"Der Jazz-Bazillus hatte mich"
East of the sun and west of the moon: Ein Podcast über die Geschichte(n) des Jazz in der DDR. Folge 1 "Von magischen Augen und Swingmopen".
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In der DDR gab es eine eigenständige, aber für viele noch unbekannte Jazzszene, die bis heute die Ästhetik des Jazz in Deutschland beeinflusst. Bis zum Mauerbau kam es sogar intensiv zu Ost-West-Kooperationen, ab 1961 war das lange Zeit nicht mehr möglich, das Ringen um Freiräume im Osten begann. Peter Ehwald, Dörte Fiedler und Uli Kempendorff befragten Musiker und Musikerinnen über ihre Werdegänge, Auftrittsmöglichkeiten, Kompositionen und Verbote. Hier die erste Folge: Jazz im Osten bis zum Mauerbau.
Der US-Radiosender AFN hatte nach dem Krieg in West und Ost mit seinem breiten Angebot von Jazz-Musik erheblichen Einfluss auf Musikfans. "Der Jazz-Bazillus hatte mich", erinnert sich beispielsweise der Radebeuler Schlagzeuger und Percussionist Günter "Baby" Sommer (82). Akteure wie er, Conny Bauer, Ernst-Ludwig “Luten” Petrowsky oder Uli Gumpert wurden zunächst durch musikalische Impulse aus dem Westen beinflusst. Sie haben später Berlin als internationale Hauptstadt des Free Jazz stark geprägt. Aber auch die kommerziell erfolgreiche Musik des Berliner Schauspielers und Sängers Manfred Krug, der gelegentlich für die "Jazz-Optimisten" als eine der ersten Dixilandbands im Osten sang, fand im wiedervereinten Deutschland ihren Widerhall, zum Beispiel in Projekten von Roger Cicero, Max Mutzke oder Yvonne Catterfeld.
Trotz dieses künstlerischen Einflusses gibt es über die Jazzmusiker und Jazzmusikerinnen der DDR im innerdeutschen Vergleich kaum Dokumentationen, auch über ihre Wege zum Jazz ist wenig Historisches bekannt.
Die Jazzmusiker Peter Ehwald und Ulrich Kempfendorff sowie die Musikjournalistin Dörte Fiedler haben im Auftrag der Redaktion Deutschland Archiv der bpb zahlreiche Jazzmusiker und -musikerinnen aus der DDR über ihre Werdegänge und die Entwicklung des Jazz im Osten befragt, Jüngere und Ältere, von der jetzt 94 Jahre alten “First Lady of Jazz” der DDR, Ruth Hohmann, bis zur 34-jährigen Saxofonistin Theresia Philipp, die aus Sachsen stammt (und jetzt in Köln lebt), sie leitet seit 2025 das Bundesjazzochester (Bujazzo). Wie fanden sie ihren Einstieg in den Jazz? "Jazznoten gab es ja überhaupt nicht", erinnert sich Ruth Hohmann, so habe sie bis in die 60er-Jahre nie Noten gehabt, sondern "immer alles abgehört".
Aber wo konnten Jazzmusiker und -musikerinnen auftreten, außer manchmal in Kulturhäusern, bei seltenen Jazzfesten oder eingeschlichen in Jugendtanzveranstaltungen? Und wie frei durfte „Free Jazz“ in der DDR werden? Die allein regierende SED blieb stets argwöhnisch und änderte mehrfach ihren Kurs. Und wie schätzen Jazzmusiker und -musikerinnen selbst Ihren Output vor und nach der Wiedervereinigung ein? Manche Karrieren und Biografien bekamen erst durch die neuen Möglichkeiten nach der Wende 1989/90 den entscheidenden Impuls, während andere stagnierten. All das ist Thema des sechsteiligen Jazz-Podcasts voller Jazz-Anekdoten.
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Hier zu Folge 1
Der Jazz im Osten bis zum Mauerbau: "Von magischen Augen und Swingmopen"
Die drei Podcast-AutorInnen haben dafür zahlreiche Interviews geführt, in Archiven recherchiert, Tondokumente ausgegraben, MusikerInnen und Jazz-ExpertInnen aufgesucht und zeichnen so ein vielschichtiges Bild der ostdeutschen Jazz-Szene, die anfangs selbstbewusst Brücken in den Westen baute, aber dann 1961 durch den Mauerbau einen jähen Einschnitt erfuhr und neue, eigene Wege suchen musste. Das war "der große Schreck", erinnert sich der Saxophonist Friedhelm Schönfeld (82), nun habe er gedacht, "jetzt ist alles vorbei". Noch drei Monate vor dem Mauerbau hatte in West-Berlin der "Deutsche Jazz-Salon 1961" stattgefunden, offen für Jazzfans aus West und Ost. Die Einladung zeigte das Brandenburger Tor noch offen (siehe Titelfoto).
Fünf weitere Podcast-Teile folgen bis Mitte 2026, der nächste Ende Oktober 2025. Jede Folge dauert rund 40 Minuten.
Die Vorpremiere fand am 8. September 2025 im Berliner Jazzkeller "Schlot" statt, in Anwesenheit von Ruth Hohmann und einer Reihe weiterer Jazzmusiker und Jazzmusikerinnen aus dem Osten und Westen Deutschlands. Begleitend spielte der mittlerweile 80 Jahre alte Jazzer Uli Gumpert mit seinem Quartett "B3-Special", diesmal bestehend aus: Silke Eberhard (Altsaxophon), Andreas Henze (Bass), Kay Lübke (Drums) und Ulrich Gumpert (Hammond Organ).
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Hier zu Folge 1 Der Jazz im Osten bis zum Mauerbau: "Von magischen Augen und Swingmopen" .
Zitierweise: Peter Ehwald, Dörte Fiedler, Ulrich Kempendorff, "Der Jazz-Bazillus hatte mich". Ein Podcast über die Geschichte(n) des Jazz in der DDR. Folge 1 "Von magischen Augen und Swingmopen". In: Deutschland Archiv, 23.09.2025. Link: www.bpb.de/562932. Alle Beiträge im Deutschlandarchiv sind Recherchen und Meinungsbeiträge der jeweiligen Autorinnen und Autoren, sie stellen keine Meinungsäußerung der Bundeszentrale für politische Bildung dar.
Ergänzendes aus dem Angebot der bpb zum Thema Jazz: