Jüdische Kunstsammler*innen waren im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert entscheidend an der Etablierung moderner Kunstströmungen in Europa beteiligt. Sie zählen dank ihrer Sammeltätigkeit zu den Wegbereiter*innen der Moderne, die die künstlerische Avantgarde vor allem in Frankreich und Deutschland gefördert haben. Trotz aller gesellschaftlichen Abweisung haben sie einen Raum eröffnet, der auf institutioneller Ebene – aufgrund des kaiserlichen Kunstdiktats und dem konservativen, anti-modernen Akademismus – undenkbar erschien.
Emma Budge und Margarete Oppenheim: der Kampf um ihre Kunstsammlungen in der Bundesrepublik
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Ab 1933 waren auch jüdische Mäzeninnen der NS-Verfolgung ausgesetzt. Ihre Sammlungen wurden geraubt, zerschlagen und sind heute auf der ganzen Welt zerstreut. Fenya Almstadt untersucht Schicksal und Verbleib anhand zweier Beispiele.
Eine besondere Rolle spielte hier das jüdische Großbürgertum in Deutschland, aus dem viele dieser Sammler*innen stammten. Diese traten zumeist ebenso als Mäzen*innen auf und prägten demnach nicht nur die deutsche Kulturlandschaft maßgeblich, sondern zeichneten sich ebenso durch die Gründung und finanzielle Förderung verschiedenster sozialer Projekte aus. Neben dem jüdischen Prinzip der Wohltätigkeit, der Zedaka,
Unter den Sammler*innen waren trotz der klar tradierten zeitgenössischen Geschlechterrollen und der gesellschaftlichen Hürden, wie etwa wirtschaftlicher Abhängigkeit und des institutionellen Ausschlusses von Künstlervereinigungen und Universitäten, zahlreiche Frauen vertreten. Sie gestalteten als Kunstsammlerinnen, -händlerinnen und -förderinnen die Kunstwelt des ausgehenden Kaiserreichs und der Weimarer Republik aktiv mit und setzten neue Schwerpunkte etwa im Zusammenhang mit dem französischen Impressionismus.
Die Möglichkeit, eigenverantwortlich eine Kunstsammlung aufzubauen oder sich mäzenatisch zu engagieren, stand dabei wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit nur wenigen Frauen zur Verfügung. Hier bot das gemeinsame Engagement innerhalb einer Ehe den Frauen einen gesellschaftlich anerkannten Rahmen, der oft stärker von ihnen selbst als von ihren Ehemännern geprägt war.
Zu diesen Ehepaaren gehörten Emma (1852-1937) und Henry Budge (1840-1928) sowie Margarete (1857-1935) und Franz Oppenheim (1852-1929). Sie waren Teil eines Mäzen*innentums, das bis in die 1930er Jahre hinein einen wichtigen Beitrag zum hiesigen kulturellen und gemeinnützigen Leben beigetragen hat und von dessen Schenkungen noch heute zahlreiche Museen profitieren. Daher widmet sich dieser Text vor allem diesen beiden Paaren, wobei im Folgenden auch Rosa (1887-1943) und Jakob (1879-1941) Oppenheimer als wichtige Vertreter*innen des Berliner Kunsthandels vorgestellt werden.
Jüdisches Mäzeninnentum in Hamburg: Emma Budge
Emma Budge, die aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie aus Hamburg stammte, sammelte gemeinsam mit ihrem Ehemann Henry, Sohn eines jüdischen Wertpapierhändlers aus Frankfurt am Main, über Jahrzehnte feinstes Porzellan. Darüber hinaus umfasste ihre Sammlung Skulpturen, Gemälde, Tapisserien, Textilien und Kunstgewerbe des 16. bis 18. Jahrhunderts.
Beim Aufbau ihrer Sammlung ließen sich Emma und Henry Budge etwa von Justus Brinckmann (1843-1915), dem Gründer und ersten Direktor des Museums für Kunst und Gewerbe Hamburg (MKG), sowie dessen Nachfolger Max Sauerlandt (1880-1934) beraten. Im Gegenzug schenkten sie dem Museum einige Objekte und finanzierten weitere Ankäufe.
Des Weiteren stiftete sie gemeinsam mit ihrem Mann einige Jahre später zwei Skulpturen für den Hamburger Stadtpark, die sie bei dem Bildhauer Georg Kolbe (1877-1947) eigens dafür in Auftrag gegeben hatte. Das Paar schenkte außerdem dem Hamburger Völkerkundemuseum eine Sammlung tibetischer Kunst. Im Rahmen ihres großzügigen und gastfreundlichen Lebensstils entwickelte sich das Anwesen der Budges, ein um 1900 nach dem Vorbild eines französischen Schlosses umgebautes Palais an der Alster, vor der NS-Zeit zu einem wichtigen Zentrum gesellschaftlichen und kulturellen Lebens in Hamburg.
1928 trat mit dem Tod von Henry Budge ein Testament in Kraft, das vorsah, dass die in Deutschland zusammengetragene kunstgewerbliche Sammlung nach dem Tod des kinderlosen Ehepaares dem MKG vermacht und zu Ausstellungszwecken verwendet werden sollte. Angesichts der politischen Verhältnisse seit der „Machtergreifung" in Deutschland nahm Emma Budge bis 1936 einige Testamentsänderungen vor. Dabei stellte sie ihren jüdischen Testamentsvollstreckern frei, Grundbesitz und Kunst zu verkaufen, sofern es die Entwicklung in Deutschland für ihre von der Verfolgung bedrohten Erb*innen notwendig machte. Jeglichen Nutzen für die Stadt Hamburg schloss sie zwischenzeitlich ausdrücklich aus.
Die Zerschlagung der Sammlung Budge
Auch wenn Emma Budge ihre Kunstsammlung ursprünglich zum Teil an Museen wie dem Metropolitan Museum in New York verteilen wollte, entschieden sich die Testamentsvollstrecker nach ihrem Tod im Februar 1937 für eine umgehende Versteigerung des Nachlasses, der geschätzt einen Wert von 34 Millionen Reichsmark (RM) umfasste. Die erste Auktion fand bereits im Oktober statt, eine zweite folgte im Dezember.
Neben der schnellen Abfolge der beiden Auktionen ist auch die Preisgestaltung aus heutiger Sicht auf die Notlage der jüdischen Erb*innen zurückzuführen: So gingen die Kunstgegenstände ohne Limitierung in die Auktion, was auf einen Zwangsverkauf hindeutet.
Entgegen Emma Budges Verfügung wurde zudem die Villa nach ihrem Tod und unter bis heute nicht restlos geklärten Umständen weit unter ihrem Wert an die Stadt Hamburg verkauft.
Die von Emma Budge über Jahre zusammengestellte Sammlung wurde in den beiden Versteigerungen, in denen etwa 1.500 Objekte auktioniert wurden, auseinandergerissen und zum Großteil unter Wert verkauft.
Erschwerend hinzu kommt, dass einzelne Akteur*innen und Behörden der Stadt Hamburg die Prozesse zur Entschädigung der Budge-Erb*innen offenkundig wegen eigener Interessen zum Teil verschleppt und sogar (aktiv) behindert haben: Der Nachlassverwalter Gottfried Francke kann hier als typisches Beispiel herangezogen werden.
In der Urteilsbegründung vom 10. Dezember 1954 hieß es, der Aussage Franckes folgend, „dass zur Zeit der Versteigerung eines Teils des Nachlasses keinerlei diskriminatorische Abgaben zu zahlen waren, die Versteigerung vielmehr nur deshalb erfolgte, weil die Erbschaftssteuer bezahlt werden musste und andere flüssige Mittel dafür nicht vorhanden waren.“
Durch Franckes Aussage wurde der Rückerstattungsantrag folglich als unbegründet abgelehnt, wobei bis heute unklar ist, aus welchen Beweggründen er derart handelte.
Zudem zeigten sie sich im Rahmen der Verhandlungen mit dem Hamburger Senat im Restitutionsverfahren um das Budge-Palais sehr zögerlich. Erst im April 2011, also 74 Jahre nach der Enteignung, zahlte die Stadt Hamburg den Erb*innen, auch auf Druck der Presse, eine Entschädigung zur Abgeltung ihrer Ansprüche.
Der Fall Margarete Oppenheim
Ähnlich wie Emma Budge hatte Margarete Oppenheim, geborene Eisner, eine der bedeutendsten Kunstsammlungen Deutschlands zusammengetragen. Sie kann zweifelsohne als eine der erwähnten eigenverantwortlich agierenden Kunstsammlerinnen und Mäzenatinnen bezeichnet werden, weshalb ihr Schaffen hier nachfolgend dokumentiert werden soll.
Nach dem Tod ihres ersten Ehemanns Georg Reichenheim im Jahr 1903 erbten sie und ihre Tochter Charlotte (seit 1927 geschiedene Mendelssohn-Bartholdy, ab 1930 Gräfin von Wesdehlen) ein umfangreiches Vermögen, mittels dessen sie ihre bestehende Sammlung aus Kunstgewerbeobjekten um moderne Gemälde und Zeichnungen ergänzte – beraten wurde sie hierbei von der Galerie Thannhauser sowie dem in Berlin weithin bekannten Kunsthändler Paul Cassirer (1871-1926).
Damit zählte sie zu jenen Kunstsammler*innen, die unbeirrt von vorherrschenden antifranzösischen Ressentiments und der von nationalistischen Maßstäben beeinflussten kaiserlichen Kunstpolitik impressionistische Werke von Paul Cézanne, Edgar Degas, Édouard Manet und Vincent van Gogh ankauften und damit deren Rezeption sowie Anerkennung förderten. Sie besaß mit etwa 20 Werken Cézannes die größte in Deutschland befindliche Sammlung des Künstlers, die sie trotz Unverständnis und Ablehnung seitens ihrer Familie leidenschaftlich fortführte. Diese wurden wiederholt in Ausstellungen gezeigt, wie etwa bei Paul Cassirers Impressionismus-Schau im Jahr 1925.
Nach der zweiten Eheschließung mit Franz Oppenheim, Chemiker und Direktor der Agfa Berlin, setzte sie diese sammlerische und fördernde Tätigkeit fort. Dies umfasste Mitgliedschaften in der Deutschen Gesellschaft für Ostasiatische Kunst, im Kaiser-Friedrich-Museums-Verein (KFMV) und dem Verein der Freunde antiker Kunst. Des Weiteren trat sie als private Leihgeberin bei einigen Ausstellungen des Kaiser-Friedrich-Museums auf und stiftete wiederholt Kunstobjekte an dieses sowie an das Kunstgewerbemuseum Berlin.
In ihrer Ehe mit Franz wird sie als die Verantwortliche für die Kunstsammlung beschrieben, während er sich vorwiegend um das Geschäftliche gekümmert und sie uneingeschränkt bei dem Ausbau ihrer Gemäldesammlung unterstützt habe. Nach dessen Tod 1929 übernahm sie seinen Nachlass, über den sie laut Testament als Vorerbin weitgehend uneingeschränkt verfügen konnte.
Am 2. September 1935 starb Margarete Oppenheim. Ihre Kunstsammlung umfasste zu diesem Zeitpunkt mehrere Hundert Objekte, darunter zahlreiche Galanterien, Silbergefäße, Keramiken, Textilien, Möbel, Asiatika des 16. bis 18. Jahrhunderts und die bereits benannten Gemälde französischer Impressionisten. Ihre Tochter Charlotte bereitete zu diesem Zeitpunkt bereits ihre Emigration in die Schweiz vor. Ihr Sohn aus erster Ehe, Kurt Oppenheim (1886-1947), befand sich bereits seit 1930 mit seiner Familie dort.
So musste die Sammlung unter Druck verkauft werden und die im Testament vorgegebene Versteigerung fand bereits im Mai 1936 im Auktionshaus Julius Böhler in München statt. Ähnlich wie im Fall der Sammlung Budge umfasste der Auktionskatalog mehr als 1.000 Objekte und war reich bebildert. Darunter befanden sich etwa 14 Werke von Cézanne mit einem internationalen Marktwert um die 1 Million RM. Diese standen jedoch auf der Liste „nationalen Kulturgutes",
Die übrigen Werke der Sammlung, die bei Böhler versteigert wurden, erzielten marktübliche Preise und einen Umsatz von insgesamt circa einer halben Million RM. Die Einnahmen der Auktion wurden wie vorgesehen auf ein Nachlasskonto gezahlt. Charlotte von Wesdehlen, die allein verfügungsberechtigt über den Nachlass ihrer Mutter war, musste jedoch bei ihrer Emigration neben der „Judenvermögensabgabe" eine hohe „Reichsfluchtsteuer" an den NS-Staat zahlen.
„Gerechte und faire Lösungen"
Das GRASSI Museum für Angewandte Kunst in Leipzig, welches sich 2018 zu einer Rückgabe von 25 Objekten an die Erb*innen sowie zu einem Neuankauf weiterer sich in der Dauerausstellung des Museums befindlicher Werke aus der ehemaligen Sammlung Oppenheim entschloss, beschreibt diesen Vorgang als das Streben nach einer „fairen Lösung" im Sinne der Washingtoner Prinzipen.
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs berief man sich bei der Beurteilung zur Rückerstattung jüdischen Eigentums in der Bundesrepublik zunächst auf die Anwendung des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), welche jedoch die direkte Veranlassung des NS-Staats oder der NSDAP für den Entzug jüdischen Eigentums zur Bedingung für Restitutionen machte und daher den Charakteristika der komplexen Enteignungspraxis des NS-Regimes nicht gerecht wurde.
Dabei profitierten Privatpersonen wirtschaftlich erheblich von der antisemitischen Ausgrenzung und Vernichtung durch das NS-Regime, etwa durch die Zusammenarbeit mit NS-Organen oder den günstigen Erwerb von Hausrat aus jüdischem Eigentum bei sogenannten „Judenauktionen".
Folglich führte die amerikanische Militärverwaltung 1947 Rückerstattungsgesetze ein, die den Forderungen einiger amerikanischer jüdischer Organisationen entsprachen und zehn Jahre später in das bundesdeutsche Bundesrückerstattungsgesetz übergingen. Trotz der alliierten Bestrebungen und der bestehenden gesetzlichen Regelungen konnte jedoch keine vollständige Rückgabe der entzogenen Kunst- und Kulturgüter erreicht werden, was später in den 1990er Jahren durch die Washingtoner Prinzipien zur Rückgabe verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter aufgefangen werden sollte.
Jüdischer Kunsthandel in Berlin: Rosa Oppenheimer
Anders als bei der Sammlung Margarete Oppenheims ist die aktuelle Auseinandersetzung im Fall Rosa und Jakob Oppenheimer nicht von Einigkeit über eine „gerechte und faire Lösung" geprägt.
Das jüdische Ehepaar war im Kunsthandel in Berlin tätig und seit 1929 Inhaber*in des auf Kunst- und Juwelenhandel spezialisierten und international erfolgreichen Margraf-Konzerns. Dieser umfasste die Galerie van Diemen & Co. Berlin, die Altkunst Antiquitäten GmbH sowie die Galerie Dr. Otto Burchard & Co. GmbH und war damit die größte Berliner Kunsthandelsgesellschaft. Die Bekanntheit ihres Unternehmens und dessen wirtschaftliche Größe machte die beiden Unternehmer*innen früh zum Ziel der nationalsozialistischen Verfolgung, sodass Rosa und Jakob Oppenheimer bereits im März 1933 nach Frankreich emigrierten – wo Jakob 1941 in einem Lager bei Nizza starb und Rosa nach dem Einmarsch der Deutschen 1943 nach Auschwitz verschleppt und dort ermordet wurde.
Die in ihrem Besitz befindlichen Kunstobjekte wurden Ende 1934 von Ivan Bloch, dem Schwiegersohn der Oppenheimers, in die Liquidation bei der Kunsthandlung Paul Graupe gegeben. Auch hier wurden die angebotenen Stücke in der zeitgenössischen Öffentlichkeit als von hoher Qualität rezipiert, die Weltkunst berichtete überdies regelmäßig über die Versteigerungen zur Auflösung des Margraf-van Diemen-Konzerns, die ab Januar 1935 in vier Teilen stattfanden.
Wie in den vorangegangenen Fällen wurden auch bei der Auktionierung des Besitzes des Ehepaars Oppenheimer deutlich mehr als 1.000 Objekte versteigert, sodass die Erb*innen nach Kriegsende mit zahlreichen anwaltlichen Auseinandersetzungen zu tun hatten, die nicht selten ins Leere liefen.
Es herrscht heute jedoch Uneinigkeit darüber, ob es sich bei der Auktion bei Graupe 1935 um einen verfolgungsbedingten Verkauf handelte. So stellte ein aus internationalen Kunsthistoriker*innen zusammengesetztes Gremium 2019 fest, dass es sich, anders als zuvor angenommen, nicht um eine durch Zwang des NS-Staats hervorgerufene Auflösung, sondern vielmehr um eine Maßnahme infolge der Überschuldung des Konzerns Ende der 1920er Jahre gehandelt habe.
Die Erb*innen hingegen versuchen bereits seit dem Jahr 2000 erfolglos, wertvolle Gemälde des Künstlers Peter Paul Rubens, die sich seit Mitte der 1960er Jahre in den Sammlungen der Staatsgalerie Stuttgart sowie der Kunsthalle Karlsruhe befinden, zurückzuerhalten. Die Restitution wurde mit der Begründung abgelehnt, dass der private Vorbesitzer, der sie 1935 ersteigert hatte, bereits Entschädigungszahlungen geleistet habe.
Erst mit der neuerlichen Unterstützung des Holocaust Art Restitution Projects (HARP) und der Art Restitution Association in Paris kommt seit 2022 neue Bewegung in den Fall, der nun zumindest teilweise erneut geprüft werden soll.
Ähnlich wie das HARP setzt sich die Jewish Claim Conference (JCC) für die Restitution jüdischen Eigentums ein. Sie vertritt seit 1951 als Vereinigung von 23 Organisationen unterschiedliche Entschädigungsansprüche der jüdischen NS-Opfer gegenüber dem deutschen Staat. Mit Beschluss des Luxemburger Abkommens, das sich 2022 zum 70. Mal jährt, wurde ihr 1952 eine Zahlung von 450 Millionen D-Mark seitens der BRD zur Umsetzung dieser Aufgabe zugesprochen.
„Wiedergutmachung“ ausgeschlossen
Bedingt durch Vertreibung, Ermordung und Krieg während des Nationalsozialismus wurden zahlreiche jüdische Sammlungen (zwangs-)aufgelöst und damit über die ganze Welt zerstreut. Nicht selten war dies mit einer Vernichtung historischer Dokumente verbunden, die einstmals zentrale Persönlichkeiten des Kulturlebens in Deutschland in Vergessenheit gerieten ließ, allen voran die darunter vertretenen Frauen, die oft schon zu Lebzeiten anonym oder unter Verwendung männlicher Pseudonyme tätig gewesen waren.
Quellentext„Wiedergutmachung“ – ein umstrittener Begriff
Das nationalsozialistische Unrecht, das Verdrängung, Entrechtung und Massenmord bedeutete, und damit auch der verfolgungsbedingte Entzug jüdischer Kulturgüter lassen sich keineswegs „wiedergutmachen“. Jede Bemühung um Gerechtigkeit kann in diesem Kontext nur einen symbolischen Akt darstellen, der die komplexen Bedingungen der nationalsozialistischen Verfolgung auf materielle Aspekte beschränkt und damit ein bürokratischer Akt bleibt.
Er stellt die Täter*innen in den Fokus und lenkt von der Perspektive der Opfer ab. Seine weitgefasste Verwendung suggeriert zudem, dass eine „Wiedergutmachung“ durch kollektive Verbrechen verursachter Schäden überhaupt möglich sei.
Fußnoten
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Berthold Unfried, Vergangenes Unrecht. Entschädigung und Restitution in einer globalen Perspektive, Göttingen 2014, S. 40.
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Vgl. dazu Constantin Goschler, Wiedergutmachungspolitik – Schulden, Schuld, Entschädigung, in: Peter Reichel/Harald Schmid/Peter Steinbach (Hrsg.), Der Nationalsozialismus. Die Zweite Geschichte. Überwindung, Deutung, Erinnerung, München 2009, S. 62-84, hier S. 62 f.
Der arbeitsintensive Rückgabeprozess kann heute keineswegs als abgeschlossen bezeichnet werden. Ähnlich verhält es sich im erwähnten Fall von Rosa Oppenheimer und weiterer Kunstsammler*innen, -händler*innen und Kunstschaffenden, die darüber hinaus bislang kaum von der Forschung näher untersucht wurden.
Der große Beitrag zu Kultur- und Sozialwesen, den die deutsche Gesamtgesellschaft den genannten jüdischen Bürger*innen und Mäzen*innen zu verdanken hat, kann jedoch ohnehin nicht in seiner Gänze wiederhergestellt werden. Ganze Kunstsammlungen wurden entzogen, von denen in vielen Fällen aufgrund unzureichender Rechtsgrundlagen sowie Blockadehaltungen innerhalb einiger Museen und Behörden bis heute nur Teile beziehungsweise einzelne Objekte restituiert worden sind. Im Bereich geraubter und auf Auktionen billig verkaufter Haushalts- und Alltagsgegenstände scheint die Lage noch aussichtsloser, da die entsprechenden Objekte kaum im Nachhinein identifizierbar sind und oftmals ohne das Wissen der heutigen Generationen in deutschen Haushalten weiterhin verwahrt werden.
Der Historiker Jürgen Lillteicher stellte in diesem Kontext fest, dass der Enteignungsprozess der jüdischen Bevölkerung während des Nationalsozialismus „ein wesentlicher Teil der schleichenden Entrechtung und Verdrängung der Juden, der erst kurz vor der Ermordung in den Vernichtungslagern ein Ende fand“, darstellte.
Zitierweise: “Emma Budge und Margarete Oppenheim: der Kampf um ihre Kunstsammlungen in der Bundesrepublik“, in: Deutschland Archiv, 14.9.2022, Link: www.bpb.de/512771
Ergänzend:
Zu weiteren Portraits im Rahmen der Serie Externer Link: "Jüdinnen in Deutschland nach 1945"
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Fenya Almstadt ist freiberufliche Referentin an der Gedenkstätte Sachsenhausen. Sie studiert(e) Kunstgeschichte, Geschichte sowie Sozial- und Kulturanthropologie in Berlin, Potsdam und Rennes und bereitet im Sommer 2022 ihren Masterabschluss an der Freien Universität Berlin vor. Ihren Schwerpunkt verortet sie in der Provenienzforschung von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut sowie der Forschung zu der sogenannten „Verlorenen Generation", darunter vor allem bildende Künstlerinnen. Von 2019 bis 2021 war sie als Vorstandsassistentin der Stiftung Zurückgeben tätig.
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