Flucht und Vertreibung im bundesdeutschen Spielfilm der 1950er-Jahre
2. Der Umgang mit dem Thema
in Spielfilmen der 1950er-Jahre
In der Bundesrepublik der 1950er-Jahre wurden Flucht und Vertreibung der Deutschen aus ihren Heimatgebieten im geschilderten psychosozialen Entstehungskontext typischerweise im Spielfilm nur indirekt über Andeutungen thematisiert und auf das Erfahrungswissen der Rezipienten gezielt. So etablierte sich insbesondere durch Heimatfilme, zum Beispiel "Grün ist die Heide" (Regie: Hans Deppe, 1951), ein bestimmter Umgang mit dem Thema. 
Der Themenbereich Flucht und Vertreibung selbst war in der Spielfilm- und auch in der Dokumentarfilm-Produktion stark unterrepräsentiert, auch wenn ca. 16 Prozent der Bevölkerung ganz Westdeutschlands über einen Flucht- oder Vertreibungshintergrund verfügten.[7] In dieser Hinsicht geht "Grün ist die Heide" mit seiner Geschichte um den vertriebenen Gutsbesitzer Lüder Lüdersen und seine Tochter Helga, die bei Verwandten in der Lüneburger Heide unterkommen, über den gängigen Themenkanon hinaus. Typisch für diesen seltenen Umgang mit dem Thema Flucht und Vertreibung ist, dass dabei Andeutungen, Symbole und scheinbar allgemein gehaltene Äußerungen dominieren.
Diese von allen Zuschauern aus ihrer jeweiligen Perspektive deutbaren, also polysemen, Andeutungen ließen Raum für verschiedenste Projektionen. Voraussetzung war dabei stets ein gewisses Vorwissen über Flucht und Vertreibung. In "Grün ist die Heide" kommen diese Äußerungen vor allem von dem ehemaligen Gutsbesitzer Lüdersen, der psychisch in einem schlechten Zustand ist. Er leidet daran, dass er die für ihn selbstverständlichen Tätigkeiten, wie das Jagen, nicht mehr ausführen kann, und nennt sich "Mensch", der "zu euch gekommen ist". Er fragt: "Warum darf man denn kein Mensch mehr sein, bloß weil man nichts mehr hat?" Die Geflüchteten und Vertriebenen konnten darin einen Bezug auf den Entzug ihres Eigentums und ihrer Heimat erkennen. Sie konnten die Aussage, kein Mensch mehr zu sein, weil man nichts mehr hat, mit ihrer Behandlung in den Vertreibungsgebieten, der Diskriminierung in den Ankunftsgebieten und den daraus entstandenen Minderwertigkeitsgefühlen verknüpfen und sich mit den entsprechenden Figuren identifizieren. Auch die Einheimischen erkannten hier ihre Erfahrungen mit den verarmten Geflüchteten und Vertriebenen wieder. An sie erging indirekt der Appell, die Integration zu fördern, die Vertriebenen verständnisvoller zu behandeln und sie wegen ihres verlorenen Besitzes nicht als minderwertig einzustufen.
Lüdersens Tochter Helga spricht beispielsweise davon, dass "es uns doch gut hier" gehe, repräsentiert damit die jüngere Generation, die sich auf die Gegenwart und Zukunft konzentriert, und würdigt die Eingliederungsbemühungen, die die Westdeutschen auf sich nehmen mussten.
Die abgeklärte Reiterin Nora, eine Nebenfigur, macht ebenfalls für die damaligen Zuschauer leicht entschlüsselbare Andeutungen. Sie plant, aus Deutschland auszuwandern. Nora erklärt, dass sie "in der sogenannten Heimat nichts mehr bindet", dass sie sich "einen kugelsicheren Panzer ums Herz gelegt" habe und dass der "Ozean genauso schön" sei wie die Lüneburger Heide. Der "kugelsichere Panzer ums Herz" und die Loslösung von der zweiten "sogenannten Heimat" nehmen Bezug auf Gewalterfahrungen und die jeweiligen Strategien, die Vertriebene wie auch Einheimische entwickeln mussten, um zu überleben und sich nach dem Neuanfang zurechtzufinden. Auch ließen sich aus beiden Perspektiven solche Andeutungen auf die mit dem Zusammenbruch des "Dritten Reichs" erfahrenen Desillusionierungen im Hinblick auf den "Zusammenhalt der Volksgemeinschaft" beziehen, wobei Einheimische und Vertriebene hier eine Gemeinsamkeit feststellen konnten.
Eine aufdringlich didaktische Komponente hat die Lösung des heimatfilmtypischen Generationenkonflikts im Sinne der jungen Generation. Als die Tochter herausfindet, dass ihr Vater wildert, verbietet sie ihm dies und setzt sich durch, indem sie sein Gewehr in ihren Schrank einschließt. Ihm bleibt nur, vor dem Happy End eine Ansprache bei einem Fest zu halten, zu dem die in der niedersächsischen Heide untergekommenen Schlesier ausdrücklich eingeladen sind. Hier wirbt Lüdersen vor in Trachten gekleideten Schlesiern und Einheimischen um Verständnis für die Vertriebenen, plant aber insgeheim bereits die Abreise in die Stadt am kommenden Tag, weil er nur knapp der Enttarnung als Wilderer entgangen ist. Er hält den Einheimischen vor Augen, dass sie nicht nachvollziehen können, was den Geflüchteten und Vertriebenen geschehen ist, macht aber nur Andeutungen auf konkrete Geschehnisse, die insbesondere die Vertriebenen durch ihre eigenes Erfahrungswissen entschlüsseln können. Vorrangig geht es in Lüdersens Ansprache um den Integrationsgedanken, wenn er von der Heide als "zweiter Heimat" spricht und die schöne Natur am neuen Aufenthaltsort als Heilmittel für sein Heimweh präsentiert.
Aus Sicht der Vertriebenen ließ sich das Fest dahingehend interpretieren, dass sie feststellten: "Wir haben es geschafft, uns zu integrieren", während die Einheimischen für sich in Anspruch nehmen konnten "Wir haben sie integriert".[8]
Visuell wird der Integrationsgedanke durch die Vertriebenen in ihren Trachten repräsentiert, die in die Heide eingebettet unter dem niedersächsischen Wappen – Symbol der jetzt gemeinsamen "Heimat" von Niedersachsen und Schlesiern – das Riesengebirgslied singen, in das am Ende auch die Einheimischen mit einstimmen. Heide, schlesische Trachtenträger, einheimische Festbesucher und gemeinsamer Gesang verschmelzen zu einer heimatfilmtypischen Attraktion, zu einem "Spektakel". Von ihrer neuen Umgebung und den Einheimischen sind die Vertriebenen in diesem idyllischen Idealbild einer Gemeinschaft schon nicht mehr zu trennen, auch wenn sie noch ihre Eigenständigkeit zur Schau tragen und noch nicht "assimiliert" oder "absorbiert" sind.

Für die nur indirekte Thematisierung von Flucht und Vertreibung waren vorrangig politische Gründe verantwortlich. Wichtigstes Ziel der amerikanischen Militärregierung war es, dass die Flüchtlinge und Vertriebenen vom deutschen Gemeinwesen "absorbiert" werden sollten, wie aus den "Regulations" von 1946 hervorging. Man hatte das Unruhepotential durch Millionen heimat- und existenzloser Menschen erkannt und wollte es beseitigen. Deshalb sollten Flucht und Vertreibung nicht dargestellt werden, was zur Unterrepräsentanz des Themas im Nachkriegsfilm führte.[9] Vor 1949 entstanden gemäß den alliierten Vorgaben überhaupt keine eigenständigen Spielfilme über Heimatvertriebene, und auch danach kamen Vertriebene meist nur in Nebenrollen vor.[10] Vor diesem Hintergrund wird verständlich, dass die Lüdersens in "Grün ist die Heide" in einer privilegierten Situation sind und bei wohlhabenden Verwandten unterkommen, sodass konkrete Probleme wie schlechte Wohnbedingungen, Armut, Kälte und Hunger ausgeblendet werden konnten.
Eine erst mit dem heute zugänglichen Wissen der Traumaforschung retrospektiv mögliche Interpretation bezieht die Traumatisierungen, die durch die Verfassung der Filmfiguren angedeutet werden, mit ein, um die Frage zu beantworten, warum das Thema Flucht und Vertreibung im deutschen Spielfilm der 1950er-Jahre weitgehend ausgeblendet wurde. Lüdersens Verfassung oder die emotionsarme Nebenfigur Nora zeigen mögliche psychische Deformationen Traumatisierter.[11] Ein typisches Symptom dafür ist der Wunsch, alles zu vermeiden, was an das traumatisierende Erlebnis erinnern könnte. Unter diesem Gesichtspunkt wird verständlich, warum die Betroffenen selbst keine bekannten Versuche unternahmen, ihre Erfahrungen im Spielfilm zu verarbeiten.


Das häufig angegriffene Genre des Heimatfilms, dem weitestgehend Eskapismus vorgeworfen wird – also das Wegschieben aller problematischen Fragen, das Ausblenden des Zweiten Weltkriegs und die Verdrängung des Themas der Flucht und Vertreibung –, hat jedoch zuweilen im Rahmen des Erlaubten und im Rahmen der Möglichkeiten die Folgen des Zweiten Weltkriegs und von Flucht und Vertreibung gezeigt.
Entsprechende Andeutungen gab es beispielsweise auch in dem Jungen Deutschen Film "Zur Sache Schätzchen" (Regie: May Spils, 1968), doch waren diese so schwer zugänglich, dass sie kaum noch erkannt werden konnten. Der sich der Gesellschaft verweigernde, abgeklärte und zynische Protagonist zeichnet zwei Boxer in ein selbstgemachtes Daumenkino und kommentiert den "Boxkampf". Der niedergeschlagene Boxer, Alter Ego des Protagonisten, stammt aus der schlesischen Hauptstadt Breslau.