Anspruch auf professionellere Strukturen akzeptiert wurde. Die Entschließung zum VI. Verbandstag des DFV der DDR am 12. April 1978 in Leipzig legte nun den Grundstein für die DDR-Bestenermittlung:
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„(…) die schon bestehenden Wettkampfformen im Frauenfußball sind zu erweitern und auszubauen. Jeder BFA ist dafür verantwortlich, ab 1979 jährlich die beste Frauenmannschaft zu ermitteln. Dabei sollte die Möglichkeit des Kleinfeldfußballs mit genutzt werden. Ein jährliches Turnier der bezirksbesten Frauenmannschaften um einen Wanderpokal ist kurzfristig anzustreben.“
Als ein Teilbereich des Freizeit- und Erholungssportes konnten die Fußballerinnen jetzt stetig ihr Niveau verbessern und es der Öffentlichkeit DDR-weit in Turnierform präsentieren. Die DDR-Bestenermittlung feierte knapp ein Jahr später am 6. Oktober 1979 in Templin ihre Premiere.
Auf Drängen der Trainer der spielbestimmenden Mannschaften hin wurde so ein großer Schritt in Richtung einer „DDR-Meisterschaft“ gemacht. Sie wurde von da an zumindest inoffiziell ausgetragen. Insgesamt gewann die BSG Turbine Potsdam die DDR-Bestenermittlung sechsmal. Weitere Siegermannschaften waren die BSG Motor Halle (1984), Rotation Schlema (1987, 1988) sowie Post Rostock als letzte Siegerinnen der Übergangssaison 1989/90. Den Abschluss dieser etappenhaften Entwicklung bildete die Einführung der ersten offiziellen Damenoberliga 1990/91. Erste Meisterinnen wurden die Frauen von der USV Jena, die gemeinsam mit den Zweitplatzierten der BSG Rotation Schlema (dann Wismut Aue) im Juni 1991 in die vom DFB neu eingerichtete erste eingleisige Bundesliga aufstiegen.
Pionierinnen kommen aus Sachsen
Nelly Hornung und Eva-Maria Liebethal sind zwei der ersten Schiedsrichterinnen, die es offiziell in der DDR seit 1964 gab. Hornung hatte in Rostock ab Februar 1964 Schiedsrichterkurse besucht und legte im Mai ihre Prüfung ab. Damit gilt sie als eine der ersten DDR-Schiedsrichterinnen im Fußball. Sie leitete Kreisklassenspiele der Männer und pfiff ebenso Juniorenpartien. Nach ihrer aktiven Zeit arbeitete sie weiter innerhalb der Schiedsrichterkommission des Kreisfachausschusses Rostock. Ihr Sohn war stets im Kinderwagen mit im Fußballstadion dabei. In der Sächsischen Schweiz - Altkreis Sebnitz - war es Eva-Maria Liebethal, die am 12. Juli 1964 ihre Schiedsrichterinnenprüfung bestand. Neben ihrer Schiedsrichterei im Juniorenspielbetrieb spielte sie seit Anfang der 1970er Jahre selbst in Neustadt Fußball und absolvierte 1972 einen Übungsleiterlehrgang. Bereits 1964/65 hatte sie eine Schülermannschaft in ihrem Ort für ein Jahr trainiert. Nur fünf Jahre später begann 1969 in Dresden die Spielerinnenkarriere von Sabine Seidel unter Leitung von Wladimir Zwetkow. Sie entwickelte sich zu einer der bekanntesten DDR-Spielerinnen bis 1989. Zunächst deutete alles auf eine Karriere im Leistungssport hin.
Während ihrer Kindergartenzeit turnte sie, anschließend ging sie zur Leichtathletik und wechselte später zum Fußball, den sie bis zum Alter von 16 Jahren parallel ausübte. Über ihre Mutter kam Seidel mit 13 Jahren zur BSG Empor Rossendorf. Sie hatte über einen Artikel in der Zeitung entdeckt, dass Spielerinnen gesucht werden. Unter dem Bulgaren Zwetkov trainierte Seidel fortan bei der BSG des Zentralinstituts für Kernforschung am Rande von Dresden.
Wegen der Doppelbelastung von Leichtathletik und Fußball absolvierte sie in dieser Zeit schon mal vier bis fünf Trainingseinheiten pro Woche. Ab und an gab es am Wochenende ein Spiel. Nach ein paar Jahren wechselte Seidel zur BSG Motor Bautzen und wurde dort während eines Spiels gegen die BSG Turbine Potsdam früh von Bernd Schröder entdeckt. Es sollte jedoch noch ein paar Jahre dauern, bis Seidel nach Potsdam wechselte. Sie beendete zuerst ihre zweijährige Ausbildung bei der Handelsmarine. Im Anschluss wechselte sie nach Potsdam und wurde dort unter Bernd Schröder eine der stärksten Spielerinnen der DDR. Für die Fußballerin Seidel stand in den Anfangsjahren nur eines im Vordergrund:
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„Der Spaß. Ich hatte Spaß am Spielen. Viel war ja früher noch so, dass man Werbespiele gemacht hat. Und dann sind wir immer auf die Dorffeste gefahren. Also das war richtig schön. Abends Sportlerball und in Scheunen schlafen und wir hatten echt Spaß.[...] Gut, ich hätte gerne auch Nationalmannschaft gespielt oder hätte das gehabt von heute. Aber es ist auch relativ viel Stress. [...] Wenn man zuviel Fußball hat von klein auf, ist die Frage, ob man heute noch mit dem Spaß und der Freude dabei ist, wie wir‘s vielleicht waren.”
Die weitere Entwicklung von Sabine Seidel nach ihrer aktiven Karriere ist beispielhaft für viele Spielerinnen aus jener Zeit. Seit 1986 betreute sie eine Nachwuchsmannschaft bei der BSG Turbine Potsdam und wurde nach der Wiedervereinigung im Fußball-Landesverband Brandenburg für den Mädchen- und Frauenfußball aktiv. Hier war sie lange Zeit Verbandstrainerin im Juniorinnenbereich und setzte sich ehrenamtlich für den Mädchen- und Frauenfußball ein. Damit folgte sie ihrem Wunsch, den Breitensport eng mit der Ebene des Leistungsfußballs zu verbinden. Leider spielt die erste Mannschaft von Turbine Potsdam in der Saison 2023/24 in der 2. Bundesliga und fungiert damit nicht mehr als Aushängeschild im Nordosten Deutschlands.
Bezirke Berlin und Rostock
Nachdem sich in und um Dresden ab 1969 viele Frauenfußballmannschaften gegründet hatten, weitete sich der Spielbetrieb von der Sächsischen Schweiz bis Görlitz weiter aus. Auch andere Bezirke brachten Fußballerinnen hervor, die häufig sportlich vielseitige Biografien aufwiesen. Viele der Spielerinnen konnten eine leichtathletische Grundausbildung nachweisen. Die Olympiateilnehmerin und Weltrekordlerin Christine Spielberg war dabei ein Sonderfall im Ostberliner Frauenfußball. Spielberg hatte 1966 die Diskus-Europameisterschaft für die DDR errungen. Zwei Jahre später holte sie den ersten DDR-Weltrekord überhaupt in einer Wurfdisziplin mit einer Weite von 61,64m. Spielberg ging nach ihrer Leistungssportkarriere Anfang der 1970er-Jahre nach Berlin und spielte dort zunächst Handball beim TSC, bis sie über eine Freundin zur damals besten Ostberliner Frauenfußballmannschaft, der BSG EAB Lichtenberg 47, kam. Dort wurde sie nach kurzer Zeit Spielertrainerin. Trotz ihrer Erfahrungen aus dem Leistungssport sieht Spielberg heute vor allem die Anfänge des Frauenfußballs in Lichtenberg - mit Abstrichen, was die spielerischen Fähigkeiten anbelangt - äußerst positiv:
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"Wir waren doch eigentlich ne gute Mannschaft. Wir waren die beste Mannschaft in Berlin. Berlin hatte acht bis zehn Mannschaften zu der Zeit. Das war also nicht so. Da waren auch ehemalige Sportler dabei und alles. Das war kein Problem."
Neben den Lichtenbergerinnen waren es die Frauenmannschaften der BSG Grün-Weiß Baumschulenweg, SG Berolina Stralau, BSG Einheit Treptow, IHB Berlin, Motor Baumschulenweg, TSG Schöneiche und Prenzlauer Berg, die sich allesamt 1971 in Ostberlin gründeten. Den Spielbetrieb in den 1970er- und 1980er-Jahren bestimmten allerdings die Frauen der BSG Motor Köpenick vom Kabelwerk Oberspree Berlin, Rotation Prenzlauer Berg, EAB 47 und der Volkssportgemeinschaft Elfe Berlin aus Weißensee. Das persönliche Engagement für den Frauenfußball in der DDR zeigte sich nicht nur in Dresden oder Ostberlin. Quer durch die Republik fanden sich Beispiele, die belegen, wie erfinderisch die Frauen waren, um auch unter nicht so optimalen Bedingungen ihre Sportart ausüben zu können. In Sassnitz beispielsweise fiel der Startschuss im Oktober 1970. Damals gründete sich, angegliedert an das VEB Fischkombinat Sassnitz-Rügen, eine Frauenfußballmannschaft, die BSG Empor Sassnitz. In Rostock waren es hingegen drei Freundinnen, die aufgrund des schlechten Auftretens von Hansa Rostock im Januar 1970 zum Bezirksfachausschuss Fußball gingen und verkündeten, eine Frauenfußballmannschaft ins Leben zu rufen. Die Bedingungen, um an der Küste zu spielen, waren schon allein geografisch bedingt andere als in in den Städten. Zum Teil erhielten die Fußballerinnen Unterstützung seitens der BSG. Allerdings mussten sie sich die Schuhe selber kaufen, und wenn Fahrten nach Schwerin oder nach Lichtenberg stattfanden, musste das Geld für die Übernachtung schon mal privat aufgebracht werden. Doch egal ob bei den Frauen an der Küste, auf dem Dorf oder in der Stadt: Die Fußballerinnen fühlten sich in ihrer Gemeinschaft sehr wohl und konnten so über die Nachteile des Freizeit- und Erholungssportes hinweg sehen.
Bezirk Potsdam
Die Sportfreunde Dieter Firchau und Willi Zimdars wussten im Dezember 1970 noch nicht, dass ihre zunächst als Silvesterscherz erdachte Gründung einer Frauenfußballmannschaft bei der BSG Turbine Potsdam über die gesamte DDR-Zeit bis heute eine der erfolgreichsten Frauenfußballmannschaften Deutschlands zum Ergebnis haben würde.
Vor allem die Philosophie von Bernd Schröder, an vielen verschiedenen Orten zu spielen, wurde ein Markenzeichen. Neben den Heimspielstätten in Babelsberg und Waldstadt reisten die Potsdamerinnen nach Brandenburg, Ost-Berlin, Eisenhüttenstadt, Friesack, Freiberg, Luckenwalde, Halberstadt, Rangsdorf, Schönebeck, Schwerin, Tangermünde und Zossen. Es gab viele torreiche Begegnungen. Schon frühzeitig hatte Schröder das Leistungsprinzip eingeführt, auch wenn dieses kaum dem heutigen Leistungssport entsprach. Aber er legte Wert darauf, mindestens dreimal die Woche zu trainieren. Dementsprechend siebte der Übungsleiter frühzeitig aus. 1971 blieben 13 Leistungsträgerinnen mit einem Altersdurchschnitt von 16,3 Jahren übrig. Die Grundlage für die sportliche Förderung der BSG Turbine Potsdam im Frauenfußball wurde durch den Betrieb ermöglicht, der den Spielerinnen durch Trainingsfreistellungen den notwendigen Freiraum für Training und Spiele einräumte. Schröder schaffte es so, Männerbedingungen für seine Frauen herauszuholen, weil mit dem Energiekombinat Potsdam ein potenter Trägerbetrieb dahinterstand. Bis zur DDR-Bestenermittlung perfektionierte Schröder sein Team. Er verschaffte sich einen Überblick über die besten Spielerinnen in der DDR und holte sie nach Freundschaftsspielen als Gastspielerinnen zur Turbine, bevor er dann die Spielerinnen aus Karl-Marx-Stadt, Dresden oder Rostock von einem Wechsel nach Potsdam überzeugte.
Die DFV-Damennationalmannschaft
Der Frauenfußball in der DDR schaffte es bis 1988, eine eigene Arbeitsgruppe Frauenfußball beim Deutschen Fußball-Verband der DDR zu bekommen. Die Fußballerinnen wurden damit zu einer festen Größe im Freizeit- und Erholungssport. Allerdings befasste sich das Präsidium des DFV erst am 14. Oktober 1988 mit einer neuen Beschlussvorlage. Diese „Rahmenrichtlinie für den Frauenfußball der DDR“ hatte noch nicht die Gründung einer Auswahlmannschaft vorgesehen, legte aber fest, den Frauenfußball von Verbandsseite aus strikter zu organisieren. Das beinhaltete die Durchführung des Punktspiel- und Pokalwettbewerbs auf nationaler Ebene mit Großfeldmannschaften sowie die Ausweitung des Frauenfußballs auf Bezirks- und Kreisebene. Durch die politischen Entwicklungen in der DDR und die Friedliche Revolution im Herbst 1989 profitierten die Fußballerinnen in der DDR. Der neue Chef des DTSB, Klaus Eichler, hatte bald nach seiner Ernennung die Beteiligung auch der nicht geförderten Sportarten, zu denen auch der Frauenfußball gehörte, an Europa- und Weltmeisterschaften gestattet. Der Frauenfußball war also relativ spät dran mit der Formierung der DDR-Nationalmannschaft im Mai 1990. Die politischen Weichen waren längst auf Einheit gestellt.
Die berufenen Auswahltrainer Dietmar Männel und Bernd Schröder nominierten zunächst 26 Spielerinnen für den ersten Lehrgang, der vom 21. bis 22. Oktober 1989 in der Sportschule Leipzig stattfand. Am Ende nahmen 21 Spielerinnen teil. Darunter war auch Doreen Meier aus Jena, die bei der HSG Universität unter Hugo Weschenfelder spielte. Für Meier war es der bis dahin größte Moment in ihrer jungen Fußballerinnenkarriere. Gerhard Breiter begleitete als Mannschaftsleiter damals dieses erste Zusammentreffen der sogenannten DFV-Frauenauswahl. Es fand genau zwei Wochen nach den friedlichen Leipziger Bürgerprotesten mit 70.000 Menschen statt. Sportlich gesehen verlangte der erste Lehrgang von den Fußballerinnen körperliche und mentale Höchstleistung, was sie bis dato in ihren Betriebssportgemeinschaften nur ansatzweise kennengelernt hatten. Es folgte ein zweitägiges Lauf- und Sprinttraining. Technik und Material, das den Spielerinnen vorher nicht zur Verfügung gestanden hatte, wurden vor Ort genutzt. Die Trainer nutzten beispielsweise ein Lichtschrankensystem, um die Schnelligkeit der Spielerinnen auf zehn, dreißig und fünfzig Meter zu messen:
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„Dann gab es da so eine Torkanone. Da kamen die Flanken wie am Lineal gezogen. Und da musste man versuchen, dort mal ins Tor zu treffen. Es war schon ganz interessant. Aber es war nicht sehr oft. Wir hatten ja nur das eine Länderspiel.“
Das einzige Länderspiel: 9. Mai 1990
Im Vorfeld des einzigen „offiziellen“ Länderspieles gegen die CSFR am 9. Mai 1990 in Potsdam-Babelsberg berief der DFV der DDR zunächst die am 28. April 1990 bestätigte Kommission „Damenfußball“ ins Amt. Mit der Unterschrift des neuen Präsidenten des DFV, Dr. Hans-Georg Moldenhauer, versehen, erhielten die Kommissionsmitglieder die Berufungsurkunde. Drei Tage später wurden in der Sportschule Lindow die auserwählten Spielerinnen in die Damen-Nationalmannschaft der DDR berufen. Damit waren sie stellvertretend für die Fußballerinnen in der DDR – obwohl ihr Land eigentlich nicht mehr existierte – am Ziel ihrer Träume. Als Vertreter des DFV gastierte der Generalsekretär Klaus Petersdorf in Lindow. Er verkündete, dass das nächste Länderspiel in Cottbus mit dem Gegner Schweden oder Norwegen vorbereitet werde.
Für das Spiel gegen die CSFR wurden nach Angaben des Stadionheftes 20 Spielerinnen in den Kader berufen. Der Delegationsleiter Gerhard Breiter wollte, dass alle Frauen zum Einsatz kommen:
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„Wir hatten in Lindow, in der Sportschule, uns zwei Tage vorneweg in Vorbereitung auf das Länderspiel getroffen. Und da haben wir uns auch darüber unterhalten im Interesse des ersten Länderspieles, wenigsten alle Leute zum Einsatz kommen zu lassen. Bernd Schröder hat dann nur die besten Spielerinnen eingesetzt.“
Am Länderspieltag selbst konnte das Trainerteam nicht auf alle Spielerinnen zurückgreifen. Birte Weiß und Beate Reuer liefen am 9. Mai 1990 nicht auf. Weiß hatte sich kurze Zeit vorher das Kreuzband gerissen und Reuer spielte bereits im Westen.
Das Länderspiel selbst dominierten die Gästinnen aus der CSFR. Nach 21 Minuten erhielten sie einen Elfmeter, den sie zum 1:0 verwandelten. Am Ende gewannen die Tschechoslowakinnen mit 3:0 im Babelsberger Stadion. Ihr Vorteil war, dass sie bereits seit 1970 Länderspiele austrugen. Die Enttäuschung bei Männel und Schröder war gleichwohl groß. Nach der Niederlage ging Generalsekretär Petersdorf weiterhin von einem Fortbestehen des DFV der DDR aus. Dem einzigen offiziellen Länderspiel der DDR-Damennationalmannschaft folgten weitere Freundschaftsspiele, bis es am 22. November 1990 zur Zusammenführung des DFB und des Nachfolgeverbandes des DFV der DDR – dem NOFV – kam. Dieses scheinbare Intermezzo Nationalmannschaft ist letztlich trotzdem eine Erfolgsgeschichte für die Fußballerinnen in der DDR gewesen. Der Frauenfußball hatte es durch den Einsatz einzelner Personen geschafft, am 9. Mai 1990 für 90 Minuten auf der gleichen internationalen Bühne zu stehen wie zuvor die LeistungssportlerInnen der sichtbareren Disziplinen.
Nach der Wiedervereinigung blieb Turbine Potsdam bis Anfang der 2010er Jahre das sportliche Aushängeschild im Nordosten. Leider führten Fehlentscheidungen im Verein dazu, dass sie ihre Vormachtstellung an den VFL Wolfsburg und aktuell der FC Bayern München in den letzten 14 Jahren abgeben mussten. In Leipzig versucht Red Bull mit sehr professionellen Strukturen den Klassenerhalt in ihrer ersten Bundesligasaison nun zu halten. Dass es in Leipzig jetzt Bundesliga-Frauenfußball gibt hat allerdings auch über 30 Jahre gedauert. Für Berlin-Brandenburg will nun der Traditionsverein 1. FC Union Berlin mit seinen ersten Frauen so schnell wie möglich in die Bundesliga aufsteigen. Aktuell stehen sie kurz vorm Aufstieg in 2. Liga: in dem Stadtteil Berlins, wo einst KWO Oberspree seine Anfänge nahm.
Zitierweise: Carina Sophia Linne, "Pionierinnen im Fußball – Von der Produktion auf den Platz “, in: Deutschland Archiv, 26.04.2024, Link: www.bpb.de/547882.
Dr.; ist Sporthistorikerin und freie Autorin mit den Schwerpunkten Zeitgeschichte des Sports, Geschlechterforschung im Frauen- und DDR-Sport, insbesondere Frauenfußball. Gleichzeitig arbeitet sie als Lehrkraft für Sport und Integration in der Schule an der Wuhlheide in Berlin.
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