Antikommunismus zwischen Wissenschaft und politischer Bildung
Bundeszentrale für Heimatdienst und Ostkolleg
Gründungsgeschichte der Bundeszentrale für Heimatdienst
Auf der Kabinettssitzung vom 7. September 1951 zeigte sich Bundeskanzler Konrad Adenauer besorgt darüber, dass sich die Bevölkerung "in steigendem Maße der Demokratie und der Politik der Bundesregierung entfremde".[4] Im Oktober 1951 verfasste Edmund Forschbach im Auftrag von Bundesinnenminister Robert Lehr (CDU) eine Ausarbeitung über die Aufgaben und den Aufbau einer "Bundeszentrale für Heimatdienst" und legte diese Ministerialdirektor Hans Globke im Bundeskanzleramt am 23. Oktober 1951 vor. Darin heißt es: "Da die Gefahren für die Demokratie ihre Ursachen nicht nur in der Agitation und den hochverräterischen Bestrebungen ihrer Feinde haben, sondern mindestens ebenso darin, dass unser Volk in weiten Teilen mit der Demokratie nichts anzufangen weiß (…), bedarf die Tätigkeit des Amtes für Verfassungsschutz einer Ergänzung in positiver Hinsicht. Die Behörde für den 'positiven' Verfassungsschutz muss die Bundeszentrale für Heimatdienst (Bz.f.H.) werden. (…) Die Wahlberechtigten werden fast ausschließlich durch Appelle an das Gefühl zu demokratischem Denken und Handeln aufgefordert. Der Appell an das Gefühl aber gibt dem politischen Hasardeur jede Chance, die unwissenden Massen in die Irre zu führen. (…) Am Anfang der Arbeit der Bz.f.H. muss deswegen die Erkenntnis stehen, dass die Nachahmung der 'Aufklärung' und 'Propaganda' der Diktaturstaaten nicht in Betracht kommen kann".[5]Forschbach knüpfte im Hinblick auf den Namen der projektierten Institution an eine Organisation an, die als "Reichszentrale für Heimatdienst" im November 1919 etabliert worden war, wobei der antiquiert erscheinende "Heimatdienst"-Begriff auf eine problematische Vorgeschichte verweist, die noch in die Endphase des Ersten Weltkriegs zurückreicht. Denn die im März 1918 auf Wunsch der Obersten Heeresleitung gegründete "Zentralstelle für Heimatdienst" sollte die Widerstandskraft der Heimatbevölkerung ideologisch stärken – komplementär zur "Zentralstelle für Frontdienst", die "Vaterländischen Unterricht" für die Truppe anbot. Die Reichszentrale für Heimatdienst konzentrierte dann "staatsbürgerliche Aufklärung" auf die "Erziehung zum Staat", indem sie über die Grundlagen der parlamentarischen Demokratie, aber auch über das konkrete Regierungshandeln informierte. Sie führte "Staatsbürgerliche Lehrgänge und Bildungstage" durch und publizierte auch Broschüren und Bücher in einem eigenen Verlag. Im August 1920 erschien die erste Ausgabe der Halbmonatsschrift "Heimatdienst", die sich außenpolitisch auch mit deutlicher Kritik am Versailler Vertrag positionierte. Die Zentrale war dem Pressechef der Reichsregierung unterstellt, bevor sie 1927 in die Reichskanzlei eingegliedert wurde.[6] Leiter der Reichszentrale war seit ihrer Gründung bis zu ihrer Auflösung (auf Beschluss der NS-Regierung vom 15. März 1933) Richard Strahl.[7] Ihre Zuständigkeiten wurden dem zwei Tage zuvor neu eingerichteten Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda unter Joseph Goebbels übertragen. So konnte die Reichszentrale für Heimatdienst in der jungen Bundesrepublik als Opfer der Nazi-Machteroberung gelten und die Bundeszentrale für Heimatdienst an eine in mancher Hinsicht durchaus fragwürdige politische Bildungstradition der Weimarer Republik ausdrücklich anknüpfen.
Dass die Zuordnung der projektierten Bundeszentrale zum Bundesinnenministerium erfolgte, hängt freilich nicht nur mit dem Aspekt des positiven Verfassungsschutzes zusammen, sondern ist auch durch die Personenkonstellation während des Entscheidungsprozesses bedingt. Adenauers wichtigste Beamte im Kanzleramt waren Otto Lenz – 1951–1953 Staatssekretär und Chef des Bundeskanzleramtes – und vor allem Hans Globke – seit 1949 Ministerialdirigent, 1950 Ministerialdirektor im Kanzleramt, seit 1953 Staatsekretär und Amtschef Adenauers bis 1963 –, der erheblich NS-vorbelastet war, sodass eine Verbindung mit demokratischer Bildungsarbeit im Rahmen des Kanzleramts schon aus diesem Grund nicht zweckmäßig erschienen wäre.
Der vorgesehene Gründungsdirektor der Bundeszentrale für Heimatdienst (BZH), Paul Franken, war seit 1935 ein enger Vertrauter Konrad Adenauers. Er hatte dem katholischen Widerstandskreis um Jakob Kaiser und Adam Stegerwald angehört und in dieser Zeit auch mit Robert Lehr in Verbindung gestanden. Wegen längerer "Schutzhaft" als "politisch Verfolgter" eingestuft, war Franken nach dem Krieg zunächst als Privatlehrer tätig, bevor er 1949 als Dozent und 1950 als Direktor an der Pädagogischen Hochschule Vechta wirkte.[8] Adenauer hatte seinen langjährigen Freund bereits kurz nach der ersten Bundestagswahl für eine wichtige Funktion vorgesehen und brieflich seinen Wunsch bekundet, von Franken "zu hören, wofür Sie sich besonders interessieren".[9]
Dass Franken, dem Adenauer zunächst die Funktion eines Regierungssprechers nahegelegt hatte, dem Projekt einer zentralen Einrichtung für politische Erziehung und Bildung Interesse und Sympathie entgegenbrachte, kann nicht verwundern, zumal auch der ihm zugeordnete Innenminister Lehr auf eine integre politische Vergangenheit zurückblicken konnte. Lehr hatte als langjähriger Oberbürgermeister von Düsseldorf wegen seiner oppositionellen Haltung gegenüber den Nationalsozialisten im April 1933 sein Amt verloren und in den folgenden Jahren dem Widerstandskreis um Karl Arnold angehört.
Wenige Monate nach Forschbachs Darlegungen zur Institutionalisierung der politischen Bildung wurde Franken in den konkreten Planungsprozess eingebunden. Bei der BZH sollten – wie Franken auf einer Pressekonferenz am 8. Mai 1952 ausführte – "parteipolitische Tagesfragen" und "alle Fragen des deutschen Ostens" ausgeklammert sein. Bundesminister Lehr ergänzte, die BZH solle "eine ganz streng überparteiliche Stelle" sein, "die, soweit sie Material sammelt und an die Öffentlichkeit bringt, nur absolut einwandfreies, wissenschaftliches Material liefert". Sie sei "kein Propagandainstrument der Bundesregierung, (…) kein Organ des Ministeriums des Innern, und infolgedessen zusammengesetzt aus Vertretern aller fachlichen Richtungen."[10]
Der 25. November 1952 markiert den Beginn der staatlichen, überparteilichen politischen Bildung in der Bundesrepublik Deutschland. Mit Erlass des Bundesministers des Innern wurde die BZH, 1963 umbenannt in "Bundeszentrale für politische Bildung", als nachgeordnete Behörde im Geschäftsbereich des Ministeriums aus der Taufe gehoben. Im Gründungserlass wurde der BZH die Aufgabe übertragen, "den demokratischen und europäischen Gedanken im deutschen Volke zu festigen und zu verbreiten".[11] Die anfangs vier Referate wurden mit Personen aus dem Umfeld der NS-Gegnerschaft besetzt und politisch nicht einseitig ausgewählt.[12] Der erste zuständige Aufsichtsreferent im BMI, Carl H. Lüders, war bis zu dessen Rücktritt (im Oktober 1950 aus Protest gegen die Wiederbewaffnungspläne Adenauers) persönlicher Referent Gustav Heinemanns gewesen. Das erklärt die vergleichsweise unabhängige Stellung der Anfangsjahre.[13] Dass die BZH als überparteiliche Einrichtung arbeiten sollte, wurde institutionell durch die Bildung des Kuratoriums unterstrichen, das sich zunächst aus 15 Bundestagsabgeordneten zusammensetzte und das die Arbeit des Hauses bis heute begleitet.[14]
Schon in den Anfangsjahren der BZH entwickelte sich ein lange Zeit vorherrschendes Arbeitsprofil: Öffentlich selbst in Erscheinung trat die BZH vor allem über ihre
