Quelle: BStU, MfS, BdL/Dok. Nr. 776, Bl. 1–4 (1. Exemplar)
REGIERUNG DER DEUTSCHEN DEMOKRATISCHEN REPUBLIK
Ministerium für Staatssicherheit
Der Minister
Berlin, den 27. 8. 1962
Befehl Nr. 506/62
Seit der Errichtung des antifaschistischen Schutzwalls in Berlin wurden von Westberlin aus zahlreiche intensiv vorbereitete und organisierte Provokationen gegen die Staatsgrenze durchgeführt.
Diese Lage und die in der operativen Arbeit gewonnenen Erkenntnisse zeigen, daß der Gegner eine Vielzahl seiner Kräfte darauf konzentriert hat, Unruhe an der Staatsgrenze entstehen zu lassen und die friedliche Lösung der Westberlinfrage, die heranreift, zu verhindern.
Zur vorbeugenden, systematischen und offensiven Bekämpfung dieser organisierten Feindtätigkeit
befehle ich:
1. Die Hauptabteilung V/5 im MfS ist für die operative Bearbeitung aller Provokationen von Westberlin und der Deutschen Demokratischen Republik aus gegen die Staatsgrenze in Berlin verantwortlich.
Die Arbeitsgruppe der Hauptabteilung VII, die gemäß der Arbeitsrichtlinie der Hauptabteilung VII vom 31. 7. 1962 gebildet wurde, ist in d[en] Verantwortungsbereich der Hauptabteilung V/5 einzugliedern.
2. Die Hauptabteilung V/5 bearbeitet federführend alle Zentren und Gruppen außerhalb der Republik, die Grenzprovokationen und Menschenhandel betreiben. Alle derartigen Materialien, die sich in den Diensteinheiten des MfS befinden, sind der Hauptabteilung V/5 zuzustellen.
3. Alle Hauptabteilungen und selbständigen Abteilungen im MfS haben sämtliche vorhandenen und neu bekannt werdenden Vorgänge und Informationen über Personen sowie Pkw und andere Beförderungsmittel, welche an Grenzprovokationen oder Schleusungen beteiligt sind, bzw. im Verdacht dieser Feindtätigkeit stehen, der Hauptabteilung V/5 zu melden, um eine gemeinsame Bearbeitung festzulegen.
4. Zur wirkungsvollen und systematischen operativen Arbeit in den Bezirken ist in jeder Bezirksverwaltung ein geeigneter, zuverlässiger und operativ erfahrender Mitarbeiter für die Bearbeitung von Grenzprovokationen und Menschenhandel in der Abteilung V der Bezirksverwaltung einzusetzen.
Über diesen operativen Mitarbeiter ist bis zum 15. September 1962 eine ausführliche Einschätzung zur Bestätigung an die Hauptabteilung Kader und Schulung zu reichen.
5. Die Abteilungen in den Bezirksverwaltungen und die Kreisdienststellen haben an diesen Mitarbeiter alle Materialien wie unter Punkt 2 zu übergehen und die[se] wie unter Punkt 3 zu melden.
Der Mitarbeiter der Abteilung V hat diese Materialien umgehend an die Hauptabteilung V/5 weiterzuleiten und wenn notwendig, Sofortmaßnahmen einzuleiten.
6. Die Hauptabteilung V/5 hat zu sichern, daß alle Informationen, Hinweise, Materialien und Vorgänge, die auf allen Linien des MfS, in den Bezirksverwaltungen und Kreisdienststellen vorhanden sind, zielstrebig operativ bearbeitet werden.
7. Die Hauptabteilung V/5 hat in der Bekämpfung dieser Feindtätigkeit besonders mit folgenden Diensteinheiten des MfS zusammenzuarbeiten:
a) Mit der Hauptabteilung I für die Staatsgrenze Berlin.
b) Mit der Hauptabteilung IX, die alle Materialien und Hinweise von inhaftierten Personen, die über Grenzprovokationen und Methoden des Menschenhandels aussagen, der Hauptabteilung V/5 zustellt. Die weitere operative Bearbeitung ist gemeinsam festzulegen.
c) Mit der Arbeitsgruppe Paßkontrolle und Fahndung.
8. Die Leiter aller Linien und Diensteinheiten haben zur wirksamen Bekämpfung dieser Feindtätigkeit alle Möglichkeiten der vorhandenen IM voll auszunutzen und die Hauptabteilung V/5 damit zu unterstützen.
9. Die Hauptabteilung V/5 hat in der Bekämpfung dieser Art der Feindtätigkeit Weisungs- und Entscheidungsrecht.
10. Der Leiter der Hauptverwaltung B hat für die Hauptabteilung V/5 die entsprechenden technischen Mittel sowie Pkw bereitzustellen.
11. Die Hauptabteilung V/5 hat gemäß dem Befehl eine Arbeitsrichtlinie zu erarbeiten und mir bis zum 5. 9. 1962 zur Bestätigung vorzulegen.
12. Der alte Strukturplan der Hauptabteilung V/5 ist entsprechend dieser Aufgabenstellung neu festzulegen. Der Stellenplan ist über die Hauptabteilung Kader und Schulung mir zur Bestätigung vorzulegen.
Dieser Befehl tritt mit sofortiger Wirkung in Kraft.
Der Befehl 301/61 und die Arbeitsrichtlinie der Hauptabteilang VII vom 31. 7. 1962 sind außer Kraft gesetzt und bis zum 22. 9. 62 an das Büro der Leitung – Dokumentenaufbewahrung – zurückzusenden.
[Erich] Mielke
– Generaloberst –
Dokument 4: Befehl Nr. 506/62
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Befehl zur "vorbeugenden, systematischen und offensiven Bekämpfung" der "organisierten Feindtätigkeit" gegen die Staatsgrenze
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