Der Bildersturm
Aufstieg und Fall der ersten Wehrmachtsausstellung
Die Ausstellung als Medienereignis
Von Beginn an war das Interesse der Medien an der Ausstellung groß, keineswegs aber konstant. Dies bezieht sich sowohl auf die Intensität als auch auf den Fokus der medialen Aufmerksamkeit. Bereits die Eröffnung der Ausstellung in Hamburg am 5. März 1995 stieß auf ein bemerkenswertes mediales Interesse, was auf die professionelle Öffentlichkeitsarbeit der Organisatoren hinweist. Zugleich zeigt dies die Bereitschaft der Medien, sich dieses Themas anzunehmen. Die wichtigsten deutschen Presseorgane wie "Die Zeit", "Der Spiegel", die "Frankfurter Allgemeine", "Die Welt", die "Frankfurter Rundschau", die "Süddeutsche Zeitung", die "taz" sowie Kulturkanäle in Rundfunk und Fernsehen berichteten darüber. Sogar die ausländische Presse fand es wichtig, ihre Leser darüber zu informieren.In dieser Phase berichteten die Medien über die Thesen der Ausstellung und die Inhalte, also die gezeigten Bilder, ohne sie jedoch kritisch zu hinterfragen. Bald ließ jedoch das Interesse der überregionalen Medien nach, denn die Thesen und Inhalte waren nach einigen Monaten keine Neuigkeit mehr. Ab Mai/Juni 1995 beschränkte sich die Berichterstattung weitgehend auf regionale Medien in jenen Städten, wo die Ausstellung gerade gezeigt wurde. Auch hier wurde über Inhalte und Thesen der Ausstellung berichtet.
Im folgenden Jahr blieb die Ausstellung ein Thema vorwiegend für die regionale Presse. Immer häufiger wurde aber auch über die Proteste und Konflikte, die die Ausstellung auslöste, berichtet. Das Interesse der überregionalen Medien erwachte erneut Anfang 1997, als die Ausstellung in München weltweit Schlagzeilen machte. Der Anlass waren aber nicht mehr Thesen und Inhalte der Ausstellung, sondern der Konflikt um sie. Im Frühjahr 1997 berichteten regelmäßig alle Medien über die Demonstrationen gegen und für die Ausstellung, über Aufmärsche der Neonazis und Linksradikalen, Straßenschlachten, Krawalle, Polizeieinsätze, Verhaftete, Verletzte, Sachschäden. In dieser Zeit verschob sich der Fokus der medialen Aufmerksamkeit endgültig von den Inhalten und Thesen auf den Konflikt um die Ausstellung: Die Kontroverse wurde zu einem nationalen und sogar globalen Medienereignis.
In der Folgezeit verharrte die Aufmerksamkeit der überregionalen Medien auf einem hohen Niveau, denn der Konflikt um die Ausstellung deeskalierte keineswegs. Ab 1997 wurde sie auf all ihren Stationen von Aufmärschen, Krawallen, Protesten und heftigen Debatten begleitet. Sie war immer dort ein heißes Thema, wo sie gerade gezeigt wurde. Im Januar 1999 kam zu besonders gewalttätigen Auseinandersetzungen in Kiel (mit zehn Verletzten und hohen Sachschäden), am 9. März 1999 wurde in Saarbrücken ein Bombenanschlag auf die Ausstellung verübt.[19] "Die Welt" schrieb am 5. Juni 1999: "Nicht der wissenschaftliche Diskurs unter Historikern, sondern der Einsatz der Bereitschaftspolizei dominiert mittlerweile die Berichterstattung über die Ausstellung." Die Ausstellung wurde zu einem "Sensationsereignis".[20]
Parallel zu dem anschwellenden Medienecho stieg die Besucherzahl der Ausstellung. In Hamburg (7.3.–14.4.1995) waren es 7.000, in Potsdam (10.5.–22.6.1995) 2.500, in Stuttgart (10.9.–12.10.1995) etwa 10.000.[21] Bis zum Frühjahr 1997 pendelte sich die Besucherzahl auf 15.000–25.000 ein. In München (24.2.–6.4.1997) wuchs die Zahl der Besucher auf 90.000, in Frankfurt am Main (13.4.–23.5.1997) waren es 100.000.[22] Danach gingen die Besucherzahlen merklich zurück, in Aachen (19.4.–19.5.1998) sahen die Ausstellung 20.000 Menschen, in Hamburg ein Jahr später (31.5.–11.7.1999) 30.000. Bis zum Juli 1999 hatten 820.000 Menschen die Ausstellung besucht.[23] Die Besucherzahlen entsprachen der Intensität der Berichterstattung in den Medien. So gaben in Frankfurt am Main etwa 80 Prozent der Befragten als Motiv für den Ausstellungsbesuch Presseberichte bzw. Fernsehsendungen an.[24]
In mehr als vier Jahren bauten die Medien die Ausstellung zu einem außergewöhnlichen Ereignis auf, um sie zum Schluss in wenigen Wochen noch spektakulärer zu demontieren.[25] Jörg Friedrich schrieb am 30. Oktober 1999: "Was vier Jahre als historiografische Spitzenleistung gefeiert wurde, ist in den letzten zehn Tagen zu einem Machwerk geschrumpft. Unprofessionell, ignorant, tendenziös."[26]