Wissenschaftler*innen streiten, ob auch Menschen, die schon vor dem Mauerbau beim Passieren der innerdeutschen Grenze aus unterschiedlichen Gründen gewaltsam zu Tode kamen, "Opfer des DDR-Grenzregimes" sind. Diskutiert wird auch, wie der Tod von Grenzern zu bewerten ist, die im direkten oder indirekten Zusammenhang mit ihrem Dienst an der Grenze ihr Leben verloren oder sich das Leben nahmen.
Daher gibt es bislang keine abschließende Berechnung, wie viele Menschen durch das Grenzregime zu Tode gekommen sind, zumal auch viele Todesfälle von SED und Stasi
Gibt es aber noch mehr Fallkategorien, die diskutiert werden müssten? Davon geht ein Autorenteam aus dem Forschungsverbund SED-Staat an der Freien Universität (FU) Berlin aus, das in seiner Zählung auf nicht 260, sondern 327 Todesopfer kommt, die im Zusammenhang mit dem innerdeutschen Grenzregime ums Leben kamen.
Ebenfalls im Angebot der bpb-Medienzentren: "Die Todesopfer an der Berliner Mauer 1961-1989" von Hans-Hermann Hertle und Maria Nooke (560 S.), bpb-Schriftenreihe (Band 10504).
Ebenfalls im Angebot der bpb-Medienzentren: "Die Todesopfer an der Berliner Mauer 1961-1989" von Hans-Hermann Hertle und Maria Nooke (560 S.), bpb-Schriftenreihe (Band 10504).
Professor Klaus Schroeder und Dr. Jochen Staadt veröffentlichten dazu mit dem Recherchestand vom 1. Januar 2017 eine Studie unter dem Titel "Die Todesopfer des DDR-Grenzregimes an der innerdeutschen Grenze 1949-1989". Dieses 684-seitige Buch des Forschungsverbundes mit seinen 327 Fallbeispielen erschien 2017, es wurde finanziell unterstützt durch die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien und mehrere Bundesländer, und wurde auch in das Diskussionsangebot der bpb zu diesem Themenfeld aufgenommen.
Die wesentlichen Inhalte fassten im August 2019 als Auftakt zu dieser Debatte im Deutschland Archiv Dr. Jochen Staadt und Dr. Jan Kostka zusammen, sie geben darin einen
Doch die Zählweise des Forschungsverbunds SED-Staat weckt(e) Widerspruch, denn ein Teil der aufgeführten Fallbeispiele ist aus Sicht anderer Wissenschaftler umstritten. Dies machte 2018 die rbb-Journalistin Gabi Probst zum Thema. Sie wollten wissen, ob in der Zeit von 1949 bis 1989 wirklich 327 Menschen im Zusammenhang mit dem Grenzregime der DDR gestorben sind, wie es in der Studie hieß. Ihre Recherchen mündeten im November 2018 in einem Beitrag im ARD-Mittagsmagazin Externer Link: "DDR-Grenztote: Muss Zahl nach unten korrigiert werden?". Ein Externer Link: Folge-Beitrag wurde im April 2019 ausgestrahlt. Er berichtete von einer Veranstaltung mit Kulturstaatsministerin Monika Grütters zu der Studie.
Durch diese Selbstschussanlage an der niedersächsischen Zonengrenze nahe Jeetzel wurde am späten Abend des 17. Januar 1973 der 27-jährige Ingenieur Hans-Friedrich Franck aus Wismar tödlich getroffen. An der Schussanlage sind die ober- und unterhalb des trichterförmigen Rohres nach rechts verlaufenden Auslöserdrähte zu erkennen. Franck hatte beim Überklettern der Spanndrähte die Sprengfalle ausgelöst und verletzte sich schwer, außerdem schossen DDR-Grenzer hinter dem Flüchtenden her. Er konnte sich zwar noch auf die Westseite schleppen, verstarb aber im Lauf der Nacht aufgrund zu großer Blutverluste. (© picture-alliance/dpa, Werner Baum )
Durch diese Selbstschussanlage an der niedersächsischen Zonengrenze nahe Jeetzel wurde am späten Abend des 17. Januar 1973 der 27-jährige Ingenieur Hans-Friedrich Franck aus Wismar tödlich getroffen. An der Schussanlage sind die ober- und unterhalb des trichterförmigen Rohres nach rechts verlaufenden Auslöserdrähte zu erkennen. Franck hatte beim Überklettern der Spanndrähte die Sprengfalle ausgelöst und verletzte sich schwer, außerdem schossen DDR-Grenzer hinter dem Flüchtenden her. Er konnte sich zwar noch auf die Westseite schleppen, verstarb aber im Lauf der Nacht aufgrund zu großer Blutverluste. (© picture-alliance/dpa, Werner Baum )
Wissenschaftliche
Beide Ansichten griff im August 2920 der Historiker Dr. Gerhard Sälter aus der Gedenkstätte Berliner Mauer auf und gab (online seit 12.8.2020) einen ausführlichen Überblick, wie Zählung und Gedenken zukünftig gehandhabt werden könnten. Der Titel seines Diskussionsbeitrags: "
Im Februar 2021 folgte ein weiterer Disput, eine Externer Link: Kritik von Dr. Udo Grashoff an den Suizidanalysen Jochen Staadts und Externer Link: Staadts Replik darauf.
Die Redaktion des Deutschland Archivs setzt diese Debatte fort und plant nach Corona eine wissenschaftliche Fachtagung zu diesem Thema, der im 35. Jahr des Mauerfalls 2024 eine weitere Publikation folgen soll.
Hier die Links zu den bislang vorliegenden Beiträgen:
Externer Link: NEU: Die Todesopfer des DDR-Grenzregimes, ihre Aufarbeitung und die Erinnerungskultur. Ein Überblick und ein Denkanstoß von Dr. Gerhard Sälter zu einer ausgebliebenen Debatte, veröffentlicht am 12.8.2020.
Dazu ein Leserbrief des Fachautors
Interner Link: Peter Joachim Lapp vom 19.10.2020.
Die Buchdebatte:
Interner Link: Todesopfer des DDR-Grenzregimes I. Ein Überblick von Dr. Jochen Staadt und Dr. Jan Kostka, veröffentlicht am 13. August 2019.Interner Link: Todesopfer des DDR-Grenzregimes II. Eine Kritik von Dr. Michael Kubina, veröffentlicht am 13. August 2019.Interner Link: Todesopfer des DDR-Grenzregimes III. Eine Antwort
von Dr. Jochen Staadt, veröffentlicht am 4. November 2019.
von Dr. Michael Kubina, veröffentlicht am 27. April 2020.
von Dr. Jochen Staadt, veröffentlicht am 13. Mai 2020.
Zur Frage von Grenzer-Suiziden:
Eine Externer Link: Kritik von Dr. Udo Grashoff an den Thesen Dr. Jochen Staadts, veröffentlicht am 10.2.2021
Eine Externer Link: Replik von Dr. Jochen Staadt auf Dr. Udo Grashoffs Kritk, veröffentlicht am 10.2.2021
Weitere Debattenthemen:
Interner Link: DDR-Flüchtlinge, die an den Außengrenzen des Warschauer Pakts zu Tode kamen. Das Beispiel Bulgarien , beschrieben im Deutschland Archiv vom 3.7.2020 von Christopher Nehring, Fanna Kolarova und Stoyan Raichevsky.