Antikommunismus zwischen Wissenschaft und politischer Bildung
Bundeszentrale für Heimatdienst und Ostkolleg
Vorgeschichte einer Neugründung: Die Entstehung des Ostkollegs
Seit Oktober 1955 wird im Bundesinnenministerium verstärkt über die Einbeziehung der Bundeszentrale für Heimatdienst in die Auseinandersetzung mit dem Kommunismus nachgedacht. Am 20. Oktober findet eine "Besprechung zur Frage der Intensivierung des geistigen Impulses gegen den Kommunismus" statt, an der Vertreter des BMI, des BMG und BZH-Direktor Paul Franken teilnehmen. Staatssekretär Hans Ritter von Lex verweist dabei ausdrücklich auf die psychologischen Folgen des Moskau-Besuchs Konrad Adenauers: "Der Glaube an eine friedliche Koexistenz sei im Vordringen." Ein Unterabteilungsleiter des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen mahnt an, "dass durch die Auswahl zuverlässiger Mitarbeiter und entsprechender Kontrolle der Arbeit nicht etwa einzelne Ergebnisse der Forschung in falsch verstandener Objektivität kommunistischen Thesen entsprächen".[63] Während das BMG den Gesichtspunkt der antikommunistischen Schulung und Propaganda im Vordergrund sieht, vertritt das BMI das Konzept einer wissenschaftlich fundierten pluralistischen Auseinandersetzung, wie es der Aufsichtsreferent für die BZH, Carl H. Lüders, unterstreicht. Er erklärt kurze Zeit später (in einer Besprechung am 21. November 1955), die Demokratie dürfe "nicht bei der Abwehr des Kommunismus in Methoden verfallen, die in ihrer geistigen Uniformität der Kampfart der totalitären kommunistischen Weltanschauung entsprächen. Es sei zu begrüßen, dass die verschiedenen Weltanschauungsgruppen, die in der westlichen Demokratie friedlich unter einem gemeinsamen Dach lebten, in der Auseinandersetzung mit der kommunistischen Lehre ganz verschiedene Standorte bezögen." Damit stützt das Haus die Äußerung Frankens aus der interministeriellen Besprechung vom 20. Oktober, wonach die Ergebnisse der Auseinandersetzung subjektiv verschieden ausfallen würden, "je nachdem, in welchem weltanschaulichen Lager der einzelne Wissenschaftler stehe. Die christliche Scholastik, der liberale Humanismus oder der sozialdemokratische Marxismus träten der kommunistischen Lehre von ganz verschiedenen Standorten entgegen."[64] In einer Kuratoriumssitzung hatte Lüders am 12. März 1956 eine Ergänzung des Auftrags der BZH vorgeschlagen, "hierzu gehört die Verbreitung der Kenntnis des wahren Wesens aller totalitären Ordnungen und Anschauungen".[65] Doch unterbleibt eine in diese Richtung zielende Erlassergänzung, nicht zuletzt, weil man dagegen Einwände der SPD-Mitglieder im Kuratorium der BZH fürchtete.1956 scheint es, dass sich die ideologietheoretische Auseinandersetzung mit dem Kommunismus im widerspruchsvollen politischen Kontext des im August (fast fünf Jahre nach der Antragstellung durch die Bundesregierung im November 1951) vom Bundesverfassungsgericht verfügten KPD-Verbots[66] und unter dem Eindruck der sowjetischen Koexistenz-Propaganda, die auch in der Bundesrepublik nach Adenauers Moskau-Reise im Vorjahr und der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur Sowjetunion ihre Wirkung in wichtigen Bereichen der bundesdeutschen Publizistik nicht verfehlt hat, neu akzentuiert.

Nur zwei Monate nach Vorlage des Gutachtens beim BVerfG schreibt Bochenski (am 11. Mai 1955) an Ritter von Lex einen ausführlichen Brief, in dem er erklärt, dass er "über die allgemeine Lage auf der Front des geistigen Kampfes sehr ernst besorgt" sei, und folgert: "Es besteht also meines Erachtens die dringliche Notwendigkeit, einerseits die Abwehr – und möglicherweise sogar den Angriff – auf geistiger Ebene bedeutend zu intensivieren." Dieses Schreiben hat Lex (am 10. Oktober 1955) mehreren Abteilungen im BMI zugeleitet und geäußert, man könne "an eine vom Bund zu errichtende Akademie denken, als deren Leiter sich kaum eine bessere Kraft finden ließe, als Professor Bochenski".[69]
Während Maibaum Bochenskis zentrale Bedeutung für die "Etablierung des Ostkollegs" hervorhebt, zeigt eine eingehendere Betrachtung der Vorgeschichte, dass sich Bochenskis nachdrücklicher Impuls mit verschiedenen Aktivitäten einflussreicher antikommunistischer Intellektueller (die sich im "Witsch-Kreis" des Kölner Verlegers Joseph Caspar Witsch zusammengefunden hatten) überschnitt, die unter Initiative des BMI und mit engagierter Beteiligung des

Dabei ließ sich anfangs nicht klar erkennen, wie das Verhältnis zwischen einer zentralisierten Kommunismusforschung und einer – wie es hieß – "Elitebildung" zur Immunisierung gegen kommunistische Propaganda aussehen sollte. Eine Initiative des Direktors des Münchner Osteuropa-Instituts Hans Koch (der Adenauer 1955 als Experte nach Moskau begleitet hatte) versandete schließlich ebenso wie der Versuch, eine Einrichtung zur Elitebildung mit einem (aus der NS-Zeit erheblich vorbelasteten) Leiter/Geschäftsführer Gerhard von Mende zu installieren (wobei der Umstand eines Herzinfarkts von Mendes diesen Plan und seine Einflussmöglichkeit auf die folgende Entwicklung seit Herbst 1956 faktisch außer Kraft setzten).
Man kann es in diesem experimentellen Wirrwarr einen glücklichen Zufall nennen, dass Hans-Joachim Lieber, bei Eduard Spranger an der Freien Universität Berlin habilitierter Professor für Philosophie und Soziologie, im Mai 1956 in die Sondierungsphase als Referent einer der Versuchstagungen in Niederbreisig – nun schon unter der Tagungsregie der BZH – involviert wird, dort großen Eindruck hinterlässt und sich animiert fühlt, im Sommer 1957 in den Explorationsprozess mit einem "Memorandum über den Aufbau des Instituts für ostpolitische Studien in Köln" substanziell einzugreifen.[70] Am 13. September 1957 fixiert das BMI die Gründungsschritte der Einrichtung, für die kurz zuvor das Kölner Haus am Stadtwaldgürtel angeboten wurde, weitestgehend auf der Basis von Liebers Organisationskonzept: Einrichtung eines wissenschaftlichen Direktoriums mit Programmhoheit.