35 Jahre nach dem Ende der SED-Diktatur in der DDR fällt nun auch Syriens Machtapparat wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Bis zu ihrem Sturz am 7. und 8. Dezember 2024 stand die Assad-Diktatur unter dem Schutz Russlands und vormals der Sowjetunion. Stabilisiert wurde sie fünf Jahrzehnte auch durch heimliche Waffendeals, unter anderem mit der DDR. Syriens Regierung erwarb Waffensysteme in Moskau und ließ sie von anderen Ostblockstaaten warten. Das brachte auch der SED Deviseneinnahmen ein, auch für große Mengen Munition, die jedoch nicht offen deklariert wurden. Noch im September 1989 wollte Damaskus laut MfS auch 63 Raketen ordern, der Lieferweg: "airport budapest über österr firma cbs - cooperation an nordkorea". Madlen Schäfer hat in Stasi-Akten recherchiert, die belegen, wie intensiv die militärische Verzahnung Syriens mit der Sowjetunion und ihren Satellitenstaaten wie der DDR verlief ‒ eine Grundstruktur, die Vladimir Putin lange aufrecht erhielt, bis ihm offenbar durch den Ukrainekrieg die militärischen Mittel ausgingen.
1989/90 war der Machtapparat in der DDR nach Massenprotesten für Rechtsstaatlichkeit und gegen die SED-Alleinherrschaft wie ein Kartenhaus zusammengebrochen. Flächendeckend implodierte das System. In Syriens Hauptstadt Damaskus scheint nun ähnliches zu geschehen. Menschen feiern in den Straßen, stürmen Gefängnisse und Regierungspaläste. Diktator Baschar al-Assad ist nach Moskau geflohen. Prognosen für die Zukunft sind allerdings schwierig, da nur schwer einzuschätzen ist, wieviele treue Anhänger der Assad-Clan noch hat. Denn schon nach ersten Demonstrationen gegen das syrische Unterdrückungssystem im Frühjahr 2011 hatte das Assad-Regime zu massiver militärischer Gewalt gegriffen.
Der damals staatlich befehligte Einsatz von Soldaten, Panzern und der Luftwaffe gegen ein Übergreifen der Demokratiebewegung des "Arabischen Frühlings" wurde zum Auslöser eines langwierigen Bürgerkriegs ‒ am Ende mit einer Vielzahl an Kriegsparteien. Allein in Damaskus zeigte sich die Bevölkerung lange Zeit weitgehend regierungstreu. Das hat auch mit einem effizienten Geheimdienstapparat zu tun. Syriens Militärdiktatur schüchterte die eigene Bevölkerung mit einem Netz an Geheimdiensten ein, tötete und inhaftierte zahlreiche Oppositionelle, die jetzt nach und nach aus versteckten Gefängnissen befreit werden.
Die Wurzeln der Assad-Diktatur
1970 hatte sich der syrische Luftwaffenoffizier und Politiker der Baath-Partei, Hafez al-Assad, an die Macht geputscht. Er regierte bis zu seinem Tod am 10. Juni 2000 als Diktator. Zu seinem Nachfolger wurde sein Sohn Baschar al-Assad ernannt, der nun im Dezember 2024 angesichts rasch nach Damaskus vorrückender Rebellenverbände nach Moskau verschwand. Schon unter seinem Vater wurde das dichte Netz syrischer Geheimdienste geknüpft und das syrische Militär aufgerüstet ‒ zum Einsatz gegen Aufständische. Dies geschah maßgeblich durch Unterstützung aus der ehemaligen Sowjetunion und weiterer Ostblockstaaten, darunter die DDR.
„Der Ministerrat der Republik Syrien hat beschlossen, offizielle Handelsbeziehungen mit der Deutschen Demokratischen Republik aufzunehmen.“, so lautet eine Mitteilung über den Abschluss eines Handels- und Zahlungsabkommens zwischen der DDR und der Republik Syrien vom 27.11.1955. Damit wurde der Beginn einer Zusammenarbeit von DDR und Syrien besiegelt. Die beiden Staaten schlossen seitdem mehrere Wirtschafts- und Kulturabkommen und orientierten sich auch in der Außenpolitik aneinander. Einen Aufschwung dieser Kooperation bewirkte die staatliche Anerkennung der Deutschen Demokratischen Republik seitens der Syrischen Arabischen Republik (SAR) im Juli 1969, damit begannen auch "Geschäftsbeziehungen" mit syrischer Luftwaffe und Armee. 1979 wurde ein generelles Handelsabkommen mit einer Laufzeit bis 1990 abgeschlossen. Es erwähnte Lieferprodukte wie Brennstoffe und Textilien, aber auch pauschal "andere im gegenseitigen Interesse liegende Güter".
Generell ist eine Zusammenarbeit des MfS und des syrischen Geheimdienstes in den 1970er und 1980er Jahren nachweisbar. Dies geht aus Quellen des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) hervor, speziell der Abteilung X für „Internationale Beziehungen“ und der Hauptabteilung XVIII (Volkswirtschaft). Vom 11. bis 23. März 1989, also acht Monate vor dem Mauerfall, fand ein letztes Treffen beider Seiten statt. Unter Generalmajor Saleh ad-Din Dabbagh hielt sich eine Delegation aus dem syrischen Innenministerium in der DDR auf, zum Studium "der Arbeitsweise der Politorgane" und zwecks "Generalabsprachen", wie es in einem MfS-Vermerk heißt. Es gibt allerdings nur einige wenige erhalten gebliebene Detail-Unterlagen, die näheren Aufschluss über solche Begegnungen geben. Doch warum engagierte sich die DDR in Syrien?
Hintergründe der Zusammenarbeit Syriens mit der DDR
Auf Grundlage der Theorien von Marx und Lenin galt es aus Sicht der Sowjetunion und der DDR, durch das Verhältnis zu Staaten der Dritten Welt den "Imperialismus" der westlichen Staaten zurückzudrängen. Die Dritte-Welt-Staaten wären entscheidend beim Sieg des Sozialismus, so die Theorien. Deshalb war die Außenpolitik der DDR auch auf die Staaten des Nahen Ostens ausgerichtet. Ein weiterer Grund lag in der Sehnsucht der DDR nach internationaler Anerkennung.
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Daher kam es zu Hilfeleistungen in verschiedenen Bereichen. Die polizeiliche und geheimdienstliche Ebene gehörte von Anbeginn dazu, auch um auf diese Weise politische und strategische Abhängigkeiten herzustellen. Vor diesem Hintergrund ist die völkerrechtliche Anerkennung der DDR seitens Syriens zu betrachten; Syrien war einer der ersten Staaten, der diesen Schritt 1969 vollzog. Der SED-Staat zeigte sich dankbar und folgte einer sowjetischen Strategie.
In seinem Buch "Die Zusammenarbeit des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) mit dem sowjetischen KGB". beschreibt der Jurist Jürgen Borchert als Ziel die „Unterstützung beim Auf- und Ausbau von Militär-, Polizei- und Geheimdiensten (als) eine stabile und weiterentwickelte Hauptkomponente der DDR-Außenpolitik". Dem MfS wurde diese Rolle seitens der Sowjetunion zugedacht, die damals bereits intensiv mit Militärhilfe für Syrien aktiv war, in MfS-Akten nachweisbar bis in den Herbst 1989.
So besaß Ende der 70er Jahre Syriens Luftwaffe bereits 400 sowjetische Mig-21 Kampfflugzeuge, von denen allerdings die Hälfte abgestürzt, abgeschossen oder fluguntauglich war. Dresdener Spezialisten waren zur Wartung eingesetzt, darunter mehrere IM des MfS. Sie berichten 1978 und 1979 gleich von mehreren Flugzeugcrashs. So meldet am 12.12.1978 ein IMS "Kaufmann", "dass eine Maschine Nr. 7602" verunglückt sei. Die DDR habe sie zuvor instandgesetzt, "sie ist erst ein Jahr geflogen und vor Ablauf der Garantie abgeschmiert". Am 5.1.1979 findet sich ein weiterer Bericht, diesmal von IM "Ilse", die gleich von zwei Mig-Abstürzen berichtet. "Zum Zeitpunkt des Absturzes der zweiten Maschine war die Instandsetzungsgruppe aus Dresden auf dem Flughafen" (Quelle: Stasiakte BArch, MfS, HA XVIII 7459, S.140/141).
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Die Instandhaltung von Mig-21-Flugzeugen aus der UdSSR, von Flugzeug-, Hubschrauber-, Schiffs- und Raketentriebwerken war für die Ostblockstaaten ein lukratives Geschäft, die um diese Aufträge konkurrierten. Ein Wartungsdurchgang bei einer Mig schlug für die DDR mit über 180.000 US-Dollar zu Buche.
Aber auch das Rüstungsgeschäft mit Syriens Militär florierte, heimlich organisiert vom "Ingenieur Technischen Außenhandel" (ITA) der MfS-Abteilung Kommerzielle Koordinierung (Koko) und teilweise umgesetzt vom Dresdener Kombinat Spezialtechnik (KSD). Nach einem Delegationsbesuch Anfang Mai 1980 in Syrien, so berichtete anschließend Stasi-Delegationsleiter Oberst M. Möller, orderte Syrien seinerzeit mit Geheim-Vertrag "126-1-80" vom 7.5.1980 Brigadegeneral Wess von den Landstreitkräften der syrischen Armee mit Eilbedarf Munition im Wert von 5 Mio Dollar - 50.000.000 Schuss des Typs M-43. Das zuständige Kombinat "VEB Mechanische Werkstätten" in Königswartha (MWK) konnte aber so viel nicht liefern, daher wurde stillschweigend auf die eigene Regierungsreserve zurückgegriffen. Zusätzlich wollte Syrien 100.000 Angriffshandgranaten und 100.000 Verteidigungshandgranaten sowie weitere Rüstungsgüter erwerben, darunter Helme, Ferngläser, mobile Werkstätten, Hubschrauberlandeplätze und nachrichtendienstliches Gerät. (Quelle: BArch, MfS, HA XVIII 7459 S. 127 ff).
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Die Stasi ahnte, dass dies mit einem bevorstehenden Militäreinsatz zu tun haben könnte, lehnte den Deal aber nicht ab. "Tempo, Umfang und Art der Erzeugnisse (kurzlebig) lassen auf die Vorbereitung einer militärischen Operation schließen...", notierte damals Delegationsleiter Oberst Möller und beschrieb, dass Herrscher Hafez al-Assad wenig Rückhalt im Volk finde, er habe nur eine Massenbasis in der Baath-Partei, in Damaskus und Umgebung. Fast eine Parallele zur Situation seines Sohnes Baschar-al-Assad 30 Jahre später.
In der Tat brauchte das Assad-Regime die Munition zur Niederschlagung von Aufständen. Schon seit 1976 ging Hafez al-Assad militärisch gegen Rebellen und die sogenannte Moslembruderschaft in Syrien vor. Dabei kam es im Februar 1982 zur Zerstörung der mittelsyrischen Stadt Interner Link: Hama mit 10.000 bis 40.000 Toten, drei Wochen wüteten damals syrische Regierungstruppen in der Stadt. Die Operation gilt als heute als größtes Massaker in der Geschichte des Nahen Ostens im 20. Jahrhundert. Und das wurde offensichtlich auch mit der Munition aus der DDR vollzogen.
Ostberlin gewährte Syrien damals sogar Sonderkonditionen. Zunächst, so ergibt sich aus den MfS-Unterlagen, gab es zehn Prozent Rabatt auf die Gesamtrechnung. Spätestens 60 Tage nach Bestellung waren zehn Prozent der Gesamtsumme anzuzahlen, weitere zehn Prozent wurden ab dem Moment der bestätigten Verschiffung fällig. Der Rest sollte als Kredit über 5 Jahre gestreckt werden. Als die DDR-Seite dafür 6 Prozent Zinsen verlangte, pochte die syrische Seite auf nur 3 Prozent, aber auch das stellte für die DDR-Seite kein Vertragshindernis dar. Die Hauptsache war offenbar, es winkten Valutaeinnahmen.
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Der Munitionsdeal stieß damals allerdings auch in Dresden auf Misstrauen. Durch eine Panne hatten leitende Mitarbeiter des produzierenden Kombinats in Königswartha mitbekommen, wohin der "spezielle Export" gehen sollte. Bei einem Betriebsbesuch am 12. Juni 1980 bekam einer der eingesetzten Stasiverantwortlichen mit, dass sich im Büro des Betriebsdirektors "die Genossen S../M...." darüber unterhielten, "dass wir Munition des Typs M-43 gegen US-Dollar an ein Land im Nahen Osten verkaufen. Sinngemäß: wir werden doch nicht beide Seiten beliefern, um uns ein Süppchen an diesem Feuer warm zu halten?". Der Stasimann zeigt sich nicht über diesen Umstand entsetzt, sondern über das Defizit "im System der Geheimhaltung" (BArch MfS, HA XVIII 7459, S 113).
Nicht nur die gegenseitigen Geschäftsinteressen beider Partner, sondern auch die außenpolitischen Ansichten von DDR und Syrien stimmten in vielen Punkten überein. Syrien war ein Befürworter der Koexistenz zweier deutscher Staaten, vertrat dieselbe Meinung wie die DDR in Bezug auf die Westberlin-Frage und prangerte das Wettrüsten an. Dementsprechend lehnte die DDR den Aussöhnungsprozess zwischen Israel und Palästina von „Camp David“ ab und befürwortete die Libanonpolitik Syriens. Beide wurden auf diese Weise zu starken Partnern auf internationaler Ebene. Dadurch wuchs gegenseitiges Vertrauen. Doch nicht nur nach Syrien knüpfte das MfS solche Kontakte, auch nach Ägypten, in den Jemen, nach Lybien und zur PLO.
Das syrische Geheimdienstnetzwerk
Ein Teil des syrischen Sicherheitsapparats ist Mukhabarat, dies ist ein Sammelbegriff für die Nachrichtendienste und Geheimdienste Syriens. Ihre Ziele entsprechen noch heute denen der Stasi früher in der DDR: die Diktatur vor Umsturzversuchen und Rebellion zu schützen - durch Überwachung der Gesellschaft und das Ausschalten vermeintlicher "Feinde". Das war im Prinzip jeder mit einer oppositionellen Einstellung gegenüber dem Regime. .
In der Zeit von 1970 bis 1989 gab es sechs bis acht selbstständige Geheimdienst-Einheiten, die dem Präsidenten direkt innerhalb des „Mukhabarat“ unterstellt waren. Dieses Netzwerk kontrollierte nicht nur die Gesellschaft, sondern auch Militär, Partei und Bürokratie. Auf diese Weise entstand innerhalb Syriens flächendeckend eine Atmosphäre der Angst und Kontrolle - auch innerhalb der Geheimdienste. Sie verfügen bis heute über keine direkt abgegrenzten Kompetenzen, standen und stehen teilweise sogar in Konkurrenz zueinander und kontrollieren sich gegenseitig.
Zu unterscheiden sind der Allgemeine Geheimdienst (al-mukhabarat al-`amma), das Nationale Sicherheitsbüro (maktab al-amn al qaumi), das der regionalen Führung unterstellt ist, der Geheimdienst des Militärs (al-mukhabarat al-`askariyya) und die politische Polizei (al-amn al-siyasi), die formal dem Innenminister untersteht. Ein weiterer Geheimdienst existiert in der Luftwache.
In den Diensten Syriens arbeiten seit Hafez al-Assad wie in einem Familienclan mehrere Verwandte des Präsidenten.. Sie gehörten zu seinen wichtigsten Beratern. Dadurch konnte dieser den Befehlshabern der Geheimdienste vertrauen und eine enge Bindung an seine Person und sein Regime gewährleisten.
Grundsätzlich wurden und werden Gegner und Kritiker mit grausamen Repressionsmaßnahmen bekämpft. Die ständige Angst vor Verhaftungen gehörte (und gehört) zum Alltag. Der syrische Geheimdienst baut seit seinen Anfängen darauf, Furcht einzuflößen, er ist bis heute vielschichtig organisiert und ein Grundpfeiler des Assad-Regimes.
Die Organisation seitens der DDR
Die Abteilung X des Ministeriums für Staatssicherheit koordinierte die Beziehungen und die Zusammenarbeit des MfS zu anderen Staaten und deren Sicherheitsorganen. Die Aufgaben dieser Abteilung waren hauptsächlich technisch-organisatorischer, sprachmittlerischer und protokollarischer Natur.
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Abteilung VXIII kümmerte sich um Belange der Volkswirtschaft, darunter Importe und Exporte. Aus Syrien war dies günstig angebotenes Öl, nach Syrien beispielsweise Zementwerke und Getreidemühlen, vor allem jedoch Produkte der metallverarbeitenden Industrie. Damit wurde Waffentechnik umschrieben, Waffendeals wurden in den beauftragten Kombinaten als "spezielle Exporte" bezeichnet und nur mit Kennziffern oder Tarnbezeichnungen versehen.
Die Hauptverwaltung Aufklärung (HV A) war dagegen die zuständige Diensteinheit für die Auslandsspionage. Markus Wolf leitete die Abteilung bis 1986, Werner Großmann wurde sein Nachfolger. Obwohl die HV A eine gewisse Selbständigkeit besaß, behielt MfS-Chef Mielke die oberste Befehlsgewalt. Die HV A-Abteilung III wurde zur zuständigen Instanz, der die „Legalresidenturen“, also Konsulate, Botschaften und Handelseinrichtungen angebunden waren. Der Bereich B der Abteilung III der HV A war in vier Referate unterteilt. Das Referat 2 umfasste die Länder Irak, Iran, Ägypten und Syrien. Die Abteilung III hatte die Aufgabe, Informationen und Kenntnisse über die Situation des Landes, die Außenpolitik, militärischen Optionen und Operationen und damit zusammenhängend „Abwehrinformationen“ zu besorgen. Dazu dienten Gespräche mit Politikern, Managern und Militärs. Auch diplomatische Empfänge, Tourismusreisen, Sport- und Kulturevents boten die Chance zur Informationsbeschaffung.
Von besonderer Bedeutung waren für das MfS außerdem Ausländer, die in der DDR lebten, auch Syrer, die in der DDR studieren durften. Unter ihnen wurden gezielt IM rekrutiert und ausgebildet, die später aus ihrem Heimatland berichten sollten.Für die geheimdienstliche Zusammenarbeit mit der SAR hatte die Abteilung X des MfS die größte Bedeutung. Zusätzlich lieferte die HV A wichtige Informationen. In den Stasi-Unterlagen im Bundesarchiv über die Kooperation mit dem syrischen Geheimdienst findet sich das Gros der erhalten gebliebenen Informationen allerdings in den Abteilungen X und XVIII. Eine der Ursachen: die HV A vernichtete ihre Dokumente im Herbst 89 sehr viel gründlicher.
Erste intensivere Kontakte in den 1970er Jahren
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Aus den bislang zur Verfügung stehenden Stasi-Akten wird deutlich, dass es zu Beginn der 70er Jahre rege Bestrebungen der Syrischen Arabischen Republik (SAR) gab, mit dem MfS zu kooperieren. Allerdings bestand seitens der DDR noch Skepsis gegenüber der Vertrauenswürdigkeit Syriens. Erst Ende der 70er Jahre wurde die Zusammenarbeit enger. Damals unterstützte das Ministerium für Staatssicherheit einige befreundete Staaten mit Spendensammlungen, angeblich für humanitäre Hilfen. Häufig gehörten zu diesen Material-Lieferungen Waffen und Devisen, die nicht für öffentliche Zwecke gedacht waren. Sie gingen direkt an die Sicherheitsorgane befreundeter Entwicklungsländer.
Die Gesamtsumme des im Jahr 1978 zur Verfügung stehenden Geldes für solche finanziellen Hilfeleistungen umfasste in DDR-Währung umgerechnet 8.111.500 Mark. Dieses Budget wurde auf zehn Staaten verteilt.
Der Auflistung kann entnommen werden, dass zwei arabische Staaten Stasi-Gelder erhielten: Zum einen die Libysche Arabische Sozialistische Volksjamahryija und zum anderen die Syrische Arabische Republik. Konkret waren für Syrien 87.400 Mark in Valuta vorgesehen, die die syrische Regierung für „Ausrüstungen für die Organe des Ministeriums des Innern“ nutzen wollte, das für die Sicherheits- und Geheimdienste zuständig war. Demzufolge war das MfS daran interessiert, dass Syrien seine geheimdienstlichen Tätigkeiten weiter ausbauen konnte – ohne zunächst eine Gegenleistung zu erhalten.
Die Hintergründe erklären sich möglicherweise aus dem zeitgeschichtlichen Kontext: 1978 wurden die Friedens-Verträge von „Camp David“ von Ägypten und Israel unterzeichnet. Damit verlor Syrien einen Verbündeten im Kampf gegen Israel. In dieser Situation schien es der DDR ratsam zu sein, den syrischen Geheimdienst im weiteren Ausbau zu unterstützen und dadurch ein Gegengewicht herzustellen, damit Syrien weiterhin in der Lage war, seinen Kampf gegen Israel zu führen. Entsprechende Bemerkungen fallen unter anderem in einem Stasi-Dokument aus dem Mai 1981. Darin wünscht Stasi-Chef Erich Mielke dem syrischen Innenminister "viel Erfolg im Kampf gegen Israel":
Dass das MfS im syrischen Raum bereits aktiv tätig war, geht auch aus einem anderen Fall hervor. 1979 wurde die Botschaft der Bundesrepublik in Damaskus intensiv ausspioniert. Auf diese Informationen stieß das Bundeskriminalamt im Jahr 2003, als es eine Computerdatei der HV A auswertete. Zwei Syrer mit den Decknamen „Ahmed“ und „Tafel“ arbeiteten in der Botschaft als Zivilangestellte. Diese lieferten Informationen über die Tätigkeiten der Bundesrepublik und der Botschaft direkt an die HV A weiter . Sie erhielten unterstützt von syrischen Spezialisten offenbar auch nachts Zugang und konnten so für eine Verwanzung der Botschaft sorgen. Insgesamt lieferten sie 1.778 detaillierte Informationen, darunter geheime Unterlagen von Analysen der NATO, Darlegungen des Militärattachés oder generelle Aufzeichnungen über die Geheimdiplomatie im Nahen Osten. Damit zählen die beiden syrischen IM laut einem Focus-Bericht vom 5.5.2003 zu den „fleißigsten Stasi-Spionen in aller Welt“.
Ausbau in den 1980er Jahren
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In den 1980er Jahren intensivierte sich die Zusammenarbeit zwischen den Geheimdiensten der DDR und Syriens. Unter dem Titel „Gegenwärtige Ausrichtung der Außen- und Innenpolitik des Assad-Regimes in Syrien“ wurde im Ministerium für Staatssicherheit ein detaillierter Lage-Bericht über Syrien verfasst. Er enthält ausführliche Analysen über Syriens Rolle im Nahen Osten und die politische Orientierung des Assad-Regimes. Positiv hervorgehoben wurde damals, dass sich der syrische Präsident gegen den Imperialismus einsetze und die Expansion Israels in der Region bekämpfe. Aber als stabil wurde sein System nicht betrachtet. Deshalb fiel der Entschluss, Syrien "durch sozialistische Kräfte" zu unterstützen.
Auch dies geschah in enger Zusammenarbeit mit der Sowjetunion. Ein Stasi-Dokument aus dem Februar 1982 ist mit der Zeile „Über die Möglichkeit des Abschlusses eines strategischen Vertrages zwischen Syrien und der Sowjetunion“ überschrieben. Die Informationen über diese Bestrebungen der syrischen Seite stammten direkt „aus der Führung der syrischen Baath-Partei“.
1981 Treffen mit Stasi-Chef Mielke
Im Vorfeld dieses Vertrages war es am 20. Mai 1981 zu dem bereits erwähnten Gespräch von Stasi-Chef Erich Mielke mit dem syrischen Innenminister, Generalmajor Nasir ad-Din Nasir gekommen. Bei dessen Besuch in der Ost-Berliner Stasi-Zentrale wurden Protokoll-Notizen angefertigt, wie es seinerzeit üblich war. Darin ist fortwährende Einigkeit notiert: „Die DDR und die SAR haben einen gemeinsamen Feind, den Imperialismus.“
Bei jenem Besuch interessierte sich das MfS vor allem für die Organisation und Struktur des syrischen Geheimdienstes. Deshalb erläuterte Syriens Innenminister Nasir ausführlich die Arbeit der syrischen Seite. Dabei erklärte er, dass das Ministerium des Innern in Syrien die Verantwortlichkeit für die Wahrung der inneren Sicherheit und der öffentlichen Ordnung, also der polizeilichen Sicherheit, habe. Zwischen dem Ministerium des Innern und dem allgemeinem Geheimdienst, der für die Arbeit außerhalb Syriens zuständig sei, gäbe es eine sehr feste Kooperation. Präsident Assad unterstehe ein Leitungsbüro, das alle Koordination übernehme. Diesem Büro sei das Ministerium des Innern und demzufolge auch der Geheimdienst zugeordnet.
Zur Gewährleistung der inneren politischen Sicherheit würden mehrere Aufgaben erfüllt. Dazu gehöre das Aufspüren gefährlicher oppositioneller Bewegungen, die die innere Sicherheit gefährden könnten. Sie müssten operativ bearbeitet werden. Es würden auch Organisationen, die dem Regime schon länger als "feindlich" bekannt sind, überwacht. Zusätzlich werde versucht, erfolgsversprechende Faktoren und Voraussetzungen zu schaffen, damit solche Gruppierungen, die der Regierung schaden könnten, besser bekämpft werden könnten. Eine "Hauptaufgabe" sei es beispielsweise, die sunnitisch-islamistische "Moslem-Bruderschaft", die angeblich eine direkte Gefährdung des Landes bedeute, zu beobachten und zu bekämpfen. Deshalb würden sich alle bereits genannten staatlichen Institutionen mit der Moslem-Bruderschaft beschäftigen. Diese Bewegung müsse wegen ihrer religiösen Ausrichtung so stark überwacht werden, da sie die sozialistische Revolution in Syrien beeinträchtige.
Präsident al-Assad habe die volle Macht über den allgemeinen syrischen Geheimdienst, der ihm direkt unterstellt sei, wurde konstatiert. Ausgehend von diesem erhielten alle weiteren Diensteinheiten die notwendigen Informationen über gegnerische Handlungen. Dieser allgemeine Geheimdienst stelle das übergeordnete Organ aller Geheimdienste dar. All diese Vorgänge würden unter dem Dach des Ministeriums des Inneren mittels besonderer Verwaltungsmaßnahmen organisiert. Es finde außerdem ein "funkelektronischer Kampf nach außen" statt. Diese Aufgabe übernehme der militärische Geheimdienst. Zur Verbesserung der Fähigkeiten seiner Mitarbeiter habe man ein paar Spezialisten unter ihnen ausgewählt und über das Militär in die Sowjetunion geschickt, um dort eine bessere Ausbildung zu erhalten. Diese Lehrgänge fänden an der Militär-Akademie in Leningrad statt.
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Hiernach erläuterte der syrische Minister drei Wünsche für eine weitere Zusammenarbeit. Die Funküberwachung, die innerhalb des Staates erfolge, sei ein Aspekt. Ein weiterer möglicher Punkt sei die "Lieferung von Nachrichtentechnik für die Zentrale und zu Stützpunkten im Lande", so Nasir. Zusätzlich könne es spezielle Lehrgänge für die Ausbildung von Mitarbeitern in der inneren Sicherheit geben. Für diese Möglichkeit einer engeren Zusammenarbeit der Geheimdienste Syriens und der DDR sicherte Mielke dem syrischen Minister eine seriöse Prüfung zu.
Der weitere Ausbau der Zusammenarbeit beider Geheimdienste sollte demnach erst noch überdacht und intern im MfS entschieden werden. Deshalb konnte Mielke weder eine Zusicherung noch eine Ablehnung der vorgetragenen Wünsche des syrischen Ministers zur engeren Zusammenarbeit der Geheimdienste erteilen. Minister Mielke wollte zudem von Nasir wissen, "mit welchen Staaten auf der Linie des MdI die SAR Verbindungen unterhalte". Darauf entgegnete Nasir, dass Syrien schon 15 Jahre mit der DDR zusammenarbeite, der Organisation "Arabischer Staaten zur Verteidigung der Gesellschaft" angehöre und in dieser tatkräftig mitwirke. Zudem sei das MdI Mitglied von "Interpol". Die SAR leiste dort Unterstützung bei Ermittlungen zu Rauschgiftdelikten und in gewissem Maße im Zusammenhang mit Terrorismus. Gerne würde der Minister die Zusammenarbeit Syriens mit anderen sozialistischen Ländern ausweiten.
Gedeckte Terror-Connections zwischen Berlin und Damaskus
Zu einem brisanten Thema wurden im Folgejahr Verbindungen des syrischen Geheimdienstes zu terroristischen Vereinigungen. Das MfS war wohlinformiert über die europaweite Fahndung nach Terroristen, auch durch Quellen im Bundeskriminalamt (BKA). So meldet die Stasi-Hauptabteilung II im Februar 1982 unter der Berichtsnummer A/1616/08/02/82 aus dem BKA in Meckenheim, dass der syrische Geheimdienst die Weisung zu einem Anschlag mit einem "Sprengkörper mit besonders großer Sprengkraft" gegen ein "Zentrum der Moslembrüder (MB)" in der Bundesrepublik erteilt habe, im Fokus stünden islamische Zentren in München, Köln oder die Bilal-Moschee in Aachen. Tatsächlich wurde wenig später ein Sprengstoffdepot in einem Hotel in Bad Homburg ausgehoben, gefunden wurde ein 2,5-kg-Sprengsatz militärischer Herkunft, Sprengkapseln mit elektronischem Zündern, Zündschnüre, Pässe und Zündverzögerer präparierte Armbanduhren.
Auch die Personalien der verhafteten Syrer erfuhr das MfS aus ihrer Quelle beim BKA und ließ sofort prüfen, ob sie bereits bei Ost-Berlin-Besuchen erfasst worden waren, in diesem Fall nicht.
Anders im Fall des Terroristen Johannes Weinrich kurze Zeit später. Weinrich war ein deutscher Terrorist unter syrischem Schutz, der 1982 auf dem Flughafen Schönefeld landete. Er hatte 24,38 Kilogramm Plastiksprengstoff Nitropenta, der "im Wesentlichen für militärische Zwecke als Sabotagesprengstoff" (Stasi-Vermerk) taugte, bei sich.Nach DDR-Recht hätte dieses Vergehen eine Strafe von mindestens zwei Jahren Haft bedeutet.
Allerdings musste Weinrich sich bei der Einfuhr keine Sorgen machen, denn die DDR zeigte sich dem Terroristen gewogen. Dieser war einst Mitglied der linksterroristischen westdeutschen "Revolutionären Zellen“. Deshalb empfing ihn am Flughafen ein MfS-Mitarbeiter. Der Sprengstoff wurde zunächst beschlagnahmt, weil das MfS befürchtete, dass Weinrich eine terroristische Tat gegen die Bundesrepublik Deutschland von der DDR aus durchführen könne. Dies hätte die DDR dem Risiko ausgesetzt, dass ihr vorgeworfen werden könnte, dass sie Terrorismus unterstützt. Somit wäre im internationalen Raum ein sehr negatives Bild der DDR entstanden. Das sollte unbedingt vermieden werden.
Das MfS ließ sich allerdings beruhigen, als der Terrorist zusicherte, dass beim Ausüben der Tat keine Verbindung zur DDR entstehen würde. Zusätzlich versprach er, dass der Sprengstoff nicht von ihm persönlich verwendet werde, sondern er diesen lediglich an eine Gruppe weitergeben würde. Deshalb gab das MfS im August 1983 den Sprengstoff an ihn zurück - trotz der Tatsache, dass er bereits als Ziel für sein Attentat das französische Kulturzentrum „Maison de France“ am West-Berliner Kurfürstendamm ins Auge gefasst hatte. Das ermittelte das MfS bei Hotelzimmerdurchsuchungen Weinrichs im Vorfeld des Attentats.
Mitwisserschaft beim Attentat auf Maison de France
Das MfS zeigte sich recht genau über die anschließenden Handlungen informiert. Weinrichs Auftraggeber war der Venezolaner Ilich Ramírez Sánchez alias „Carlos“, ein damals weltweit gesuchter Terrorist, der zeitweise von Ostberlin aus mit seiner zehnköpfigen "Carlos-Gruppe" operierte. Als dessen rechte Hand und Auftragskiller galt Weinrich, den die syrische Regierung zu dieser Zeit schützte. Weinrich übergab den Sprengstoff seinerzeit an den syrischen Diplomaten Chritah, damals III. Sekretär der syrischen Botschaft in Ost-Berlin - mit Wissen und Duldung des MfS. Weinrich selbst sorgte dafür, dass der Anschlag eine Woche später ausgeführt werden konnte. Am 25. August 1983 um 11.20 Uhr zerstörte eine Explosion die obersten beiden Stockwerke des „Maison de France“ am Berliner Kurfürstendamm. Dabei kam ein 26-Jähriger Student ums Leben und 23 Menschen wurden verletzt.
Danach, so recherchierte 2010 der Spiegel, registrierte die Stasi akribisch, "dass die Rückkehr der Täter 23 Minuten dauerte. Dann ließen die Terrorhelfer im MfS alle Beteiligten außer Landes fliegen. Noch vom Fluchtort Belgrad aus erstattete Weinrich Rapport an 'Carlos': Die 'Operation Berlin' habe "eine größere Wirkung" gehabt "als von mir erwartet", wird Weinrich zitiert
Weinrich tauchte später in Damaskus unter und lebte dort unbehelligt unter dem Pseudonym Peter Schmidt. Dort kamen ihm und seinem Terror-Chef "Carlos" erst Anfang der 90er Jahre internationale Ermittlerteams auf die Spur, nachdem sich nach der Deutschen Wiedervereinigung Hinweise auf die beiden Terroristen aus rund 1.500 Seiten Stasi-Akten über Carlos ergeben hatten.
Aus den durchforsteten MfS-Akten ergab sich auch, dass Kuba Waffenbestellungen von Carlos entgegennahm, sie wurden mit Wissen des MfS nach Ost-Berlin geliefert und dort in der syrischen Botschaft deponiert.
In den Folgejahren ließ das MfS mehr Vorsicht walten, um nicht leichtfertig in den Zusammenhang mit syrischem Terrorismus zu geraten. Es blieb aber auf dem Laufenden über die weiter bestehenden Gefährdungslagen. So meldet die Stasi-Abteilung XXII/AKG am 1.1.1986 in einem "Rapport 01/86", dass sich gegenwärtig "7 Personen (Lybien, Syrien, Jordanien) in zwei Gruppen in Europa aufhalten, um weiter Terroranschläge zu begehen". Weitere 47 Personen seien mit syrischen Pässen ausgestattet "in Europa zur Begehung von Anschlägen auf Passagierflugzeuge verschiedener Fluggesellschaften unterwegs". Der Name aller 54 Personen liege der HA III vor.
Wachsendes ideologisches Misstrauen während Gorbatschows Perestroika
Die MfS-Beziehungen nach Syrien flauten im Zuge innersyrischer Machtkämpfe Mitte der 80er Jahre etwas ab.
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Auffällig ist eine vorübergehende, abrupte Unterbrechung ab der zweiten Hälfte der 1980er Jahre, in der Zeit, in der der Reformer Michail Gorbatschow die UdSSR regierte. Erst 1989 wurden wieder intensivere Begegnungen protokolliert. Die Unterbrechung erfolgte möglicherweise auch aus Sorge des MfS, ausgetauschte geheime Informationen würden nicht mehr sicher sein. Denn aufgrund des allmählichen Machtverlusts der Sowjetunion versuchten Syriens Geheimdienste nach MfS-Erkenntnissen
sogar Kontakte mit dem "imperialistischen Feind" herzustellen, explizit dem BND, aber auch der CIA.
Deshalb wurden auch Aufenthalte des Präsidenten-Bruders, Rifaat al-Assad, in den USA, Frankreich und Spanien argwöhnisch registriert. Rifaat al-Assad war brutaler Rivale im Kampf um die Macht in Syrien und seinerzeit Chef der syrischen "Spezialeinheiten zum Schutz der Verfassung der Republik".
Die Kooperation zwischen MfS und Syriens Geheimdiensten ließ aber auch deshalb etwas nach, weil ideologisches Misstrauen wuchs. Schon 1982 übergab der Auslandsgeheimdienst der CSSR brisante Informationen aus Syrien an den Leiter der Stasi-Hauptverwaltung Aufklärung (HV A), Generaloberst Markus Wolf. Sie gingen ebenfalls an die MfS-Abteilung X für Internationale Beziehungen. In einem Informationsblatt „Über die Aktivität des syrischen Geheimdienstes“ wird ein Befehl des „Mouhabarat“ vom 23.4.1982 näher erläutert und von MfS-Spezialisten der Abteilung X bewertet: Demnach wurde innerhalb des syrischen Geheimdienstes die Order erteilt, dass in staatlichen Betrieben Personen, die bestimmten Parteien oder Bruderschaften angehörten, verstärkt erfasst und beurteilt werden sollten. Dabei handelte es sich einerseits um Mitglieder der Moslembruderschaft, andererseits aber auch um die Kommunistische Partei Syriens und die Kommunistische Partei Palästinas, die als Gefahrenquelle für das Regime erachtet wurden.
Zusätzlich sei den syrischen Geheimdienst-Abteilungen eine ausführliche Liste übermittelt worden, die die Namen von zu observierenden Personen enthielt, weil sie als potenzielle Gefährder des Regimes galten. Diese Zielstellung stellte für das MfS kein Problem dar. Allerdings wurde es als fragwürdig empfunden, dass in den Kreis der verdächtigen Personen auch die kommunistische Partei einbezogen wurde. Dieser Aspekt wurde vom MfS regelrecht verurteilt. Denn die SED sah in der Kommunistischen Partei Syriens eine verbrüderte Strömung des russischen Kommunismus, weshalb mit diesem Befehl aus dem April 1982 eigentlich eine gleich gesinnte und befürwortete politische Bewegung der DDR verurteilt und bekämpft werden sollte. Das MfS zeigte sich geradezu empört, dass der syrische Geheimdienst die Moslembruderschaft und die Kommunistische Partei Syriens mit dieser Weisung gleichstellte.
Liquiditäts- und Vertrauensprobleme
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Mitte der 80er Jahre kam aber noch ein weiteres Problem dazu. Unübersehbare Schulden. Syrien konnte weder die Rechnungen für die erfolgten Waffenlieferungen, noch die dafür aufgenommenen Kredite begleichen. 1985 meldet die BV Rostock, dass Syrien "unbegründete Zollstrafen in Höhe von 116 Mio VA (Valutamark)" verlange, offenbar um eigene Rückstände bei der DDR auszugleichen. Der Minister für Außenhandel beklage inzwischen unbezahlte Rechnungen in Höhe von 126 Mio. VM, außerdem seien Kreditraten in Höhe von 34,5 Mio Euro überfällig und würden "diese Liquiditätsprobleme belegen". (Quelle: BV Rostock 6/85 in BArch, MfS, HA XVIII 7459, S.112). Erschwerend führte die syrische Finanznot auch dazu, dass die DDR militärische Wartungsverträge verlor, Bulgarien habe die DDR-Preise für die Inspektion sowjetischer Migs um ein Drittel unterboten, registrierten die Unterhändler des MfS.
Indessen wuchs auch auf syrischer Seite innerhalb der Regierung der Konflikt darüber, ob die Zusammenarbeit mit der Stasi aufgrund der ideologischen Unstimmigkeiten noch akzeptabel sei. In einem Treffen von Regierungsangehörigen am 22. Februar 1982 versuchte der Präsident diese Situation in seiner Partei zu klären. Aufgrund der schwierigen außenpolitischen Lage, in der sich Syrien wegen des Nahostkonfliktes befand, sollten nach Ansicht Assads die ideologischen Ungleichheiten zwischen den kommunistischen Ländern und der Baath-Partei vergessen werden, damit die Partei weiter an der Spitze der Macht in Syrien stehen könne. Doch nach Meinung einiger Parteimitglieder stimmte die Ideologie der sozialistischen Staaten nicht mit denen der SAR überein, da „die arabische sozialistische Wiedergeburt nicht marxistisch-leninistisch sei und es aus diesem Grund falsch sei, sich ausschließlich auf die sozialistischen Staaten zu orientieren.“
Letzten Endes setzte sich Assad gegen seine Gegner durch, denn für ihn war die Sicherung der Macht das wichtigere Ziel. Somit wurde auch die Kooperation mit dem MfS weitergeführt. Syrien war sich der Unterschiede in den Ideologien bewusst, nahm diese jedoch im Zuge der komplizierten Lage in Kauf, in der sich das Land durch die internationale Israelpolitik befand.
Lob für "Qualität, Termintreue und militärische Geheimhaltung"
Es behielt daher für Syrien höchste Priorität starke Bündnispartner zu finden. Mit der Sowjetunion und dem gesamten sozialistischen Lager existierten nunmehr seit mehreren Jahren Kooperationen. Dadurch existierte ein gewisses Maß an Grundvertrauen zueinander, das verhieß die größtmögliche Stabilität und Kontinuität.
MfS-Oberst Möller hatte dieses Grundvertrauen schon am 29. Mai 1980 in einem Reisebericht über den heimlichen Handel mit militärischen Gütern beschrieben. Sein damaliger Verhandlungspartner, der syrische Generalmajor Mokajad habe geäußert, auch "Kontakte in westliche Länder zu haben, besonders Österreich. Er schätze bei der DDR jedoch nicht nur die Qualität gut ein, sondern auch Termintreue und die militärische Geheimhaltung." (BArch, MfS, HA XVIII/AG 1 7459, S. 116)
Daran wollte Syriens Diktator wieder anknüpfen, zudem wäre es in dieser Lage äußerst schwierig geworden, andere Bündnispartner zu finden. Für Assad stellten die ideologischen Probleme zwischen der DDR und Syrien kein so großes Hindernis dar, als dass sie einer Störung oder gar einem Abbruch der Zusammenarbeit auf allen Ebenen wert gewesen wären.
Alles in allem zeigten sich SED und Stasi recht gut über die Prozesse in der Syrischen Arabischen Republik und deren Geheimdiensten informiert. Der Schwerpunkt der geheimdienstlichen Kooperation lag in der Zeitspanne von 1978 bis 1984. Sie erfolgte aus außenpolitischem Kalkül und der Aussicht auf Dollar-Einnahmen sowie preiswertes Öl. Waffen, finanzielle und praktische Unterstützung aus der DDR halfen der Armee Assads und den syrischen Geheimdiensten, sich zu stabilisieren. Ende der 80er Jahre nahmen die Kontakte nach einer Phase gegenseitigen Misstrauens wieder Fahrt auf. Dabei hatte das MfS zeitweise größere Einwände gegenüber Syrien als umgekehrt, vermutlich da die SAR von der Partnerschaft stärker profitieren konnte.
Waffendeals noch im Herbst 1989 mit Alexander Schalck-Golodkowski
Andererseits war für die Ende der 80er Jahre nahezu Interner Link: zahlungsunfähige DDR jede Aussicht auf Deviseneinnahmen wertvoll. Daher setzen sich die von der Stasi eingefädelten und gedeckten DDR-Waffendeals mit Syrien bis in den Herbst der Friedlichen Revolution fort. Beispielsweise gingen im Lagezentrum der HV A zwischen August und November 1989 mehrere "Blitz"-Informationen als vertrauliche Verschlusssachen ein, die solche Deals in Absprache mit "Genosse Alexander Interner Link: Schalck-Golodkowski" belegen, der damals Leiter des geheimen Bereichs für Kommerzielle Koordinierung (KoKo) im Ministerium für Außenhandel war, gemanagt durch dessen Stasi-Arbeitsgruppe "Bereich Kommerzielle Koordinierung (AG BKK)".
Am 21.9.1989 ist in einem "blitz 09/89" aus Damaskus von drei Geschäften die Rede, unterschriftsreif seien zwei geheim klassifizierte Vorgänge "og6" und "pg6", erbeten werde außerdem ein Angebot über 400 Tonnen kakifarbene Armeepullover und 400 Tonnen Bettbezüge plus Decken für die Armee, außerdem frage die syrische Seite nach "Liefermöglichkeiten für zwei Mig-24-Triebwerke".
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Sieben Tage später ging ein weiterer "blitz" aus Damaskus für "Gen. Schalck" ein und deutete vielsagende Umweggeschäfte an. Schalcks syrischer Handelspartner al-Ali benötigte Auskunft zum Erwerb von 63 Wega 3 Raketen zum Preis von maximal 31.000 US-Dollar pro Stück, 9 Lancer für höchstens 16.000 US-Dollar und zunächst "10 strela 3 probeauftrag - bedarf 900 stck". Der Lieferweg sei: "airport budapest über österr firma cbs - cooperation an nordkorea".
Ein Vertrag sei zwar schon zu obigen Preisen mit "kintex bulgarien abgeschlossen, kintex aber nicht lieferfähig bis 15.11.1989" und dieser Liefertermin sei Bedingung der syrischen Auftraggeber; "erbitte sofortauskunft, ob an solchen geschäften prinzipielles interesse", notierte Absender "raabe".
"Bis 1.11.89 im Prager Hotel Intercontinental erreichbar"
Am 30.10.1989 verschickte ein Absender "riemann" aus Damaskus eine weitere "blitz"-Order z.Hd. von "Gen. Schalck". Als Geschäftsparter sei "mr. hussein al-ali" jetzt im Prager Hotel Intercontinental "unter tel. 2311812, zimmer rr 628 bis 1.11.89 erreichbar". Er erbitte "kontaktaufnahme und direktkontaktverhandlungen zu fragen: werfer, raketen, granaten und spg9". (BArch, Mfs, AG BKK 63, Bl. 26 und 99).
Ab Dezember 1989 mussten sich Schalcks syrische Handelspartner allerdings andere Lieferwege suchen. In Kavelstorf bei Rostock entdeckten aufgebrachte Bürgerinnen und Bürger ein geheimes Waffenlager der KoKo-Firma IMES. Schalck-Golodkowski wurde gewarnt und floh unter dubiosen Umständen in die Bundesrepublik.
Zitierweise: Madlen Schäfer, „Verdeckte Waffendeals der DDR mit Syrien", mit ergänzenden MfS-Dokumenten, ausgewählt durch Holger Kulick, in: Deutschland Archiv, aktualisierte Fassung vom 09.12.2024, Link: www.bpb.de/539993. Erstveröffentlichung am 17.4.2018 im Externer Link: Stasi-Dossier der bpb unter dem Titel "Stasiwaffenhilfe für Syrien".
Andreas Förster, Interner Link: Der Deal mit Schneewittchen (I-IV). Die Geschichte des ranghohen Überläufers Alexander Schalck-Golodkowski 1990 aus der DDR im Spiegel von Geheimdienst-Akten des BND. Deutschland Archiv vom 30.7.2023.
Madlen Schäfer ist Absolventin der Axel Springer Akademie. Sie studierte Geschichte, Germanistik und Sozial- und Gesundheitsjournalismus in Magdeburg. Ihr Text über die Zusammenarbeit der Geheimdienste der DDR und Syriens in den 1970er und 1980er Jahren basiert auf ihrer Bachelorarbeit zur Erlangung des akademischen Grades am Institut für Geschichte an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, vorgelegt im August 2011 unter dem Titel "Die Zusammenarbeit der Geheimdienste der DDR und Syriens in den 1970er und 1980er Jahren". Aktualisierungen aufgrund neuer Aktenfunde erfolgten durch Holger Kulick von der bpb.
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