Familienbiografisches
Sharon Adler: Du wurdest 1987 in Israel geboren und bist dort aufgewachsen. Seit wie vielen Generationen lebt deine Familie in Israel, wann und aus welchen Ländern ist sie eingewandert?
Dana Barak: Meine Eltern sind beide in Israel geboren. Meine Großeltern kamen in den Fünfzigerjahren aus unterschiedlichen Orten nach Israel. Meine Oma mütterlicherseits kam mit ihrer Schwester mit der Externer Link: Aliyat ha-Noʻar, der Jugend-Aliya, aus dem Iran nach Israel. Die Schule besuchte sie im Irak, weil das im Iran für Mädchen nicht möglich war. Dann kam sie nach Israel und hat an der Krankenschwesternschule gelernt. Meine Oma väterlicherseits kam aus Tripolis in Libyen. Mein Opa mütterlicherseits stammt aus Usbekistan. Er und seine Mutter gelangten über die Seidenstraße über Pakistan und Indien nach Israel. Ich glaube, man erkennt in meiner Musik diese Mischung der verschiedenen Kulturen.
Sharon Adler: War in deiner Familie die Musik Teil des kulturellen und religiösen Lebens?
Dana Barak: In unserer Familie spielte die Musik immer eine sehr wichtige Rolle. Zu den Feiertagen sangen wir die vielen traditionellen Lieder, und zwar immer in ihrer vollständigen Version, und auch in der Synagoge gab es viel Musik und Musikkultur. Meine Mutter, die sehr musikalisch ist, nahm mich immer mit ins Theater und auf Konzerte, wofür ich sehr dankbar bin. Dann begann mein Bruder, der zwei Jahre älter ist als ich, an der Musikschule Trompete zu lernen. Ich war in dem Alter, wo ich alles, was er gemacht hat, auch machen wollte. Als ich in der vierten Klasse war, durfte auch ich ein Blasinstrument spielen – und entschied mich für die Klarinette.
Botschafterin der modernen jüdischen Musik als Komponistin, Arrangeurin und Interpretin
Sharon Adler: Deine Kompositionen sind, schreibst du auf deiner Externer Link: Webseite, „sowohl von traditionellen hebräischen Motiven als auch von der zeitgenössischen säkularen jüdischen Kultur inspiriert“. Welche Kompositionen oder welches Programm möchtest du hervorheben?
Dana Barak: „In meinem Stück „Trio Ha Reut“ für Klarinette, Violoncello und Klavier gibt es den Kontrast von dramatischen und heiteren Melodien – genau wie das Leben von uns Israelis. Das bewegt sich auch oft zwischen Trauer und Freude. Man kann das nicht trennen. Meine Kultur bringe ich ein, wenn ich komponiere.“ (© Sharon Adler/PIXELMEER, 2025)
Dana Barak: „In meinem Stück „Trio Ha Reut“ für Klarinette, Violoncello und Klavier gibt es den Kontrast von dramatischen und heiteren Melodien – genau wie das Leben von uns Israelis. Das bewegt sich auch oft zwischen Trauer und Freude. Man kann das nicht trennen. Meine Kultur bringe ich ein, wenn ich komponiere.“ (© Sharon Adler/PIXELMEER, 2025)
Dana Barak: Vor einigen Jahren entwickelte ich ein besonderes Programm, bestehend aus einer Mischung von traditionellen, spirituellen Externer Link: Nigunim
In meinem Stück „Wa Jechi le Achi“ („Für das Leben meines Bruders“) für Klarinette und Kammerorchester spielen wir mit traditionellen westlichen Instrumenten, nämlich Streicher, Bläser, Harfe, E- und Bass Gitarren und mit östlichen Instrumenten, also den arabischen, persischen, afghanischen und mongolischen Instrumenten. Es gibt Kanun
Die Inspiration für das Stück war die Bar Mizwa
Auch bei meinem Stück „Externer Link: Suita Zeira“ nach drei israelischen Liedern von Mordechai Zeira für Klarinette, Violine und Klavier hört man die Mischung von westlichen und östlichen Klängen. In meinem Stück „Trio Ha Reut“ für Klarinette, Violoncello und Klavier gibt es den Kontrast von dramatischen und heiteren Melodien – genau wie das Leben von uns Israelis. Das bewegt sich auch oft zwischen Trauer und Freude. Man kann das nicht trennen. Meine Kultur bringe ich ein, wenn ich komponiere.
Vermittlung jüdischer und israelischer Kultur über die Musik
Sharon Adler: Ist die Konzertbühne für dich auch ein Ort, an dem du über deine Arrangements von israelischer und jüdischer Musik dein Wissen an dein Publikum weitergeben möchtest?
Dana Barak: Ich moderiere meine Konzerte oft, wenn ich das klassische Klarinetten-Repertoire spiele, bei meinem jüdischen Musikprogramm und bei meinen eigenen Kompositionen. Das verbindet uns alle im Saal noch mehr. Meiner Erfahrung nach ist das Publikum sehr daran interessiert, sowohl die Musik als auch die Geschichten dahinter zu hören.
Sharon Adler: Was sind deine Erfahrungen aus diesen Begegnungen? Kann Musik dabei helfen, Vorurteile aufzulösen?
Dana Barak: Die Reaktionen sind immer sehr positiv. Oft kommt das Publikum nach den Konzerten zu uns Musikerinnen und Musikern, stellt Fragen zu uns und zur Musik und dann ergeben sich schöne Gespräche. Diese Verbindung mit dem Publikum ist mir sehr wichtig.
7. Oktober 2023
Sharon Adler: Mit deiner Komposition „Lelo Milim“ („Ohne Worte“) für Stimme, Klarinette und Klavier setzt du dich mit Mitteln der Musik mit den Terrorangriffen am 7. Oktober 2023 in Israel auseinander. Bitte erzähle etwas über den Prozess, das Stück zu komponieren.
Mit ihrer Komposition „Lelo Milim“ („Ohne Worte“) setzt Dana Barak sich mit Mitteln der Musik mit den Terrorangriffen am 7. Oktober 2023 in Israel auseinander: „Meine Idee war, über das Gefühl, dass es keine Worte gibt, die zu den Ereignissen vom 7. Oktober 2023 passen könnten, ein Stück zu komponieren. Ich spürte, dass ich nicht Nichts machen kann, ich wusste, dass ich das machen muss.“ (© Sharon Adler/PIXELMEER, 2025)
Mit ihrer Komposition „Lelo Milim“ („Ohne Worte“) setzt Dana Barak sich mit Mitteln der Musik mit den Terrorangriffen am 7. Oktober 2023 in Israel auseinander: „Meine Idee war, über das Gefühl, dass es keine Worte gibt, die zu den Ereignissen vom 7. Oktober 2023 passen könnten, ein Stück zu komponieren. Ich spürte, dass ich nicht Nichts machen kann, ich wusste, dass ich das machen muss.“ (© Sharon Adler/PIXELMEER, 2025)
Dana Barak: Ein paar Tage vor dem 7. Oktober habe ich ein Stück fertig komponiert. Ich brauchte zwar eine kurze Pause, aber war sehr motiviert, weiter zu komponieren und hatte viele Pläne. Und dann kam der 7. Oktober, und nichts war wie zuvor. Wie kann man Musik oder Melodien danach überhaupt schreiben? Ich befand mich monatelang in einem Zustand der Sprachlosigkeit, des Verstummens.
Erst im Sommer 2024, durch eine Ausschreibung der Externer Link: Stiftung Zurückgeben für ein Stipendium, konnte ich wieder Musik schreiben. Ich glaube, es waren schon viele musikalische Ideen klar in meinem Kopf, aber mich tagelang mit den Ideen für den Antrag auseinanderzusetzen, hat mir wieder eine große Motivation gegeben. Ich spürte, dass ich nicht Nichts machen kann, ich wusste, dass ich das machen muss. Meine Idee war, über das Gefühl, dass es keine Worte gibt, die zu den Ereignissen vom 7. Oktober 2023 passen könnten, ein Stück zu komponieren.
Für die Uraufführung meines Stückes habe ich ganz bewusst das Jüdische Museum in Frankfurt/Main ausgewählt. Als ich dort die Ausstellung Externer Link: „Im Angesicht des Todes“ besucht habe, spürte ich die große Verbindung mit der Musik, die ich gerade komponiert habe. Mit dem Museum habe ich schon oft zusammengearbeitet und es war mir eine große Ehre, die Uraufführung meines Stückes „Lelo Milim“ (Ohne Worte) im Rahmen der Konzertreihe „Konzert gegen das Vergessen“ zu präsentieren.
Zusammen mit der Sopranistin Einat Aronstein und der Pianistin Sharon Prushansky haben wir an dem Abend der Uraufführung mein Trio „Lelo Milim“ zweimal gespielt. Dazwischen haben wir ein Gespräch über die Musik mit Externer Link: Daniel Nicolai geführt, dem Intendanten des English Theatre in Frankfurt. Es war ein sehr bewegender Abend für das Publikum und für uns Musikerinnen. Es tat uns gut, seine Umarmung zu bekommen. Viele haben geweint. Noch lange nach dem Konzert erhielt ich bewegende E-Mails von den Zuhörern. Auch die beiden Musikerinnen sagten mir, dass ich ihnen mit dem Stück erlaubt habe, zu trauern.
Sharon Adler: Wie hast du von dem Terrorangriff der Hamas auf die Menschen in den grenznahen Ortschaften, den Kibbuzim, die Städte und auf die Musikfestivals Nova und Psyduck erfahren?
Dana Barak: Es war ein Samstagvormittag, mein Handy war noch aus und als ich es gecheckt habe, war in unserer Familien-Chatgruppe viel los. Meine Mama hatte geschrieben: „Gegenüber von unserem Haus sind große Trümmer einer Rakete gelandet.“ Als ich dann die Nachrichten gehört habe, erfuhr ich erst nur von den Raketen, aber noch nicht, von den Terroristen, die das Land infiltriert haben. Später kamen zwei Freunde zu mir, was gut war, denn sonst wäre ich verrückt geworden. Wir haben uns gegenseitig unterstützt, und ich habe Musik für sie gespielt. Die einzige Sache, die Sinn machte. Den Rest des Tages war ich mit Nachrichten aus Israel beschäftigt und damit, Freunde und Bekannte zu fragen, wie es ihnen geht.
Sharon Adler: Kannst du deine Gefühle und Gedanken beschreiben, die dich an diesem Tag und den Tagen danach begleitet haben?
Dana Barak: Ich glaube, das kann ich nicht. Dafür gibt es die Musik und mein Stück „Lelo Milim“. Ich denke, dass die Leute nach dem Konzert, nach dem Hören meiner Musik verstanden haben, wie es mir oder uns geht. Ich stand unter Schock, unter großer Trauer. Ich habe nicht geglaubt, dass so etwas passieren kann.
Sharon Adler: Am 29. Oktober 2023 hast du ein Externer Link: Solidaritätskonzert für Israel im Gedenken an die Opfer des Terrorangriffs der Hamas und zugunsten von Externer Link: NATAL - Israelisches Zentrum für Traumata- und Resilienz organisiert. Bitte erzähle etwas über deine Gedanken, über das musikalische Konzept und die Organisation des Konzerts.
Dana Barak: Ich habe gemerkt, dass es nicht reicht, nur Nachrichten zu hören, und dass wir etwas tun müssen, also haben wir ein Solidaritätskonzert organisiert. Elisha Kravitz, der Pianist des Delyria-Klaviertrios, war damals Student an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt/Main. Er erzählte mir, der Präsident der Hochschule habe direkt nach dem 7. Oktober in einer berührenden E-Mail an die israelischen Studierenden sein Mitleid ausgesprochen. Am Ende schrieb er: „Wenn ich etwas für euch tun kann, sagt mir das bitte.“ Elisha fragte mich – ich war schon Absolventin der Hochschule –, ob wir ein Konzert geben sollen und ich sagte sofort zu: „Unbedingt.“
Dafür haben unsere befreundeten israelischen Musiker und Musikerinnen und Ensembles aus Frankfurt kontaktiert. Wir wussten, wer mit wem spielt und in welcher Formation und wir wollten alle auf der Bühne zusammenbringen. Mir war es wichtig, so viele israelische Komponisten und Komponistinnen wie möglich dabei zu haben. In unserem Programm hatten wir auch die „Ouvertüre über hebräische Themen“ von Sergej Prokofjew, „Das Gebet“ von Ernest Bloch für Cello und Klavier und das Lied „Ist’s wahr?“ von Viktor Ullmann. Der Rest des Programms bestand aus Werken israelischer Komponisten und Komponistinnen wie Paul Ben-Haim, Shulamit Ran und auch einem Stück von mir. Es waren Duos und Trios bis zum Sextett dabei. Wir haben Spenden für NATAL gesammelt und um das Publikum über die Arbeit der Organisation zu informieren, haben wir ein von NATAL für uns produziertes Video gezeigt.
Mir war es auch wichtig, dass wir gemeinsam mit dem Publikum das Konzert mit einem Lied beenden. Es bekam von uns den Text und die Noten zu dem Lied „Lu Yehi”
Sharon Adler: Du hast am 19. November 2023 und am 2. Juni 2024 den „Run For Their Lives“-Marsch durch die Innenstadt von Frankfurt am Main „für die sofortige Freilassung aller von der Hamas entführten Personen am 7.10.2023“ mitorganisiert. Bitte erzähle etwas über diese Aktionen im öffentlichen Raum.
Dana Barak: Das ist ursprünglich eine israelische Initiative aus den USA, die es jetzt in ganz Europa gibt. Ich habe das gemeinsam mit zwei Freundinnen, die ich aus der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt kenne, organisiert. Geholfen hat mir auch eine befreundete israelische Musikerin aus Frankfurt, die an Mahnwachen für die Befreiung und Freilassung der Entführten beteiligt war. Es war ein Projekt, bei dem jeder in Frankfurt mitmachen konnte, der uns unterstützen wollte. Von einer Familie bekamen wir die gedruckten Poster der Entführten.
Die Stadt Frankfurt war sehr kooperativ. Wir sind von der Alten Oper, diesem schönen Kulturinstitut, was sehr symbolisch ist, achtzehn Minuten lang zum Jüdischen Museum gelaufen. Auf dem Vorplatz des Museums haben wir unseren „Run For Their Lives“-Marsch beendet. Dort standen wir alle gemeinsam im Kreis und haben die Soundinstallation „Sie haben einen Namen“ von den Mitarbeiter/-innen des Museums, in der sie die Namen und das Alter aller Entführten verlesen, schweigend gehört. Es war sehr bewegend.
Im Juni 2024 haben wir einen zweiten Run in Frankfurt organisiert. Gestartet sind wir am Goethe-Platz, und beendet haben wir ihn an der Westend-Synagoge. Dort habe ich zusammen mit dem Cellisten Uriah Tutter jüdische Lieder aus den Psalmen und dem jüdischen Gebetbuch („Siddur“) gespielt und mit allen Anwesenden gesungen. Das „Lema’an Achai ve Re‘ai“ Externer Link: („für meine Brüder und Freunde“) und das „Osseh Schalom Bimromav “ („Er, der Frieden in seiner Höhe schafft“)
Erinnern – Gedenken
Sharon Adler: Du spielst auch Kompositionen von Verfolgten des NS-Regimes. Wie wichtig ist Erinnern für dich, siehst du Erinnern auch als einen Auftrag in deiner Arbeit ?
Die Komponistin und Klarinettistin Dana Barak spielt auch Kompositionen von Verfolgten des NS-Regimes: „Es bricht mir das Herz, wenn ich daran denke, wie viel Musik verlorengegangen ist und wie viele Musikerinnen und Musiker ermordet wurden.“ (© Sharon Adler/PIXELMEER, 2025)
Die Komponistin und Klarinettistin Dana Barak spielt auch Kompositionen von Verfolgten des NS-Regimes: „Es bricht mir das Herz, wenn ich daran denke, wie viel Musik verlorengegangen ist und wie viele Musikerinnen und Musiker ermordet wurden.“ (© Sharon Adler/PIXELMEER, 2025)
Dana Barak: Vor einem Jahr wurde ich von der Externer Link: Paul Sacher Stiftung in Basel eingeladen, ein Konzert zu spielen. Die Stiftung hat ein großes Musikarchiv, und Manuskripte. Darunter sind auch Handschriften von Externer Link: Victor Ullmann aus seiner Zeit nach der Deportation nach Theresienstadt. Er war in Theresienstadt musikalisch sehr aktiv, bis er von dort nach Auschwitz deportiert und ermordet wurde. Bei seiner Deportation hatte er all seine Kompositionen in seinem Koffer dabei und wollte sie ursprünglich mitnehmen, entschied aber in letzter Minute, die Noten in der Bibliothek in Theresienstadt zu lassen. Er gab dem Bibliothekar den Koffer mit den Worten: „Behalten Sie das.“
Vielleicht dachte er, dass er zurückkommen würde. Der Bibliothekar überlebte, und deswegen haben wir die Noten aus Theresienstadt. Die Originalnoten werden heute in der Paul Sacher Stiftung aufbewahrt, und wir Musikerinnen baten darum, die Noten der Klaviersonate Nr. 7 von Ullmann sehen zu dürfen. Dr. Florian Besthorn, der Direktor der Stiftung, hat dann für uns die Noten aus dem Archiv geholt und ganz vorsichtig darin geblättert. Das war ein unvergesslicher Moment.
In Theresienstadt gab es viel Musikleben und Kultur, was erstaunlich ist. Ich habe viele Bücher darüber gelesen und erfuhr so von einem jungen Geiger, der sich daran erinnerte, wie unangenehm es für ihn gewesen sei, als ihm sein Geigenlehrer in Theresienstadt während des Unterrichts die Schulterstütze seiner Geige weggenommen hat. Wenn man sich vorstellt, in welcher Lebensgefahr er sich befand, dann denke ich, dass es gut war, an die Schulterstütze zu denken und nicht an die schreckliche Situation.
Ich beschäftige mich viel mit diesem Thema, und es bricht mir das Herz, wenn ich daran denke, wie viel Musik verlorengegangen ist und wie viele Musikerinnen und Musiker ermordet wurden. Es gibt noch so viel zu entdecken, auch Musiker und Musikerinnen, die den Krieg überlebt haben. Oder die, die vorher gegangen sind. Ich meine, es ist sowieso nicht leicht, als Künstler zu leben, aber in einem fremden Land ist es noch schwerer. Die neue Heimat war nicht einfach für sie. Sie kamen aus einer bedrohlichen Lebenssituation. Und sie standen unter Schock. Sie waren auch sprachlos. Es gibt so viele Geschichten, und ich denke immer an den großen Verlust von Menschen und von Kultur, an das, was wir verloren haben und was wir hätten haben können. Und dass wir nicht wissen, was wir verloren haben. Die Musik von Victor Ullmann ist toll, und ich verstehe nicht, wieso nicht bei jedem Klavierabend eine Victor-Ullmann-Sonate dabei ist. Ich arbeite aktuell an einem Projekt mit der Musik von Victor Ullmann, das in Form eines Kammermusikkonzerts in der Hochschule für Musik in Frankfurt im Jahr 2026 präsentiert wird. Ich werde kompositorisch und klarinettistisch Musik zu dem Konzert beitragen. Außerdem wird durch die Zusammenarbeit mit den Studierenden die Musik von Viktor Ullman weiter am Leben gehalten.
Sharon Adler: Du spielst auch die Musik aus dem frühen Israel und Kompositionen von Externer Link: Paul Ben-Haim, der als Externer Link: Paul Frankenburger in Deutschland geboren wurde und dem 1933 die Flucht vor den Nationalsozialisten nach Palästina gelungen ist. Hast du seine Musik in deinem Musikstudium in Israel kennengelernt?
Dana Barak: Ja, in Israel gibt es einen Paul-Ben-Haim-Musikwettbewerb. Ein Stück, das viele kennen und oft gespielt wird, ist sein Externer Link: „Drei Lieder ohne Worte“, für ein melodisches Instrument und Klavier. Er hat auch ein wunderschönes Stück für Klarinette und Streichquartett geschrieben. Es wird leider nicht oft gespielt, und ich hoffe sehr, dass ich öfter Gelegenheiten haben werde, es zu spielen. Wunderschöne Musik. Die Mischung zwischen West und Ost, von den jüdischen Aschkenasim
Sharon Adler: In welchen Bereichen engagierst du dich als Mitglied der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt am Main?
Dana Barak: Ich gab und gebe regelmäßig ehrenamtlich Konzerte, die von der Externer Link: Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) organisiert werden, darunter beim „Treffpunkt der Überlebenden der Shoa“. Außerdem war ich in verschiedenen Jüdischen Gemeinden in Deutschland im Rahmen des Kulturprogramms des Externer Link: Zentralrats der Juden in Deutschland bei von mir moderierten Konzerten mit jüdischer und israelischer Musik vertreten.
Bildungsauftrag
Sharon Adler: Du bist nicht nur Musikerin, sondern auch Musikpädagogin und gibst Meisterkurse für Klarinette und Kammermusik. Was ist dein pädagogischer Ansatz?
Dana Barak: Das hängt immer davon ab, ob ich für ein einmaliges Treffen eingeladen bin, um Schüler und Schülerinnen, die ich nicht kenne, zu unterrichten. Oder ob es meine Schüler/-innen sind und wie lange ich sie kenne. Denn der Unterricht ist ein oft jahrelanger Prozess. Mit Klarinette könnte man schon ab der zweiten Klasse anfangen. Ich habe Schüler aus der Grundschule, aber die meisten sind auf dem Gymnasium. Ich unterrichte meine Klasse einmal die Woche im Einzelunterricht und ein- oder zweimal pro Jahr bereiten wir gemeinsam ein Klassenkonzert vor, zu dem ihre Familien kommen. Ich spiele auch ein Stück vor, entweder von mir oder von anderen Komponist/-innen. Die Schüler/-innen mögen das sehr und zu meiner großen Freude bleibt die Musik lange in ihrer Erinnerung.
Dana Barak ist nicht nur Musikerin, sondern auch als Musikpädagogin. Sie gibt Meisterkurse für Klarinette und Kammermusik in Deutschland, Spanien und Israel. Dana Barak: „Für mich sind pädagogische Methoden und Weitervermittlung als Klarinettistin und als Komponistin sehr wichtig.“ (© Sharon Adler/PIXELMEER, 2025)
Dana Barak ist nicht nur Musikerin, sondern auch als Musikpädagogin. Sie gibt Meisterkurse für Klarinette und Kammermusik in Deutschland, Spanien und Israel. Dana Barak: „Für mich sind pädagogische Methoden und Weitervermittlung als Klarinettistin und als Komponistin sehr wichtig.“ (© Sharon Adler/PIXELMEER, 2025)
Für mich sind pädagogische Methoden und Weitervermittlung als Klarinettistin und als Komponistin sehr wichtig. Ich hatte tolle Professoren, Lehrer und Mentoren, von denen ich heute noch lerne. Ich bin ihnen sehr dankbar für dieses Wissen und ihre Großzügigkeit und fühle mich verpflichtet all das weiterzugeben. Neben meiner regelmäßigen Klasse in Frankfurt unterrichte ich auch international Meisterklassen: neulich hatte ich eine Masterklasse im Externer Link: Jerusalem Music Centre und eine Masterklasse für Kammermusik und Klarinette in Spanien.
2024 hatte ich in Frankfurt mit dem „Ensemble Modern“ ein schönes Projekt, eine Uraufführung meines Stückes für zwei Klarinetten, „Ad Mea we Essrim“,
Sharon Adler: Was liegt dir über die Vermittlung von Techniken und Handwerk hinaus am Herzen?
Dana Barak: Allgemein versuche ich, dass sich alle im Unterricht wohlfühlen. Zunächst muss ich herausfinden, und zwar bei jeder Unterrichtsstunde neu, wie viel der einzelne Schüler oder Schülerin noch annehmen kann, wie viele Korrekturen ich noch verlangen kann, oder ob ich seine Grenze erkenne. Je besser ich den Schüler oder die Schülerin kenne, oder je mehr wir einander kennen, desto mehr Vertrauen entsteht. Meine Schüler und Schülerinnen wissen, dass wir uns darauf fokussieren ein Musikstück noch besser zu spielen und zu interpretieren und dass dies für den Zuhörer und auch den Interpreten selbst interessanter ist. Ich stelle beim Unterricht viele Fragen, zum Beispiel, was sie darüber denken, was sie gerade gespielt haben und ob sie denken, dass es rübergekommen ist, was sie versucht haben, damit zu sagen. Manchmal lasse ich sie etwas in zwei verschiedenen Arten spielen und frage sie dann, welche Art ihnen besser gefällt und warum.
Dana Barak: „Es gibt auch viel Humor in meinem Unterricht und viel Expressivität. (…) In der Mischna gibt es einen schönen Satz: 'Von allen meinen Lehrern habe ich gelernt, aber von meinen Schülern noch mehr.' Das begleitet mich immer und überallhin.“ (© Sharon Adler/PIXELMEER, 2025)
Dana Barak: „Es gibt auch viel Humor in meinem Unterricht und viel Expressivität. (…) In der Mischna gibt es einen schönen Satz: 'Von allen meinen Lehrern habe ich gelernt, aber von meinen Schülern noch mehr.' Das begleitet mich immer und überallhin.“ (© Sharon Adler/PIXELMEER, 2025)
Wenn ich Schüler und Schülerinnen von anderen Klassen bekomme und sie es nicht gewohnt sind, sich sprachlich oder musikalisch auszudrücken, dann muss dieser Prozess sanft geführt werden. Mit der Zeit merke ich, dass sie es mögen, wenn ihre Meinung gefragt ist, und dann versuchen sie auch selbst. Ich finde, wenn man selbst sucht und versucht, dann bleibt es länger in Erinnerung. Das ist nicht der Fall, wenn sie nur das tun, was andere ihnen sagen oder vorspielen. Klar, wir Lehrer und Lehrerinnen führen die Schüler und Schülerinnen in die richtige Richtung, oder in eine der richtigen Richtungen. Und selbstverständlich haben wir in der klassischen Musik musikalische Sprachen, die man lernen und kennen muss. Das machen wir auch im Unterricht. Wir spielen verschiedene Stücke aus verschiedenen Epochen, und es gibt natürlich auch die technische Seite, die man lernen muss.
Ich finde, es ist eine große Verantwortung, aber auch eine große Ehre, dass ich einmal die Woche in ihrem Leben etwas verändern darf, hoffentlich etwas zum Positiven. Es gibt auch viel Humor in meinem Unterricht und viel Expressivität. Ich mag meine Schüler und Schülerinnen sehr, und ich glaube, sie wissen das. Ich möchte, dass wir miteinander kommunizieren.
Aber sie bringen mir auch viel bei. In der Mischna
Zitierweise: „Dana Barak: „Wir brauchen das Zusammensein durch die Musik““, Interview mit Dana Barak, in: Deutschland Archiv, 1.9.2025, Link: www.bpb.de/570391 (ali)