Personelle Kontinuitäten in brandenburgischen Kommunen seit 1989
Eine Herausforderung an die demokratische Kultur?
Ende 2009 flammte die Debatte über die SED-Diktatur und die Transformationen von einer Diktatur zur Demokratie in Brandenburg erneut auf. In diesem Kontext entstand eigens eine Enquete-Kommission des Landtags Brandenburg. Ergebnisse eines Gutachtens zu personellen Kontinuitäten in den Kommunen.Im Ergebnis der Landtagswahlen vom September 2009 kam es in Brandenburg zu einer Regierung aus SPD und Die Linke. Die Folge war eine ausufernde öffentliche Debatte über die Regierungsbeteiligung der SED-Nachfolgepartei. Die konkrete Möglichkeit, dass ehemalige Inoffizielle Mitarbeiter (IM) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) aus den Reihen der Linken Regierungsämter übernehmen könnten, aber auch der generelle Vorwurf gegenüber der Linken, sich nicht genügend ihrer Verantwortung für die SED-Diktatur zu stellen, bestimmten fortan die politische Debatte in Brandenburg. Schon vorher war bisweilen vom "Brandenburger Weg" die Rede, dessen bestimmendes Merkmal ein im Vergleich zu den übrigen ostdeutschen Bundesländern ungenügender Wille zur Aufarbeitung der SED-Diktatur sei. Als Argumente dafür, dass diese in Brandenburg unter spezifischen Schwierigkeiten stattgefunden habe und stattfinde, wird angeführt, dass es hier bis Ende 2009 keinen Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen gegeben hat oder dass die damalige Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen (BStU), Marianne Birthler, bis Anfang 2009 die Potsdamer Außenstelle ihrer Behörde schloss und nach Berlin verlegte. Die langjährige Leiterin dieser Außenstelle, Gisela Rüdiger, sprach in diesem Zusammenhang und angesichts weiterer ihrer Meinung nach bestehender Defizite im Bereich der Personalpolitik, der juristischen Wiedergutmachung oder der politischen Bildung auch von einem "Brandenburger Umweg".[1]
Die Enquete-Kommission 5/1 des Landtags Brandenburg
Mit mehreren Anträgen zur Überprüfung der brandenburgischen Landtagsabgeordneten auf eine Zusammenarbeit mit dem MfS[2] und zur Einrichtung einer Enquete-Kommission zur "Aufarbeitung der Geschichte und Bewältigung von Folgen der SED-Diktatur und des Übergangs in einen demokratischen Rechtsstaat im Land Brandenburg"[3] kamen 2010 von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen schließlich die entscheidenden parlamentarischen Initiativen, um die politische Debatte in Brandenburg zum Umgang mit der Geschichte der SED-Diktatur in konstruktive Bahnen zu lenken. Im März 2010 beschlossen die Abgeordneten des Brandenburgischen Landtags die Einsetzung der entsprechenden Enquete-Kommission 5/1. Im Juni 2010 nahmen die Mitglieder der Enquete-Kommission ihre Arbeit auf, die bis jetzt andauert. Seither beschäftigen sich die sieben ordentlichen Mitglieder und deren Stellvertreter sowie sieben Wissenschaftler mit den Folgen und der Aufarbeitung der SED-Diktatur. Die sieben Themenschwerpunkte Geschichtsbild, Wiedergutmachung, Personalpolitik, Bildung, Umgang mit Eigentum, Medienlandschaft sowie Charakter, Verlauf und Ergebnisse des Transformationsprozesses bilden dabei den inhaltlichen Rahmen des ambitionierten Arbeitsvorhabens.Über das Land Brandenburg hinaus setzt die Enquete-Kommission 5/1 ein Signal zum Umgang mit der Geschichte des ostdeutschen Teilstaates nach 1945. Anders als der Parlamentarische Untersuchungsausschuss des Landtags Brandenburg, die Enquete-Kommissionen des Landtags Mecklenburg-Vorpommern und des Deutschen Bundestags befasst sich der Brandenburgische Landtag erstmals mit der Aufarbeitung der DDR-Geschichte und der Transformation des Landes zwischen 1990 und 2010. Das zeigt, dass die Aufarbeitung der Aufarbeitung begonnen hat. Nach dem Ende der SED-Diktatur und der deutschen Wiedervereinigung rücken damit auch die Fragen rund um die Konsolidierung der Demokratie in Ostdeutschland in den Mittelpunkt von Wissenschaft und Politik.[4] Als notwendige Voraussetzung zur Bewältigung dieser Herausforderung hat der Historiker Martin Sabrow speziell mit Hinblick auf die Tätigkeit der Enquete-Kommission 5/1 gefordert, "dass die Frage nach der historischen Wahrheit endlich energischer von der Frage der politischen Befriedung und der moralischen Versöhnung getrennt wird."[5] Die Worte Sabrows verweisen allgemeingültig darauf, dass Zeithistoriker in ihrer Arbeit Geschichte und tagespolitisches Geschäft zunächst einmal getrennt voneinander zu behandeln hätten.