Kulturkontakte über den Eisernen Vorhang hinweg – Sonderausstellungsprojekte im Austausch zwischen Ost-Berlin und Wien
Der Kulturaustausch zwischen der DDR und Österreich war zwar durch die politischen Entwicklungen geprägt, konnte jedoch einige Grenzen überwinden. Durch die Präsentation von Ausstellungen hatten zahlreiche Künstler durchaus die Möglichkeit der Vernetzung im jeweils anderen Staat.
Obwohl der Kulturdiplomatie große Bedeutung zugeschrieben wird, ist die Forschung dazu – von wenigen Ausnahmen abgesehen – noch sehr lückenhaft.[1] Dies betrifft auch die Kulturkontakte zwischen Österreich und der DDR. Neben einem gewissen Desinteresse an Soft-Power-Themen in der Erforschung des Kalten Krieges, das erst in den letzten Jahren aufgebrochen wird,[2] hat der Forschungsstand wohl auch damit zu tun, dass die Überlieferung nicht durchgängig ist.
Dazu kommt, dass Wirkungen von Kulturkontakten nicht genau messbar sind. Positive Effekte werden zwar von vielen beschrieben, die in diesem Feld tätig sind oder waren, doch bleiben Einschätzungen – auch die zeitgenössischen in den Dokumenten der Ministerien – meist auf einer sehr allgemeinen Ebene. Klar ist jedoch, dass verschiedene österreichische Akteure über Kulturkontakte versuchten, in den Eisernen Vorhang „kleine Löcher zu bohren“, wie Friedrich Bauer, Österreichs erster Botschafter in der DDR, es ausdrückte.[3]
Stiftung von Identität nach 1945
Schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg begann man in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands (SBZ), zentrale Kultureinrichtungen wieder in Betrieb zu nehmen. Das Museums- und Ausstellungswesen wurde von der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) sehr früh als wichtiges propagandistisches Mittel erkannt. 1952 wurde mit dem Museum für Deutsche Geschichte ein nationales Geschichtsmuseum gegründet, in dem die breite Masse auf eine bestimmte Interpretation der Geschichte eingeschworen werden und die Identität als Bürger der DDR gefestigt werden sollte.[4]Auch in der Auslandskulturarbeit entdeckte das Außenministerium Ausstellungen als Möglichkeit, Werbung für die DDR zu machen. So wurde beispielsweise 1962 überlegt, „zu den wichtigsten Problemen in der Entwicklung der DDR Standardausstellungen in großer Auflage“[5] herzustellen und zu verschicken. Wie aus einem internen Bericht hervorgeht, verfolgte die DDR damit das Ziel, mit
- „kulturellen Mitteln eine verstärkte auslandsinformatorische Wirkung zu erzielen. Das gilt sowohl für die kulturpolitische Selbstdarstellung der DDR als auch für die Ergänzung politischer Aussagen und Aktionen.“[6]
Aufbau von bilateralen Kulturkontakten zwischen der DDR und Österreich
Die österreichischen Nachkriegsregierungen bemühten sich nach Kriegsende um einen schnellen Wiederaufbau von bilateralen Beziehungen – auch mit den Staaten der sowjetischen Einflusssphäre. Dabei wurden die sich auftuenden Gräben des sich anbahnenden Kalten Krieges wohl wahrgenommen, aber nicht als Hinderungsgrund angesehen. Dies galt auch für die Auslandskulturpolitik. Allerdings wurden die bilateralen Beziehungen mit der SBZ und später dann mit der DDR zögerlicher als mit den östlichen Nachbarstaaten Ungarn und Tschechoslowakei aufgebaut, was mit den deutlich engeren Beziehungen Österreichs zur Bundesrepublik beziehungsweise den westlichen Besatzungszonen zu erklären ist.[8] Im Kulturbereich finden sich für die Frühphase nur recht wenige Kooperationen – erwähnt seien etwa Ausstellungen von ostdeutschen Buchverlagen 1954 in Linz, Graz, Innsbruck und Wien, denen jedoch hauptsächlich ein wirtschaftlicher Zweck zugrunde lag.[9]Im Gegenzug bemühten sich die Staaten des Realsozialismus schon in den 1950er Jahren um den Abschluss von Kulturabkommen,[10] wobei Österreich zunächst zögerte, weil der Staat befürchtete, auf eine festdefinierte – von ideologischen Motiven bestimmte – Kulturpolitik festgelegt zu werden.[11] Die DDR-Regierung forderte immer wieder eine Intensivierung der Zusammenarbeit, doch zeigt ein Fall aus dem Jahr 1961, dass dies aus verschiedenen Gründen gar nicht so leicht umzusetzen war: Von der Gesellschaft für kulturelle Verbindungen mit dem Ausland (GKV)[12] war für den Herbst eine Ausstellung mit Exponaten des Deutschen Hygiene-Museums geplant worden. Es gab sogar schon einen Vertrag über die Anmietung einer Ausstellungshalle im Wiener Messepalast, dem heutigen Museumsquartier. Doch dann entschied die Leitung der GKV, die Ausstellung doch nicht zu realisieren, wie aus einer Hausmitteilung des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten (MfAA) der DDR hervorgeht. Hierfür waren vor allem zwei Gründe ausschlaggebend:
- „Das Ausstellungsgut sollte mit LKW nach Österreich befördert werden und somit wäre für 16 Personen die Ausreise nach Österreich notwendig geworden.
[…] Aufgrund der verstärkten Hetze und Verleumdung der DDR in Wien wären Störmaßnahmen zu erwarten, die zur Vernichtung von wertvollen Exponaten führen könnten.“[13]
- „Die Sektion ist der Auffassung, daß mit diesem Beschluß vorzeitig ein Mittel der Propagierung und der Popularisierung der DDR in einem neutralen Land aus der Hand gegeben wurde, was gerade in der Periode des Abschlusses eines deutschen Friedensvertrages voll zum Einsatz hätte gelangen müssen.“[14]
Solche Ergebnisse wurden im MfAA der DDR mit großer Zufriedenheit wahrgenommen, gleichzeitig wollte das Ministerium aber viel mehr und ärgerte sich sichtlich darüber, dass „von verschiedenen zentralen Stellen Schwierigkeiten bereitet werden“, dass „von bestimmter Seite gebremst wird“, wobei man insbesondere den Einfluss der „Parteistellen der Sozialistischen Partei [Österreichs] und vor allem der Österreichischen Volkspartei“ kritisierte.[16] Es gab aber wohl bis zum Beginn der 1970er Jahre generell wenig Interesse an den kulturellen Darbietungen aus der DDR in Österreich, wie die Historiker Hans Lindemann und Kurt Müller diagnostizieren: Ausstellungen, wie Musik in der DDR und Kinderzeichnungen aus der DDR, die in der kommunistischen Zentralbuchhandlung (Galerie ZB) gezeigt wurden, hätten nur wenig Aufmerksamkeit auf sich gezogen.[17]
Intensivierung der Kulturbeziehungen nach 1972 und 1978
Nach der Skepsis von österreichischer Seite wurde die Auslandskulturpolitik, die lange beim österreichischen Unterrichtsministerium ressortierte und für die erst seit 1970 das Außenministerium zuständig ist,[18] ab Mitte der 1960er Jahre jedoch zunehmend als Chance gesehen, den Dialog über die Blockgrenzen hinweg zu fördern. Das Unterrichtsministerium betonte 1965:- „Wir glauben, daß es unsere kulturelle Pflicht ist [...], daß wir die große Trennungslinie, die an unserer Haustür vorbeiführt, überbauen und einen ungehinderten Kulturaustausch ‚hinüber und herüber‘ ermöglichen.“[19]
Die Kulturbeziehungen zwischen der DDR und Österreich konnten aber erst nach Abschluss des deutsch-deutschen Grundlagenvertrages 1972 – und der darauffolgenden Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen beiden Staaten[20] – deutlich intensiviert werden. Zwar erreichten sie nie die Intensität der Kooperationen Österreichs mit seinen direkten östlichen Nachbarn, nahmen aber nach Abschluss des Kulturabkommens 1978 deutlich zu. Ab 1982 war an der Botschaft in Ost-Berlin auch ein Kultur- und Presserat tätig.[21] Kulturinstitute wurden aber nicht eingerichtet.
Das Kulturabkommen zwischen der DDR und Österreich war, wie die meisten anderen, recht allgemein gehalten. Geregelt wurde darin (Artikel 7 und 8) unter anderem, dass Kontakte im Bereich des Museumswesens gewünscht waren und Ausstellungen ausgetauscht werden sollten. Für die Organisation des tatsächlichen Austausches wurden dann Durchführungsabkommen abgeschlossen.[22]
Bereits vor Inkrafttreten des Kulturabkommens stiegen die Ausstellungskooperationen deutlich an. So wurde 1978 in der Akademie der bildenden Künste in Wien die Ausstellung „Deutsche Kunst 1913 bis 1933“ gezeigt,[23] Alfred Hrdlicka stellte als erster österreichischer zeitgenössischer Künstler im gleichen Jahr unter dem Titel „Wie ein Totentanz“ einen Zyklus von 53 Radierungen im Kupferstichkabinett in Dresden aus, die er der DDR-Institution auch schenkte.[24] Ebenfalls 1978 wurde in Wien eine gemeinsame Ausstellung des Dresdner Kupferstichkabinetts und der Albertina gezeigt; im Herbst wurde diese dann in Dresden präsentiert. Die gesteuerte DDR-Presse zeigte sich hellauf begeistert, vom Sächsischen Tageblatt wurde sie etwa als „kulturpolitisches und wissenschaftliches Ereignis von höchstem Rang“ bezeichnet, das „in die Geschichte der Dresdner Museen eingehen“ werde.[25] Zur Eröffnung war die Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung, Hertha Firnberg, vom Minister für Kultur der DDR, Hans-Joachim Hoffmann, eingeladen worden,[26] die diese Ausstellung in ihrer Eröffnungsrede als „einen Höhepunkt in den kulturellen Beziehungen zwischen beiden Ländern“ bezeichnete.[27] Die beiden vereinbarten bei diesem Zusammentreffen unter anderem den Austausch von Ausstellungen über Augarten beziehungsweise Meissner Porzellan und eine Zusammenarbeit zwischen der Gemäldegalerie neuer Meister in Dresden und dem im Aufbau befindlichen Museum Moderner Kunst.[28]
Obwohl wie erwähnt die Auslandskulturpolitik seit 1970 dem Außenministerium zugeordnet war, blieben das Unterrichtsministerium und das Wissenschaftsministerium also hinsichtlich der Ausgestaltung der bilateralen Kulturbeziehungen weiter aktiv. Das österreichische Außenministerium war über diese Aktivitäten wenig erfreut und meinte, dass es zu
- „begrüßen [wäre], wenn bezüglich des Inhaltes allfälliger derartiger Vereinbarungen mit dem [Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten] BMfAA vorherige Fühlung genommen werden könnte.“[29]
Ausstellungskooperationen auf Basis des Kulturabkommens
Die in den Arbeitsprogrammen vereinbarten und schließlich realisierten Ausstellungen wurden vielfach an relativ prominenten Standorten gezeigt. So präsentierte man beispielsweise die Ausstellung des Malers Curt Querner im Wiener Künstlerhaus (1979),[30] die Werkschau von Friedensreich Hundertwasser in der Neuen Berliner Galerie im Alten Museum in Berlin (1981),[31] die Ausstellung über Gustav Mahler im Dresdner Kulturpalast (1981),[32] die Ausstellung „Max Klinger – Malerei, Graphik, Plastik (1981/82)“ wieder im Wiener Künstlerhaus[33] und die Schau „Malerei und Grafik aus der DDR“ in der Wiener Secession (1981/82). Letztere zeigte knapp 150 Werke von rund 30 Künstlern aus der DDR. Bei der Eröffnung der Secessions-Schau zeigten sich die Vertreter des österreichischen Bundesministeriums für Unterricht und Kunst und des Kulturministeriums der DDR darin einig, dass sich auf der Grundlage des Kulturabkommens „vielseitige, fruchtbare kulturelle Beziehungen zwischen beiden Ländern entwickeln“.[34] In einer internen Analyse des Außenministeriums der DDR wurde hingegen beklagt, dass in den österreichischen Medien „teilweise versucht [wurde], die Kunst der DDR als vom Staat diktiert hinzustellen“.[35] Tatsächlich gab es in den österreichischen Medien nicht nur Lobeshymnen, sondern auch kritische, wenngleich fachkundige Analysen. So hielt Maria Buchsbaum in der Wiener Zeitung beispielsweise fest:- „Fast alle diese Maler sind neohistorisch orientiert. Sie füllen ihren neuen sozialistisch-realistisch gekelterten Wein in die alten kunsthistorisch bewährten Schläuche […].“[36]
Die in den Arbeitsprogrammen festgelegten Kooperationen waren stets von Gegenseitigkeit geprägt: So wurde beispielsweise im zweiten Arbeitsprogramm aus dem Jahr 1982 festgehalten, dass in beiden Staaten Porzellan-Ausstellungen gezeigt werden, die ja bereits von den Ministern Firnberg und Hoffmann 1978 angedacht worden waren. Von diesem reziprokem Austausch gab es jedoch eine Ausnahme: 1984 wurde im niederösterreichischen Renaissanceschloss Schallaburg, in dem seit 1974 jährlich in den Sommermonaten eine große Ausstellung zu sehen ist, die Großausstellung „Barock und Klassik. Kunstzentren des 18. Jahrhunderts in der Deutschen Demokratischen Republik“ gezeigt. Es handelte sich, wie in Neues Deutschland betont wurde, um „die bisher größte Kunstausstellung der DDR in einem westeuropäischen Land.“[38]
Eine ähnliche Präsentation eines Warschauer Pakt-Staates hatte es auf der Schallaburg bereits 1979 mit der Schau „Bulgarien – 7000 Jahre Kunst und Kultur in Sofia“ gegeben – die Kulturarbeit von Bulgarien in Österreich wurde in der DDR als vorbildhaft angesehen,[39] was die Umsetzung dieser Ausstellung mit erklärt. Wenn man sich die Besucherstatistik der Schallaburg-Ausstellungen anschaut, dann stellt man fest, dass die DDR-Ausstellung mit knapp 150.000 Besucherinnen und Besuchern (146.089) auch recht erfolgreich war, die Bulgarien-Schau hatte nur rund 105.000 Besucherinnen und Besucher angezogen.[40]
In der Ausstellung „Barock und Klassik“ wurden rund 600 Exponate zu vier Kunst- und Kulturzentren (Dresden, Potsdam, Dessau-Wörlitz und Weimar) gezeigt. Neben den Überlieferungen zu den jeweiligen Kunstrichtungen wurden in der Ausstellung auch die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs und die Wiederaufbaumaßnahmen thematisiert. Das zentrale Ziel der DDR, auf das kulturelle Leben in der DDR hinzuweisen, also eine Schau „mit eindeutigem DDR-Charakter“ zu zeigen,[41] erreichte man beispielsweise über ausführliche Hinweise auf restaurierte barocke Gebäude in Dresden, freilich ohne Erklärungen, was alles nicht wiederaufgebaut wurde.[42]
Medienecho und Instrumentalisierung des Kulturaustausches
Offenkundig war man auf beiden Seiten mit der Ausstellung „Barock und Klassik“ zufrieden: Das Parteiorgan der SED Neues Deutschland berichtete – sichtlich stolz –, dass „sich der kulturelle Austausch zwischen Österreich und der DDR in den letzten Jahren immer breiter und vielseitiger gestaltet“ habe.[43] In den österreichischen Medien konzentrierte man sich stärker auf die Ausstellungsinhalte, wobei Bundeskanzler Fred Sinowatz in einem Artikel in der österreichischen Arbeiterzeitung, die im November 1984 mehrere Sonderseiten zur DDR brachte, meinte, dass die Ausstellung- „zweifellos eine der bestorganisiertesten, wertvollsten und kulturell interessantesten […] [gewesen sei], die von der DDR jemals im Ausland gezeigt wurden.“[44]
Neben zahlreichen Kunstausstellungen fällt eine Geschichtsausstellung auf, die 1983 in der Humboldt-Universität zu Berlin gezeigt wurde und besonders viel mediale Aufmerksamkeit erhielt: In „Der gelbe Stern in Österreich“, die das Jüdische Museum in Eisenstadt zusammengestellt hatte, wurde die Geschichte der Judenverfolgung in Österreich von 1938 bis 1945 behandelt. Über die Eröffnung berichtete sogar die Sendung Die aktuelle Kamera.[47] Neues Deutschland titelte auf Seite 1: „Antifaschistische Ausstellung Österreichs in Berlin eröffnet“ und hob hervor, dass der Prorektor der Humboldt-Universität die Ausstellung als ein „Zeichen gemeinsames Bemühens beider Länder gegen Faschismus und Krieg“ zu werten sei.[48] In der DDR wurde damit ein Bild der österreichischen Geschichtsaufarbeitung konstruiert, das mit der Staatsdoktrin der DDR in Einklang stand.
Kooperationen fast bis zum Ende des Bestehens der DDR
Auch nach dem „Fall“ der Mauer wurden die Kulturkontakte zwischen der DDR und Österreich aufrechterhalten. Insgesamt ist anhand von einer von der Botschaft der DDR in Wien erstellten Übersicht zum Kulturarbeitsplan vom April 1990 festzustellen, dass fast alle Vereinbarungen umgesetzt werden konnten.[49] Zu diesen Projekten zählten die Ausstellungen „Von Caspar David Friedrich bis Adolf Menzel“, die vom 1. Februar bis zum 22. April 1990 im Kunstforum Wien gezeigt wurde,[50] und „Schilder – Bilder – Moritaten“, die vom 30. Mai bis zum 7. Oktober 1990 im Museum für Volkskunde in Wien zu sehen war.[51] In den letzten Monaten des Bestehens der DDR kam es sogar noch zu neuen Kooperationen und Projekten. Im Juni 1990 wurde beispielsweise die Ausstellung „Der Anschluss – Kommentare zu aktuellen Ereignissen von Alfred Hrdlicka“ im Alten Museum in Berlin eröffnet.[52]Erst im Frühsommer 1990 kam es vermehrt zu Absagen. So wurde beispielsweise eine vereinbarte Ausstellung des Kunsthistorischen Museums (Wien) in der DDR auf unbekannte Zeit verschoben, da die Staatlichen Museen Berlin erklärt hatten, dass sie „derzeit überhaupt keine finanziellen Möglichkeiten [hätten,] sich an den Kosten der Ausstellung zu beteiligen.“[53]
Zwar wurde die Zusammenarbeit der Institutionen, sofern diese nicht aufgelöst wurden, auch nach der deutschen Einheit fortgesetzt, jedoch wurde sie anders organisiert. 1992 stellte das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland per Note fest, dass das Kulturabkommen mit der Herstellung der Einheit Deutschlands erloschen ist,[54] ein neues Kulturabkommen wurde nie geschlossen. Dennoch gab und gibt es zahlreiche Kulturkontakte, auch im Museums- und Ausstellungswesen. Erwähnt sei etwa die Ausstellung „Verfreundete Nachbarn“, die 2005 im Haus der Geschichte in Bonn zu sehen war und sich auch mit den Beziehungen Österreichs zur DDR befasste.[55]
Fazit
„Die Kultur ist ein Fall des Kampfes der Systeme“, wie Hans-Joachim Hoffmann in einem Gespräch mit seinem österreichischen Amtskollegen Herbert Moritz 1985 erklärte.[56] Trotz der klar gegensätzlichen politischen Ausrichtung waren die DDR und Österreich bereit, Kulturkontakte zu pflegen, wobei die DDR ein deutlich stärkeres Interesse an kultureller Präsenz in Österreich hatte als umgekehrt. Dabei betrachtete die DDR bei ihren Aktivitäten in Österreich die Bundesrepublik nicht nur als Konkurrenten, sondern verdächtigte sie sogar, auf österreichische Ministerien einzuwirken, um Projekte der DDR zu behindern.[57] Bei allen Austauschprojekten war der DDR daher die Sichtbarkeit besonders wichtig. So wurde beispielsweise darauf geachtet, ob sie bei Leihgaben auch genannt wurde.[58]Immer wieder wurde von der DDR der deutliche Wunsch geäußert, die Kooperationen zu intensivieren. So meinte etwa der Außenminister der DDR Oskar Fischer im Januar 1980 bei einem Treffen mit dem österreichischen Botschafter, dass diese über das Kulturabkommen hinausreichen sollten,[59] worauf Österreich aber sehr zögerlich reagierte.[60] Im musealen Bereich wurde dennoch nicht nur der durch das Kulturabkommen und die Arbeitsprogramme geschaffene Rahmen ausgenutzt, es gab auch eine Reihe weiterer Kooperationen.
Ein Bericht der Österreichischen Botschaft in der DDR vom September 1980 zeigt aber auch, dass die Kontakte im Bereich des Ausstellungswesens nicht immer nur zum freundschaftlichen Austausch genutzt wurden. Ein privater Galeriebetreiber in Ost-Berlin versuchte mit ausländischen Galeriebesitzern und den Botschaften in Kontakt zu kommen; unter anderem wollte er eine Ausstellung des österreichischen Malers Arnulf Rainer durchführen. Die Botschaft fand jedoch heraus, dass es sich bei diesem Galeriebesitzer um einen Beamten der Staatssicherheit handelte, dessen Hauptaufgabe es gewesen sei, Ausstellungen zu realisieren, die in einem gewissen Widerspruch zur offiziellen Kulturpolitik standen, um herauszufinden, welche DDR-Bürger sich für derartige Kunst interessieren.[61] Die Kenntnis derartiger Praktiken beeinflusste die offiziellen Kulturkontakte jedoch nicht wesentlich. Der Austausch von Ausstellungen wurde bis zum Ende des Bestehens der DDR fortgesetzt.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der Kulturaustausch zwischen der DDR und Österreich zwar wesentlich durch die gesamtpolitischen Entwicklungen geprägt war, jedoch einige Grenzen zu überwinden vermochte. Insbesondere seit dem Abschluss des Kulturabkommens und der Arbeitsprogramme konnten viele Ausstellungen ausgetauscht und damit zahlreichen Künstlern die Möglichkeit der Präsentation und Vernetzung im jeweils anderen Staat gegeben werden. Auch die Institutionen konnten zweifelsohne von den neuen Kontaktmöglichkeiten profitieren. Eine exakte Messung von Folgewirkungen der Kulturkontakte ist zwar kaum möglich, dennoch ist davon auszugehen, dass die Kulturpolitik nicht nur ein Nebenschauplatz von politischen Auseinandersetzungen war.
Zitierweise: Andrea Brait, Kulturkontakte über den Eisernen Vorhang hinweg – Sonderausstellungsprojekte im Austausch zwischen Ost-Berlin und Wien, in: Deutschland Archiv, 12.12.2017, Link: www.bpb.de/261026