Hier die AusschreibungInterner Link: für die nächste Runde des Schülerzeitungswettbewerbs 2023/24 mit Einsendeschluss am 15.1.2024.
Immer noch Mauer(n) im Kopf? Am 15. Januar 2024 ist Einsendeschluss für den bundesweiten Schülerzeitungswettbewerb 2023/24 der Bundesländer. Das Motto: Geschichte vor deiner Haustür. Wer gewann letztes Mal?
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Die Redaktion Deutschland Archiv der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) plant 2024 erneut zwei Sonderpreise zu vergeben, das Thema: „Noch Mauer(n) im Kopf?“. Am 28. Juni 2023 fand die letzte Preisverleihung im Bundesrat statt. Sie erfolgte durch den Präsidenten der bpb, Thomas Krüger. Die Preise gingen nach Ost und West, an eine Schüler-Online-Redaktion aus Kamp-Lintfort in NRW für ein einfallsreiches "DDR-Special", und an ein Gymnasium in Rostock, das die neonazistischen Ausschreitungen von Lichtenhagen 1992 unter die Lupe nahm. Nachfolgend die Laudatio im Wortlaut. Und nachlesbar als PDF die beiden preisgekrönten Beiträge - sowie die neuen Wettbewerbsbedingungen.
Neugierige journalistische "Augenöffner": Am Tag vor der Preisverleihung am 28. Juni 2023 gingen einige der preisgekrönten Schülerzeitungsredakteur:innen auf Mauerspurensuche am Checkpoint Charlie und besuchten dort anschließend unsere Redaktion. (© bpb / Holger Kulick)
Liebe Preisträgerinnen und Preisträger im Schülerzeitungswettbewerb der Länder 2022/23!
Wie ihr eventuell wisst, leite ich eine Behörde, die in gewisser ähnliches im Großen macht wie ihr im Kleinen. Wir beflügeln Sachwissen, Meinungsbildung, politische Wachsamkeit und Engagement – so unvoreingenommen, neutral vielfältig und sachlich wie es geht.
Zu diesem Zweck produzieren wir im Netz und in zahlreichen Printprodukten ziemlich viel Lernstoff insbesondere für euch und eure Schulen, darunter auch Jugendzeitungen wie Externer Link: Hanisauland für die Jüngeren, den Externer Link: fluter für eure Altersgruppe und die sogenannten „Externer Link: Schwarzen (Info)hefte“ für Abiturient:innen.
Manchmal staunen wir aber auch. Wir denken schon, wir lassen uns viel einfallen um Interesse an eher verstaubten Themen aus der bundesdeutschen Gesellschaft und Geschichte zu wecken, und sind dann riesig überrascht, wenn es einigen von euch gelingt, das noch zu toppen … in euren selbst produzierten Medien, die nicht nur Schwarzweißbilder malen, sondern Grautöne liefern und versuchen, Hintergründe auszuleuchten, mal streng sachlich, mal unterhaltsam, mal gut gemixt beides.
In diesem Jahr gelang das zum Thema des Sonderpreises, den wir als Bundeszentrale für politische Bildung ausgeschrieben haben, „Noch Mauer(n) im Kopf?“, sehr überzeugend zwei Zeitungen, die wir gleichrangig auf Platz eins unserer Auswahl gesetzt haben. Eine aus dem Osten Deutschlands, aus Rostock, und eine aus dem Westen Deutschlands, aus Kamp-Lintfort, das liegt mitten im Ruhrgebiet.
Laudator Thomas Krüger, er ist Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, hier im Bundesrat mit den Redaktionsvertreterinnen der vom Deutschland Archiv prämierten Schülerzeitungen "ForstersReise.de" aus dem Georg-Forster-Gymnasium in Kamp-Lintfort und "Innenhof" aus dem Innerstädtischen Gymnasium Rostock. (© bpb / H.Kulick)
Vielseitige DDR-Einblicke aus Nordrhein-Westfalen
1. Am Georg-Forster-Gymnasium in Kamp-Linfort wird die Online-Schülerzeitung „ForstersReise.de“ produziert. Ende 2022 wurde ein „DDR Spezial“ veröffentlicht, das die untergegangene DDR besonders einfallsreich und lehrreich vermittelt. Die sechs Autor:innen des Specials haben es geschafft, aus verschiedenen Blickwinkeln ein lesenswertes Mosaik dieser Zeit zu zeichnen und damit das Interesse ihrer Mitschüler:innen an Geschichte und dem Alltag in der DDR zu wecken.
"Von solch einer Flucht versteckt in einem extra dafür konzipierten Auto hat uns auch ein Zeitzeuge berichtet". Redakteurin der Online-Zeitung "ForstersReise.de" am ehemaligen Berliner Grenzübergang Checkpoint Charlie. (© bpb / H.Kulick)
Die Spezialausgabe reicht humorvoll vom „DDR-Süßigkeitentest“ bis hin zu gut kontrastierenden Zeitzeug:innenbefragungen mit einem, der aus der DDR geflohen ist, und einem der blieb. Darüber hinaus gibt es eigene Recherche-Stories, zum Beispiel über die „Toten Hosen" heimlich bei Punks in Ostberlin, und einen detailreichen „Faktencheck" dazu, welche DDR-Klischees Hand und Fuß haben und welche übertrieben sind.
Darin hinterfragt wird zum Beispiel die Behauptung: "Die Leute in der DDR konnten nicht mit Leuten außerhalb der DDR kommunizieren". Die Antwort der Redaktion: "Das ist falsch. Man konnte Briefe schreiben an Menschen außerhalb der DDR, man mußte jedoch davon ausgehen, daß diese Briefe von der Stasi gelesen wurden, vor allem, wenn man Briefe und Pakete in die BRD schickte, wurden diese in der Regel geöffnet und geprüft, oft sogar Inhalte gestohlen...".
QuellentextDrei Fragen an die Redaktion von "ForstersReise.de"
1.) Wieso habt ihr euren Schwerpunkt so gesetzt?
Wir haben unseren Schwerpunkt auf das Thema DDR aus mehreren Gründen gelegt. Zum einen ist es nun mal so, dass wir aus dem Westen Deutschlands kommen. Einem Gebiet, in dem über das Thema, außerhalb des Schulunterrichts, nur selten genug informiert wird. Somit waren auch wir sehr interessiert, uns mit dem Thema genauer zu beschäftigen und da schon Kontakte zu Zeitzeugen aus der DDR vorhanden waren, wurden schnell die ersten Interviews geführt. Somit war der Entschluss schnell gefällt und unsere Redakteur:innen machten sich voller Engagement und Spaß ans Werk.
Ein Ausschnitt aus der Themenauswahl im DDR-Special auf "ForstersReise.de".
2.) Wie war die Rückmeldung aus der Leserschaft?
Aus unserer Leserschaft, sprich den SuS, Eltern und Lehrkräften, haben wir nur positives Feedback bekommen und viele meinten, sie wären begeistert von den Einblicken in die Zeit der DDR, denn viele wuchsen in der BRD, das war damals die Abkürzung für die Bundesrepublik, auf und hatten noch nicht die Möglichkeit, so authentische Einblicke zu bekommen.
Aus Anlass der Preisverleihung zu Gast im Bundesrat. zwei der Redakteurinnen von "ForstersReise.de" aus Kamp-Lintfort. (© bpb / H.Kulick)
3.) Was habt ihr daraus selbst gelernt?
Wir konnten aus dem Special sehr viel wertvolles Wissen mitnehmen mit. Denn durch unser DDR-Special konnten wir authentische Einblicke in das Leben in der DDR, wie sehr der Staat ins Leben eingriff, die Gefahren durch die Stasi und vieles mehr gewinnen, wodurch auch wir diese Erlebnisse als Zweitzeugen weitergeben können. Wir konnten so DDR-Mythen aufklären und die DDR wieder ins Gedächtnis vieler SuS rufen. So wurden, auch bei uns, Wissenslücken gefüllt und neue wertvolle Erkenntnisse gewonnen.
Die Gewinnerurkunde der Online-Redaktion "ForstersReise.de" 2023 aus dem Georg-Forster-Gymnasium. Deren Redaktionsangebot wird kontinuierlich frisch bestückt.
Mutige Denkanstöße aus Rostock-Lichtenhagen
2. Noch umfangreicher ist ein Schwerpunkt geworden, der nicht nur uns als bpb, sondern auch dem Bundesjugendministerium preiswürdig aufgefallen ist. Es geht um ein bedrückendes Ereignis vor 31 Jahren in Rostock-Lichtenhagen, gefilmt von einem Fernsehteam des damaligen ZDF-Magazins Externer Link: „Kennzeichen D“, das mit eingeschlossen war in einem Wohnheim vietnamesischer Vertragsarbeiter:innen, das von Neonazis belagert und angezündet worden war.
Die zwölf Macherinnen der Schüler:innenzeitung „Innenhof" aus der 11. Klasse des Rostocker „Innerstädtischen Gymnasiums" haben sich am einstigen „Tatort“ auf eine außergewöhnlich facettenreiche Spurensuche begeben. Sie zeichnen zunächst sorgfältig nach, was damals geschah und warum sich die Polizei zunächst nicht blicken ließ.
Ausschnitt aus dem Leitartikel der prämierten "Innenhof"-Ausgabe über Rostock-Lichtenhagen.
Die „Innenhof"-Redaktion rekonstruiert, kommentiert und hinterfragt das Geschehen und die Konsequenzen daraus auf vielfältige Weise. Zusätzlich interviewt sie den seinerzeitigen Ausländerbeauftragten Rostocks, Wolfgang Richter, und den in Rostock ausgebildeten Maschinenbaumeister Nguyen Do Thinh, einen der Deutsch-Vietnamesen, die sich damals in Panik auf das Dach des Gebäudes flüchten mussten.
In einem weiteren Expert:innen-Interview an der Rostocker Uni und in ergänzenden Artikeln haken die Redakteur:innen nach und blicken in die Rostocker Gegenwart: Was hat sich seitdem verändert, wo ist Rassismus heute noch spürbar in der Stadt und was wird dagegen getan, zum Beispiel in Fußballvereinen?
Diese beiden Herangehensweisen, die von „ForstersReise.de“ aus Kamp-Lintfort und die vom „Innenhof“ möchte ich hiermit auszeichnen – als besonders eindrucksvolle Beispiele gelingender politischer Bildung.
Ihr beiden Teams habt dafür vorbildliche Wege gefunden und seid aus unserer Sicht „Zeitreise-Ermöglicher“ und „Augenöffner“ par excellence. Chapeau!
Das Thema Rassismus wird im "Innenhof" auch in die Gegenwart geholt: Wo gibt es "Menschenfeindlichkeit" heute, was lässt sich dagegen tun?
QuellentextDrei Fragen an die "Innenhof"-Redaktion
Das Redaktionsteam der Schülerzeitung "Innenhof" aus dem Wahlpflichtkurs "Schülermagazin" des Innerstädtischen Gymnasiums der Hansestadt Rostock.
1) Wie kam es zu der Entscheidung, diesen Schwerpunkt zu setzen?
Wir wollten uns eigentlich für das Titelthema dieser Ausgabe dem Themenfeld Rassismus zuwenden. Dann kam schnell der Vorschlag, das dreißigjährige Gedenken zu Rostock Lichtenhagen ins Visier zu nehmen und das mit weiteren Rassismus-Beiträgen einzubetten. Als dann der Zeitzeuge Wolfgang Richter sofort bereit war, uns ein Interview zu geben und uns in der Schule zu besuchen, war klar, dass wir unsere Ausgabe dem Pogrom widmen werden. Bei ersten Umfragen vorab auf unserer Instagram-Seite wurde schnell deutlich, dass das sehr wichtig ist. Ein Drittel unserer Schüler:innen wussten nicht, was damals passiert ist und viele weitere hatten nur sehr vorurteilsbehaftete oder vage Kenntnisse.
Rechtsextreme Randalierer und Schaulustige am 24. August 1992 vor dem "Sonnenblumenhaus" in Rostock-Lichtenhagen. Unter dem Beifall von bis zu 3000 Schaulustigen und vielen Fernsehkameras hatten Neonazis das von über 100 Vietnamesen bewohnte Hochhaus mit Steinen und Brandsätzen beworfen und in Brand gesetzt. (© picture-alliance/dpa)
2.) Was habt ihr selber dabei gelernt?
Wir selber haben für uns festgestellt, dass es ganz anders ist, mit Zeitzeugen zu sprechen, statt nur Bücher und Artikel zu wälzen. Das Gespräch war sehr intensiv und wird uns lange im Gedächtnis bleiben. Außerdem ist uns noch bewusster geworden, wie wichtig es ist, für Toleranz und Weltoffenheit einzutreten. Es ist unglaublich, welchem Alltagsrassismus viele Menschen ausgesetzt sind.
Ausschnitt aus dem Textpaket im "Innenhof" über die Ereignisse in Rostock-Lichtenhagen 1992
3.) Wie war das Echo in Eurer Leser:innenschaft?
Wir sind mit vielen Schüler:innen ins Gespräch gekommen - ob am Tag der Veröffentlichung am Stand, später in Hofpausen oder im Klassenraum. Die Reaktionen waren ganz unterschiedlich - Betroffenheit, Interesse und Mitgefühl waren häufig spürbar.
Tatsächlich haben wir über unsere eigene Leserschaft hinaus Reaktionen erhalten. Von dem Lokalradio Lohro wurden wir zu einem Interview eingeladen, auch dem Dokumentationszentrum "Lichtenhagen im Gedächtnis" durften wir einen Besuch abstatten (und künftig wird auch unsere Ausgabe hier ausgelegt).
Zwei der zwölf Innenhof-Redakteurinnen aus dem Wahlpflichtkurs "Schülermagazin" des Innerstädtischen Gymnasiusm in Rostock
Auch auf der Seite des Rostocker Rathauses berichtete man über uns, das Rostocker Stadtarchiv wollte eine Ausgabe unseres Magazins für das Archiv haben, der Blog "Hanseator" nahm unseren Beitrag als Anlass, uns eine Spende zu überweisen und der St.Pauli-Fußballpodcast "MillernTon" sprach über uns.
Liebe Grüße an das Deutschlandarchiv vom Innenhof-Team und Nicole Giest
Und macht weiter so, auch dann, wenn ihr mit der Schule fertig seid! Denn wer weiß, wo wir uns dann wiederlesen oder wiedersehen. Ein Beispiel: Eine vor bald zwei Jahrzehnten im Kreis der Externer Link: Jugendpresse Deuschland e.V." herangewachsene Journalistin, sie heißt Lan Böhm, ist heute eine meiner Fachbereichsleiterinnen und befasst sich genau mit Eurem Thema. Wie Rassismus eindämmbar ist und wie starke demokratische Orte entstehen können. Dazu fördert sie mit ihrem Team des "Externer Link: „Zusammenhalt durch Teilhabe“ (Z:T) bundesweit Modellprojekte.
Lan ist als Deutsch-Vietnamesin groß geworden, in Wismar, nicht allzu weit von Rostock-Lichtenhagen entfernt, wo sie später an einem Gymnasium eine Schülerzeitung gemacht hat. Als Studentin, hat sie den Schülerzeitungswettbewerb der Länder, der uns heute zusammenbringt, mit aufgebaut. Sie findet Euer Rostock-Mosaik ebenfalls super, soll ich ausrichten.
Somit doppelt: Herzlichsten Glückwunsch!
Hier die AusschreibungInterner Link: für die nächste Runde des Schülerzeitungswettbewerbs 2023/24 mit Einsendeschluss am 15.1.2024.
Bei der Siegerehrung aller ausgezeichneten Schülerzeitungsredaktionen aus Deutschland am 28. Juni 2023 im Bundesrat. Etwas versteckt in ihrer Mitte der amtierende Bundesratspräsident, Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentner, und bpb-Laudator Thomas Krüger. (© bpb / H.Kulick)
Zu den prämierten Beiträgen der bpb im
Interner Link: Schülerzeitungs-Wettbewerb 2021 Zu den prämierten Beiträgen der bpb im
Interner Link: Schülerzeitungs-Wettbewerb 2022 Video der Laudatio vom 28. Juni 2023 im Bundesrat (folgt später).
Externer Link: Mehr über Rostock-Lichtenhagen, ein Themenschwerpunkt des Deutschland Archivs aus dem Jahr 2022.
Zitierweise: Thomas Krüger, "Noch immer Mauer im Kopf? Eine Laudatio auf zwei besonders lesenwerte Schülerzeitungen aus Ost & West", in: Deutschland Archiv, 30.06.2023, Link: www.bpb.de/522417.
Auf Zeitreise in ein unbekanntes Land? Preisträgerinnen des Schülerzeitungswettbewerbs der Länder 2022/23 auf Exkursion mit der Redaktion Deutschland Archiv rund um den Checkpoint Charlie - bei ihrem Erstkontakt mit der Berliner Mauer. (© bpb / H.Kulick)
Weitere Inhalte
ist seit dem Jahr 2000 Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb. Er war 1989 Gründungsmitglied der Sozialdemokraten in der DDR (SPD) und Mitglied der Volkskammer der DDR. Von 1991 bis 1994 war er Senator für Jugend und Familie in Berlin, anschließend von 1994 bis 1998 Mitglied des Deutschen Bundestags. Seit 1995 ist er außerdem Präsident des Deutschen Kinderhilfswerks und seit 2003 Mitglied der Kommission für Jugendmedienschutz.