Die Inseln des Verschweigens
Strittmatters Erinnerungsbuch "Grüner Juni" und der Krieg auf den Zykladen
Obwohl Griechenland für DDR-Bürger ein unerreichbares Land war, zeichnete Erwin Strittmatter im "Grünen Juni" ein Bild aus blauem Meer und Sonnenschein. Der Grund war nicht touristisch. Strittmatter übermalte seine Kriegsvergangenheit in der Ägäis.I. Gefangen in Legenden
Der Strittmatter der späten Jahre begegnet vielfach verdüstert und voller Skepsis gegenüber allen großen Projektionen. Es wird Teil seines Rückblicks auf das eigene Leben sein. Sozial bestimmten es zwei große geschichtliche Phänomene. Die NS-Zeit mit dem Krieg. Der "Neuanfang" mit dem DDR-Sozialismus.
Dem DDR-Sozialismus ist Erwin Strittmatter im Laufe der Jahre kritisch begegnet. Er schreibt sich ihm gegenüber nicht in einen Unbeteiligten um. Anders der Krieg. Ihn neutralisiert er sich in den biografischen Bekundungen mit einer Rolle am Rande. Im Roman öffnet sich die Tür der "Wandlung" und einer Bekenntnisrhetorik, die allerdings auf die literarischen Figuren beschränkt blieb. Einer der, es anders hielt, war Franz Fühmann. Die Last, die er annahm, gehört zu dem, das ihn erdrückte.
Strittmatter richtete sich in Legenden ein. Sie zeichnet ein weiter Abstand zur Realität aus und sie gewannen eine Macht, die der Autor nicht brechen konnte und wollte. Das Erinnerungsbuch von 1985 "Grüner Juni" bot die Chance, sich von der Erpressung durch die Vergangenheit durch ihre wahre Darstellung zu befreien. Strittmatter entschied sich, den Weg neuer Legenden zu gehen. Sie reichten so tief, dass er noch im September 1993, wenige Monate vor seinem Tode im Januar 1994, die Anmutung einer "konsequenten", aus der Arbeiterbewegung stammenden Antikriegshaltung, samt der Feststellung des Interviewers, "gegen Ende des Krieges desertiertest du von der Wehrmacht", ohne die leiseste Korrektur entgegennahm.[1] Strittmatter erzählte nicht einfach sich selbst. Nach Lage der Dinge erzählte er seinem Publikum deutsche Zeitgeschichte.
Die angebliche Desertion Strittmatters war mehr als fragwürdig[2] und die behauptete Zugehörigkeit zur "Wehrmacht" ein Versteck der tatsächlichen Kriegsvergangenheit. Strittmatter war zwischen 1941 und 1945 Angehöriger der Ordnungspolizei, des Polizeibataillons 325, des SS-Polizei-Gebirgsjäger-Regiments 18 und der Film- und Bildstelle der Ordnungspolizei gewesen, wie im Jahr 2008 publik wurde.[3] Die Formationen hatten sich schwerer Kriegsverbrechen in Slowenien, auf dem Balkan und in Griechenland schuldig gemacht.
Die zwei Jahre zuvor im August 2006 bekannt gewordene Mitgliedschaft von Günter Grass in der Waffen-SS löste eine begrenzte Diskussion aus, dann fand sie ihren angemessenen Platz in seiner Biografie. Die Affäre sagte wenig Neues über den Staat aus, in dem Grass geschwiegen hatte. Anders der Fall Strittmatter. Als Teil der festgefügten antifaschistischen Ikonografie der DDR, stellte er Fragen, die zu den umgangenen gehörten. Den charakteristischen DDR-Abstand zwischen Schein und Sein initalisierte der Fall Strittmatter in einer literarischen Variante.

"Bevor es eine Deutsche Demokratische Republik gab, kannte niemand den Namen Erwin Strittmatter in der Literatur. Heute ist Erwin Strittmatter zweifacher Nationalpreisträger, Vizepräsident und 1. Sekretär des Deutschen Schriftstellerverbandes. Die Auflagenziffer seiner Bücher in unserer Republik hat bald eine halbe Million erreicht [...].
Die braunen Machthaber und ihren Krieg haßte er. Dennoch, als sie ihn in die Soldatenuniform steckten, marschierte er in ihren Krieg mit Schopenhauer und Rilke im Tornister, mißmutig und ratlos. Noch immer hatte er tausend Fragen und wenig Antworten. Sie führten dazu, daß er schließlich desertierte.
Als das Volk aus dem Krieg getaumelt kam, verführt und aus allen Wunden blutend und ohne Hoffnung, da tat nichts bitterer not als: Brot und Wahrheit [...].
Von Zeit zu Zeit unternimmt Erwin Strittmatter längere Reisen durch die Republik, um zu erfahren, welche Probleme die Menschen in anderen Orten bewegen. Ohne diese Beziehung zum Leben der Arbeiter und Bauern, ohne die aktive Teilnahme an ihrem Leben könnte Strittmatter unsere Gegenwart nicht gestalten."[5]
II. Spurentilgung
Mehr als zwei Jahrzehnte später war die lebensgeschichtliche Legende zum festen Bestandteil eines Werkes geworden, das sich den Anschein persönlicher und zeitgeschichtlicher Wahrhaftigkeit gab. In diese Rolle war es nicht irgendwo eingetreten. Der Ort war das Land, das die Verbrechen der NS-Zeit, den Zweiten Weltkrieg, den Holocaust verantwortete. Ihr Ausmaß hatte Adorno und Celan zweifeln lassen, ob ein "Schreiben nach Auschwitz" überhaupt möglich sei. Die Holocaustüberlebende Ruth Klüger formulierte eine Alternative. Sie schien ihr in der nichts aussparenden Wahrheit zu liegen. Ihr Essay "Fakten und Fiktionen" ging Konsequenzen für das Erzählen nach. In diesem Bereich herrsche ein besonders sensibles Verhältnis zwischen dem geschichtlichen Fakten und dem Erzählen. Der Einwand: "So war es nicht, hier stimmt etwas nicht!", erscheine hier zu unrecht naiv. Er wiege in diesem Fall schwerer. als bei sonstigen historischen Fiktionen. Ruth Klügers Diktum: "Wer über Wirkliches schreibt, kann sich nicht über Wirkliches hinwegsetzen."[6]
In dieses Umfeld trat Strittmatters mit dem autobiografisch gehaltenen Text "Grüner Juni. Eine Nachtigall-Geschichte" 1985 ein.[7] So weit wie hier hatte er sich bisher an keiner anderen Stelle in die lebensgeschichtliche Darstellung seiner Kriegszeit begeben. Passagenweise wechselte er die Perspektive und spiegelte sich in einem Alter Ego "Esau Matt". Strittmatter wurde verstanden, wie er verstanden werden wollte. Der Literaturkritiker Rulo Melchert bestätigte den autobiografischen Anspruch: "Diese Nachtigall-Geschichte [...] schließt Lücken in der Gesamtdarstellung eines Lebens, das an Gestalten wie Stanislaus Büdner und Esau Matt oder auch nur an einen Ich-Erzähler, der sich mit Namen nicht zu erkennen gibt, gebunden ist, in denen wir mit gutem Recht zu einem großen Teil Erwin Strittmatter selbst vor uns haben".[8]
Die Stasi nahm das Anliegen auf ihre Weise entgegen. Sie notierte aus einem Gespräch zwischen dem DDR-Kulturminister Hans-Joachim Hoffmann und dem Autor im März 1985: "Strittmatter sei bezüglich seines neuen Manuskriptes zu keinerlei Kompromissen bereit [....] Strittmatter betonte, daß er dabei sei, sein Leben in der Reihe der 'Nachtigallengeschichten' – zu denen auch der 'Grüne Juni' gehöre, memoirenhaft aufzuarbeiten[,] und dabei könne er nichts anderes schreiben, als was er erlebt hat."[9]
Das Kriegsende sieht Strittmatter im "Grünen Juni" in der "Gegend" des südböhmischen Oberplan in der Rolle eines Deserteurs. Er habe mit anderen Einwohnern des Ortes im Mai 1945 die weiße Fahne auf dem Kirchturm aufgezogen, sollte aber nach dem Einmarsch der Amerikaner "dann doch noch erschossen werden". Von Strittmatters Kriegseinsatz zwischen 1941 und 1945 werden die Septemberwochen 1943 in der griechischen Ägäis behandelt. "Bisher hatten die Italiener, die Verbündeten Hitlers, die Ägäischen Inseln besetzt gehalten [...]. Die Männer unseres Bataillons werden ziemlich vereinzelt auf die Inseln verstreut".[10] Strittmatter wird auf Ios "abgesetzt", wo er einige Wochen allein ist, nachdem zwei Kameraden in englische Gefangenschaft geraten sind. Den Rahmen des Geschehens bilden die sozialen und familiären Verhältnisse, die der Kriegsheimkehrer im Juni 1945 im thüringischen Heimatort "Grottenstadt" vorfindet. Nahezu keine der Kriegsschilderungen des "Grünen Juni" entspricht der angekündigten "Wahrheit". Wo immer Recherche die Darstellungen hinterfragt, brechen die Bilder zusammen.
Die Quellen aus dem südböhmischen Wallern, wo sich Strittmatter im Mai 1945 befindet, kennen weder den vorgeblichen Deserteur noch seine Beteiligung am Hissen der weißen Fahne auf dem Kirchturm.[11]


III. SS-Polizei-Gebirgsjäger auf den Zykladen
Parallel zu den Operationen läuft eine Propagandaoffensive. Das an allen Fronten zurückweichende NS-System will gerade im Fall der "wortbrüchigen" Italiener seine Stärke demonstrieren.[15] Kriegsberichter Bethmann zeichnet eine Bilderfolge kämpfender und siegender Polizeigebirgsjäger. Die Zeitschrift "Die Deutsche Polizei" veröffentlicht eine im Kampflärm schwelgende Reportage des Polizeileutnants Fritz Priller "Der Kampf um die Insel A. [Andros] in der Ägäis".[16] Die Scherl-Illustrierte "Die Woche", die ihrer Kriegsberichterstattung immer etwas "Kultur" beimixt, wartet mit einer Serie auf, die so tut, als gehe es auf den Inseln darum, die Antike in den Besitz eines Reisebüros zu nehmen. Den Bildbericht über die Besetzung von Naxos kommentiert der Kriegsberichter Steinmetz in der "Woche": "Das Eiland der Ariadne. Polizeigebirgsjäger kommen im Hafen von Naxos an, der Insel in der Ägäis, wo nach der griechischen Sage Ariadne, die Tochter des Königs Minos, von Theseus verlasse wurde. Die Hauptstadt gleichen Namens hat mit ihren weißen Häusern und engen Gassen orientalisches Gepräge".[17]
In sorgfältigem Abstand zur Einsatzgeschichte der SS-Polizei-Gebirgsjäger ist Strittmatter im "Grünen Juni" bei der sich im August 1943 abzeichnenden Kapitulation der Italiener auf "Urlaub". Die "Truppe" wird vom Polarkreis nach Griechenland verlegt, er muss ihr "nachreisen". Es gibt keine Eroberung der Zykladen. "Alsbald bin ich in der Inselwelt". Der einzige Konflikt, der mit der Ablösung der italienischen durch die deutsche Besatzung verbunden ist, spielt unter den Inselbewohnern. "Die griechischen Inselfrauen liebten die italienischen Soldaten, wie die finnischen Frauen die deutschen Soldaten liebten. [...] Es war viel Weinens unter den Inselfrauen, als die italienischen Soldaten abzogen und die deutschen Soldaten anrückten."[18] Strittmatter pflegt auf Ios freundlichen Umgang mit dem Inselbewohner Kostas und sucht das Grab Homers, er scheidet von Kostas als Freund. Am Ende wird er von einem deutschen Schiff nach Naxos geholt. Die Kampfeinsätze von deutscher Marine, Wehrmacht und Angehörigen des SS-Polizei-Gebirgsjäger-Regiments übertünchen Inselidyllik und Griechenlandblau. Über den Autor spannt sich der "der homerische Himmel, und der ist blau und hoch und das Meer ist blau und durchsichtig, und an den Abenden leuchtet es." – "Hier kommt ein Tag nach dem andern [...] aus dem Meer und geht in das Meer".[19]
"Welt tut sich auf", empfand der Kritiker Rulo Melchert beim Erscheinen des Textes, "Wirklichkeit und Mythos vermischen sich, das Erzählen ist durchstrahlt von Licht, man ist ergriffen und belächelt nichts." Der "Grüne Juni" setze die Bemühungen fort, "das Ich eines unverwechselbaren Lebens, eines Menschen- und Schriftstellerlebens, wie es uns Erwin Strittmatter vorlebt, in all seiner Widersprüchlichkeit schonungslos und ehrlich hinzustellen, daß wir uns daran reiben und messen können ..."[20]

IV. Ägäische Phrasen
Im "Grünen Juni" gibt es alle diese Ereignisse nicht. Die bereinigte Szene schafft Platz für hochfliegende Interpretationen. Der vernebelte Krieg drängt sich den alternativlosen Rezensenten als poetische Leistung auf. Dem Germanisten Klaus Werner begegnet "der Umstand, daß sich oberhalb des Berichteten eine schwer zu benennende Atmosphäre erhält, die das Tatsächliche in einen Schwebezustand überführt, es von seinen zeitgeschichtlichen Kontexten gleichsam befreit: Es wird auf eine Ebene gehoben, auf der sich irdisches Leben und Menschen-Zeit plötzlich mit Welten-Raum und Universalgefühl verknüpfen".[23] Die Literaturkritikerin Angelika Griebner überschrieb ihre Rezension "Der blaue Vogel Poesie" und empfand "ein Gefühl, eine Stimmung, die nur schwer zu benennen ist. Vielleicht ist es das, was Erwin Strittmatter herbeizuzaubern sucht in seinen Nachtigall-Geschichten, diesen seltsamen Schwebezustand zwischen Wachen und Träumen ..."[24] Der "Grüne Juni" läutert den ägäischen Kampfeinsatz Strittmatters in den chronischen Klischees von Land und Leuten zu einsamen Inselwochen in mediterranen Ambiente. Bei Werner bleibt über das Militärabenteuer zurück, "wie Krieg, zweiter Weltkrieg, stillzustehen scheint und ein zur Vernichtung anderer bestellter Soldat der Dinge inne wird, die ewig und unverrückbar sich selbst meinen."[25]

"Wir werden zu dritt auf der Insel Ios abgesetzt", behauptet Strittmatter im "Grünen Juni".[26] Tatsächlich wurde Strittmatters auf Naxos stationiert, das der "Grüne Juni" nur beiläufig erwähnt. "Ich kam auf die Zykladeninsel Naxos", erteilt er in der ZK-Akte Auskunft.[27] Der Tausch machte Sinn. Für die Inszenierung eines Krieges ohne Krieg eignete sich das kleine Ios ungleich besser als die Hauptinsel Naxos. Ios gab die brauchbarere Kulisse für eine angebliche ägäische Robinsonade ab. Auf Ios verliert sich nach kurzer Zeit die Beteiligung am Krieg auf den Zykladen, denn "am zweiten Tag unserer Inselzeit reißt die Funkverbindung ab. Wir haben keinen Kontakt mehr mit den deutschen Eroberern und Herumtreibern".[28] Schließlich kommt Strittmatter auch mental als Beteiligter nicht mehr in Frage, er verliert das "Zeitgefühl" und muss rechnen, wenn er sich ins Bewusstsein bringen will, "wieviele Wochen ich nun schon auf der Insel lebe". Die erfüllt eine Don Camillo- und Peppone-Geschichte, mit dem Soldaten als Camillo und dem Fischer Kostas als Peppone. Sie geht gut aus: "Kostas und ich scheiden als Freunde"[29]. Von Naxos weiß Strittmatter in der ZK-Akte weniger Einträchtiges zu berichten: "Auf Naxos hatte ich den ersten Kontakt mit gr[iechischen] Kommunisten. Es waren, wie ich heute weiß, keine klaren Genossen. Sie erwarteten ihr Heil von England und seiner 'Demokratie'".[30]
V. Inseln der Strittmatter-Legende
Die Strittmatter-Legende speiste der "Grüne Juni" aus der Strittmatter-Legende. Die Wortmeldungen der Rezensenten spiegeln die Wirkungen auf das kollektive Strittmatter-Gedächtnis in der DDR. Der Kritiker Klaus Werner unterlag dem beklemmenden Irrtum, "erlebte Wirklichkeit" stehe vor dem Leser auf. Strittmatter lasse Esau Matt "ein durch nichts verbogenes Sehen ausbilden, das luzide Abbilder von Wirklichkeit beschert und eine Realität vor uns hinstellt, die sich in mehrfacher Bedeutung des Wortes selbst beleuchtet: 'Die Stadt Ios glänzt weißer als die Sonne ...'"[31] Der Kritiker Rulo Melchert fand: "Er will, wenn er erzählt, nichts verschweigen oder vertuschen, schönfärben ein Stück seiner und unser aller Vergangenheit und Geschichte. Anders ist der Realismus, wie er Erwin Strittmatter vorschwebt und wie er unserer Literatur wesenseigen ist, nicht als Kunstleistung zu erreichen".[32]
Entlang des "Grünen Juni" erzählte Strittmatter den Deutschen einen verträglichen Krieg in der Ägäis. Im Schattenwurf dieser Kunstleistung verschwand die eigene Rolle. Der Dortmunder Historiker Ralph Klein, der in einer umfangreichen Untersuchung die Geschichte des SS-Polizei-Gebirgsjäger-Regiments 18 aufarbeitete, urteilte ohne Umschweife, Strittmatter habe seine Kriegserlebnisse literarisch verarbeitet, "ohne seine Zugehörigkeit zu diesem außerordentlichen Polizeiregiment zu nennen oder das konkrete Kriegsgeschehen zu beschreiben – ganz im Gegenteil. So schilderte er beispielsweise die Besetzung der Zykladen durch das III. Bataillon, zu dem er gehörte, als Postkartenidylle mit blauem Meer, schönem Wetter, leckeren Wein und attraktiven Frauen." [33]
Das Niederlausitzer Heidemuseum in Spremberg eröffnete im November 2010 eine neue Dauerausstellung über Erwin Strittmatter. Auf einer Karte Europas waren die Zykladen, wie die anderen Kriegsorte Strittmatters, nichts anderes als kleine weiße Reiter. Was da geschah, blieb anonym. Hitlers Polizei ohne Einordnung. Das Heidemuseum im Schweigen über seinen Krieg begriffen, wie Strittmatter über ihn schwieg. Hier trägt Strittmatter noch immer Wehrmachtsuniform. Die Frage, welches Wissen die Ausstellung jungen Menschen vermittle, wies der Museumsleiter in einem Interview, als ihn nicht betreffend, an die Schule zurück.[34] In dieser Perspektive gehört die Berliner Ausstellung der Deutschen Hochschule der Polizei und des Deutschen Historischen Museums "Ordnung und Vernichtung – Die Polizei im NS-Staat" gewiss einer anderen Zivilisation an. Allerdings ist man auch zu Kommentaren im Niederlausitzer Heidemuseum fähig, wie vielen Zurückweisungen der Kritik an der Rolle Strittmatters zeigen. Und auch zu musealer Sorgfalt. In einer in die Wand eingelassenen Glasvitrine prangen die Orden und Ehrenzeichen des Autors aus der DDR.
Im Juni 2010 schon hatte sich der Spremberger Erwin-Strittmatter-Verein zum Geburtstag des Autors in diesem Geist ein finales Geschenk gemacht. Er befand über Geschichte per Vereinsbeschluss: "Der Erwin-Strittmatter-Verein hat die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit des Schriftstellers für beendet erklärt. Es gebe keine weiteren Untersuchungen zur Rolle Erwin Strittmatters im Zweiten Weltkrieg, sagte am Montag die stellvertretende Vorsitzende Renate Brucke nach einer Mitgliederversammlung des Vereins in Spremberg. Es lägen keine neue Erkenntnisse vor, die ausgewertet werden müssten. Der Vorgang sei für den gegenwärtig 141 Mitglieder zählenden Verein erledigt. Der Verein wolle sich jetzt wieder seinen eigentlichen Aufgaben und den Werken Erwin Strittmatters (1912–1999) widmen."[35] Frau Brucke berief sich dabei auf die ebenso freigiebig wie freihändig ausgestellten Persilscheine Günther Drommers in seiner dritten Strittmatter-Biografie "Erwin Strittmatter und der Krieg unser Väter".[36]
Die 2008 beginnende Debatte nannten die Bochumer Historiker Silke Flegel und Frank Hoffmann symptomatisch "für die Diskussion um das Erinnern an deutsche Diktaturen".[37]