Dresden
Vom schnellen Scheitern der sozialistischen Städtebaukonzepte.
Der Weg zurück zur historischen Stadt
Die sozialistische Umgestaltung des Dresdner Stadtzentrums – von dichten Strukturen zu modernen Stadtlandschaften – war wegen der damit verbundenen Zerstörung vieler identitätsstiftender Bauwerke von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Daher wurden bereits während der DDR-Zeit die entscheidenden Weichen zur Rekonstruktion der historischen Bauten und Quartiere gestellt.Die "Wiedergeburt" Dresdens nach der "Wende" – der Wiederaufbau der Frauenkirche, die Rekonstruktion kleinteiliger Blockstrukturen am Neumarkt sowie die Sanierung der barocken und gründerzeitlichen Quartiere – scheint auf den ersten Blick wieder nahtlos an die Ära vor 1945 anzuknüpfen, sofern man die dazwischen liegende Zeit ausblendet. Die Weichen für diese Rückbesinnung auf die Qualitäten der historischen Stadt wurden aber bereits deutlich früher gestellt. Auch die ersten Korrekturen an den sozialistischen Städtebaukonzepten erfolgten bereits während der Spätphase der DDR.
Denn die Dresdner Denkmalpfleger[1] haben durchgängig mit Hartnäckigkeit und Vehemenz für den Erhalt der für das Stadtbild wichtigen Bauten und Ruinen gekämpft. Sogar das Dresdner Schloss, die einstige Residenz der Wettiner, hat sämtliche Abriss-Kampagnen der SED-Funktionäre zur Beseitigung der "feudalen Baukultur" überstanden. Parallel dazu verklärte sich die weitestgehend verschwundene, in Anlehnung an Fritz Löfflers gleichnamigen Bestseller "Das alte Dresden"[2] genannte, historische Stadt in der Erinnerung der Bevölkerung durch die traumatische Kriegszerstörung sowie die von vielen bewusst als politisch-motivierte zweite Zerstörungswelle wahrgenommene Großflächen-Enttrümmerung der Nachkriegszeit zu einer Idealstadt der barocken Bauten. Vor allem bei jenen Schichten, die der Dresdner Soziologe Karl-Siegbert Rehberg als "Refugiums-(Bildungs-)Bürgertum" bezeichnet hat, die "als Vetomacht nicht ganz auszuschalten" waren,[3] blieben die überlieferten Qualitäten des "alten Dresden" durchgängig präsent. Viele unterstützten die Versuche der Denkmalpfleger, wenigstens die herausragendsten Bauwerke (vor allem Zwinger, Oper, Schloss und die drei großen Kirchen der Altstadt) als Leit-Ruinen zu erhalten und sie auch schrittweise wiederaufzubauen. So entstand ein "symbolischer Ortsbezug" der die verbliebenen Bauten und Ruinen zu "Stellvertretern für das Verlorene"[4], zu räumlichen Ankerpunkten für die nicht mehr vorhandene Stadtstruktur machte.
Parallel zur einsetzenden Kritik an den immer unwirtlicher werdenden Trabantensiedlungen des staatlichen Wohnungsbauprogramms kam es bereits ab den 1970er-Jahren zu einer zunehmenden Wertschätzung der Urbanität der Innenstadtquartiere sowie der identitätsstiftenden Wirkung der historischen Kulturbauten. Die grundlegenden Entscheidungen zum langfristigen Wiederaufbau von Schloss[5] und Frauenkirche fielen bereits in den 1980er-Jahren. Auch die ersten städtebaulichen Konzeptionen zur kleinteiligen Nachverdichtung der innerstädtischen Freiflächen stammen aus dieser Zeit. Nur weil der interne Fachdiskurs seit Jahren eine Rückkehr zu einer an überlieferten Vorbildern orientierten Stadtstruktur anvisiert und dafür auch bereits die planerischen Grundlagen geschaffen hatte, konnte nach 1989 die Rekonstruktion von Teilen der alten Stadt sofort beginnen.
Die Vorgeschichte – die sozialistische Stadtumgestaltung
Nach den Zerstörungen durch die Luftangriffe setzte in Dresden bereits in den ersten Nachkriegsjahren eine überaus effektive Großflächenenttrümmerung ein, der große Bereiche der Altstadt, darunter auch viele wiederaufbaufähige Gebäude, zum Opfer fielen.[6] Der für seine klaren Ansagen bekannte Oberbürgermeister Walter Weidauer ("Das sozialistische Dresden braucht weder Kirchen noch Barockfassaden." ) wurde zur Symbolfigur für eine radikale, ideologisch motivierte Umgestaltung der Stadt, da sich nahezu das gesamte Stadtzentrum während seiner Amtszeit in eine "tabula rasa" verwandelte. Der Wiederaufbau kam jedoch nur schleppend voran. So mutierte das Areal für lange Zeit zu einer riesigen, optisch auch weiterhin durch die alten Asphaltstraßen gegliederten Grassteppe.
Dresdens Selbstverständnis als Kunst- und Kulturstadt wird neben den Kunstschätzen entscheidend durch die historischen Bauten der Altstadt sowie die oft als "Canaletto-Blick" bezeichnete Silhouette am Elbufer bestimmt. Die neue politische Führung hatte aufgrund ihrer antibürgerlichen Ressentiments jedoch kein Interesse daran, diese Gebäude wiederaufzubauen. Deshalb muss die Entscheidung der UdSSR 1955, die als Kriegsbeute in unterschiedliche Museen gelangten Kunstwerke der Dresdner Gemäldegalerie (darunter auch Raffaels "Sixtinische Madonna") wieder zurückzugeben, "gewirkt haben wie die Rückkehr der verlorenen Seele".[8] Denn schon am Tag der Veröffentlichung dieses Entschlusses beschloss die Regierung der DDR den Wiederaufbau der Gemäldegalerie. Die feierliche Wiedereröffnung mit den "durch die Rote Armee geretteten"[9] Kunstwerken war der Höhepunkt der 750-Jahr-Feier Dresdens im Jahr 1956. Bereits beim Festumzug zeigte sich aber, dass eine ideologische Umdeutung der Stadtgeschichte und auch eine Deklassierung der Augusteischen Ära (die als die glanzvollste Epoche der Elbestadt gilt) nicht so einfach waren. Zu den zentralen Motiven des Umzuges sollten August der Starke auf seinem Thron, "geschoben von der in schwerer Fron arbeitenden Bevölkerung" sowie sein Sohn, August III., mit dem Kanzler Heinrich von Brühl beim Ausgeben des "durch das Auspressen der Bevölkerung" erhaltenen Geldes für Gemälde gehören. Die Darsteller des Volkes waren aber gar nicht erst erschienen.[10]
Gleichzeitig setzte sich durch den raschen Wiederaufbau der Gemäldegalerie, des von Gottfried Semper entworfenen Teils des Zwingers, in der Architekten- und Planer-Szene die Hoffnung durch, dass noch weitere hochrangige Gebäude provisorisch wiederhergestellt oder sogar wiederaufgebaut werden würden, wenn man eine Nutzung dafür finden könnte. Durch geschicktes Taktieren gelang es unter anderem, dass das Verkehrsmuseum im Johanneum untergebracht und das Georgentor als "Baustelleneinrichtung" für das für den Kulturpalast zuständige Baukombinat wiederaufgebaut wurde.[11] Um auch das Schloss zu erhalten, zog die örtliche Bezirksgruppe des Bundes der Architekten (BdA/DDR) in einen weniger beschädigten Seitenflügel ein, setzte in Eigeninitiative das Grüne Gewölbe notdürftig instand und deklarierte den Pretiosensaal zum "gesellschaftlichen Zentrum" für Vorträge, Konzerte und Architekturausstellungen.[12]