Als Portugal nach der sogenannten Nelkenrevolution 1974 seine Kolonien in Afrika verlor, wurde 1975 auch das anschließend Interner Link: in einem jahrzehntelangen Bürgerkrieg versinkende Angola unabhängig. Rasch knüpfte der junge afrikanische Staat enge Kontakte zur DDR. Im Rahmen ihrer „Turnschuhdiplomatie“ setzte die SED in Afrika auch auf den Sport. Eine länderpolitische Einzelfallstudie fehlte bisher dazu. Erörtert wird hier am Beispiel Angolas jene vielschichtige Sportauslandsarbeit, die unter anderem ökonomische, militärische, entwicklungspolitische und olympische Aspekte berührte.
Nach dem Grundlagenvertrag mit der Bundesrepublik, ihrer Aufnahme in die Vereinten Nationen und der damit errungenen internationalen Anerkennung 1972/73 besaß für die DDR zunächst nicht Afrika, sondern die Sowjetunion Priorität. Ihr dritter Freundschaftspakt festigte 1975 ihre Abhängigkeiten von Moskau weiter. Ebenso brisant blieben deutsch-deutsche Fragen (Guillaume-Affäre 1974, Biermann-Ausbürgerung 1976), auch im Sport. So gewann die DDR die Fußballduelle gegen die BRD bei den Olympischen Spielen 1972 (3:2) und der Weltmeisterschaft 1974 (1:0). Und bei der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) in Helsinki erkannte 1975 auch die DDR mit der Unterzeichnung der Schlussakte die Menschenrechte formal an. Angesichts von Entspannung in Europa und Asien (Kriegsende in Vietnam) sollte ihre Außenpolitik nun „dem schönen und sinnvollen Leben dienen“, die Ostsee „ein Meer des Friedens“ sein und eine „sozialistische deutsche Friedenspolitik” entstehen.
Strategischer Status Afrikas
1975 pflegte die DDR diplomatische Beziehungen mit 29 Ländern im Süden Afrikas. Die herrschende Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) hatte Kontakte zu zwölf ihr gewogenen afrikanischen Parteien und zu den sogenannten Befreiungsorganisationen der sich gegen ihre koloniale Unterdrückung wehrenden Länder, unter anderem in Angola und Namibia. Afrika war wegen der „großmachtchauvinistischen, antisozialistischen Afrika-Politik“ Chinas und dem baldigen Kolonialkollaps Portugals für das SED-Politbüro geopolitisch wieder bedeutend geworden. Zugleich blieb jedoch die oft beschworene Expansion des Sozialismus in Afrika aus, da sich dort viele Länder kapitalistisch arrangierten. Die „sozialistische Revolution”, so außenpolitische Spitzenfunktionäre, stand daher in Afrika „nicht auf der Tagesordnung”, zumal „Befreiungsrevolutionen” im Süden Afrikas immer öfter in einen „antiimperialistischen Kampf” (also militärischen Konflikt) abdrifteten.
Widersprüche und Wirtschaftsinteressen
Afrikas „Befreiungskampf” verstand die SED auch als „gerechten Krieg“, „revolutionär” hieß für sie nicht gleich „militärisch”, ihr Credo lautete eher „antiimperialistische Solidarität” als „antiimperialistischer Kampf”. Doch Kriege ab 1974/75 in Angola, Mosambik und Äthiopien und SED-Militärhilfen für dortige Milizen konterkarierten die postulierte Friedensoffensive der DDR. Mit der Parole „sozialistische Friedenspolitik ist revolutionäre Politik“ bog sich die SED jene Ambivalenzen zurecht, um sie ideologisch zu rechtfertigen. Sie war nun für einen Frieden, „der das Recht auf Selbstbestimmung und [dazu] den bewaffneten Kampf einschließt“, ihn so legitimierte und Afrikas Perspektive einschloss. Auch hoffte sie (vergeblich) im Afrika-Handel auf kostensparende Absprachen mit ihren Bruderstaaten im Warschauer Pakt. Denn Afrikas Wirtschaftspotenziale, Arbeitskräfte und Rohstoffe waren „konsequent für den wachsenden volkswirtschaftlichen Bedarf der DDR zu nutzen“ und dessen Märkte „langfristig zu erschließen“. Die kulturell-wissenschaftliche Zusammenarbeit (KWZ) als eine Säule der Außenpolitik sollte all das in Bildung, Gesundheit „und im Sport“ flankieren, weshalb auch dessen Afrika-Kontakte im Lichte der wachsenden monetären Interessen und Engpässe der DDR am Ende der 1970er Jahre zu sehen sind.
Veränderte Zuständigkeiten im Auslandssport
Zuständig für den Auslandssport und die erhofften Prestigeerfolge war der als ziviler Massenbund konzipierte und von der SED regulierte Deutsche Turn- und Sportbund (DTSB). Für das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten (MfAA) ebenso wichtig war das Staatssekretariat für Körperkultur und Sport (StaKo), da die DDR bis 1973 über internationale Kooperationen bilaterale Verträge anstrebte, um trotz westdeutscher Interner Link: Hallstein-Doktrin ihre diplomatische Anerkennung durch offizielle Beziehungen mit Ländern außerhalb des Warschauer Paktes zu erreichen. Afrika-Kontakte des StaKo über die Deutsche Hochschule für Körperkultur (DHfK) zum Beispiel zählten daher ebenfalls zur den Sport integrierenden kulturell-wissenschaftlichen Zusammenarbeit. Doch dieser bewarb statt diplomatischer Ziele nun symbolisch ein positives Sozialismusimage der DDR. Nach ihrer globalen Anerkennung war daher das MfAA im Auslandssport „nicht mehr eingeschaltet”.
Auslandsprojekte wurden ab 1975/76 aus seiner KWZ „ausgeklammert” und bis auf Ausnahmen zum DTSB verlagert. Deshalb erhielt dieser 1978 eine zweite Auslandsabteilung, seine Zentralschule in Bad Blankenburg wurde für internationale Kurse ausgebaut, und seine Entwicklungsländerprojekte bezuschusste nun verstärkt das Solidaritätskomitee der DDR. Neben Libyen, Algerien, Äthiopien und Mosambik zählte damals auch Angola erstmals zu den von der SED abgesegneten Schwerpunkten des DTSB in Afrika.
Erstkontakte zwischen Olympia und Armeesport
Nach Angolas Unabhängigkeit nahmen die Kontakte zur kommunistisch anmutenden Volksbewegung zur Befreiung Angolas (MPLA) Fahrt auf. Nach Parteiverbindungen mit der SED (ab 1971) und diplomatischen Beziehungen (ab 1975) erhielt die MPLA 1976 Kriegshilfen für 107 Millionen DDR-Mark. 1976/77 beriet das Politbüro 15 Mal zu Angola, das ZK-Sekretariat 28 Mal. Trotz neuer Zuständigkeitsmodi formulierte nun noch ein KWZ-Vertrag zwischen (Ost-)Berlin und Luanda die Absicht, im Weltsport kooperieren zu wollen. Denn der DTSB warb über das Nationale Olympische Komitee (NOK) der DDR und den Obersten Sportrat Afrikas bei afrikanischen NOKs wie dem angolanischen stets für seine Positionen in Weltverbänden wie dem Internationalen Olympischen Komitee. Dies tat er auch ab 1975/76, als die Debatte um den Anti-Apartheid-Boykott Afrikas der Olympischen Spiele in Montreal Fahrt aufnahm und der Warschauer Pakt Afrika von einem Folgeboykott 1980 in Moskau abhalten wollte (den dann über 60 Staaten nach dem sowjetischen Einmarsch 1979 in Afghanistan vollzogen).
An Algerien und Libyen interessierten den DTSB mögliche Klima- und Höhentrainingslager für Topathleten. Dass mit beiden Ländern (wie temporär auch mit Ägypten und Tunesien) bilaterale Sportkommissionen bestanden, zeigt ihre Relevanz. Fanden solche Trainingslager später oft in Äthiopien statt, wurden die Optionen dazu 1978 auch in Mosambik geprüft. Doch dortige Sportstätten verfielen nach Portugals Abzug rasch. Auch sprachen die weiten und teuren Reisen dorthin und die Sicherheitsrisiken des Krieges gegen Trainingsbesuche aus der DDR. Auch deshalb besaßen die seltenen Sportreisen nach Angola eher Testcharakter. Ab 1976 berichtete das Deutsche Sportecho als Fachmagazin des DTSB über Angola. Dabei ging es um politisch-ideologische Aspekte wie Angolas Kooperation mit Kuba oder um Alltägliches wie den Rehabilitationssport verletzter MPLA-Kämpfer in der DDR. Erste aktive Kontakte gab es 1977 auf Kuba bei der Spartakiade der Sportkomitees befreundeter Armeen im Warschauer Pakt (SKDA). Dort nahmen auch Angolas Militärsportkomitee und die Armeesportvereinigung Vorwärts (ASV) der DDR teil. Eine Fußballelf der ASV reiste 1978 zum Gründungsturnier der MPLA-Militärs nach Angola. Die ASV beriet diese nun im Breitensport (Handball, Fußball) und bei der Übungsleiterausbildung. 1979 trainierten angolanische Athleten beim Armeesportklub Potsdam für die Leichtathletik-Meisterschaft der SKDA.
„Streng geheim”: Turnschuhe gegen Kaffee
1976 startete auch die wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit im Außenhandel mit Angola, unter Anderem, um von dort (in der DDR oft raren) Kaffee zu beziehen. Vereinbart wurde dabei, dass die DDR 1977/78 je 5 000 Tonnen Kaffee aus Angola gegen vielerlei Waren auf Äquivalenzbasis devisenfrei verrechnen konnte. Vor anderen daran interessierten sozialistischen Staaten war das „streng geheim“ zu halten. Zu liefern hatte die DDR für den Kaffee beispielsweise Gabelstapler, LKW, Petroleumkocher und 265.000 Paar Turnschuhe. Zügig waren alle Güter von den zuständigen Exportbetrieben bereitzustellen – in der Hoffnung, Angola könnte bei Erfüllung aller Zusagen noch 1978 seine Kaffeelieferung gar auf 10.000 Tonnen jährlich verdoppeln. Das Turnschuhthema war knifflig. Ohnehin bestehende Engpässe in der Versorgung mit Sportschuhen (nach einer Importreduzierung von Laufschuhsohlen 1977) quittierte die Laufsportszene in der DDR mit Eingaben an den Fachhandel und den DTSB. In Sportarten, in denen die DDR selbst keine oder eine zu kleine Sportartikelproduktion besaß, war sie auf teure Importe angewiesen. Hinzu kam, dass der plötzliche Zusatzauftrag jenseits aller Jahrespläne der DDR-Schuhbranche Produktionsprobleme bescherte, sodass die für Ende 1978 geplante Lieferung der Turnschuhe zunächst entfiel. Doch der Staatsbesuch Erich Honeckers in Luanda im Februar 1979 stand kurz bevor, sodass alle Hebel in Bewegung gesetzt wurden, um sich dabei keine Blöße aufgrund von Lieferrückständen geben zu müssen. Akten vom Wirtschaftslenker des SED-Politbüros, Günter Mittag, zeigen, dass mit Alexander Schalck-Golodkowski der Leiter des im Außenhandelsministerium verdeckt agierenden Bereichs Kommerzielle Koordinierung eingriff, um den Gang der Dinge zu beschleunigen. Er drängte im Ministerium für Leichtindustrie auf die Fertigung und den rechtzeitigen Versand der Schuhe über Hamburg, damit sie in ersten Tranchen noch vor Honecker in Angola ankamen. Neun Tage vor dessen Ankunft gab Schalck-Golodkowski bei Mittag Entwarnung.
Trainingslager und Wissenstransfer
Eine erste Vereinbarung mit dem DTSB signierten Funktionäre von Angolas Oberstem Rat für Körpererziehung und Sport im Mai 1979, als sie unter anderem die DHfK und DTSB-Präsident Manfred Ewald besuchten. Diesen trafen auch Angolas NOK-Offizielle 1980 bei den Olympischen Spielen in Lake Placid. Danach hospitierten Funktionäre von Angolas Sportrat an der Sportschule Güstrow, und die SED empfing Sportakteure der MPLA. Gast war Angola auch beim internationalen Leipziger Turn- und Sportfest (1983, 1987). In den bis 1989 fünf Protokollen dieser Sportallianz ging es um den Einsatz von DDR-Trainern in Angola zur sportartspezifischen Grundlagenvermittlung (Schwimmen, Handball, Leichtathletik). Hinzu kamen Trainingslager im thüringischen Bad Blankenburg vor Olympischen Spielen (Leichtathletik, Boxen; 1980, 1988). Auch angolanische Auswahlteams trainierten dort (unter anderem Handball).
Üblich waren dabei Starts bei anspruchsvollen Turnieren (wie in Halle/S. beim Chemie-Boxpokal) und lokale Testspiele, womit diese immer auch interkulturelle Treffpunkte waren. Und es ging um Wissenstransfer. So fanden in Bad Blankenburg Kurse für Funktionäre Angolas zum Aufbau von in ihrer Heimat nur rudimentär vorhandenen Sportstrukturen statt (1980, 1982, 1984, 1985). Bis 1990 nahm Angola (unter anderem mit dem späteren Fußballnationaltrainer Joao D. Inguile) neun Mal am Internationalen Trainerkurs der DHfK und 1979 und 1982 am Internationalen Sportärztekurs des Sportmedizinischen Dienstes teil. Ein postgraduales DHfK-Studium absolvierten sechs Angolaner.
Doppelpass zwischen Außenhandel und Sport
1985 notierte der DTSB, dass die Devisenerlöse aus Projekten mit Angola um 50 Prozent gesunken seien. Sportkontakte mit Angola reduzierten sich „auf ein Minimum”. 1987/88 kamen angesichts des Krieges nur 25 Prozent der geplanten Sportaktionen zustande, die sich Angola aber kaum leisten konnte. Ursache dafür waren die Preisanstiege im Außenhandel. Immer mehr Entwicklungsländer hatten Sportangebote der DDR immer teurer zu bezahlen oder auf Äquivalenzbasis Klima- und Höhentrainingslager für den Leistungssport zu ermöglichen. Bei vielen afrikanischen Staaten (etwa Ghana, Nigeria, Ägypten, Algerien, Libyen) rief die Umstellung von den vor der internationalen Anerkennung der DDR meist kostenfreien auf immer öfter zu bezahlende Sportangebote Enttäuschung hervor. Hätte die DDR ihre Trainingslager in Afrika in Devisen bezahlen müssen, hätte sie dazu jährlich rund 650 000 Valutamark benötigt, die sie in ihrer Wirtschaftskrise (weniger sowjetisches Erdöl 1982, BRD-Milliardenkredite 1983) nicht hatte.
Daher wollte sie Studienplätze, Trainingslager, Trainer- und Beratereinsätze, Fortbildungen und Sportstättenkonzepte über den Außenhandelsbetrieb (AHB) intercoop nun so offensiv vermarkten und absetzen, dass sich die Kosten für die Trainingslager „valutadeckend” kompensieren ließen. Nur: Jene Angebote mussten in der DDR auch organisiert werden – ein Aufwand von jährlich bis zu 4,5 Millionen DDR-Mark. Somit ließ sich die Afrika-Arbeit des Sports zwar weiter als solidarische Hilfe anpreisen (was sie für viele Staaten unzweifelhaft war), indirekt stand diese aber immer stärker im Dienst des Leistungssports. Auch das enthielt einen ambivalenten Spagat: Sprach sich die DDR im Weltsport bei wachsenden finanziellen Wettbewerbsnachteilen energisch gegen eine Kommerzialisierung aus, vermarktete sie nun selbst Sportprodukte zugunsten ihres Leistungssports.
Sorgenkind Auslandskadereserve
Hinzu kam, dass auch andere Staaten Sportexpertise anboten – oft zu günstigeren Tarifen als die DDR, die sich so einem internationalen Trainermarkt mit Angebot und Nachfrage und sogar sozialistischer Konkurrenz ausgesetzt sah. „Die Erfolge unserer Turner, Fußballer und Leichtathleten”, so Angolas Staatssportsekretär Rui Mingas 1988, „haben wir zu 90 Prozent sowjetischen Fachleuten zu verdanken”. Solche Experten flexibel und schnell anzubieten, fiel der DDR schwer. Denn gefragt waren dafür in erster Linie der SED genehme Fachkräfte, die nur mit längerem Zeitabstand vom geheim zu haltenden Spitzensport ins Ausland wechseln und entsprechende Fremdsprachenkenntnisse besitzen sollten. Sie mussten beruflich abkömmlich sowie zeitlich und in der erforderlichen Sportart verfügbar sein und eine Überprüfung ihrer politischen Zuverlässigkeit und familiären Lage durchlaufen, um Republikfluchten zu vermeiden. Zwar wurden für Projekte in Afrika stets Ingenieure (zur Sportstättenplanung), Trainer, Sportlehrer und -mediziner gesucht, vor allem in den Bezirks- und Fachverbänden des DTSB, in staatlichen StaKo-Strukturen (DHfK, Sportmedizinischer Dienst) oder im (Berufs-)Schulsport. Genügend Auslandstrainer in Reserve hatte die DDR aber nie. Einerseits deshalb, weil ihr eigener (Leistungs-, Schul-, Betriebs-, Breiten-, Armee-, Hochschul-)Sport stets viele Fachkräfte benötigte. Andererseits, weil sie diese aufgrund genannter Regularien und zu treffender Vorkehrungen nicht permanent bereithalten und ad hoc bereitstellen konnte (was aber bei der Kurzfristigkeit internationaler Anfragen oft nötig gewesen wäre). Und schließlich, da sie aufgrund ihres Weltruhms im Sport so viele internationale Hilfsanfragen erhielt, dass sie diese – auch durch ihre stets proklamierte Entwicklungsländersolidarität ausgelösten – Wünsche und Erwartungen in Zeiten knapper Kassen und Ressourcen nur begrenzt erfüllen konnte. Auch deshalb verloren die Afrika-Beziehungen des DDR-Sports in den 1980er Jahren an Schwung.
Angola in der Produktpalette des Sports
Hintergrund dieser finanzgetriebenen Entwicklungen war ein ab 1982 von mehreren Stellen (unter anderem Entwicklungsländerkommission des SED-Politbüros, ZK-Abteilung Sport, StaKo, DTSB) forciertes Vorgehen, bei dem Entwicklungsländer ökonomisch zunächst in drei, später in vier „Tarifkategorien“ eingeteilt wurden. Die potentesten Länder hatten demnach die vollen Kosten für die von ihnen genutzten Sportangebote zu zahlen, die anderen Staaten in abgestufter Reihenfolge entsprechend weniger oder gar nichts. Die kostenfreie Unterstützung „auf Solidaritätsbasis” zum Beispiel bezüglich der Studien- und Kursangebote der DHfK traf (wie für 17 andere Länder) 1982 auch noch für Angola zu. Ein Jahr später bestand diese vierte Ländergruppe nur noch aus sechs Ländern (darunter Äthiopien). Angola wurde nun wie zehn andere Staaten (unter anderem Mosambik) in Kategorie drei gelistet, für die Sportkurse bis zu vier Wochen kostenfrei blieben. Für Studienangebote der DHfK hatten sie nun die (die DDR immer enorm belastenden) Flugkosten zu tragen, für die sechsmonatige Verpflichtung eines Trainers auch die Spesen und das Honorar. Gleiches galt fortan für bis zu zweijährige Auslandstrainereinsätze, die in die wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit des Außenhandels fielen. Die Gespräche mit den jeweiligen Partnerländern über die entsprechenden Konditionen führte daher der AHB intercoop, der über technisch-kommerzielle Büros in den handelspolitischen Abteilungen der Botschaften im Ausland verfügte. So auch im Fall eines 1988 bis 1990 in Angola tätigen Handballtrainers: Über die Verlängerung seines Einsatzes sprach der AHB intercoop noch im Februar 1990 mit Angolas Sportministerium. Im Raum stand dabei ein von Angola dafür zu zahlender Monatstarif von 6 000 bis 7 000 US-Dollar (sic!).
Sportverflechtung im Warschauer Pakt
Parallel nahm Angola in (Ost-)Berlin und Moskau an der Jahrestagung der Sportorganisationen sozialistischer Länder teil (1986, 1987). 1985 bis 1989 war Angola auch jährlich Gast der Tagung der Sportorganisationen der Schutz- und Sicherheitsorgane sozialistischer und befreundeter Länder. Kontakt bestand so mit der Sportvereinigung Dynamo (SVD) der DDR, die als Nationalverband von Polizei, Zoll und Staatssicherheit dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) unterstand. Ab 1977 sagte das MfS in seinen Abkommen mit Geheimdiensten Afrikas auch Sporthilfen zu, um das Gewicht seiner in die Kooperationen einzubringenden Leistungen zu erhöhen, etwa beim Aufbau von Mosambiks Sportbund „Roter Stern“. In Angola baute die MPLA ab 1981 im Kommando Grenztruppen des Sicherheitsministeriums nach sozialistischer Art den Nationalsportbund Dinamo Luanda und im Innenministerium den Polizeisportverein Inter Luanda auf. Ob mit Hilfe der SVD, ist offen. Gab es unter sozialistischen Sicherheitssportinstitutionen eine Absprache, nach der die DDR mit der SVD in Mosambik die SV „Roter Stern“ unterstützte und dies in Angola für Dinamo Luanda durch die SV Dinamo Capitan San Luis aus Kuba geschah? Sicherheitssportkontakte zwischen (Ost-)Berlin und Luanda gab es jedenfalls. So kam die SVD dem Wunsch der SV Dinamo nach, einen verletzten Fußballspieler in der DDR zu behandeln. Nach den Kontakten zum Sportkomitee der befreundeten Armeen im Warschauer Pakt waren dies weitere Versuche, Angola über den Sport eng mit der sozialistischen Welt zu vernetzen. Auch im Armeesport bestanden die Verbindungen fort. 1986 weilte die Fußballelf des Armeesportklubs (ASK) Vorwärts Stralsund zu Spielen in Cabinda und Lubango, auf Einladung angolanischer Streitkräfte, deren Fußballer im 1988 beim ASK Vorwärts Dessau trainierten. Im Mai 1988 nahmen fünf angolanische Radsportler über die Armeesportvereinigung Vorwärts in der DDR an der Oder-Rundfahrt teil.
Kurioser Handballschlusspunkt
Das letzte Sportprotokoll zwischen Angola und der DDR wurde noch nach dem Fall der Berliner Mauer am 22. November 1989 signiert. Überlegt wurde dabei, eine Handball- und eine Radsportmannschaft nach Angola zu entsenden. Zuvor hatte die Botschaft die Angola-Kosten des DDR-Sports seit 1979 bilanziert. Für 30 Kursteilnahmen am ITK (im Wert von 640.000 Valutamark / VM), sechs Studienplätze an der DHfK (480.000 VM) und 200 Trainingslagerplätze in Bad Blankenburg (500.000 VM) kamen enorme 1,62 Millionen VM zusammen. Hinzu kamen Aufwendungen für 14 in Angola tätige Sportexperten, die Hospitationen dreier Sportdelegationen in der DDR und die Bereitstellung von Sportausrüstung. Noch im Juni 1990 erbat Angolas Fußballbund von der DHfK Fachliteratur. Doch ihr Ende fanden die Sportbeziehungen zwischen Angola und der DDR erst nach der Deutschen Einheit. Denn noch waren die beiden bisherigen deutschen Handballverbände nicht miteinander fusioniert. Bei der Weltmeisterschaft im Damen-Handball in Südkorea traf deshalb Angola noch am 24. November 1990 auf die für das Turnier qualifizierte Mannschaft der nicht mehr existenten DDR. Diese schlug Angola in der Vorrunde (28:16) und am 4. Dezember 1990 im Spiel um Platz drei (mit 25:19) auch die ebenso noch separat antretende Auswahl der Bundesrepublik.
Aufgeblättert wurde hier das Spektrum der Sportkontakte der DDR nach Angola und jene Umstände, in denen sie gestaltet wurden. Dass davon vor allem Trainerkurse an der DHfK nachhallten, wurde von angolanischen Offiziellen noch bei den Handballweltmeisterschaften der Herren 2007 und der Damen 2009 erwähnt. Angolas Sportsystem habe daher „auch eine deutsche Komponente”.
Zitierweise: Daniel Lange, „Kommerzialisierte Solidarität. Angola als Panorama der DDR-Turnschuhdiplomatie", in: Deutschland Archiv, 2.6.2025, Link: www.bpb.de/562675. (ali)