Orte des Ankommens (VIII): Tor zum Realsozialismus: Das Zentrale Aufnahmeheim der DDR in Röntgental
Fabian Schmerbeck
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Wie sahen Lager für Westflüchtlinge in der DDR aus? Nacherzählen lässt sich das anhand des Zentralen Aufnahmeheims der DDR in Röntgental, seiner Vorgeschichte und noch vorhandenen baulichen Spuren, die das Lager hinterlassen hat.
Bauaufgabe Migration
In den Jahrzehnten der deutschen Teilung waren die Notaufnahmelager für Menschen aus der DDR in der Bundesrepublik und West-Berlin medial äußerst präsent. Diese (städte-)baulichen Anlagen waren daher nicht zuletzt auch Orte politischer Repräsentation – und sind dies bis heute. Mit der Einrichtung einer Erinnerungsstätte im ehemaligen Notaufnahmelager in Berlin-Marienfelde ab 1993 sowie der Unterschutzstellung eines Teiles der Gesamtanlage 2006 ist dieser Ort nicht nur zu einem institutionalisierten Erinnerungsort geworden, sondern dient bisweilen auch weiterhin als politische Bühne.
Medial und schließlich auch in der Forschung weit weniger beachtet wurden die Lager für Menschen aus der Bundesrepublik, die in die DDR übersiedelten. Nicht nur wegen ihres geringeren Umfangs blieb die West-Ost-Migration lange Zeit beinahe unbeachtet.
So passte sie auch nicht in den politischen Diskurs der Bundesrepublik; Flucht hatte totalitäre Staaten zum Ausgangspunkt zu haben. In der DDR wiederum war die Integration in die sozialistische Gesellschaft das politische Ziel, was sich auch räumlich niederschlug. Dauerhafte „Flüchtlingssiedlungen“ wie die Schlichtbausiedlungen West-Berlins, die explizit für aus der DDR Geflüchtete errichtete wurden, gab es nicht. Darüber hinaus setzte die Beschäftigung mit West-Ost-Migration durch die Flüchtlings- und Vertriebenenforschung erst verhältnismäßig spät ein. Dass dies Auswirkungen auf den heutigen Umgang mit den baulichen Hinterlassenschaften dieser Migrationsbewegung hat, verdeutlicht das Gelände des ehemaligen Zentralen Aufnahmeheims (ZAH) der DDR in Röntgental bei Berlin.
Zwischen Repräsentation und Geheimhaltung
Zunächst dienten die Lager für Geflüchtete in der DDR neben ihrer eigentlichen Funktion ähnlich wie im Westen der politischen Repräsentation. Regelmäßig wurden in den Zeitungen der DDR über Zahlen von aktuell Untergebrachten und Neuankömmlingen berichtet; sogar Informationen zu Baumaßnahmen zur Kapazitätserweiterung der sogenannten „Aufnahmeheime“ wurden veröffentlicht. Diese publizistische Begleitung der Fluchtbewegung wurden nach dem Mauerbau zunächst durch Berichte zu Einzelschicksalen ersetzt.
Ab 1966 wurde schließlich über ankommende Menschen kaum mehr und über die Lager selbst überhaupt nicht mehr in den Zeitungen der DDR berichtet – bis zum Mauerfall. Mit dem medialen Verschwinden wurden die Einrichtungen nun auch unter relativer Geheimhaltung betrieben. 1969 gab es elf Zentrale Aufnahmeheime, während die Zahl der Heime auf Bezirksebene sich stetig änderte. Da diese jedoch im gesamten Aufnahmeprozess nachrangig waren und die Quellenlage hierzu relativ diffus ist, werden sie hier nicht näher betrachtet. Mit „zentral“ war weniger die Zusammenlegung der Menschen an wenigen Orten gemeint, als eine Konzentration aller Prozesse in Zusammenhang mit dem Aufnahmeprozess – ähnlich wie es beispielsweise im Notaufnahmelager Marienfelde der Fall war: Angefangen mit Gesundheitschecks und einem Aufenthalt in einem Quarantäne-Bereich des Lagers über geheimdienstliche und polizeiliche Befragungen bis hin zum eigentlichen Aufnahmeverfahren, das heißt der Ausstellung von Papieren.
Ein eigenständiges Verlassen der Aufnahmeheime war für die als „Aufnahmeersuchende“ bezeichneten Menschen spätestens Mitte der 1960er Jahre nicht mehr möglich. Unter anderem an dieser Stelle wird deutlich, dass der unpassend erscheinende Begriff „Heim“ wohl bewusst eingeführt wurde: Einerseits in Abgrenzung von den westdeutschen (Not-)Aufnahmelagern, andererseits im Hinblick auf die Vermeidung des Lager-Begriffs vor dem Hintergrund der Verwendung im Nationalsozialismus. „Heime“ im Sinne fester baulicher Strukturen, die eigens für diesen Zweck gebaut wurden, waren es nicht.
Zumeist wurden bestehende Baustrukturen auf einfache Weise umgenutzt. Neben oft in desolatem Zustand befindlichen Bestandsbauten wie Gutshäusern und Schlössern wurden vornehmlich Baracken aus der Zeit des Nationalsozialismus genutzt (Pritzier, Fürstenwalde, Eisenach und Blankenfelde) wobei der Zustand der Baracken an den beiden zuletzt genannten Orten explizit als „sehr schlecht“ vermerkt ist.
Zentralisierungstendenzen
Vor dem Hintergrund einer unübersichtlichen Struktur an Lagern sowohl auf gesamtstaatlicher als auch bezirklicher Ebene gab es schon 1956 die Forderung, die Aufnahme zu zentralisieren. In einem sogenannten „Reorganisationsvorschlag“ des Ministeriums für Staatssicherheit ist zu lesen: "Ein zentrales Lager hätte in der Bearbeitung der Rückkehrer und Neuzuziehenden große Vorteile, wie zum Beispiel eine zentrale Leitung, zentrale Erfassung, zentrale Arbeitsvermittlung und Wohnraumlenkung, zentrale Auswertung in jeder Hinsicht, eine bessere kulturelle Betreuung und Vereinfachung der Kontrolle und Bewachung.“ Umgesetzt wurde dies aber zunächst nicht. Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Forderung vor dem Hintergrund der zu diesem Zeitpunkt noch recht großen Zahl an Menschen in den Lagern und aus Furcht vor den Bildern, die eine „,Konzentration‘ von Ost-West-Migranten“ erzeugen könnte, nicht realisierbar war.
Erst nach dem Mauerbau und der Einführung der Wehrpflicht in der DDR war die West-Ost-Wanderung so gering, dass der Betrieb von mehr als einem Lager zunehmend schwerer darstellbar wurde. Gleichzeitig war die West-Ost-Migration zu diesem Zeitpunkt durch Rückkehrer dominiert, die – zumeist bei West-Reisen in der Bundesrepublik verblieben – aufgrund ihrer Erfahrungen in den westlichen Notaufnahmelagern eine wichtige geheimdienstliche Quelle darstellten, die „abgeschöpft“ werden sollte.
So wurde schließlich 1979 das Zentrale Aufnahmeheim in Röntgental unweit der nördlichen Stadtgrenze Ost-Berlins eröffnet. Nach der Schließung des sogenannten Außenobjektes Molkenberg bei Fürstenwalde 1986 (bis dahin für die Aufnahme von Menschen aus anderen westlichen Staaten sowie hochrangigen Bundeswehrangehörigen zuständig), war das ZAH Röntgental schließlich die alleinige Zentrale Aufnahmeeinrichtung der DDR. Es bedeutete zugleich die endgültige Abkehr von der bisherigen, dezentraleren Unterbringung der Menschen, die in die DDR ziehen wollten oder mussten. Die bis dahin betriebene Aufnahmeinfrastruktur war ebenso wie die einzelnen Einrichtungen deutlich überdimensioniert – aber selbst das eine verbleibende Lager in Röntgental war das noch: Man geht davon aus, dass dort durchschnittlich 12 Menschen gleichzeitig untergebracht waren bei zunächst 117 vorgehaltenen Plätzen.
Nutzungsgeschichte
In den 1930er Jahren war auf dem Gelände des späteren ZAH eine Hundedressuranstalt der Bahnpolizei eingerichtet worden, die von 1938 bis 1940 ausgebaut wurde. Während der Zeit des Nationalsozialismus war die Bahnpolizei noch direkt der Reichsbahn unterstellt, in der DDR jedoch dann dem Ministerium des Innern. Es ist davon auszugehen, dass auf diese Weise auch die ehemalige Hundedressuranstalt an das Ministerium des Innern fiel – also an den späteren Betreiber des ZAH. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich auf dem Gelände drei zu einem Hof gruppierte L-förmige Barackenbauten sowie ein relativ repräsentatives Verwaltungsgebäude.
1953 sind schließlich die ersten Bautätigkeiten der Nachkriegszeit auf dem Gelände zu verzeichnen. Das Ministerium für Staatssicherheit lässt einen ungefähr 160 Meter langen, in Tunnellage befindlichen Schießstand errichten – außerdem einen zweistöckigen Neubau, der dem Schießtunnel räumlich unmittelbar zugeordnet ist. Die räumlichen Gegebenheiten garantierten eine Abschottung der Anlage: Im Süden, Westen und Osten des Geländes befindet sich das sumpfige Areal des Röntgentaler Ausstichgeländes, während im Norden zu diesem Zeitpunkt noch Wald war. Die Zuwegung erfolgte von einer Wohnsiedlung aus über einen ausschließlich zu diesem Gelände führenden schmalen Waldweg.
Diese Gegebenheiten dürften mit ausschlaggebend dafür gewesen sein, dass 1979 hier schließlich das ZAH eingerichtet wurde. Während man also in der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit über die Lage und Gebäude der bisherigen Aufnahmeheime informiert war – auch weil man von Seiten der DDR bis in die 1960er versuchte die Objekte propagandistisch zu nutzen – wurde Röntgental unter Geheimhaltung errichtet und zunächst auch keinesfalls „propagandatauglich“ gestaltet. Dass diese Einrichtung auf einem von der Staatssicherheit genutzten Gelände untergebracht wurde, ist insofern nicht verwunderlich, als dass das Ministerium für Staatssicherheit im Grunde der wichtigste Akteur im Aufnahmeprozess war.
Im Zuge der Umwidmung des Röntgentaler Geländes zum ZAH wurde das ursprünglich zum erwähnten Schießtunnel gehörende Gebäude aus den 1950er Jahren zum Versorgungsgebäude für die sogenannten „Aufnahmeersuchenden“ umgenutzt. Das vermutlich zu Zeiten der Hundedressuranstalt vor oder während des Zweiten Weltkriegs errichtete Verwaltungsgebäude blieb ebenso erhalten. Es wurde mit einem zusätzlichen Maschendrahtzaun umgeben. Dieses zusätzlich umzäunte Gebäude war zunächst nicht nur räumlich, sondern auch organisatorisch das Zentrum des Lagerkomplexes.
Hier befanden sich in den ersten sieben Jahren des ZAH zum einen die Verwaltung, zum anderen praxisähnliche Räume, in denen Neuankömmlinge ersten Befragungen sowie gesundheitlichen Untersuchungen unterzogen wurden und bis zur entsprechenden Abklärung meist eine Nacht unter als einzelhaftähnlich beschriebenen Bedingungen untergebracht wurden. Zu den anderen Bauteilen des ZAH bestand durch dichte Bepflanzung eingeschränkter Blickkontakt, durch die für alle wahrnehmbare zusätzliche Zaunanlage um dieses Gebäude wurde die Wichtigkeit dieses ersten Schrittes im Aufnahmeprozess betont.
Neben der erwähnten Bestandsbaracke aus der Zeit der Hundedressuranstalt wurden vier weitere je ungefähr 170 m2 große Baracken als Gebäude 5 bis 8 in derselben Ausrichtung und ähnlicher Dimensionierung wie der Bestandsbau errichtet. Diese dienten zunächst der Unterbringung der „Aufnahmeersuchenden“, auch das alltägliche Leben der Menschen spielte sich dort ab. Das 17 Hektar umfassende Gesamtgelände war durch eine doppelte Zaunanlage mit mehrfachem Stacheldraht gesichert, der Geländestreifen zwischen den beiden Zäunen war stets hell erleuchtet.
Ende des Provisoriums
Ein bedeutender Schritt in der Geschichte des ZAH war die 1986 erfolgte Inbetriebnahme des Neubaus Haus 11, in dem alle bisherigen Funktionen untergebracht wurden. Das achtgeschossige Gebäude des Typs „Feierabendheim“ des Wohnungsbaukombinats Berlin sollte vollständig autark sein, alle Funktionen eines Heims sollten laut Werbebroschüre darin Platz finden.
Und auch alle bisherigen Bereiche des Aufnahmeheims befanden sich nun in diesem Gebäude, das einschließlich eines Verhörtrakts im obersten Geschoss quasi ein vertikales Lager darstellte. Dass das neue Gebäude durchaus der Repräsentation des Staates dienen sollte, scheint nach all der bisherigen Geheimhaltung verwunderlich, doch war schon 1981 ein großer Artikel im Spiegel erschienen, der auch weitere West-Berichterstattung nach sich zog und eine Geheimhaltung des Geländes wohl nur noch mäßig sinnvoll erscheinen ließ.
So war unter anderem eine von einem abgelehnten „Aufnahmeersuchenden“ angefertigte schematische aber dennoch relativ präzise Skizze der Lageranlage veröffentlicht worden, die sich natürlich auch in den Akten der Staatssicherheit wiederfindet. In einer Aktennotiz des Innenministeriums ist im Hinblick auf den Neubau Haus 11 folgender Satz zu lesen: „Die Lösung der Aufgaben zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Aufnahme und Betreuung von Bürgern aus der BRD und aus Westberlin im Neubau trägt zur Erhöhung des internationalen Ansehens und der Autorität der DDR bei.“
Im Oktober 1988 wurde dann unter der Überschrift „Konzeption zur Neugestaltung von Regimebedingungen im ZAH des MdI Röntgental“ ein Plan vorgelegt, das gesamte Gelände umzustrukturieren. So sollte die mittlerweile zur angrenzenden Schönerlinder Straße verlegte Eingangssituation repräsentativer gestaltet werden, eine Baracke teilweise aus dem Gelände ausgegrenzt werden und zusammen mit einem dem öffentlichen Straßenraum angegliederten Vorplatz Besuchern dienen – kaum vorstellbar vor dem Hintergrund, dass die Einrichtung bis dahin von außen nicht einmal bezeichnet war und eine Blechmauer jeglichen Ein- oder Ausblick verhinderte.
Zu lesen sind diese Maßnahmen jedoch vor dem Hintergrund, dass zum selben Zeitpunkt die westlichen Notaufnahmelager und besonders jenes in Marienfelde nach einer „medialen Pause“ nach dem Mauerbau wieder zunehmend ins Blickfeld rückten. Zur Umsetzung dieser Baumaßnahmen kam es allerdings nicht oder vielleicht nicht mehr. Darüber hinaus wären diese Baumaßnahmen ein weiterer Schritt weg vom zunächst provisorischen Charakter des ZAH hin zu einer (auch sichtbaren) Institutionalisierung, wie sie die westdeutschen Notaufnahmelager schon lange zuvor durchlaufen hatten.
Umnutzung und Erinnerung
Bereits kurz nach dem Mauerfall im November 1989 forderten Menschen der Gemeinde Zepernick, in der das ZAH lag, Einsicht in das Aufnahmeheim zu erhalten. In der Folge wurden rasch die Trapezblechplatten abgebaut, die den Blick durch die Zäune bis dahin unmöglich machten. Auch der Zaun um das Quarantäne-Haus wurde entsorgt. Nach anfänglichen Bestrebungen im ZAH Asylbewerber:innen unterzubringen, wurde das Gelände jedoch noch im März 1990 an die Gemeinde übergeben. Es folgte eine rasche Umnutzung aller Gebäude, hauptsächlich zu sozialen und medizinischen Zwecken.
Diese bestand bis in die späten 1990er Jahre, wodurch das Lager über zehn Jahre lang relativ gut konserviert war. Aufgrund geplanter Baumaßnahmen erfolgte dann jedoch der Abriss zentraler Gebäude des Lagers wie der DDR-zeitlichen Baracken und des Quarantänegebäudes. Bis heute ist das entsprechende Areal zum großen Teil eine Brache, deren Raumkanten und zum Teil auch Wegführungen jedoch nachvollziehbar sind.
2009 wurde ein Gedenkstein vor dem Haus 11 des ZAH, dem heutigen Seniorenheim Eichenhof platziert. Er hebt zwei Aspekte hervor: Zum einen die erfolgreiche Aneignung des Gebäudes durch die Bürger:innen im Zuge der Geschehnisse 1989, zum anderen die Geschichte des ZAH mit einem Fokus auf die dortigen Selbsttötungen, die auch populärwissenschaftlich beziehungsweise journalistisch aufgearbeitet wurden.
Resümee
Neben dem massiven zweistöckigen wohl vor einigen Jahren renovierten aber dennoch leerstehenden ehemaligen Stasi-Gebäude befindet sich die Brandruine der hölzernen Zollbaracke. Auf den am Boden liegenden Teilen der Dachkonstruktion wachsen bereits Pflanzen. Unmittelbar vor der Ruine lassen rechteckige, baumfreie Flächen erahnen, wo früher die vier Baracken standen, in denen sich zeitweise fast das gesamte Lagerleben abspielte. Betonreste sowie Straßenlaternen scheinen noch deren Eingänge zu kennzeichnen. Dieselben Lampen zeichnen auch Wege durch das Gelände nach.
Im Sommer sind die nicht mehr vorhandenen Bauten noch deutlicher auszumachen, trockene Stellen im Gras markieren wohl Reste noch im Boden befindlicher Fundamente. Und ein relativ breiter Weg aus Betonplatten endet auf einer Leerstelle zwischen großen Eichen: Dort stand das Quarantänegebäude. Gerahmt wird die gesamte beschriebene Szenerie durch zwei Neubauten – vermutlich aus den frühen 2000er Jahren. Eines dieser Gebäude zeichnet in etwa das ehemalige Wachgebäude nach. Bei dem offensichtlich DDR-zeitlichen, siebenstöckigen Gebäude, das sich im Kontext von Brache und kleineren Gebäuden wie ein Scheibenhochhaus über das Gelände erhebt, handelt es sich um das ehemalige Haus 11.
Bislang haben sich hauptsächlich lokale Akteure ohne unmittelbaren persönlichen Bezug zu den Geschehnissen im ZAH an einer Dokumentation des Ortes und einer Aufarbeitung der dortigen Geschehnisse versucht. Der Fokus lag dabei auf der Aufarbeitung und Schilderung persönlicher Schicksale, wie die oben erwähnten Selbsttötungen, und nicht auf den konkreten Orten und Bauten an und in denen sich diese Schicksale abspielten.
Bestrebungen, Teile der Anlage beispielsweise in der mittlerweile abgebrannten Zollbaracke oder im ehemaligen Heizwerk des ZAH einen Gedenkort einzurichten, führten bislang zu keinem Ergebnis. Die Frage, inwiefern diese Begebenheiten nur anhand dieser Bauten erzählbar bleiben, wurde kaum gestellt. Eine 2011 von einer Bürgerinitiative angestoßene denkmalrechtliche Unterschutzstellung der letzten erhaltenen und schließlich 2020 abgebrannten Baracke 2 erfolgte nicht – jedoch wurde tatsächlich nur dieses eine Gebäude betrachtet, der größere räumliche Zusammenhang der verschiedenen Komponenten des Lagers wurde von Seiten der Initiierenden nicht betont und amtlicher Seite offenbar nicht gewürdigt.
Unter Heranziehung der vielen einzelnen Komponenten, Spuren und Räume und vor allem der Tatsache, dass die Abgrenzung und der Aufbau des Geländes in manchen Teilen noch gut lesbar sind, stellt sich die Situation jedoch anders dar. Die verbliebenen Strukturen sind gerade als Ort einer kaum bekannten Migration und der Tatsache, dass dies gleichzeitig ein mittelbarer Teil des DDR-Grenzregimes war, unbedingt erhaltenswert und bedürfen einer Vermittlung, die über die bisherige recht bezugslose Gedenktafel hinausgeht.
Zitierweise: Fabian Schmerbeck, Orte des Ankommens (VIII): Tor zum Realsozialismus: Das Zentrale Aufnahmeheim der DDR in Röntgental, in: Deutschland Archiv, 18.07.2024, Link: www.bpb.de/550312. Der Beitrag ist Teil einer Serie "Orte des Ankommens", erstellt in Kooperation des Fachgebietes Städtebauliche Denkmalpflege und Urbanes Kulturerbe der Technischen Universität Berlin, dem Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung Erkner und der Stiftung Berliner Mauer 2023/24, herausgegeben von Stephanie Herold und Małgorzata Popiołek-Roßkamp. Anlass war eine Tagung zum 70. Jahrestag der Gründung des Externer Link: Berliner Notaufnahmelagers Marienfelde am 14. April 1953. Alle Beiträge im Deutschland Archiv sind Recherchen und Meinungsbeiträge der jeweiligen Autorinnen und Autoren, sie stellen keine Meinungsäußerung der Bundeszentrale für politische Bildung dar und dienen als Mosaikstein zur Erschließung von Zeitgeschichte. (hk)
Fabian Schmerbeck studiert an der Technischen Universität Berlin Stadt- und Regionalplanung mit Schwerpunkten in Themen der Städtebaulichen Denkmalpflege und (der Geschichte) des Städtebaus. Für seine Bachelorarbeit zum subventionierten Bauen der 1960er und 1970er Jahre in West-Berlin erhielt er den Studienpreis des Landesdenkmalamtes Berlin.