"Erfolge unserer Sportler –
Erfolge der DDR"
Das Leipziger Sportmuseum und die museale Präsentation der (Sport-)Nation DDR
1977 erhielten die leistungssportlichen Erfolge der DDR mit dem Leipziger Sportmuseum eine attraktive Plattform. Das Sportmuseum war jedoch mehr als ein Schaukasten realsozialistischer Erfolge. In den Museumsvitrinen wurden sowohl das Anerkennungsstreben der DDR als auch die deutsch-deutsche Systemkonkurrenz greifbar.Einleitung
"Wir gegen uns – Sport im geteilten Deutschland". Unter diesem Titel zeigte das Zeitgeschichtliche Forum Leipzig Ende 2009 eine Ausstellung zum deutsch-deutschen Sport zwischen 1945 und 1990. Ziel der Ausstellung war es, "die politische Dimension und die oft ambivalente Rolle des deutschen Sports in Ost und West während des Kalten Krieges transparent zu machen".[1] Eines der ausgestellten Objekte, ein Modell des Leipziger Sportforums, trug an einem der Gebäude die Beschriftung "Sportmuseum Leipzig". Es verwies darauf, dass es zwischen 1977 und 1991 in Leipzig bereits nicht nur eine Ausstellung, sondern ein ganzes Sportmuseum gegeben hatte, in dem deutsche Sportgeschichte noch unter einer ganz anderen Zielstellung präsentiert worden war. Als eine "Stätte sozialistischer Bildung und Erziehung", so der 1. Sekretär der Leipziger SED-Bezirksleitung, Horst Schumann, zur Eröffnung,[2] hatte das Sportmuseum Leipzig einen Beitrag leisten sollen, um die DDR als "sozialistische Nation" zu legitimieren.[3] Beide Male war der Sport also Gegenstand musealer Präsentation und Interpretation, jedoch unter völlig verschiedenen Prämissen und Zielsetzungen.Museen und Ausstellungen sind zweifellos in jedem Gesellschaftssystem Spiegel und Speicher der Geschichts- und Weltsicht ihrer Zeit. Wie präsentierte sich also die "Sportnation" DDR im Leipziger Sportmuseum? Folgte die museale Präsentation strikt politischen Leitlinien und konnte sie tatsächlich einen Beitrag dazu leisten, ein DDR-spezifisches Nationalgefühl in der Bevölkerung zu verbreiten?
Sport- und Museumsnation DDR?
Von Beginn an kämpfte die DDR um ihre internationale Anerkennung als eigenständiger deutscher Staat. Seit Anfang der 1970er-Jahren definierte sich der SED-Staat schließlich in Abgrenzung zur Bundesrepublik als "sozialistische Nation". Dieses theoretische Konstrukt sollte auf verschiedensten Wegen bei den Ostdeutschen in ein DDR-spezifisches, nationales Wir-Gefühl transformiert werden. Zwei Felder versuchte die SED-Führung in besonderem Maß für diesen Zweck zu instrumentalisieren: den Sport und historische Museen.Vor allem der Spitzensport war, so das häufig bemühte Zitat Erich Honeckers, in der DDR nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck.[4] Er sollte einerseits aller Welt die Leistungsfähigkeit des ostdeutschen Teilstaates deutlich machen und andererseits im eigenen Land Nationalstolz auf die errungenen Siege hervorrufen. Historische Museen, bereits seit einiger Zeit von Nationalismusforschung und Geschichtswissenschaft als Einrichtungen von "zutiefst politischer Natur" und als Orte des Ideologietransfers erkannt[5], sollten auch im SED-Staat durch die Präsentation und Verbreitung eines nationalen Geschichtsbildes ein DDR-Nationalgefühl stärken: Sie trugen im Idealfall, so das Kulturpolitische Wörterbuch der DDR, "durch die Darstellung der Geschichte des deutschen Volkes auf marxistisch-leninistischer Grundlage dazu bei, den Stolz auf die Errungenschaften der DDR und ein sozialistisches Geschichts- und Staatsbewusstsein zu entwickeln."[6] Interessanterweise standen sowohl der Spitzensport als auch die Museen in der DDR Anfang der 1970er-Jahre nicht nur im Fokus der Staatsideologen; sie befanden sich auch auf dem Höhepunkt ihrer gesellschaftlichen Akzeptanz und Popularität. Viele Ostdeutsche freuten sich über die Erfolge der DDR-Athleten bei internationalen Wettbewerben in den 1970er-Jahren (erstmals war bei den Olympischen Sommerspielen in Mexico-City 1968 die Bundesrepublik in der "Nationenwertung" überholt und acht Jahre später in Montreal auch die USA überflügelt worden).[7] Mit 21,2 Millionen Besuchern allein im Jahr 1971 erfreuten sich Museen aller Gattungen in der DDR wachsender Beliebtheit.[8]
