Pippi Langstrumpf oder Was ist ein Linksautonomer?
Sie sind schwarz gekleidet, tragen Kapuzenjacken und dunkle Sonnenbrillen. "Deutschland halt´s Maul" oder "Fuck the system" steht auf ihren Transparenten. Angetrieben vom Hass auf alles Staatliche und von ihnen als "Rechts" Verdächtigte, suchen sie die Auseinandersetzung mit "Bullen" und "Nazischweinen" wie Polizisten und Rechtsextremisten bezeichnet werden.Pippi Langstrumpf
Pippi Langstrumpf ist ein selbstbewusstes rothaariges Mädchen, das so lebt, wie es ihr gefällt. Sie wohnt allein mit ihrem Pferd und einem kleinen Affen in einem großen Haus namens Villa Kunterbunt und kann tun und lassen, was sie möchte. Regeln existieren nicht für sie, zur Schule geht sie schon gar nicht. Die Staatsmacht, verkörpert durch zwei Dorfpolizisten, kann ihr nichts anhaben; im Gegenteil, Pippi macht sie lächerlich, wo sie nur kann.Was hat nun ausgerechnet dieses kleine Mädchen mit den Linksautonomen gemein? Mehr als ihre Erfinderin, die schwedische Kinderbuchautorin Astrid Lindgren, sich jemals hätte träumen lassen. Mit ihrer Lebensweise entspricht Pippi Langstrumpf linksautonomen Vorstellungen von einem selbstbestimmten Leben ohne Regeln, ohne Staat und ohne Hierarchien. Nicht von ungefähr schmückt ihr Konterfei zahlreiche Selbstzeugnisse der linksautonomen Szene.[1]
Politik der 1. Person
Dass die Linksautonomen Pippi Langstrumpf mit einem Augenzwinkern als eine ihrer Schwestern im Geiste betrachten, unterstreicht bereits ihre Selbstbezeichnung. Etymologisch setzt sich der Begriff "Autonome" aus den griechischen Wörtern "auto" (selbst) und "nomos" (Gesetz) zusammen. Wörtlich übersetzt bedeutet er in etwa "diejenigen, die sich ihre eigenen Gesetze geben."[2] Darin wird schon einiges über das autonome Selbstverständnis deutlich: Autonome lehnen den Staat, seine Institutionen und Regeln kategorisch ab. Sie brechen aber nicht nur mit dem Staat, sondern auch mit der bestehenden Gesellschaft und wollen diese durch eine herrschaftsfreie ersetzen.[3] Über eine einheitliche Weltanschauung, gar über eine gesamtgesellschaftliche Utopie, verfügen sie nicht. Ihr Weltbild setzt sich vornehmlich aus kommunistischen und anarchistischen Ideologieelementen zusammen. Theoriedebatten spielen nur eine untergeordnete Rolle; ideologische Schulungen, wie sie die revolutionären Marxisten betreiben, lehnen die Autonomen ab. Was sie verbindet, ist ein gemeinsames Lebensgefühl, geprägt von einem tiefsitzenden Hass sowohl auf den Staat, seine Institutionen und Repräsentanten als auch auf die angeblich mit diesen verbündeten Rechtsextremisten und ein davon abgeleitetes Bestreben, die bestehende Ordnung zu überwinden.Generell ist die autonome Szene sehr heterogen. An Stelle des Kollektivs steht für sie das Individuum im Vordergrund. Im Sinne einer "Politik der ersten Person" kämpfen Autonome deshalb "nicht für Ideologien, nicht fürs Proletariat, nicht fürs Volk", sondern für sich selbst.[4] Zugleich verstehen sie sich als Avantgarde und zählen sich zu denjenigen, die angeblich erkannt haben, wie die Welt funktioniert. Obwohl eine kleine Minderheit, sind sie aus diesem elitären Gefühl heraus, ebenso wie andere Extremisten, nicht bereit, Mehrheitsentscheidungen zu akzeptieren. Vielmehr versuchen sie der Mehrheitsgesellschaft mit allen Mitteln ihre Sicht der Dinge zu oktroyieren.[5] Autonom zu sein ist für sie ein Lebensstilexperiment. Autonomes Leben und Handeln unterliegt dabei einer intern streng kontrollierten political correctness – von der Sprache über die Kleidung und den Musikgeschmack bis hin zu Gestik und persönlichen Kontakten. Verstöße gegen diese selbstauferlegte "Schere im Kopf" können mit der Nötigung zu gruppeninterner Selbstkritik bis hin zum Ausschluss aus der Gruppe geahndet werden, vor allem, wenn sie das Geschlechterverhältnis betreffen.
Über die Sozialisation von Autonomen lässt sich dagegen nur wenig sagen. Empirische Materialien zur Frage nach Herkunft und Motivation fehlen weitgehend. Hier offenbart sich ein Hauptproblem der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Linksextremismus im Allgemeinen und den Autonomen im Besonderen: Es fehlt bis heute eine ausreichende empirische Basis. Umfangreiche Forschungsstudien, vergleichbar etwa mit denen zum Rechtsextremismus,[6] die Fragen nach der Sozialisation, nach den Motiven für autonomes Handeln und nach den Ein- und Ausstiegsprozessen nachgehen, sind noch nicht geschrieben worden. Somit bleiben bisweilen oftmals nur die "gefühlten" Erkenntnisse der Verfassungsschutzämter von Bund und Ländern. Ihnen zur Folge sind die Anhänger der Autonomen etwa zwischen 15 und 30 Jahre alt. Über autonome Jugendorganisationen wie beispielsweise der Jugend-Antifa Göttingen werden anpolitisierte Schüler im Alter ab etwa 14 Jahren bereits in der Schule zur Mitarbeit in Antifa-Gruppierungen motiviert.[7] An den Hochschulen werben autonome Gruppierungen mit Einsteigerabenden um Erstsemester und versuchen diese schon mit Beginn ihres Studiums zu rekrutieren. Neben Schülern und Studierenden gehören Auszubildende ebenso wie Jobber sowie Arbeitslose und Hartz IV- bzw. Sozialhilfeempfänger zu den Zielgruppen. Die Verweildauer in der autonomen Szene ist für viele junge Menschen aber lediglich eine Lebensabschnittsphase und somit oftmals nur von geringer Dauer. Im Alter zwischen 25 und 30 Jahre lösen sich die meisten wieder aus dem autonomen Milieu. Alt-Autonome bilden somit zwar eher die Ausnahme, sie spielen aber aufgrund ihrer Erfahrungen eine nicht zu unterschätzende Rolle in der Szene und können diese aus dem Hintergrund steuern.[8]